Hexenwahn

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Unangemeldeter Polizeibesuch beim Nachrichtenspiegel – update: Deutschland im Wahn

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Mittwoch, 26.4.2023. Eifel. Vor genau sechs Monaten verabschiedeten wir uns und stellten den Nachrichtenspiegel – der nun im vierzehnten Jahr besteht – ein. Der Hintergrund ist bekannt: eines Morgens standen nette und überaus freundliche Polizeibeamte vor der Tür, laut Ausweisen aus Krefeld. Sie wollten mit uns über den Nachrichtenspiegel sprechen – wirkte etwas wie jene, die an der Tür klingeln, um über Gott zu reden. Sie legten eine bedrohlich wirkende Akte auf den Tisch und plauderten munter daher, wollten dies und das wissen – vor allem aber, mit welchen politischen Gruppierungen wir sonst noch so zu tun haben. Hätten sie mal mich gefragt, hätte ich ihnen gleich eine Antwort geben können, jenseits aller Vermutungen, Verdächtigungen und Unterstellungen: mit keiner! Wie es sich für Journalisten gehört – auch für jene, die sich dem Feld „politischer Kommentar“ widmen – machen wir uns mit nichts und niemandem gemein, stehen kritisch jeder Form von Macht gegenüber: der Staatsmacht, der Wirtschaftsmacht, der Wissenschaftsmacht und den gesellschaftlichen Mächten. Als „vierte Macht“ ist es Aufgabe des Jounalismus, die anderen Mächte zu beobachten und genau hinzuschauen, ob da nicht was schräg wachsen könnte. Natürlich ist man da sensibler … wie die Feuerwehr, die schon kritisch schaut, wenn man Zigarettenkippen in den Papierkorb wirft: da muss nicht sofort was passieren, da kann aber was passieren – und wenn da was passiert, ist Holland in Not, dann sind schnell Sachwerte in Gefahr, Menschenleben – vielleicht sogar ganze Stadtteile. Das möchte man nicht, darum schaut man etwas vorsorglicher und fürsorglicher, daran ist nichts verwerfliches, erst recht nicht in Deutschland, das schon erleben durfte, was passiert, wenn Macht entgleist, unkontrollierbar ist und wenn die Mächtigen eine tödliche Allianz bilden, um sich „unerwünschter Elemente“ zu entledigen.

Man hätte auch selber darauf kommen können: immerhin steht was in unserem Titel: „Nachdenkmagazin“. Wir möchten zum Nachdenken anregen. Wissenschaftlich. Auch mit etwas Humor, unterhaltsamerer Sprache: ein Hobby von zwei Rentnern, die sich – sozusagen ehrenamtlich – an der Meinungsbildung der demokratischen Bundesrepublik beteiligen. Wer denkt, wir wären Agenten irgendeiner gesellschaftlichen Gruppe, der irrt gewaltig – und scheint auch intellektuell schnell überfordert zu sein.

Was nun erwähnt werden darf, ist die enorme Flut von Hilfsangeboten, die wir erhalten haben – auch finanzieller Art. Auf die großen Angebote haben wir erstmal nicht zurückgegriffen, keine großen Solidaritätsaktionen befördert – uns reichte, das ein Anwalt Akteneinsicht beantragen konnte … nur: es gab keine Akte, wie ich schon erwartet hatte. In dem Ordner, der auf dem Tisch lag, waren wohl nur die Bildzeitungen der letzten Wochen, um Eindruck zu machen, um einzuschüchtern … oder um sich selbst sicherer zu fühlen. Womöglich war den Beamten das sogar gar nicht lieb, dass sie dort auflaufen mussten, um … womöglich Reichsbürger zu entdecken.

Als hätten wir uns nicht schon genug zu Reichsbürgern geäußert, ich warte schon seit Jahren auf die Antwort auf meine Frage, welches Reich denn da entstehen soll: Kaiserreich, Drittes Reich, Himmelreich? Es sind einige Menschen darunter, denen ich keine üblen Absichten unterstellen möchte: schon in den siebziger Jahren kursierte ein Buch unter den kritischen Bürgern, in dem ein Oglala-Sioux uns davor warnte, dass nur Stämme unsere Wirtschaftsordnung überleben werden (siehe Vine Deloria, von Beruf Rechts- und Politkwissenschaftler bei Buch24): womöglich versucht da jemand aus Angst und Sorge vor der gesellschaftlichen Entwicklung Stämme zu Formen – Freundeskreise – die sich in Notzeiten unterstützen können … sozusagen Bürgergewerkschaften. Das da auch Könige herumlaufen – nun ja: wir hatten in Aachen mal einen Arbeitslosenkönig gewählt … ein entsprechender Zeitungsartikel ist leider im Netz nicht mehr aufzufinden, aber ich habe ihn persönlicher mehrfach getroffen- auf ein paar Bier in Aachen. Ein feiner Mensch – viel zu früh gestorben. Und auch sonst ist Deutschland voll von Prinzen, Prinzessinnen und anderen Narren, wenn die närrische Zeit wieder irre Zustände hervorruft: obwohl es mir persönlich lieb wäre, werden die auch nicht von der Polizei aufgesucht.

Nun könnte man ja sagen: dann ist ja doch alles in Ordnung. Keine Akte, keine Anschuldigungen, keine Beweise … kein Problem.

Aber nicht für uns.

Wir haben eine sehr heterogene Leserszene, ich kenne immer mehr persönlich. Viele Akademiker, viele Unternehmer, Handwerker, Arbeitslose, Rentner, Politiker, Bundeswehrangehörige, Rechtsanwälte, Hausfrauen – sogar ein hochrangiger Politoffizier aus Brüssel ist darunter. Hier lesen Wähler der CDU, der CSU, der SPD, der Linken, der AfD, Kommunisten, auch mal ein echter Nazi (ja, dieser „Honigmann“ und seine Szene – die haben wir aber verscheucht, hoffe ich), Anarchisten … aber zumeist Menschen, die eine Freude daran haben, selber zu denken, sich selbst aus der Flut der Informationen ein Bild der Welt zu machen, um Entscheidungen für die persönliche Zukunft fällen zu können, wie es für den Souverän dieses Landes selbstverständlich sein sollte.

Und die Förderung des eigenen Denkens scheint in einer Demokratie dringend geboten – immerhin sind WIR, die Gemeinschaft der Bürger, der Souverän dieses Landes, aller Gewalt geht ursprünglich von uns aus – auch wenn man das immer weniger merkt.

Darf ich daran erinnern, das unsere Denkkompetenz vielerort schon öffentlich in Frage gestellt wurde? Stefanie Bonner: Generation Doof. Frank Schirrmacher: Ego. Thomas Wieczorek: Die verblödete Republik. Und nicht zu vergessen: Neil Postman – Wir amüsieren uns zu Tode. Alles Bücher – bitte selber recherchieren – die ein gewaltiges Problem der demokratischen Zivilgesellschaft benennen: die Menschen werden dümmer. Das wird sogar von der Wissenschaft bemerkt: der IQ sinkt seit Jahren (siehe Focus). Die Intelligenzforschung ist sich noch unschlüssig, wo das herkommt – ich würde aber mal die oben genannten Bücher zu Rate ziehen – auf Wunsch kann ich noch ein Dutzend mehr liefern.

Niemand unserer Leser – auch nicht die Anhänger der Regierungskoalition – hat verstanden, warum wir die Polizei im Haus hatten. Niemand hat uns beschwichtig und gesagt: ihr reagiert über, das ist doch nicht so schlimm. Niemand. Kein politisches Lager machte sich auf, diese Polizeiaktion zu verteidigen … aber es war zu spüren, dass sich Verunsicherung und Angst breit machte. In dem Zusammenhang: vielen Dank für die vielen Angebote für Fluchtwohnungen … aber mal ehrlich: wenn Menschen wir wir flüchten müssen, dann kann bald jeder das Land verlassen. Wir sind ganz normale Menschen, die sich dem alten Erziehungsziel „Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung“ verpflichtet fühlen – und der Nachrichtenspiegel ist unser Beitrag dazu. Wir nehmen – noch – kein Geld (diskutieren aber darüber, ob wir nicht irgendwas einrichten. wo sich Geld sammelt, auf das wir  zurückgreifen könnten, wenn die Mächte und Gewalten der Welt wieder durchdrehen), arbeiten also im viel geschätzten „Ehrenamt“.

Was diese Aktion bedeutet – für uns – das die Exekutive (wie auch immer organisiert) – ohne Kontrolle durch die Lande marschiert und Bürger verunsichert. Wer politische Bildung genossen hat, weiß, in welche Richtung wir uns da bewegen: woanders nennt man das Polizeistaat. Wo die wissenschaftliche Methode „These-Antithese-Synthese“ empfiehlt, gelten in solchen Gemeinschaftsformen andere Gesetze: These – und bei Antithese Polizeibesuch.

Wir formulieren aber gerne Antithesen – auch, wenn sie nicht immer unsere eigenen Überzeugungen darstellen. Hatte ja vor allem ich oft, dass Leser gemerkt haben, dass ich auch gegensätzlicher Positionen darstelle – umfangreich. Gehört zur wissenschaftlichen Methodik – und wenn ich der Meinung bin, dass mir da zu wenig Antithese in der Öffentlichkeit ist, formuliere ich sie eben selber. Und da ist reichlich zu tun, denn: so langsam merkt die meisten, das dieses Land im Wahn versinkt: Wahn, der die natürliche Folge grassierender Dummheit ist und in der Geschichte schon oft für grässliche Massaker sorgte – darf ich an die jahrhundertelangen Hexenverbrennungen erinnern – oder die ebensolangen Judenverfolgungen, die hier, in diesem Land, ein grausames Finale erlebten?

Und sie sind wieder da, die Hexenjäger, mit grausamen Forderungen. Nur mal ein Beispiel, wie unsere Spaßjünger denken: locker, flockig, attraktiv aber mit einem Hang zur Massenvernichtung. Ulknudel Sarah Bosetti äußerte sich auf Twitter wie folgt (siehe Twitter):

„Wäre die Spaltung der Gesellschaft wirklich etwas so Schlimmes? Sie würde ja nicht in der Mitte auseinanderbrechen, sondern ziemlich weit rechts unten. Und so ein Blinddarm ist ja nicht im strengeren Sinne essentiell für das Überleben des Gesamtkomplexes.“

Würde man nicht glauben, wäre es nicht weit diskutiert worden und immer noch im Netz zu finden. Eine ähnliche Sprache gab es schon mal (siehe web.de):

„Der Jude ist der eiternde Blinddarm im Körper der Menschheit“ – so der SS-Arzt Klein. Gruselig, die Ähnlichkeiten, oder? Das passiert, wenn sich Generation Doof an Politik versucht.

Gibt aber noch mehr dazu (gleiche Quelle):

„Jede Form des Mitgefühls, jede Form von Erbarmen war damit ein Beweis der Schwäche“, erklärt Rees. „Die Grundwerte der SS – bedingungslose Loyalität, Härte, Schutz des Reiches vor inneren Feinden – wurden fast zur Ersatzreligion, es war eine besondere und leicht verdauliche Weltsicht“

Kommt einem bekannt vor, oder? Diese Härte. Gegen Querdenker, Ungeimpfte, „Friedensschwurbler“ und alle Arten von Menschen, die keine bedingungslose Loyalität gegenüber der Obrigkeit zur Schau stellen – die Härte der SS ist wieder gesellschaftsfähig geworden. Oder? Und die per Gesetz finanziell gut versorgten Schreiberlinge gefallen sich daran, sich mit dieser Härte öffentlich zu positionieren – wie dieser wilde Irokese vom Spiegel (ist das nicht diese verpönte „kulturelle Aneignung“?). Man möchte wieder hart durchgreifen, wünscht sich Autokratie – aber nicht nur dort. Die von vielen Querdenkern geschätzte Kinderärztin Dorothea Thul, die in einem bei Andrea Schwemmer zu findenden You-Tube-Video offen eine Militärregierung fordert: der Wahn ist nicht nur bei den politisch Mächtigen zu finden (sowas verlinke ich nicht, bitte selber suchen, ist nicht schwer).

Deutschland ist wieder im Wahn. Corona-Wahn, Impfwahn, Kriegswahn. Die wissenschaftliche Debatte ist per Machtentscheid außer Kraft gesetzt worden, die Vierte Macht – die Medien – wurden gekauft – nicht nur von den Millionären, auch das Bundeskriminalamt ist mit 50000 Euro dabei – aber auch sonst wird gut geschmiert (siehe Tagesschau):

„Seit 2018 hat die Regierung mindestens 1,5 Millionen Euro für Moderationen, Texte, Lektorate, Fortbildungen, Vorträge und Veranstaltungen von Journalistinnen und Journalisten ausgegeben, so ging es aus einer Kleinen Anfrage hervor. Laut Bundesregierung flossen demnach etwa 900.000 Euro an Journalistinnen und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des Auslandssenders Deutsche Welle, weitere rund 600.000 Euro an Mitarbeitende privater Medien.“

Dazu kommt der ökonomische Druck der Journalisten (von 2015: siehe ejo-online). Auch Wissenschaftler sehen die Entwicklung kritisch (von 2016: siehe Deutschlandfunkkultur) – und sogar Claudia Roth von den Grünen zieht da mit … und gibt als Regierung den Journalisten 2,3 Millionen, damit sie unabhängig werden (von 2022 – siehe Cicero). Generation Doof versucht Politik, ich sagte es schon.

Wir werden – sofern es die Zeit zuläßt – auf jeden Fall wieder weiterschreiben. Aus Gewissensgründen. Weil es notwendig ist. Weil Menschen es von uns wünschen, uns vermissen und unsere Art der Arbeit schätzen. Und wen das stört: man denke einfach, das hier ist Satire.

Ernst nehmen kann man den Wahn doch wohl wirklich nicht, oder?

PS: ich diskutiere ja gerne mit Lesern. Das ist für uns hier aus datenschutzrechlichen Gründen nicht leistbar: zuviel Arbeit. Habe deshalb eine Filiale auf Facebook aufgemacht, um das Gespräch und die persönliche Begegnung möglich zu machen – dort bin ich aber im Autorenstreik. Der Grund? Bin bestraft worden, weil ich geschrieben hatte, das die Pandemie vorbei sei. Einen Tag später stand das in der Tagesschau. Deutschland im Wahn. Sagte ich schon, oder?

PS 2: Sarah Bosetti hat sich zu ihrer Aussage geäußert (siehe wr): „Blinddarm ist kein Nazi-Wort. Zu Nazi-Rhetorik wird es erst da, wo man Menschen als zu entfernende und vernichtende Krankheit degradiert. Und – Überraschung! – das habe ich niemals getan.“ Überraschung: das hat sie doch getan. Einfach mal nachdenken: was macht man mit so einem Blinddarm? Man operiert ihn restlos ´raus, weil er keinen Nutzen im Körper hat. Und wenn man darüber reflektiert, dass ein Drittel der Bevölkerung wie ein Blinddarm ist – was möchte man dann wohl mit denen anstellen? Na?

Und ja: die Spaltung der Gesellschaft ist immer was schlimmes.

Immer.

Ist der erste Schritt zur Vernichtung der Schwächeren.

Klimahysterie, Migrantenkriege, Antiamerikanismus – über den Terror der Unwörter und die Zukunft Europas

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Sonntag, 19.1.2020. Eifel. Klimahysterie ist jetzt „Unwort des Jahres“. Wie überraschend. „Klimaleugner“ fand ich fiel schlimmer, setzt es doch Menschen, die auf einen seriösen Diskurs im Rahmen wissenschaftlicher Gepflogenheiten setzen mit Menschen gleich, die den industriell organisierten Massenmord an Polen, Juden, Russen, Kommunisten, Sozialisten, Sinti, Roma, Christen (also jene paar, die ihre Religion ernst nahmen) für ein Märchen der Propaganda halten. Zwar ist diese Position kaum haltbar – die Datenmenge zur Vernichtungsorgie ist (abgesehen von der immensen Zeugendichte) gigantisch – aber manche finden es halt schön, einen von Gott (genauer gesagt: der Vorsehung) geschickten unfehlbaren Führer zu finden, der einem sagt, wo es langgeht. Menschen, die den Begriff „Klimahysteriker“ benutzen – so wie ich – verweisen in dem Zusammenhang nur darauf, dass die ruhige, seriöse, nüchterne wissenschaftliche Debatte über mögliche Auswirkungen eines möglicherweise menschengemachten Klimawandels einer Stimmung gewichen ist, die ihnen hysterisch erscheint. Hysterie wird im Allgemeinen verstanden als neurotische Störung, die unter überschäumender Affektivität und einem gesteigerten Wunsch nach Anerkennung und Geltung einhergeht (siehe Wikipedia).

Wer das Wort „Hysterie“ gebraucht, hat mit Sicherheit auch die Folgen hysterischer Massenbewegungen im Auge, die allein in Deutschland Millionen Menschen – vor allem Frauen – das Leben gekostet hat. Die erste Massenhysterie die mir da in den Sinn kommt, ist die Hexenverfolgung zu Beginn der Neuzeit, die – beängstigenderweise – zu einem Zeitpunkt eintrat, als sich die Vernunft anfing, Raum in der Gesellschaft zu schaffen. Jenseits der hysterischen Christenverfolgung („die Kirche ist an allem Schuld“) weisen seriösere Untersuchungen andere Nutznießer aus: Juristen und Ärzte gelangten ab 1560 zu großer Macht und großem Ruhm, in dem sie die weisen Frauen des Dorfes (also: die Konkurrenz) ausrotten halfen (siehe dhm – Ausstellung und Aufsätze zum Hexenwahn).

Neben dem Hexenwahn war der Judenhass die nächste Hysterie, die allerdings schon viel weiter verbreitet war: bei jeder größeren wirtschaftlichen Krise (da gibt es auch Zusammenhänge mit den Hexenverfolgungen) schoben die Verantwortlichen dieser Krise die Verantwortung gerne dem jüdischen Volk unter, was immer leicht zu belegen war: da die meisten anderen Geschäfte für sie verboten waren, blieben Finanzgeschäfte als eine der wenigen Tätigkeiten übrig, die ihnen das Überleben ermöglichte – und außerdem hatten sie Christus verraten, für tumbe Gemüter guten Grund, der Hoffnung zu folgen, durch nur genügend Menschenopfer die unsichtbare Hand des Marktes so zu besänftigen, dass die Krise an ihnen selbst spurlos vorübergehen möge.

Vor diesem Hintergrund ist der Gebrauch des Wortes „Klimahysterie“ schon verständlicher: als Mahnung davor, auch angesichts eines möglichen menschengemachten Klimawandels (der erstmal – wie jegliche seriöse wissenschaftliche Aussage – eine Theorie ist, über die man möglicherweise in hundert Jahren ebenso lachen wird wie über tausend andere wissenschaftliche Theorien, die zwar anfangs überzeugend mit Macht und Kraft vorgetragen wurden, sich aber letztlich als Unwahr erwiesen) als Menschen untereinander ruhig und gelassen zu bleiben. Angesichts der massenvernichtenden Potenz jeder Art von Hysterie eigentlich eine sinnvolle Wahrnung, immerhin gab es schon einen staatlichen Lehrbeautragten aus Graz, der Klimaleugnung (und die Ablehnung von Kondomen!) unter Todesstrafe legen wollte (siehe Spiegel) – im Übrigen Grund genug zu sagen: es ist mal wieder soweit.

Es hätte natürlich auch andere Worte gegeben, die zur Wahl standen, eines, dass nicht zur Wahl stand, aber seit kurzem in den nationalen Diskurs mit Verweis auf Belgien eingespeist wird, ist den meisten wohl noch gar nicht bekannt: die „Migrantenkriege“.

Ich mag hierzu keine Quelle nennen – aber keine Sorge: ich bin mir sicher, dass dieses Wort sich sehr schnell verbreiten wird. Es wird von einer kleinen Geschichte begleitet, denn – angeblich – berichten namentlich nicht genannte Polizisten aus Brüssel davon, dass sie diese Kriege schon ausfechten – und das sie sich bald über ganz Europa ausbreiten. Namentlich nennen darf man sicherlich deutsche Qualitätsmedien die – so ganz am Rande – davon berichten, was in Brüssel eigentlich so geschieht: aus keinem Land der Welt sind so viele Kämpfer nach Syrien gezogen wie aus Belgien – in Brüssel gibt esStadtteile mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 45 Prozent (siehe Welt).

Und siehe da: wir sind schon wieder bei einer Hysterie – einer „überschäumenden Affektivität, begleitet von einer gestiegenen Geltungssucht und dem übergebührlichen Drang nach Anerkennung“ – der beide Seiten betrifft. Die eine Seite fürchtet fast panisch den Untergang des Abendlandes, die andere Seite die sofortige Rückkehr der NS-Vernichtungslager. Beides natürlich Humbug, aber alle geilen sich daran auf.

Humbug?

Ich sehe schon: darüber darf gesprochen werden.

Das „Abendland“ – speziell Deutschland – hat seit Jahrtausenden wichtige kulturelle Impulse aus dem Ausland bekommen … auch aus dem arabischen Raum. Körperhygiene zum Beispiel – die Kreuzritter waren fasziniert von den Möglichkeiten, die sich da eröffneten. Oder allein die Zahlen: die indo-arabischen Zahlen sind zuerst mit den Mauren nach Spanien gekommen und bildeten streng genommen die Grundlage für alle unsere naturwissenschaftlichen Erfolge, weil sie die „Null“ denken konnten (siehe typolexikon). Das, was wir „deutsch“ nennen, ist schon längst ein Sammelsurium aus vielen Kulturen, dereinst willkürlich herausgeschnitten aus der Sprachgemeinschaft der Mitteleuropäer – wobei darauf hinzuweisen ist, dass die deutsche Sprache in der Tat eine Sonderstellung innerhalb der Sprachenfamilien hat: ohne ihre Ausdrucksmöglichkeit wäre deutsche Philosophie nicht denkbar bzw. formulierbar gewesen. Diese Sprachfamilie hat schon viele Einwanderungswellen überlebt, war jahrhundertelang Schlachtfeld europäischer Großmächte, was nach Rudolf Augstein ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der deutschen Mentalität sein sollte. Es gibt guten Grund anzunehmen, dass die Bewohner diesen Fleckens der Erde auch andere gesellschaftliche Zerrüttungen gut überstehen können – letztlich auch Stolz sind auf die Söhne der Einwanderer wie z.B. Kommissar Schimanski (polnischer Ursprung).

Viele denken uns da viel zu schwach.

Kommen wir nun zum anderen Humbug: der Neueröffnung von Auschwitz auf deutschem Boden. Sicherlich, zugestanden: die Tatsache, dass diese Sprachgemeinschaft schon einmal industriell organisierte Vernichtungslager geschaffen hat, sollte nicht vergessen werden – die Deutschen können sowas. Haben sie von den Briten gelernt (siehe NZZ zu Konzentrationslagern – das sind die guten Ausländer, weshalb wir darüber nicht sprechen: immerhin war Boris Johnson kürzlich zwecks einer „Auszeit“ auf den karibischen Besitzungen des in London wohnenden Urenkels von Otto von Bismark zu Gast – siehe Handesblatt… worüber man sich erstmal öffentlich keine Gedanken gemacht hat, was das wohl für Allianzen sind). Und sicherlich gibt es in der Politik wieder einen erkennbaren, manchmal sogar glasklaren Vernichtungswillen … der sich aber in erster Linie massiv gegen die Verlierer des Kapitalismus richtet: die Armen (Schmarotzer, Parasiten oder Unterschicht genannt). Wer nach Götz Aly mal weitere Elemente der Vernichtungsmaschinerie untersucht, wird schnell finden, dass diese Stimmung gegen arme Untermenschen ein zentrales Moment für die betriebswirtschaftlich alternativlose Vernichtung der Insassen der Lager darstellte – hier droht viel größere Gefahr als von Menschen, die nicht gerne der Machtergreifung einer mittelalterlichen Religion auf europäischen Boden zusehen.

Sicher – mit dem Islam haben wir jetzt noch ein Fass aufgemacht, dass viel zu groß für einen Sonntag Vormittag ist – weshalb auch hier nur soviel gesagt sei: ein säkularer Staat darf zurecht Bedenken äußern, wenn sich wieder eine Religion erhebt, die Anspruch auf die Gestaltung des Alltagslebens der Bürger hat, erst recht, wenn Hinrichtungen, Verstümmelungen, Zwangsheirat von Minderjährigen und kolossale Frauenverachtung Grundfundamente des Alltagslebens jener Länder sind, in der diese Religion Macht ausübt. Wir haben gerade mühsam den Katholozismus und die protestantische Prüderie samt ihrem Arbeitswahn abgelegt (aber noch nicht überwunden), ich denke, wir dürfen zu Recht mal eine Pause fordern.  Aber dazu ein andermal mehr.

Klimahysterie und Migrantenkriege – da haben wir jetzt drüber gesprochen. Beide Unwörter haben miteinander zu tun.

Dürfen wir auch mal über die Ursachen der beiden Unwörter sprechen?

Nein, dürfen wir nicht.

Ein drittes Unwort verbietet uns überhaupt nur darüber nachzudenken – und wir haben eine breite Front von Agenten und Sympathiesanten, die darüber wachen.

Dieses Wort halte ich ebenfalls für ein großes Unwort. Es verbietet uns, auch nur den Hauch von systematischer Kritik an einer agressiven Gesellschaftsform zu üben, die nach dem Überrennen und Vernichten der indigenen Kulturen drauf und dran ist, sich auch den Rest der Welt untertan zu machen, einer Gesellschaftsform, die Migranten in ihren eigenen Ländern bedinungslos umbringt – ohne Kriegserklärung (wie es unter zivilisierten Staaten üblich ist), ohne Gerichtsurteil, ohne die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Ich rede hier von einer Kultur der Räuberbarone, die auch in ihrem eigenen Land brutale Herrschaft ausüben gegenüber jenen, die ihrer Meinung nach den „american way of life“ (also: Massenmord an Grundstückseigentümern zwecks räuberischer Aneignung) in Gefahr bringen.

Ein Einschub, damit wir uns nicht falsch verstehen: ich kenne einige Bürger der USA persönlich, habe dort sehr viele nette Menschen kennen gelernt, die ich für überaus wertvoll halte – und war oft neidisch über die Lebensmöglichkeiten dort, von denen wir Europäer (und vor allem wir Deutsche) nur träumen können, ich vermute sogar, dass man dort überdurschnittlich viele freundliche Menschen trifft – anders als am Montag Morgen in Gelsenkirchen: nicht also, dass wir jetzt eine neue Hysterie anfachen wollen. Die USA haben sogar heute noch anarchistische Elemente (also: Elemente der Abschaffung jeglicher Herrschaft von Menschen über den Menschen) in ihrer politischen Praxis, die ich sehr begrüßen würde: auch ich würde den Polizeichef gerne persönlich wählen. Es geht beim dritten Unwort um größere, systemische Probleme, nicht um „Antiamerikanismus“.

Wer, liebe Klimahysteriker, ist denn die größte Umweltsau auf der Welt?

Die Armee der USA (siehe Heise). Jene Armee, die auch für die Migranten aus Afghanistan, dem Irak, Syrien, Lybien hauptverantwortlich ist und die zunehmend mehr Lebensmöglichkeiten im arabischen Raum vernichtet – vor allem gerne dort, wo der Islam keine Macht über den Staat hat, was seltsam scheint: ist doch der Kampf der Kulturen angeblich das neue große Weltdrama, das bevorsteht – aber die USA und die Kopf-ab-Staaten bilden dort eine geschlossene Einheit. Islam plus Neoliberalismus – das scheint zu gehen. Säkulare Staaten scheinbar nicht.

Natürlich dürfen wir die Armeen der anderen Staaten – und zwar aller – nicht außer acht lassen. Sie sind überflüssig wie Hundekot am Schuh, zerstören die Umwelt und rufen immer heftigere Migrantenwellen hervor. Aber wo finden wir noch die Stimmen, die die Abschaffung aller Panzer, Bomber und Atom-U-Boote fordern?

Nirgends.

Das hat auch Gründe: mit Atlantikbrücke und diversen anderen Vereinen sind unsere Politiker fest im System verankert, Lionsclub, Rotarier und andere Gruppen sorgen für eine feste Verankerung des Proamerikanismus in allen Schichten der Leistungselite, die Konzerne übernehmen sukzessive alle unsere Versorgungstrukturen. Sollte es die AfD jemals schaffen, dass isolierte Deutschland in die Welt zu bringen, werden die sich sehr wundern, wie arm und kläglich die Reste sind, die sie dann regieren dürfen – und den Kriegerischen unter Ihnen, die noch vom alten Reichsglanze träumen, sei gesagt, dass ein einziges veraltetes Atom-Uboot der Ohio-Klasse sämtliche deutschen Städte mit einem Schlag vernichten kann (mit 24 Raketen, von denen jede 8 Atomsprengköpfe trägt: damit wären 192 Städte Asche – mit nur einem Schiff) . Der Krieg des Vierten Reiches gegen die USA würde nur 8 Minuten dauern. Das ist die Realität, in der wir – und alle Länder dieser Welt – leben.

Die größten Antiamerikanisten leben aber in den USA selbst: in Gestalt von Präsident Roosevelt. Es lohnt sich, den ganzen Artikel zu lesen (Cicero – Roosevelt gegen Rockefeller), denn: diese Auseinandersetzung bestimmt im Prinzip die ganze US-Kultur bis heute (Roosevelt vs. Rockefeller), ist Grundlage des ganzen globalen (und vernichtenden) Konzernwesens, dass sich wie ein Krebsgeschwür ausbreitet und schon längst jeden Nationalstaat zur Bedeutungslosigkeit verdammt hat (außer Russland, China und dem Iran). Gut: Roosevelt ist tot, aber die Anhänger seines „New Deal“ bilden die hellere Seite der USA – und stellen auch unsere Hoffnung da: sie haben die Chance, den Konzernterror aufzuhalten wie sie es schon einmal getan haben. Schaffen sie dies, könne wir das Klima sofort massiv entlasten, ohne wieder dem „kleinen Mann“ alle Lasten aufzubürden, ebenso könnten wir Frieden in die aktuellen Völkerwanderungen bringen – und wieder eine Zukunft für uns gestalten, die Lebenswert ist – für alle Menschen auf der Welt.

Erstmal so, wie die Finnen: deren Regierungschefin die vier Tage Woche a´sechs Stunden täglich andenkt (siehe Kontraste.at). Das geht mit dem US-Konzern-Diktat des „shareholder value“ natürlich nicht: wir wären überrascht, wer alles in Deutschland auf die Barrikaden gehen würde, um unsere 48-Stunden-Woche zu verteidigen – im Dienste der Eigenkapitalrendite.

Nie.

Was uns als Sprachgemeinschaft helfen würde, diese Zeiten zu überstehen? Sowohl den Amerikanismus, als auch den Klimawandel wie auch die Verwerfungen durch US-Kriege?

Solidarität.

Oder besser: Menschlichkeit.

Aber gerade der Umgang mit Sprache sorgt dafür, dass diese im Alltag kaum noch lebbar ist. Wir zerfleischen uns lieber um die Frage, ob für die vielen Deutschen, die jährlich ins Ausland abwandern (180000) eigentlich auch mal Ausländer nach Deutschland dürfen, um die Lücken zu füllen – oder darüber, wie das Wetter in hundert Jahre sein wird  – alles aus Angst davor, über die wahren Ursachen zu reden.

Es wird weder Klima noch Europa geben, wenn der Moloch der Räuberbarone nicht aufgehalten wird.

Und das … können angesichts der gewaltigen Macht des Imperiums nur die Amerikaner selbst … was sie auch schon bewiesen haben. Und wir können – bis die es geschafft haben – nett zueinander sein, um das Leiden etwas erträglicher zu machen.

Auch zu den Kindern der Einwanderer, die unsere Zukunft mit tragen werden, weil viele Deutsche lieber „double income no child“ gelebt haben.

Vielleicht wird unser nächster Lieblingstatortkommissar Ahmed heißen – und mit Ruhrpottslang Cum-Ex-Verbrecher jagen.

 

 

 

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