Hungerstreik

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Klima-Kommissariat | Was dem Wahlkampf fehlt | Innovative Verbote

Hungern für das Klima – in der Idee liegt sicherlich ein wahrer Kern. Denn solange sich die Menschheit so ernährt wie in den letzten 150 Jahren, zieht das Klima ständig den Kürzeren. Sieben junge Aktivisten – mittlerweile sind es sechs – wollen das Klima mit einem Hungerstreik retten. Sie kampieren seit Ende August am Spreebogen vor dem Reichstag. Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Bärbock sollen zu ihnen kommen und öffentlich über den Klimawandel diskutieren, so die eine Forderung. Ein Klima-Bürgerrat soll dringend einberufen werden, so die andere. Abiturprüfungen sind dem Klimakampf schon geopfert. Gesundheitlich geht es den jungen Menschen denkbar schlecht. Aber auch dieses Selbstopfer nehmen sie in Kauf. Annalena Bärbock hat mit ihnen telefoniert. 15 Minuten lang. Sie mache sich Sorgen. Aber eigentlich habe sie nur ihre Parolen loswerden wollen, sagen die Aktivisten. Die Bundesregierung mache sich Sorgen, sagt der Regierungssprecher. Auch die anderen Kanzlerkandidaten. Nur persönlich vorbeikommen ist halt schwierig, bei dem engen Terminplan. Und außerdem sei der Hungerstreik keine gute Idee. Und der Staat dürfe sich nicht erpressen lassen, das wisse man seit Helmut Schmidt und dem Deutschen Herbst.

Bei allem menschlichen Mitleid, ist die theatralische Hungerraktion eine groteske Krönung einer ad Absurdum getriebenen politisch-medialen Panikmache, die nun in einer akuten Klimahysterie gipfelt. Welche die Gesundheit junger Menschen ernsthaft bedroht, die psychische wie die körperliche. Und ihren Schulabschluss sowieso. Außer sie wollen später Politiker werden und brauchen keinen. Denn copy-pasten geht auch ohne Abitur.

Den Glauben, die Erderwärmung lasse sich mit einem Klima-Kommissariat oder einem persönlichen Besuch der drei Kanzlerkandidaten aufhalten, kann man naiv und gutmenschlich finden. Wenn er bloß nicht solche skurrilen Blüten getrieben hätte wie Hungern für das Klima. Und wenn nicht die Spitzenkandidaten, dann kommt vielleicht die Band Suchtpotenzial zu einem Freikonzert vorbei. Ein passendes Lied hat sie schon.

„Da hilft nur ficken, ficken… für den Frieden“

Die drei Hauptwahlkämpfer haben derweil viel zu tun. Insbesondere die der Union und der Grünen, die gegen den Trend ankämpfen müssen. Der SPD-Kandidat dagegen braucht nur den Trend zu verwalten. Was er auch beim jüngsten Fernseh-Triell getan hat. Diese brachte die Erkenntnis, Olaf Scholz kann wach sein und Armin Laschet unverkrampft.

Kein Wort über die Außenpolitik, keine einzige Frage über Europa, Deutschland verharre in seiner Blase – ungefähr so klang das Lamento im Netz nach der jüngsten Kanzlerkandidaten-Runde. Unsinn. Erstens, ist es völlig nachvollziehbar, dass sich die Wahl an den innenpolitischen Themen entscheidet. Zweitens, war es nur vernünftig von der Moderation, dem Zuschauer irrelevanten Wortschwall über Bekenntnis zu einem gemeinsamen starken Europa zu ersparen. Kann man einfach überspringen ohne inhaltliche Verluste und die teure öffentlich-rechtliche Sendezeit sparen. Und drittens, wie sollen sich die Kandidaten außenpolitisch profilieren, wenn die Grundrisse der deutschen Außenpolitik von Berlin nur bedingt mitbestimmt werden. Das entscheidende Wort liegt bei Washington. Man kann ebensowohl Anthony Blinken danach fragen, wie die Bundesrepublik demnächst außenpolitisch ticken wird. Er sollte es besser wissen.

Übertreibung? Mitnichten. Die Bundesrepublik ist als Mitglied in einem Militärpakt per se nur bedingt souverän. Dazu noch als ein Junior Partner, dem historisch die Rolle des vorgeschobenen US-Raketenträgers zukam. Aber weit über die formalen Bündnisrestriktionen hinaus macht die angeeignete Selbstunterwerfung ihrer politischen Klasse dem großen Beschützer vor den Gräueln einer Selbständigkeit die deutsche Außenpolitik zu einem Hohlglöckchen am Steigbügel des Hegemons. Wenn Annalena Bärbock eine aktive Außenpolitik verspricht, dann ist darunter nichts Anderes zu verstehen, als noch mehr Eifer, noch mehr Selbstaufopferung im Einsatz für die wechselhaften US-Interessen. Die, wie Afghanistan es abermals deutlich gemacht hat, kurzfristig und ohne Vorwarnung umdefiniert werden können. Und jemand soll bitte erklären, wie 20 Jahre Vorlauf zum Fiasko am Hindukusch mit 59 Toten und 125 Verwundeten unter fremder Ägide sowie bis heute nicht bekannten Kosten den deutschen Interessen gedient hat.

Chen Guangcheng: chinesischer Dissident – und blind

Chen Guangcheng: chinesischer Dissident – und blind

Der Mut und die Unbeugsamkeit mancher Menschen ist zutiefst beeindruckend. Und nur dank dieser Menschen ist eine Weiterentwicklung hin zu einer menschlicheren Gesellschaft überhaupt denkbar. Sie sind wie Leuchttürme vor den Küsten eines fast schon in Vergessenheit geratenen Kontinents der Menschlichkeit, der Solidarität und der Verwirklichung des Traums „Menschheit“ als gemeinsame Vision. Und wir sind Bootsflüchtlinge in einer von Egoismus und Gewalt zerwühlten See, dem sicheren Untergang geweiht, wenn da nicht die Leuchttürme wären.

Chen Guangcheng, der chinesische Dissident, ist so ein Leuchtturm. 1971 geboren und seit früher Kindheit blind, setzte er sich während vieler Jahre gegen die menschenverachtende Ein-Kind-Politik der chinesischen Regierung ein, indem er Dorfbewohner in der ostchinesischen Provinz Shandong juristisch beriet, die sich gegen Zwangssterilisationen und erzwungene Schwangerschaftsabbrüche zur Wehr setzten. Das rechtliche Rüstzeug dazu eignete er sich im Selbststudium an, wohl nicht zuletzt weil ein blinder junger Mensch in der Provinz kaum Chancen auf eine höhere Ausbildung hat.

Natürlich geriet Chen Guangcheng durch sein Engagement ins Visier der lokalen Behörden und wurde nach längerer Zeit des Hausarests zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt – wegen „vorsätzlicher Zerstörung von Gemeineigentum und der Behinderung des Strassenverkehrs“. In der Haft wurde er im Auftrag der Gefängnisaufseher von seinen Mitgefangenen aufs brutalste zusammengeschlagen, weil er sich weigerte, sich den Kopf kahl scheren zu lassen, was in China als Kennzeichnung von Verbrechern gilt. Aus Protest trat er darauf in Hungerstreik. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis im September 2010 wurde Chen Guangcheng sofort wieder unter Hausarrest gestellt und wird seitdem durch die chinesischen Behörden und durch eigens für ihn abbestellte Sicherheitsbeamte aufs gröbste schikaniert. Diese „Beamte“ haben vor kurzem Journalisten von Le Monde, Le Nouvel Observateur und des Radiosenders RFI daran gehindert, den Dissidenten in seinem Haus zu besuchen.[1] Seit Jahren setzen sich Amnesty International und Human Rights Watch für ihn ein.

Im Jahr 2002 soll der blinde Dissident gesagt haben: „Ich will für die Menschen, die nie das Licht der Gerechtigkeit gesehen haben, eine Lampe anzünden – und koste es mich mein ganzes Leben.“

Wahrlich ein Leuchtturm! Und was besonders beeindruckt: Ein blinder Sehender stellt sich aus innerster Überzeugung gegen sehende Blinde – trotz Verurteilung und Einschüchterung, trotz gröbster Gewalt und Isolation.

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Fussnote:

[1] Siehe Meldung AFP

Weiterführende Links:

Bild via http://www.amnesty.fr/

Walter Bs Textereien
http://walbei.wordpress.com/

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