Dienstag, 4.5.2013. Eifel. Ich habe heute morgen eine freundliche Einladung zu einer Radioshow bekommen: Thema Polizeigewalt. Nun – ich bin dazu sicher nicht der richtige Gesprächspartner, denn ich war ja gar nicht dabei. Ich lese nur darüber – und mache mir so meine Gedanken. Genau genommen weiß ich ja gar nicht, was in Frankfurt wirklich los war, wie alle anderen Bürger bin ich abhängig von den Medien, die in unseren modernen Zeiten ergänzt werden durch „soziale Medien“, die der von der deutschen Bundesregierung hoch geschätzte Herr Erdogan überhaupt nicht mag „Für mich sind die sozialen Medien die schlimmste Bedrohung der Gesellschaft.“ (siehe Bloomberg zitiert bei Golem.de).
Stimmt, denn so ist die lang aufgebaute Lufthoheit von Politik und Wirtschaft über den Stammtischen in Gefahr, die vielen Milliarden Euro, die in Gehälter, Gagen, Werbung und Events fließen, möglicherweise ganz umsonst investiert, weil die Kontrolle über das Bewußtsein der Bürger zu entgleiten droht. Nur den sozialen Medien habe ich es zu verdanken, dass ich von einem Massenprotest in Japan erfahren habe, über den in Deutschland scheinbar niemand berichten mag: 60 000 Menschen demonstrierten dort gegen Atomkraft, eine Demonstration, die zudem noch durch 8 Millionen Unterschriften unterstützt wurden (japandailypress).
Ohne soziale Medien hätte ich auch nicht die Liveberichterstattung von Wolfram Siener mitbekommen, hier auf Facebook:
Meine Partnerin und ich sind gerade vom Camp zurück gekommen, wir haben in den letzten 48 Stunden Dinge erlebt, die man vielleicht den Russen zutraut.
Ihr wisst sicher einiges schon, aber ich wollte euch sagen, was ich verifizieren kann und eventuell Extras beisteuern.
Ich fasse mich aufgrund unseres Energiezustandes sehr kurz:
(Sie = Die Polizei / Obrigkeit)
– Sie haben Kinder mit Pfefferspray behandelt
– Einem Kind das Schlüsselbein gebrochen
– Sie haben unsere Ketten (passiver Widerstand) mit Schlägen gebrochen, als die Kameras aus waren
– Mindestens 500 Verletzte, mehrere Schwerverletzte
– Uns das Filmen verboten
– Uns mit Vorwänden gekesselt
– Uns in eine strategische Falle gelockt (eigentlich haben sie uns von vorne bis hinten verarscht, verzeiht den rauen Ton)
Sie wussten, dass wir niemals auch nur aus der Hofstraße/Berliner Straße heraus kommen würden.
Der Ort, an dem sie uns gekesselt haben, war für sie strategisch perfekt. (Gut zu erreichen, gut von außen nachzuversorgen, einfach zu kesseln, schmal und übersichtlich.) Wir wurden dort von niemandem in der Innenstadt direkt wahrgenommen, neben uns war neuneinhalb Stunden lang (so lange ging der Kessel) eine Baustelle und ein geschlossenes Museum…
Nach der Berliner Straße kam NICHTS MEHR an Polizeiaufgebot! Unser Endziel des Demozuges war übrigens abgesperrt…
Nun, der junge Mann ist etwas erregt – ebenso wie ich, wenn ich erfahre, das deutsche Polizisten Gewalt gegen Frauen und Kinder ausüben, ja sogar Kindern das Schlüsselbein brechen. Ohne soziale Medien wüssten wir nichts davon … und da verstehe ich auf einmal den Herrn Erdogan.
Ebenso wüsste ich nichts von dem ARD-Reporter, der vergeblich versucht hat, gewaltbereite Demonstranten zu filmen – wir verlinken hier nicht mal aus Gründen des Datenschutzes.
Natürlich kann man sich fragen, muss man sich fragen: wie glaubwürdig sind denn diese Einzelaussagen von Teilnehmern? Nun – die fünfhundert Verletzen glaube ich erstmal nicht, das kann eine einzelne Person gar nicht überblicken. Den Schlüsselbeinbruch zu diagnostizieren, scheint mir schwer – aber nicht unmöglich. Den Einsatz von Pfefferspray gegen Kinder halte ich hingegen für sofort glaubhaft – zumal die Frankfurter Rundschau die Angriffe gegen zweijährige bestätigt. Schade nur, dass das ARD etwas anderes filmen wollte – aber die sind „öffentlich-rechtliches Fernsehen“, d.h. die zeigen uns, welche Weltsicht die aufsichtsführenden Parteien in den Gremien der Sendeanstalten gerne verbreitet haben wollen. Oft ist das harmlos … aber eben nicht immer.
Natürlich kann man sagen, dass Wolfram Siener eine Verschwörungstheorie formuliert – aber, was in den öffentlich-rechtlichen Medien und dem privaten Wahnfunk gerne vergessen wird: aus Theorien kann ganz schnell Realität werden, Theorien stellen oft nur Wahrheiten im Rohzustand dar.
Heute meldet das Neue Deutschland:
Während Politiker von Linken, Grünen und SPD politische Aufklärung über den massiven Polizeieinsatz gegen die Blockupy-Demonstration am Samstag verlangen, mehren sich die Hinweise, dass die stundenlange Einkesselung von Hunderten Aktivisten geplant gewesen war. Dies hatten das Protestbündnis und Politiker bereits am Samstagabend vermutet.
Nun berichtet die „Bild“-Zeitung, mehrere Polizisten hätten ihr gegenüber anonym bestätigt: „Der Kessel war geplant“.
Sogar die Bildzeitung beteiligt sich an dieser Verschwörungstheorie. Schon ist sie anerkannte Wahrheit.
HR-Online berichtet heute von der Pressekonferenz der Polizei:
Doch dann fragt eine FAZ-Journalistin, warum auch Personalien von Journalisten erfasst worden seien. Auf die Frage nach Fällen meldet sich ein weiterer FAZ-Journalist und schildert, wie seine Personalien trotz Presseausweis aufgenommen wurden.
Rhein versichert, dies werde man prüfen. Doch schon meldet sich ein RTL-Reporter: Seinem Kameramann sei am Samstag ein Bein gestellt worden, ein Polizist habe ihm gesagt: „Verpiss dich.“
Ein Journalist der „Frankfurter Rundschau“ berichtet von einem gefährlichen Armstoß. Auf die Frage, warum sie einen OP-Mundschutz trügen, hätten Beamte ihm gesagt: „wegen euch“.
Das sind staatstragende Medien. Die wissen genau, was Polizisten sind: Arbeitslose in Uniform. Ja – wie alle Staatsdiener seit Jahrhunderten sind es Menschen, die von der Arbeit befreit sind, damit sie dem Gemeinwesen dienen können. Viele Polizisten in Frankfurt haben wohl völlig vergessen, dass sie gerade auf ihre Arbeitgeber einprügeln.
Aber sie bereiten sich ja wohl auch auf eine neue Rolle vor. Bundeskanzlerin Merkel will heute die Weichen für ein Europa von Morgen stellen (siehe CDU) – und unter dieser Prämisse sieht der Polizeieinsatz gleich ganz anders aus. Zwar kommen auch kritische Sätze von Frau Merkel zum Beispiel im Stern
Bundeskanzlerin Angela Merkel verfolge das harte Vorgehen der Polizei mit Sorge, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin: Das Gebot der Stunde ist Deeskalation und Dialog.
Man freut sich im ersten Moment, denn Deeskalation und Dialog sind in der Tat die Kennzeichen einer Demokratie und ihrer Methoden zur Konfliktbewältigung, leider ist die Freude nur aufgrund meiner Auslassung da: Merkel meinte das harte Vorgehen der türkischen Polizei … ich hatte das mal kurz entfernt.
In Deutschland ist das Vorgehen der Polizei jedoch ok, hier hören wir von Merkel nichts zu den Vorfällen in Frankfurt.
Warum?
Ein Blick in den Spiegel hilft weiter:
Fünf Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise ist die Arbeitslosenquote in vielen Industriestaaten deutlich gestiegen – und somit auch das Risiko sozialer Unruhen. Europa sei von dieser Entwicklung besonders stark betroffen, schreiben die Uno-Experten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in ihrem Weltarbeitsmarktbericht 2013. Deutschland allerdings gehört laut den Angaben zu den wenigen Ländern, in denen die Beschäftigungsrate höher ist als vor der Finanzkrise.
Man achte auf das Wort „Beschäftigungsrate“. Da sind auch jene drunter, die gerade im Bewerbungstrainung sind, in Jobcenterkaufläden echtes Leben simulieren, ihren dritten Gabelstaplerfahrerschein machen oder 10 000 -Teile-Puzzles auf Vollständigkeit überprüfen – von den Millionen Niedriglöhnern, Leiharbeitern und Halbtagsfrustrierten mal ganz abgesehen. Das jedoch wird dem Ausland nicht mitgeteilt, würde es doch den Mythos vom deutschen Jobwunder zunichte machen. Das wir Milliarden für die Fälschung der Statistik ausgeben, die bei notleidenden Menschen besser aufgehoben wären, wird gerne verschwiegen – das „erfolgreiche“ soziale Kontrollexperiment Hartz IV könnte so nicht über Europa ausgebreitet werden.
Insofern sind martialische Maßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung dringend erforderlich, erhebt sich Widerstand in Deutschland, wäre die Disziplinierung des ganzen Kontinents in Gefahr.
Aus dieser Sicht wird eine ganz andere Maßnahme sehr plausibel, siehe Bundestag
Die Bundeswehr wird bis zum Jahr 2014 insgesamt 30 sogenannte Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanien in Dienst stellen. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/13384) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/13052) mit.
Man sollte sich den Text genau durchlesen:
Zudem sollen die Angehörigen der Kompanien „die Funktion als zivil-militärische Mittler und Multiplikatoren gegenüber den zivilen Stellen und Akteuren“ in den jeweiligen Regionen ihrer Standorte wahren, heißt es in der Antwort. Eingesetzt werden könnten die Sicherungs- und Unterstützungskompanien im Inland gemäß des Grundgesetzes wie alle Kräfte der Bundeswehr aber auch im Fall von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen oder zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand des Bundes oder der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Weitere Aufgaben lägen in der Unterstützung der Landeskommandos bei der Personalwerbung und der Öffentlichkeitsarbeit. Nach Angaben der Regierung mache eine derzeit zwar „weniger wahrscheinliche, aber mittel- und langfristig nicht auszuschließende Veränderung der sicherheitspolitischen Lage“ eine „umfassende Sicherheitsvorsorge“ notwendig. Der „nicht auszuschließende Eintritt des Bündnis- beziehungsweise Landesverteidigung“ erfordere dafür eine „erhöhte Aufwuchsfähigkeit“.
Eine mittel- und langfristig nicht auszuschließende Veränderung der sicherheitspolitischen Lage … sind das die Weichen für ein Europa von Morgen?
Wenn wir nach Frankfurt schauen: offensichtlich.
Passend dazu gibt es jetzt am 6.6.2013 übrigens das erste Mal seit dem zweiten Weltkrieg wieder „Feldpost“-Briefmarken für die Bundeswehr, siehe dfg/vk.
Eine solche Verrohung der Polizeigewalt, eine solch offene Ignoranz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch CDU, SPD und Grüne (die Bügermeisterin ist von der SPD, die Grünen regieren mit in Hessen), eine solche Brutalität gegen Kleinkinder und Journalisten lässt sich nur dadurch erklären, dass alle an einem gemeinsamen Ziel arbeiten.
Sicher: das ist Verschwörungstheorie.
Aber: wenn ich Ihnen letzte Woche erzählt hätte, dass Polizei und Politik bewusst und gewollt eine genehmigte und juristisch abgesegnete Demonstration durch eine Verschwörung gegen die Demonstranten torpedieren werden, dabei mit dem Einsatz von Schusswaffen drohen und gerne „Birnen zu Matsch hauen„, dann hätte man mir üble Verschwörungstheorie vorgeworfen.
Das die deutsche Bundeskanzlerin Deutschland auf einen neuen Krieg vorbereitet und jetzt schon mal 30 neue Rekrutierungsbüros errichtet (so nennt man das in den USA, glaube ich), von denen aus auch schnell die Zerschlagung von Demonstrationen organisiert werden kann, geht an der Öffentlichkeit wohl völlig vorüber, weil es in feine Worte gesponnen ist.
Dann aber, wenn der Kriegsausbruch droht, brauchen wir eine Polizei, die hart durchgreifen kann, damit „wir“ „unsere“ Bündnisverpflichtungen erfüllen können. Da können wir keine „Bürger in Uniform“ gebrauchen, die zögern, Schlagstöcke und Gas gegen Zweijährige einzusetzen.
Für ein neues Deutschland, für ein neues Europa, für eine neue Weltordnung brauchen wir Polizisten wie der Erdogan sie hat, Polizisten die ihren Arbeitgeber und Souverän als FEIND begreifen und entsprechend mit ihm umspringen.
Ist doch logisch, oder?
Deutschland ist ja wieder wer. Hier arbeiten alle: Kranke, Behinderte, Mütter, Kinder, ja, sogar unsere Alten schuften bis zum Umfallen (was sehr schonend für die Rentenkassen ist) während die kommunistischen Chinesen mit sechzig in den Ruhestand gehen. Noch niemals haben sie so viele Menschen wie zuvor so sehr abgerackert – sagt die Zeit:
Während sich in vielen Ländern Europas Krisensymptome mehren, sorgt der Aufschwung in Deutschland weiter für Rekordzahlen. Insgesamt hatten 2010 insgesamt 40,37 Millionen Männer und Frauen einen Job – 197.000 oder 0,5 Prozent mehr als 2009, teilte das Statistische Bundesamt mit. Gleichzeitig sank die Zahl der Erwerbslosen im Jahresdurchschnitt um 297.000 Personen auf 2,93 Millionen – ein Rückgang um 9,2 Prozent.
Das ist eine Meldung, wie man sie in den Chefetagen von Politik und Wirtschaft (na, ist ja mitlerweile eigentlich dasselbe, bei dem dauernden Wechsel hin- und her) total gerne hört. Dumm ist nur, das zeitgleich der Bertelsmannkonzern – ansonsten ja nicht gerade der Anwalt des kleinen Mannes – eine Studie veröffentlicht, die die Schattenseiten der Arbeitswut laut FAZ deutlich aufzeigt:
Da gibt es auch interessante Details:
Die größten Defizite habe Deutschland beim Zugang zu Bildung und Arbeit sowie der Vermeidung von Armut. Es könne nicht dem Gerechtigkeitsanspruch einer der reichsten Industrienationen genügen, dass jedes neunte Kind in armen Verhältnissen aufwachse, Bildungschancen stark von sozialer Herkunft abhingen und viele Menschen, insbesondere Geringqualifizierte, dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen seien, heißt es in der Studie. Zum Vergleich: In Dänemark seien weniger als 3 Prozent der Kinder arm.
Konkret heißt das:
In Deutschland sind danach 9,3 Prozent der Menschen arm, 1995 waren es nur 7,1 Prozent.
Und wir würden noch schlechter dastehen, wenn die Ergebnisse der Studie nicht unseren schwulen Außenminister, unsere Kanzlerin und die Politiker mit Migrationshintergrund berücksichtigen würden:
In Deutschland habe die Ungleichverteilung der Einkommen in den vergangenen zwei Dekaden stark zugenommen, hohe Standards herrschten aber bei der Vermeidung von Diskriminierung.
Kurzfassung: die deutsche Wirtschaftsordnung ist eine Ungerechtigkeitsmaschine, in der aber immer mehr Stellen besetzt werden – so viele, das wir bald weitere Billigarbeiter aus dem Ausland brauchen. Niedriglohnland im Aufschwung.
Da sollte man vielleicht nochmal auf die Statistik zurückkommen, hier die ILO:
Während die Arbeitnehmerverdienste in den Vereinigten Staaten von 2000 bis 2009 inflationsbereinigt um moderate 2,2 Prozent stiegen, fielen sie in Japan um 1,8 Prozent und gingen in Deutschland um insgesamt 4,5 Prozent zurück. Nominal stiegen die durchschnittlichen Monatsverdienste in Deutschland in diesem Zeitraum zwar um +10,2 Prozent, was jedoch unter der Steigerung der Verbraucherpreise von +15,4 Prozent im gleichen Zeitraum lag, so dass den Arbeitnehmern unter dem Strich ein Minus bleibt. Deutlich positiver war die Entwicklung in nordeuropäischen Ländern wie Finnland (inflationsbereinigtes Wachstum: +22,0 Prozent) und Schweden (+14,4 Prozent), aber auch in der Republik Korea (+18,3 Prozent), Australien (+15,5 Prozent), Großbritannien (+14,0 Prozent), Neuseeland (+13,4 Prozent) und Singapur (+11,2 Prozent). Länder in Asien und Osteuropa wiesen teilweise noch deutlich höhere Reallohnsteigerungen auf.10Neben den moderaten Tarifabschlüssen der vergangenen Jahre sind die Ausweitung des Niedriglohn-Sektors und die Zunahme von atypischen Beschäftigungsformen11 – wie Zeitarbeit und 400-Euro-Jobs – wesentliche Gründe für das schlechte Abschneiden Deutschlands. So liegen die Stundenverdienste atypisch Beschäftigter nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund ein Drittel unter denen von Normalarbeitnehmern.
Hinzu kommt eine geringere Wochenarbeitszeit, so dass die Monatsverdienste atypisch Beschäftigter deutlich unter denen von Normalarbeitnehmern liegen. Der höhere Anteil von atypisch Beschäftigten führt dazu, dass die durchschnittlichen Monatsverdienste aller Arbeitnehmer im Jahr 2009 mit 2.154 Euro brutto im Monat deutlich unter dem Niveau der 1990er Jahre lagen (zu Preisen von 2005; siehe Abbildung 2). Zahlen für die ersten drei Quartale des Jahres 2010 zeigen, dass sich der Trend der Vorjahre verstetigt hat und die Bruttomonatsverdienste abermals auf nunmehr 2.113 Euro gefallen sind (nicht saisonbereinigt). Die rückläufige Lohn- und Gehaltsentwicklung ist damit die Kehrseite des erfreulichen Beschäftigungssaldos Deutschlands.
Man sollte die Regierung und die Medien verpflichten, bei jeder Jubelmeldung über die sensationellen Beschäftigungszahlen in Deutschland immer hinzuzufügen, das die Arbeiter in Deutschland für ihre Arbeit immer weniger Geld kriegen, weil wir hier auf dem besten Wege sind, wieder in der nationalsozialistischen Arbeitsschlacht oder den Gratisarbeitsidealen des real existierenden Sozialismus zu versinken – beides Modelle, die Großkonzernen sehr gefallen. Volle Arbeitsleistung für halben Lohn bringt Superrenditen, da freut sich die Börse und der Sohnemann kriegt endlich den neuesten Porsche.
Und Lohnerhöhungen wegen Aufschwung …. braucht man gar nicht dran zu denken, die hat man laut Welt nämlich schon bekommen:
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Dennis Snower, sieht nur einen „geringen Spielraum“ für Lohnerhöhungen.
Snower sagte, die Arbeitnehmer seien bereits am Wirtschaftsaufschwung beteiligt, „da die Arbeitslosigkeit gesunken und die Beschäftigungssicherheit gestiegen ist“. Eine Beteiligung in Form höherer Löhne sei nur dann angemessen, wenn sie „den längerfristigen Marktverhältnissen entspricht oder mit einer Risikoteilung verbunden ist“.
Kurzum: Arbeitnehmer sollen noch mehr als bisher für Firmenpleiten haften, wenn Manager den Laden mal wieder in den Sand gesetzt haben.
Wo sind eigentlich die Wutbürger, wenn man sie mal braucht? Für Bäume im Schloßpark zetteln sie die Revolution an, gegen Atommüll setzen sie ihr Leben aufs Spiel, aber für den Erhalt der sozialen Marktwirtschaft gegen die Etablierung des Reichsarbeitsdienst kriegt sie keiner auf die Straße. Gut zu sehen, das es noch Menschen gibt, die nicht aufhören sich über die Rettung der Welt Gedanken zu machen: zum Beispiel hier in der FAZ:
Trauen Sie endlich Ihrem Gefühl, dass um Sie herum ein großes Illusionstheater stattfindet. Die Kulissen simulieren Stabilität, aber das Stück ist eine Farce: Immerfort treten dicke Männer auf und brüllen „Wachstum!“, Spekulanten spielen Länderdomino, und dauernd tänzeln Nummerngirls mit Katastrophenbildern über die Bühne. Das Publikum ist genervt und wütend, bleibt gleichwohl bis zum Ende der Vorstellung sitzen. Aber: Wann wird das wohl kommen?
Langsam aber sicher erreicht die Erkenntnis, das auch ein Absturz die Illusion enormen Tempos erzeugen kann, weite Teile der Bevölkerung, auch wenn die Kanzlerin laut tönt: wir flogen noch nie so schnell wie heute und die Arbeitsministerin flötet: ich gehe davon aus, das wir alle gut ankommen.
Vielen Dank dem Leser AIDIL für den Hinweis auf die Tipps zu Rettung der Welt … sie sollten ebenfalls jeden Tag in jedem Nachrichtenmagazin erscheinen.
Aber vielleicht ist das deutsche Paradies wirklich ein Arbeitslager – alle haben Arbeit, aber die kostet nix. Und die Bundeswehr macht schon mal vor, wie man zukünftig Mitarbeiter motiviert – hier laut Welt:
„Eine Bohnermaschine (eine mobile Maschine mit einer großen elektrisch betriebenen Borstenscheibe) wurde in Betrieb gesetzt und dem Rekruten an den nackten Hintern gehalten, bis dass dieser rot war.“
Beim Spiel „Jukebox“ werde ein Soldat in seinen Spind eingeschlossen und darin dann umgestoßen, während er bestimmte Lieder singen müsse.
Möglicherweise … ist der Deutsche an sich doch ein seltsames Wesen mit einem merkwürdigen Sinn für Humor.