Eiserne Jungfrau, aufgenommen im Folterkeller einer Burg aus dem 14. Jhdt. (CC BY Parkwaechter / nachrichtenspiegel.de)
Prof. Michael Butter, ein von unseren DIN-ISO-zertifizierten Leitmedien wie Spiegel, Welt & Co. vielrezipierter Autor, der in besagten Medien unermüdlich darüber aufklärt, wie verwerflich es doch sei, „Verschwörungstheorien“ aufzustellen (siehe auch Jens Wernicke: Vorsicht, Verschwörungstheorie!), hat nun ein ganz dickes Ei gelegt und selbst ein apologetisches Grundlagenwerk wider die Ketzerei geschrieben: „Nichts ist, wie es scheint: Über Verschwörungstheorien“ (Suhrkamp Verlag, Berlin 2018).
Eines der Hauptziele von Butters publizistischen Schmähungen: Der Schweizer Friedensforscher Daniele Ganser. Bei nüchterner Betrachtung des gegenwärtigen Weltgeschehens darf man sich an dieser Stelle vielleicht einmal eine naive Frage stellen: Was bewegt einen an der Uni Tübingen angestellten Professor, in einer verhängnisvollen Zeit, in der der Weltfrieden dermaßen bedroht ist, dass uns nicht nur der scheidende Außenminister Sigmar Gabriel an der Münchner Sicherheitskonferenz MSC „am Abgrund“ sieht (Quelle: nzz) und auch das aus Nobelpreisträgern und renommierten Wissenschaftlern zusammengesetzte Gremium des Bulletin of the Atomic Scientists seine „Doomsday Clock“ gerade auf zwei Minuten vor Mitternacht, d.h. der symbolischen Apokalypse vorgestellt hat (Quelle: Spiegel), nun ausgerechnet auf einen couragierten Friedensforscher einzuschlagen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, über die politisch-ökonomischen Hintergründe der gegenwärtigen Übelstände aufzuklären, eine neue Friedensbewegung anzuregen und damit die gnadenlos tickende Doomsday Clock, kurz bevor endgültig der Kuckuck herausschnellt und „Game Over“ verkündet, womöglich doch noch anzuhalten? Wären wir in solch unheilsschwangerer Zeit, in der unsere Leitmedien mit bisher ungekannter Leichtfertigkeit über die Möglichkeit eines nuklearen Schlagabtauschs zwischen NATO und Russland, also über ein Game Over für uns alle sprechen, nicht besser beraten, wenn wir zusammenhalten, anstatt uns in akademischen Grabenkämpfen gegenseitig aufzureiben?
Denn leider haben publizistische Affronts wie die von Michael Butter einen unangenehmen Schneeballeffekt: Es ist nicht nur die Lebenszeit eines möglicherweise gelangweilten Professors aus Tübingen, die durch solche Dispute fruchtlos in den Sand gesetzt wird, auch ein Teil der Arbeitszeit von Daniele Ganser und vielen anderen Menschen der Friedensbewegung ist jetzt damit gebunden, da man sich nun mit Butters Angriffen auseinandersetzen, Erwiderungen schreiben, Behauptungen mit entsprechenden Quellenangaben widerlegen muss etc. – wer schon selbst einmal eine akademische Arbeit verfasst hat, der weiß, wieviel Kapazität damit okkupiert wird und wie geschlaucht man sich oft fühlt, nachdem man alle dokumentierten Sachverhalte gemäß den herrschenden Zitierregeln mit Quellenangaben versehen und in einen im akademischen Diskurs akzeptierten Kontext gestellt hat. – Zeit und Kapazität, die man in der Friedensbewegung angesichts der vielen Brandherde, die derzeit auflodern, eigentlich für wesentlich dringendere Arbeitsaufgaben bräuchte, um das Schlimmste zu verhindern.
Wie dem auch sei: Exerzieren wir das gegenwärtige Malheur ruhig einmal exemplarisch durch, auch wenn wir mit unserer knapp bemessenen Zeit Besseres anzufangen wüssten. Da uns der Fehdehandschuh nun mal bereits hingeworfen wurde, dann heben wir ihn eben auf und betrachten, aus welchem Stoff er eigentlich gewoben ist. – Vielleicht löst sich mit dem, was wir anhand dieses eigentlich unwichtigen, aber symptomatischen Falles erkennen können, ja ein fundamentaler gordischer Knoten, an dem die Welt derzeit fast zu ersticken droht. Stricken wir also die Ärmel hoch, knipsen wir die Stirnlampe an und machen wir uns ans Werk: Wer ist der akademische Ritter, der aktuell eine Lanze gegen Ganser und gegen „Verschwörungstheorien“ bricht?
In einem einzeiligen Wikipedia-Eintrag erfährt man über Michael Butter nicht mehr, als dass er „ein deutscher Amerikanist ist“. Nun, eventuell finden sich demnächst einige Freunde der amerikanistischen Zunft, die seinen mageren Wikipedia-Eintrag um ein paar weitere Lorbeerkränze und Verdienstorden auffetten, aber vielleicht ist mit dem derzeitigen Einzeiler auch wirklich schon alles gesagt, was es über seine Person zu wissen gilt.
Butters neues Buch soll nach eigenem Bekunden „mit Mythen aufräumen … und zu einem besseren Verständnis des Phänomens beitragen, indem es die Grundlagen, Funktionen, Effekte und die Geschichte verschwörungstheoretischen Denkens vorstellt“. In Anleihe an diejenige Framing-Technik, die der Kognitionsforscher Rainer Mausfeld als „mentale Vergiftung“ bezeichnet, wird der Historiker Daniele Ganser hierbei in eine Reihe neben Alex Jones, Reptiloiden-Theorien und sonstigen ufoesken Ansichten gestellt und als „bekanntester Verschwörungstheoretiker des deutschsprachigen Raums“ bezeichnet. In seinem Buch deutet Butter des Weiteren an, dass Ganser wohl aus finanziellen Motiven Verschwörungstheorien verbreite.
Die Gilde der Gwup/Psiram-Schreiberlinge wird nun frohlocken: Mussten sie ihre auf Daniele Ganser gerichteten Giftpfeile bisher immer aus dem Off der Anonymität abschießen, so haben sie nun eine akademisch akkreditierte, zitierfähige Quelle zur Verfügung. Die Aussage, dass Ganser „ein Verschwörungstheoretiker ist“, entstammt nun nicht mehr nur irgendwelchen Trollen und digitalen Schlägertrupps aus dem Dunstkreis der Psiram-/Skeptiker-Bewegung, die auf zwielichtigen, in Panama und Hongkong lokalisierten Servern ihr Unwesen treiben, sondern dieses Etikett wird der Fachwelt nun in zitierfähigem Normformat von einer wissenschaftlich anerkannten Autorität am digitalen Tablet serviert: von einem Professor an der Universität Tübingen, also einem in der akademischen Hierarchie oberhalb des nur mit der Doktorwürde versehenen Ketzers Ganser rangierenden Würdenträger – über dessen Verdikt sich damit auch alle Zweifel erübrigen sollten. In der Folge kann Professor Butters Butter nun von dem bereits durch Markus Fiedler in seiner Reportage „Zensur“ erläuterten Skeptiker-Netzwerk auf Wikipedia & Co. hundertfach rezipiert und als Teil der „anerkannten wissenschaftlichen Lehre“ ausgewiesen werden. Mit anderen Worten: unzählige trockene Brote werden nun mit der akademischen Butter von Prof. Butter bestrichen werden. Dank der professoralen Butter als Deckschicht ist der unbedarfte Konsument, der noch nie etwas von Ganser & sonstigen alternativen Denkern gehört hat, geneigt, in die akademischen Brötchen der Gegenaufklärer hineinzubeißen, nicht ahnend, dass diese womöglich arg verschimmelt und daher eigentlich ungenießbar sind.
Vor Kurzem habe ich am Marktplatz einen Witz aufgeschnappt: >> Sagt ein Schaf zum anderen: „Du, ich hab‘ gehört, wir werden nächstes Jahr alle geschlachtet.“ – Milde lächelnde Antwort des anderen Schafs: „Aber geh‘, das ist bestimmt eine Verschwörungstheorie!“ <<
Sollte in Zukunft wieder einmal ein Whistleblower ein internes Memo wie dasjenige von NATO-General Wesley Clark veröffentlichen, in dem von einer bis dato noch nicht festzumachenden Instanz aus dem oberen Bürogeschoss der Auftrag erging, „innerhalb von fünf Jahren sieben Länder zu zerstören: beginnend mit Irak, dann Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und zuletzt den Iran“ (Quelle: Democracy Now/Youtube), dann wird dies beim skeptisch aufgeklärten Bürger in Zukunft womöglich nicht mehr die Alarmglocken zum Läuten bringen, sondern nur noch ein müdes Lächeln hervorrufen: „Aber geh‘, das ist nur eine blöde Verschwörungstheorie.“
Auch über diejenigen grauen Eminenzen, über die unsere Bundeskanzlerin immer nur kryptisch als „unsere verlässlichen Freunde“ spricht und denen sie so blind vertraut, dass diese nicht nur die private Kommunikation des Fußvolks, sondern auch ihr eigenes Telefon lückenlos überwachen dürfen, sollte man nicht unnötig Fragen stellen. Wie meinte schon Kater Carlo, als ihm die detektivische Mickey Maus bei seinen im Schutze der Nacht durchgeführten Coups auf die Schliche kam: „Schnüffeln ist aller Laster Anfang.“
Im Schutze der Nacht und unter Ausschluss der Öffentlichkeit durften sich besagte „verlässlichen Freunde“ daher vor einigen Wochen auch zusammenfinden, um nichts weniger zu planen als eine gezielte Zerschlagung Syriens (siehe Bericht in Rubikon) – Ein entsprechendes Protokoll von Benjamin Norman, einem für die Politik des Mittleren Ostens zuständigen Diplomaten der britischen Botschaft in Washington wurde von einem Whistleblower der libanesischen Tageszeitung Al Akhbar zugespielt. Der Inhalt dieses Protokolls entlarvt nicht nur einen menschenverachtenden Bruch des Völkerrechts, das Sabotieren des Friedensprozesses von Sochi und die Instrumentalisierung der UNO sowie der Genfer Syriengespräche durch die sogenannte „Small American Group on Syria“ (USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien), sondern lässt vor allem tief in die Abgründe einer kriminellen Energie blicken, mit der hinter den Kulissen das Schicksal ganzer Länder ökonomischen Interessen und geostrategischen Plänen geopfert wird. Die alternative Nachrichtenplattform Rubikon und die FB-Seite von Daniele Ganser waren zunächst die einzigen, die dieses brisante Protokoll zu veröffentlichen wagten. Alle anderen Journalisten in der stolzen Landschaft der deutschen „Qualitätsmedien“ guckten betreten zur Seite, obwohl das transatlantische Dokument nun für jedermann verfügbar war. Auch von Seiten der Zunft der an unseren Universitäten habilitierten „deutschen Amerikanisten“ – herrscht Funkstille.
Was, wenn in den Kellern und verspiegelten Hochhäusern derjenigen grauen Eminenzen, von denen uns NATO-General Wesley Clark erzählt, nicht nur detaillierte Pläne über die neoliberale Neugestaltung von Syrien und den Nahen Osten, sondern ebenso über das Schicksal Deutschlands und die zukünftige politische, wirtschaftliche und demografisch-ethnische Gestaltung Europas existieren, zu deren Absegnung auf demokratischem Wege die Bevölkerung niemals bereit wäre? – Eine wilde Verschwörungstheorie? Wo solche Pläne von gewichtigen US Thinktanks wie CFR, PNAC, STRATFOR & Co. doch mittlerweile bereits ganz unverblümt publiziert wurden (siehe Nachrichtenspiegel)? Dass den Denkpanzergenerälen hierbei von der Zukunft Europas nicht das Bild einer friedlichen Insel der Humanität und der Sozialdemokratie vorschwebt, sondern dass ihnen ein mit Russland zerstrittenes, durch kriegerische Konflikte und Terror gezeichnetes Europa im neoliberalen Zeitalter als zeitgemäßer erscheint (Quelle: Chicago Council on Global Affairs / siehe Kurzfassung via Youtube)? – Nein, leider keine Verschwörungstheorie eines psychopathischen Spinners, sondern der nüchterne Report eines der einflussreichsten US Strategen und Politikwissenschaftlers George Friedman, der nicht nur Kommandeure der US-Streitkräfte eigenhändig ausgebildet hat, sondern dessen Thinktank-Organisation STRATFOR laut New York Times weltweit über 4.000 Unternehmen, Personen und Regierungen berät, darunter das US-Außenministerium, Monsanto, Microsoft, Lockheed Martin und die Bank of America. – Vom Tübinger Institut für Amerikanistik wiederum: Kein Kommentar, alles in Butter.
Würden all die Verschwörungstheorien, die in diesen Kreisen abseits der demokratischen Meinungsbildung ausgedacht werden, bloße Theorien bleiben, dann könnte man sich ja in der Tat gemeinsam mit Professor Butter gemütlich aufs Sofa zurücklehnen und süffisant über solche Gehirngespinste lächeln. Blöd nur, dass diese Pläne, über die man sich sogar in der transatlantisch orientierten Redaktion des Spiegel fassungslos gab (siehe Spiegel) und die auch der US Präsidentenberater Brzezinski in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“ relativ detailliert darlegt, nun sukzessive in der Realität ihre Verwirklichung finden, sogar mit erstaunlich akkuratem Zeitplan. Aber wer im derzeitigen Weltgeschehen unlautere Absichten vermutet, macht sich ja in Wirklichkeit nur lächerlich – wo doch heute jeder weiß, dass es die unsichtbare Hand des Marktes ist, die alles regelt.
„Sapere aude!“ („Wage es, weise zu sein!“) lautete einmal die Losung der Aufklärung, die gerade bei lebendigem Leibe zu Grabe getragen werden soll. Dass die postfaktischen Totengräber der Aufklärung nun sogar die Chuzpe haben, sich selbst als Aufklärer zu präsentieren, setzt der grotesken Szenerie noch das Sahnehäubchen auf. Aber egal ob man darüber lachen oder weinen möchte, das „Sapere aude“ scheint ausgedient zu haben. Wozu auch sich selbst seines Verstandes zu bedienen, wo es doch heute Experten gibt, die alle Fachgebiete auf akademischem Niveau „beherrschen“? (siehe auch Nachrichtenspiegel: „Warum überhaupt noch denken?“)
Was aber, wenn in der Gilde der herrschenden Lehre gähnende geistige Leere herrscht, so wie uns das in einem köstlichen Essay der nzz nahegelegt wird: siehe „Das Gastmahl der Geistlosen“– in dieser Betrachtung verortet der Jurist Milosz Matuschek ein „akademisch zertifiziertes, aber intellektuell desinteressiertes Diplom-Proletariat aus Ärzten, Juristen, Lehrern, Bankern und Ingenieuren“, das den klassischen Bildungsbürger abgelöst hat und „uns in einen Zustand der Wohlstandsbehinderung hineinpäppelt“. Das Gesprächsniveau in solcher Gesellschaft verhalte sich laut Matuschek oft indirekt proportional zur Höhe des Durchschnittseinkommens. Nun, darf es uns dann wundern, wenn die ehrenwerten akademischen Ritter, die in dieser Gesellschaft sitzen, sich weniger dem Interesse des gemeinen Bürgers verpflichtet fühlen, sondern sehr viel lukrativeren Interessen nachgehen (siehe z.B. Noam Chomsky: „Die Wachhunde der Machtelite“ oder Christian Kreiß: “Missbrauchte Wissenschaft“)? Das Menü bei diesem Gastmahl der Geistlosen ist bei aller Fortschrittlichkeit, zu der sich die Ritter der Tafelrunde bekennen, allerdings ein altbekanntes:
„Verschwörungstheoretiker“ – eigentlich ein läppisches Wort, das mittlerweile etwas abgewetzt ist, nach Einschätzung des Publizisten Mathias Bröckers jedoch auf der nach unten offenen Denunziations- und Diffamierungsskala weiterhin nur knapp über „Kinderschänder“ rangiert und daher ein genuines Mittel ist, um diejenigen Personen, die man mit diesem Etikett belegt, zu ächten. Wie einem historischen Memo der CIA zu entnehmen, ist dieses Schmähwort ein gezielt zum Zwecke tendenziöser Meinungsmache erschaffenes Konstrukt, um seinerzeit Kritiker der offiziellen Version der Ermordung Kennedys zu diffamieren. Obwohl über die „Markteinführung“ dieses Wortes 1967 bereits hinreichend aufgeklärt wurde, hat es seine Wirksamkeit auch im 21. Jahrhundert noch nicht ganz verloren und dient heute weiterhin dazu, um unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen. Die Anwender dieses Keulenbegriffs bauen dabei weniger auf die – nicht vorhandene – Substanz dieses Wortes, sondern auf einen schlichten psychologischen Mechanismus: Niemand möchte gerne geächtet sein und die meisten Bürger wollen auch nicht mit gebrandmarkten, an den Rand gedrängten Personen der Gesellschaft zu tun haben. Da dieses, eigentlich genuin kirchlich-inquisitorische Dogma („Gut ist, wer sich der herrschenden Lehre/Macht anschließt, böse und verdammenswert ist derjenige, der sich gegenüber dieser Macht selbständig macht“) immer noch nicht gesprengt wurde, kann es weiterhin wirksam sein – was von den Spindoktoren der herrschenden Lehre auch weidlich ausgenutzt wird.
Der Affront von Professor Butter erfolgt akkordiert mit Angriffen gegen Daniele Ganser in mehreren Schweizer Tageszeitungen. Darin wird Ganser mit weiteren diffusen Begriffen wie „Verschwörungsmystiker, Guru, Sekte“ etc. belegt. – Begriffe, die in Wirklichkeit nicht das geringste über eine Sache oder eine Person aussagen, sondern die ganz im Gegenteil einer bloßen Vernebelung dienen, um sich mit einem Sachverhalt bzw. mit dem, was eine Person zu sagen hätte, gar nicht erst auseinandersetzen zu müssen.
Man könnte heute in Zeiten einer verfassungsmäßig verbrieften Meinungs-, Glaubens- und Gewissensfreiheit über solche Diffamierungsbegriffe lachen. Nur leider waren es ebensolche Begriffe, welche in der Geschichte schon bisher die Legitimationsbasis für die allergrößten Verbrechen gebildet haben – sind solche Begriffe doch ein genuines Mittel, um andersdenkenden Mensch quasi das Persönlichkeitsrecht abzusprechen und sie für vogelfrei zu erklären. Genauso wie es im Mittelalter ausgereicht hat, jemanden als „Ketzer“ oder als „Hexe“ zu bezeichnen oder in der McCarthy-Zeit als „Kommunisten“, um ihn auszugrenzen und existenziell zu vernichten, so wird mit diversen Synonymen auch heute noch die Diffamierungskeule geschwungen. Ein inhaltlicher Diskurs mit dem, was diese „Ketzer“ wirklich zu sagen hätten, wird dadurch vermieden. – Auf diese Weise hat sich die Gesellschaft schon bisher um ihre wertvollsten Köpfe gebracht. Vielleicht ist das Verbrennen der Ketzer bzw. das Ausmerzen alternativer Denker auch der schlichte Grund, warum wir heute vor schier unlösbaren globalen Problemen und lt. Sigmar Gabriel sogar „am Abgrund“ stehen (Quelle: nzz). Ein unangenehmer Verdacht drängt sich auf: Die allerortens prädominierende Geistlosigkeit (siehe nzz: „Gastmahl der Geistlosen“) und scheinbare Alternativlosigkeit – sind diese womöglich allesamt nur eine Konsequenz unserer akademischen Arroganz und einer chronifizierten Ignoranz?
Wie dem auch sei, wie es scheint, sind gewichtige Vertreter unserer akademischen Intelligenzia gewillt, den Marsch in den Grand Canyon unbeirrt fortzusetzen, obwohl dessen gähnender Abgrund bereits für uns alle in Sichtweite ist. Der streng wissenschaftlichen Fachwelt liegt mit dem Grundlagenwerk von Professor Butter zum Thema „Verschwörungstheorien“ also nun eine Art Hexenhammer 4.0 vor, um alternative Denker plattzumachen. Der „Hexenhammer“ war ja schon im Mittelater ein von der herrschenden Lehrmeinung herausgegebenes probates Mittel, um die allerorts treibenden Blüten der Häretiker und Hexen wieder einzustampfen bzw. dem Scheiterhaufen zuzuführen. Der Inhalt des Hexenhammers lässt sich verkürzt in dem historischen Zitat „Alle Zauberei sollst Du töten!“ wiedergeben – ein Imperativ, der in der Folge von einem ein Heer an Inquisitoren und ihren exekutiven Schergen auch mit eifriger Akribie befolgt wurde. Auszug aus ARD-Enzyklopädie/planet-wissen.de:
„Es gilt als eines der verheerendsten Bücher der Weltliteratur und hat Tausenden von Menschen den Tod gebracht: Der „Hexenhammer“ des Dominikanermönchs Heinrich Kramer. Von seiner ersten Auflage im Jahr 1487 an ist das Buch ein mächtiges Instrument für die Inquisitoren. Es legitimiert die Hexenverfolgungen durch den Papst und dient als Anleitung zur Überführung und Verurteilung von vermeintlichen Hexen (… ) Auch Kritik am „Hexenhammer“ kann zu jener Zeit überaus gefährlich sein, werden doch im „Hexenhammer“ auch mögliche Beschützer der Hexen als Ketzer bezeichnet. Sie sollten den gleichen Verfahren ausgesetzt werden wie die Hexen.“
Zurück aber aus dem dunklen Mittelalter in unsere helle, LED-beleuchtete Gegenwart. Ketzern und Hexen mit glühenden Zangen, Daumenschrauben und eisernen Jungfrauen zu Leibe rücken, nein, das geht in unserer politisch korrekten, gentrifizierten Zeit gar nicht mehr – gäbe üblen Schmorgeruch und gellende Schreie, die heute jeder Anrainer der wissenschaftlichen Hochburgen mit seinem Smartphone aufzeichnen und per Knopfdruck via Youtube ins Licht der Öffentlichkeit stellen könnte. In Zeiten von Industrie 4.0 braucht es heute ein wesentlich smarteres Vorgehen, um von der herrschenden Lehre abweichende Meinungen auf Linie zu bringen.
Wobei sich solche smarte soft power und „Governance“-Knigge hinsichtlich ihrer Abschreckungswirkung im Übrigen als wesentlich effektiver erweisen als archaische Gewalt, die in der Geschichte dann ja doch immer zu einer Revolution gegen die Obrigkeit geführt hat. Und eine Revolution gegen die herrschende – von Jean Ziegler als kannibalisch bezeichnete – Lehre können die amtierenden Polit- und Wirtschaftsmächte heute am allerwenigsten gebrauchen, dazu laufen ihre Geschäfte einfach zu gut. – Wie Noam Chomsky feststellt, gibt es heute im Parlament zwar Demokraten, Republikaner etc., aber in Wirklichkeit nur eine einzige Partei: „Die Partei des Business“.
Um Abweichler dieses gut eingespielten Business wieder zur Räson zu bringen, braucht es heute in einer perfekt vernetzten Wissenschafts- und Medienwelt keinen Hexenhammer und keine Folterwerkzeuge mehr – eine bloße Tastatur und einige Mausklicks reichen aus. Sofern man eine akkreditierte akademische Signatur daruntersetzt, kann man mit den Buchstaben, die man in diese Tastatur hämmert und damit in die Welt setzt, bei anderen Menschen und sogar in ganzen Ländern und Kontinenten mitunter gewaltige Verwerfungen bewirken (siehe z.B. Essay von Dirk C. Fleck „Wenn die Fetzen fliegen“), ohne dass man sich bei dieser gleichermaßen ehrenwerten wie hochdotierten Arbeit sein weißes Hemd bekleckert.
Jeder Ansatz von Aufbegehren gegen die anerkannte, „streng wissenschaftliche“ Lehre kann auf diese Weise im Handumdrehen befriedet werden. Friedensmission nennt man so etwas. Die neuzeitlichen digitalen Ritter, die man auf das Schlachtfeld dieser Friedensmission schickt, stattet man gegebenenfalls auch noch mit einem „robusten Mandat“ aus – sie sollen schon klotzen, nicht nur kleckern dürfen, wenn sie erfolgreich ihre Lanze für die allein seligmachende herrschende Lehre brechen sollen. Jüngst hat ein solcher unbeirrter Ritter also wieder eine Lanze gebrochen und sich dabei selbst um Kopf und Kragen geschrieben.
Der Ritter: Der eingangs erwähnte Michael Butter – seines Zeichens Freiherr und Fahnenträger des mit der kaiserlichen Bulle ausgestatten Ritterordens der „deutschen Amerikanisten“ (Wikipedia), einem mittlerweile säkularisierten Orden, der den hehren ritterlichen Tugenden der Tempelritter schon längst abgeschworen hat und sich stattdessen lieber auf handfeste Werte ausgerichtet hat. Böse Zungen, die diese Art von Rittern als Raubritter bezeichnen, werden von umsichtigen Ordnungshütern umgehend von der Bühne entfernt und auf die mediale Streckbank gespannt.
Der längst überfällige Ketzer, dem die szientistische Lanze diesmal in den Leib gerammt werden soll: Daniele Ganser. Es war auch höchste Zeit, dass diesem unerhörten Sektierer (von lat. secta: abgespaltene Lehrrichtung; also: einer, der sich von der herrschenden Meinung emanzipiert hat und individuelle Wege geht) das Handwerk gelegt wird, schließlich war er gerade drauf und dran, eine ganze Generation junger Menschen wachzurütteln und dazu zu bewegen, in einer Welt, die laut dem bereits erwähnten Bulletin of the Atomic Scientists „zwei Minuten vor Mitternacht“, d.h. dem symbolischen Weltuntergang steht, in letzter Minute doch noch den Zeiger anzuhalten. Ganser geht es dabei nicht um oberflächliche Kontroversen, mit denen sich zeitgenössische Nerds die Nächte um die Ohren schlagen wie z.B. die Frage, ob nun Microsoft oder Linux das bessere Betriebssystem ist, um darauf dann Powerpoint und Call of Duty laufen zu lassen. Nein, Ganser stellt Powerpoint und den Call of Duty bzw. das von Jean Ziegler als „kannibalisch“ bezeichnete Betriebssystem an sich in Frage! Er fordert nämlich nichts weniger, als das neoliberal-transatlantische Business auf ein humanes Betriebssystem umzustellen – Welch Häresie! Welch Vermessenheit! Welch verwerfliche Irrlehre! Mein Gott, Walter/Heinrich Kramer, steh‘ uns bei! … schick‘ uns Deinen Hexenhammer!
Eile ist nun dringend geboten, schließlich sprengen Gansers Videovorträge auf Youtube bereits die Millionenmarken, seine quer in Europa gehaltenen Vorträge sind restlos ausgebucht, Ganser-Bücher wie „Illegale Kriege“ avancieren zu Bestsellern und alle Versuche zum Mundtotmachen haben bisher nur ein umso größeres Interesse an dem bewirkt, was der eloquente Schweizer zu sagen hat. Manche rechnen ihm sogar eine historisch größere Bedeutung zu als Robin Hood oder William Wallace, man nennt ihn bereits den neuen „Wilhelm Tell aus den Schweizer Bergen“, die Rubikon-Autorin Christiane Borowy bezeichnet ihn als „das schärfste Schwert, das die Schweizer Friedensforschung zu bieten hat“:
„Der Historiker Daniele Ganser ist das schärfste Schwert, das die Schweizer Friedensforschung zu bieten hat. Präzise zerschlägt er mit seinen aufklärerischen Büchern und Vorträgen politische Narrative — und zieht damit den Hass von Kriegsbefürwortern und deren medialer Gefolgschaft auf sich.“ (siehe Rubikon 1)
In einem weiteren Beitrag auf Rubikon versucht Conrad Knittel das Machwerk von Professor Butter aufzuarbeiten (siehe Rubikon 2), widerlegt die Vorwürfe Punkt für Punkt und zeigt auf, wie Butters Lanzenstöße Richtung Daniele Ganser eigentlich ins Leere gehen. Butters Ausritt ist in Wirklichkeit aber nicht der einzige Lanzenstoß in Richtung alternativer Denker. In unseren Qualitätsmedien kommen einem ähnliche, teilweise noch deutlich aggressivere Bekundungen samt „Bekenntnissen“ der Autoren zur herrschenden wissenschaftlichen Lehre derzeit in geradezu inflationärer Weise entgegen.
Was intelligente Menschen dazu treibt, solche Pamphlete zu verfassen, fragen sich in diversen Foren gerade viele unbedarfte Leser, die bisher an die herrschende Wissenschaft und ihr Versprechen der Aufklärung geglaubt haben. Wo doch unsere Zeit heute so knapp ist und es so viel Wichtiges und Schönes zu tun gäbe, warum dann mit solch zähneknirschender Vehemenz Bücher in einen bereits übersättigten Markt pressen, in denen andere Personen, die sich ganz offensichtlich redlich bemühen, diffamiert werden?
Nun, um nicht noch weiter abzuschweifen, erlaube ich mir diese Frage an dieser Stelle einmal ganz unverblümt und schnöde zu beantworten:
Wie sollen akademische Würdenträger denn sonst ihre Würde und ihr Selbstbewusstsein aufrechterhalten, wenn sie es selbst nicht wagen, für Wahrheit, Frieden und Humanität das Wort zu ergreifen, sondern sich stattdessen feige in den Windschatten einer inzwischen monströsen Lügen-/Manipulationsmaschinerie der herrschenden Meinung und ihrer medialen Claqueure stellen und lieber demjenigen System dienen, das Jean Ziegler als „kannibalisch“ bezeichnet?
Solche Professoren, die eigentlich das Privileg einer erstklassigen Bildung im kulturell reichen Herzen Mitteleuropas und dazu noch Wohlstand und die Sicherheit eines pragmatisierten Berufsstands besäßen … und deren intellektuelle Kapazität die in Brand gesetzte und in vielerlei Hinsicht aus dem Gleichgewicht geratene zeitgenössische Welt dringend bräuchte – wie sollen sie ihr eigenes Versagen sonst rechtfertigen? Entweder sie gingen zerknirscht in eine Eremitage in den Wald (wo ihnen aber der gewohnte Zustrom an Anerkennung durch ihre Kollegen aus dem „wissenschaftlichen“ Diskurs verlustig ginge und damit auch ihr Selbstbewusstsein und ihre Lebensfreude) – oder sie müssen eben auf Andere, die das wagen, was sie selbst nicht wagen, eindreschen und versuchen, dasjenige, was für einen der Aufklärung verpflichteten Menschen eigentlich das Normalste auf der Welt wäre (herrschende Narrative zu hinterfragen, sich der Wahrheit verpflichtet fühlen und neue Wege zu gehen), als „nicht normal“ zu diskreditieren.
Denn das Eingeständnis, als renommierter Exponent der Wissenschaft eigentlich eine Nichtwissenwollenschaft zu verkörpern, würde wohl umgehend zu einem Kollaps der eigenen intellektuellen Großartigkeit führen.
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Mit diesem wieder einmal viel zu lang gewordenen Aufsatz verabschiede ich mich dann auch schon wieder aus dem Feld der Amerikanistik, in dem ich schnöder Maschinenbautechniker in Wirklichkeit blutiger Laie bin und das ich daher lieber versierten und akademisch akkreditierten Experten wie Prof. Butter überlasse. Damit mich an dieser Stelle niemand falsch versteht: Als Techniker bin ich vielzusehr Pragmatiker, als dass ich die Logik von Prof. Butter & Konsorten nicht nachvollziehen könnte. Wenn ich in einem Auto sitze, in dem der Motor aufgrund eines Kühlerschadens völlig überhitzt ist und kurz vorm Kolbenreiber steht, was mache ich dann mit dem rot blinkenden Warnlämpchen, das mich auf diesen Umstand aufmerksam macht? – Ja, genau: Ich schraube es aus dem Armaturenbrett heraus und werfe es bei voller Fahrt aus dem Fenster, das nervig piepsende Teil.
Wer hat heute schon Zeit zum Anhalten, wenn er mit 130 km/h auf der Autobahn mit Verspätung zum nächsten Meeting unterwegs ist und sich ranhalten muss, wenn er außerdem noch rechtzeitig zum abendlichen Endspiel der Champions-League vor seinem 4K-extended-Ultra-HD-Smart-TV sitzen möchte?
zum Thema „Wissenschaft und ihre Wächter“ siehe auch zwei lesenswerte Essays von Matthias Burchardt:
“March for Science – Dead Men Walking”
sowie eine Rezension zu Noam Chomsky:
Mittwoch, 19. Juni 2013. Eifel. Und Deutschland. Letzteres ist ein ganz besonderes Land – wir reden allerdings nicht gerne darüber. Ist uns irgendwie ein bischen peinlich. So etwas wie Nationalstolz wollen wir öffentlich gar nicht mehr entwickeln, es sei denn beim Fußball, wo wir regional uralte Stammeskulturen und Hordenstrukturen wiederbelebt haben. Über das Wesen dieses Landes erzählen die deutschen Moore eindrucksvolle Geschichten: sie sind voll mit Leichen von Männern, Frauen und Kindern, gefesselt, erdrosselt, erstochen, manche ohne Kopf – der Deutsche hat sich abreagiert. Tacitus zufolge war dies der Umgang mit Kampfscheuen, Feiglingen und Unzüchtigen – letztere waren wahrscheinlich schwul, auch heute noch ein Riesenproblem in Germanien, vor allem bei den Mitläufern der Stammeskulturen (zu den Germanen siehe: Arnulf Krause, Die Geschichte der Germanen, Seite 128 ff). Feige, schwule, kampfscheue Kinder und Frauen gehören auch einfach hingerichtet – ich glaube, da wird auch heutzutage nicht mehr groß diskutiert.
Auch im Mittelalter zeigte sich der Deutsche von seiner besten Seite – hier waren die Hexen und Zauberer dran, vor allem aber die Frauen. Es gibt viele Legenden über die Hexenverbrennungen in Deutschland: den Anwälten versprach die Vernichtungsmaschine ein gutes Einkommen, den Ärzten schuf sie Konkurrenz aus dem Weg, manch ein neidischer Nachbar konnte sich so ein zusätzliches Stück Land ergattert und vor allem konnte die eigene Frau die hübsche Nachbarin so bequem entsorgen. Gerne schob man das später der Kirche in die Schuhe, dabei hatte die Kirche schon 500 Jahre zuvor im canon episkopi jeglichen Budenzauber für Einbildung erklärt. So fand der Hexenhammer nie Einlass ins kirchliche oder weltliche Recht, es blieb eine kleine Sarrazinade am Rande, die einem vielfach gescheitertem Mönch ein kleines Einkommen bescherte. Triebkraft des Hexenwahns war aber – der einfache Deutsche vor Ort, der den ganzen Tag nichts Besseres zu tun hatte, als seine Mitmenschen wegen Hexerei anzuklagen – ohne wirklich zu verstehen, was das eigentlich ist.
Später nun – Hexen und Zauberer waren alle – kamen die Juden dran. Millionen von ihnen. Nach altgermanischer Tradition warf man auch ihnen Zauberwerk vor, ihre Vernichtung wurde aber mit typisch preußischer Effizienz in großen Industrieanlagen vollzogen und nicht auf dem freien Feld.
Wieder später – Juden waren alle – konzentrierte man sich auf langhaarige Studenten, die man leider nicht so in Serie erschießen konnte, wie man gerne wollte – die Siegermächte waren noch sehr präsent in Deutschland.
Langhaarige Studenten waren auch bald alle, deshalb mussten neue Ziele her. Immer noch eingebunden in jene Konventionen, welche die westlichen Siegermächte dem Westen Deutschlands als Grundgesetz übergestülpt hatten, konnten sie nicht ganz so mit ihren neuen Opfern verfahren wie die alten Germanen mit den Schwulen, aber man konnte neue Genozide und Meuchelmorde zumindest schon einmal vorbereiten. Ausländer waren die neuen Opfer. Gerne wollte man sie so richtig schön bei lebendigem Leibe verbrennen – schon immer ein Mordsgaudi für den ganzen Stamm – doch das verbot das Grundgesetz der Siegermächte. Ein paar Versuche in diese Richtung sind jedoch lokal gelungen, das eine oder andere Heim wurde angezündet, auch wurden gerne ganze Familien in ihren Häusern verbrannt – der Deutsche war wieder so richtig in seinem Element.
Aber natürlich ist der Deutsche nicht froh, wenn er nicht auch gleichzeitig ein paar aus seinen eigenen Reihen aussondern kann. Als klar wurde, dass aus der großen nationalen Ausländerhatz nichts wurde (auch weil Türken wehrhafter waren als Juden), wählte man den Arbeitslosen als Unhold aus, der ins Moor gehörte, wo auch schon die anderen Feiglinge, Kampfscheuen und Unzüchtigen waren.
Man dachte nun: das kann doch nicht wahr sein. Dieses Volk, dass in Musik und Philosophie einsame Weltspitze ist, kann doch nicht zum überwiegenden Teil nur aus hirnlosen Barbaren bestehen?
Leider leider leider scheint dies aber doch der Fall zu sein. Hören wir die Erlebnisse einer Frau, die keine Hexe ist, keine Jüdin, keine Ausländerin und keine Arbeitslose, Erlebnisse, die ganz aktuell sind:
Ich selber habe erlebt, wie Menschen um den Wagen herumschleichen und immer auf den Schriftzug zeigen, mit dem Kopf schütteln und davor spucken. War leider nicht schnell genug da, um denen meine Meinung zu geigen.
Neulich stand ich an einer Ampel und ein kleiner Trupp Männer überquerte die Strasse. Erst mal war es ‚Ohhh, blonde Frauen im alten, goldenen Wagen. Dann auf Höhe der Stossstange fiel der Blick aufs Emblem. Ich war froh, dass es tagsüber war, wir 2 Frauen waren und noch kein Platz für Alkohol gab. So bösen und finster bin ich in meinem ganzen Leben noch nie angeschaut worden.
Einem Clubkameraden haben se angepöbelt, weil sein Hund NSU Biene am Geschirr eingenäht hat. Ein andere wurde wegen einer Kappi aus einem Restaurant geschmissen.
Letztes Jahr war das internationale NSU Treffen in Neckaraulm. Ein Motorradclub hat auf dem Weg dorthin in einem Hotel übernachtet, Grill und Clubstand aufgebaut. Ende vom Lied war ein riesiges Polizeiaufgebot.
Was war geschehen?
Nun – jahrelang waren – vom Verfassungsschutz erkannt aber unbehelligt – junge Deutsche losgezogen und hatten das Ausländerproblem auf germanische Art erledigt: sie haben sie reihenweise erschossen. Niemand in Deutschland kam auf die Idee, diese Morde in einen Zusammenhang zu bringen. So etwas gilt auch schnell als „Verschwörungstheorie“ (ein anderes Wort für kriminalistische Arbeit) und „Verschwörungstheorien“ sind in diesem Land extrem verpönt, die Verschwörer bestehen hier mit Nachdruck darauf, ungestört arbeiten zu können.
Natürlich haben diese Deutschen ihre Fans, ganze Unterstützergruppen sogar – mutmaßlich aus Treue der alten germanischen Kameradschaft gegenüber auch bei Polizei und Verfassungsschutz – ABER: diese Fans haben keine Fan-Kappen, keine Annäher, keine eigene Auto- oder Motorradmarke!
Dem Deutschen – so scheint´s – ist dies jedoch egal, er macht weiter wie eh und je, Hauptsache: Menschenjagd und Opfer bringen.
Zwar ist er stolz auf seine Automobilgeschichte, doch wie üblich hat der durchschnittliche Stammestölpel keine Ahnung von der Materie, es wäre ihm wahrscheinlich auch egal. Wer hat schon geprüft, ob Hexen wirklich auf Besen reiten konnten? Ob Juden wirklich Babyfleisch aßen? Ob langhaarige Studenten wirklich alles Kommunisten waren, Ausländer böse Invasoren oder Arbeitslose biertrinkende TV-Dauerglotzer?
Natürlich wird ein IT-Ingenieur, ein Rechtsanwalt, ein Schauspieler oder ein angestellter Lehrer nicht gleich vollkommen asozial, nur weil er gekündigt wurde – aber was interessiert das den Deutschen? Ständig auf der Suche nach neuen Beutetieren streift er durchs Land – und hat endlich wieder eins gefunden:
den NSU-Fahrer.
NSU ist eine 1873 gegründete deutsche Automobil- und Motorradfabrik, die in den fünfziger Jahren sogar der erfolgreichste Motorradhersteller der ganzen Welt war. Sie brachte uns unseren eigenen kleinen Prinzen, in dem wir König sein durften – oder den legendären RO 80 mit Wankelmotor, ein Spitzenprodukt deutscher Ingenieurskunst. Schon ab 1901 produzierte das Unternehmen (das sein Namenskürzel aus „Neckarsulm“ ableitete – siehe Wikipedia) Motorräder.
Es gibt Menschen, die aus reiner Nostalgie („Sozialromantik“ würde man das heute nennen) diese alten Schätzchen pflegen … und auf einmal ganz unvorbereitet auf das wahre Wesen des Deutschen stoßen.
Die oben geschilderten Erlebnisse sind keine Einzelfälle. Die Quelle bleibt wie üblich geheim – immerhin handelt es sich um einen bekennenden NSU-Fan.
Der NDR bestätigt diese Erfahrungen – schlimm, dass sogar die Polizei darauf hereinfällt:
Bei Jens Rüter aus Bad Iburg zum Beispiel stand eines Tages die Polizei vor der Tür, weil er eine NSU-Fahne gehisst hatte. Irgendjemand hatte die Beamten alarmiert. Auch die Fan-Tasse lässt Rüter mittlerweile lieber Zuhause und nimmt sie nicht mit zur Arbeit. Christa Temme aus Hilter trägt ihr T-Shirt zumindest nicht mehr allein in der Öffentlichkeit. Darauf steht „NSU Freunde Bramsche“.
Es bleibt aber nicht nur bei harmlosen Erlebnissen. Hören wir noch mal, was unser Zeuge zu berichten hat:
In Süddeutschland wurde wohl ein Ro auch schon abgefackelt.
Die Menschen haben Angst vor uns Oldtimerfahren und das nur, weil die Presse das Kürzel so in den Dreck gezogen hat. Audi bat darum, das Thema klein zu halten, das würde sich schon wieder beruhigen. Hat aber selbst bei Audi Tradition alles von NSU verbannt.
Klein halten möchte das auch der NDR. Ist ja keine große Sache in Deutschland, wenn einem das Auto abgefackelt wird, man aus Restaurants fliegt und nur noch mit Angst durch die Straßen gehen kann.
Es ist aber nicht nur ein norddeutsches Problem. Schön wäre es, denn dann könnte man sage: prima, die Fischköppe waren sowieso schon immer etwas seltsam.
Hören wie die Süddeutsche Zeitung dazu:
Mit dem NSU-Wappen versehene schwarze Kappen werden von den Clubmitgliedern nicht mehr getragen. Einer gibt zu: „Ich parke meinen NSU Prinz nicht mehr unbeaufsichtigt auf der Straße.“ Bedrückt registrieren Clubfreunde, dass Nürnberg an städtischen Fahrzeugen das Kfz-Kennzeichen N – SU ändern lässt und Zulassungsstellen die Buchstabenkombination nicht mehr ausgeben.
Ist das nun zu „antideutsch“ gesehen?
Ich fürchte nicht. Als Deutscher, der hier schon über fünfzig Jahre lebt, Land, Sprache und Leute liebt, kann ich keinen anderen kleinen gemeinsamen Nenner finden als: die sind so, die Germanen. Es gibt da wohl irgendeinen genetischen Defekt, gegen den die meisten nicht mehr Kraft ihres Verstandes vorgehen und ihn im Zaum halten können, der den Urdeutschen dazu anhält, dass Andere, das Fremdartige, das „Böse“ zu vernichten, seien es nun friedliebende Hippies, harmlose Juden oder unschuldige Arbeitslose.
Das hört ja auch heute nicht auf: Juden nennt man heute „Zionisten“ und wünscht sich die Auslöschung Israels mit der gleichen unkritischen Begeisterung, wie man früher deren Läden in der Nachbarschaft geplündert hat, gegen Arbeitslose wird mit Begriffen gewettert, die original im „Stürmer“, dem Kampfblatt der NSDAP zu finden sind und das Ausländer trotz Gyros, Kebab und Pizza unser Untergang sind, gilt inzwischen als gesichert.
Das seltsame Benehmen hat auch nichts mit „rechts“ oder „links“ zu tun – der nationalsozialistische Untergrund ist ja wohl eindeutig rechts … es sind also die linken Hexenjäger, die sich hier unkritisch und hemmungslos blöde an Oldtimerfans abarbeiten.
Vielleicht kann mir aber jemand helfen – vielleicht irre ich mich ja und es gibt einen guten Grund, weshalb wir die Firma NSU (und all´ die ähnlichen Autokennzeichen) jetzt völlig aus unserem Leben verbannen müssen … während gleichzeitig allgemeine linke Kritik an Israel völlig unkritisch komplette NPD-Positionen übernimmt (siehe Publikative.org).
Mir fällt nur einer ein: die gute alte germanische Menschenopfertradition, die Rohmaterial braucht.
Wer nun denkt, dass alles sei allenfalls skuril, dem sei gesagt: dieses historische Bild vom Deutschen ist in den Köpfen vieler gebildeter Deutscher und vieler ausländischer Beobachter, die deshalb den massenhaften Zuzug ausländischer Mitmenschen sehr begrüßen und in die Tat umsetzen – in der Hoffnung, so ein neues organisiertes Auferstehen des deutschen Ungeistes feiern zu können.
Vielleicht haben sie ja recht – mir jedenfalls gibt diese NSU-Posse sehr zu denken … wie man sieht.