Hardrock

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Gemeinsam gegen den Terror – „Je suis Death Metal“

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Death Metal Konzert – By Mo123 CC BY-SA 3.0 Fotolink

„Wir werden schonungslos sein.“ Diese heroisch-martialische Ankündigung des französischen Staatspräsidenten François Hollande prangte nach den Pariser Anschlägen auf den Titelseiten auch der deutschen Leitmedien. Postwendend wurde als Rache der westlichen Wertegemeinschaft die nordsyrische Stadt Al-Rakka mit über 40 Luftschlägen bombardiert.

Wieviele Opfer die Bombardements unter der syrischen Zivilbevölkerung gekostet hat, wieviele Kinder zerfetzt oder zu lebenslangen Invaliden verstümmelt wurden, interessiert die Leitmedien nicht. Genauso, wie es in den Kollateralschadensmeldungen der Zeitungen untergegangen ist, dass nach dem Ausbomben eines Spitals samt Belegschaft der „Ärzte ohne Grenzen“ in Kunduz/Afghanistan nun ein weiteres Spital der Ärzte ohne Grenzen im Jemen durch Bombenangriff dem Erdboden gleichgemacht wurde. Denn was ist das schon? – Angesichts von einer Million Todesopfern, die die USA mit uns im Marschgepäck im „Kampf gegen den Terror“ (siehe Statistik der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges /IPPNW) zu verantworten haben, ja nur ein Klacks.

Jedenfalls braucht es uns nicht zu verwundern, dass man in den bei uns ankommenden Flüchtlingsströmen aus den dauerbedrohnten und bombardierten Ländern auch immer wieder Rollstuhlfahrer und Invalide sieht, obwohl die lebensgefährliche Reise über die Balkanroute für dermaßen gehandicappte Menschen ja eigentlich ein Wahnsinnsakt ist.

Wie auch immer, wir wollen Rache an der Rache. Denn man hat uns ins Mark unseres Selbstverständnisses getroffen. Und beim Auswählen ihrer Terrorziele im Westen sind scheinbar nicht nur dumme Mullahs am Werk, sondern durchaus kühl kalkulierende IS-Strategen – die wissen, dass man ohne professionelles Marketing am heutigen Weltmarkt der marktkonformen Demokratien keinen Erfolg hat. Und deswegen sind bei der IS natürlich auch ein paar ausgekochte Marketingspezialisten mit an Bord. Die vom Terror getroffenen Ziele dürfen bei ihrer Stammklientel nicht für Empörung sorgen, sondern sollen bei der zivilen Bevölkerung in den vom IS okkupierten Ländern Applaus bewirken. Zustimmung dazu, dass die IS-Mordbrennerbande einen Kampf für die gute Sache führt – gegen eine verachtenswerte westliche Kultur, die sich vollkommen dem Teufel geweiht hat.

Wenn uns die IS richtig viel Schaden zufügen wollte, dann gäbe es genug sensible Ziele, um das auf schnelle und effektive Weise zu erreichen. Derzeit gibt es z.B. in den Industriestaaten 438 Atomkraftwerke (siehe Statistik-Portal), die wenigsten davon sind von einem Ring an Militärschutzpersonal mit Flugabwehrgeschützen umgeben, sondern die meisten stehen wie einsame Pilze in der Gegend herum. Würde man nur ein oder zwei dieser Pilze „pflücken“, dann hätte die westliche Wertegemeinschaft keine Zeit und Ressourcen mehr, um in den Heimatländern der Mullahs Häuser und Spitäler zu bombardieren, sondern wir wären wie ein aufgestocherter Ameisenhaufen nach einem Sturm damit beschäftigt, Müll aufzuräumen und das eigene Überleben zu sichern. In einer Zeit, in der man Drohnen schon ab 65 Euro im Hobbyartikelversand bekommt und in der es am Schwarzmarkt anscheinend auch gar nicht so schwer ist, an Sprengstoff ranzukommen, erscheint so ein Attentat auch gar nicht mehr so utopisch wie noch vor wenigen Jahren.

Wäre aber auch richtig fies, so etwas zu machen. Das käme bei jedem Normalbürger, der noch nicht vollkommen fernsehverblödet ist – auch in der eigenen muslimischen Bevölkerung – genauso schlecht an wie das Bombardieren von Krankenhäusern. Wer so einen Akt befiehlt, würde wie ein Monster wider die Menschheit dastehen. Hingegen kann man monsterhafte Schandtaten sehr leicht rechtfertigen, wenn man vorgibt, gegen ein noch teuflischeres Monster zu kämpfen als man selbst ist. Die IS Ideologen dürften insofern bei Josef Goebbels in die Schule gegangen sein bzw. dessen Propagandareden studiert haben (dazu braucht man ja heute keine Bücher mehr, kann jeder Wüstenbeduine über YouTube auf seinem Smartphone studieren, während er sein Kamel füttert).

Die Anschlagsziele wurden also folgerichtig ausgewählt:

Nach den Twin-Towers in New York, einem Synonym für hemmungslosen Raubtierkapitalismus/Neoliberalismus, der Mensch, Umwelt und Ressourcen scheibchenweise verschlingt, erfolgt nun ein Schlag gegen ein Synonym desjenigen Sounds, der die Hintergrundmusik für besagten Raubtierkapitalismus abgibt: gegen den Hardrock bzw. gegen die noch tiefer gesunkene, etwas morbide Spielart des bereits senkbleischweren Heavy Metal: den „Death Metal“.

Obwohl die IS Attentäter schlecht recherchiert hatten und beim in Paris attackierten Konzert der US-amerikanischen Band „Eagles of Death Metal“ gar kein Death Metal im engeren Sinne zum Besten gegeben wurde, sondern bloß vergleichsweise harmloser „Stoner-/Garage-Rock“. Absolut jugendschutzfreie Musik jedenfalls, wie sie bei uns schon Grundschulknirpse in der Pause auf ihren Ipods hören (siehe Konzertausschnitt von ZDF-KULTUR).

Aber egal, die sonstigen Parameter des Anschlags haben dafür umso exakter gepasst: Als der Leadsänger Jesse Hughes, genannt „The Devil“, zum 6. Lied des Konzerts mit Titel „Kiss the Devil“ das Publikum zum Küssen des Teufels aufforderte, ging es mit den Kalashnikov-Salven los und die Teufelsanbeter erhielten das, was ihnen aus Sicht orthodoxer Muslime zusteht.

Während wir also angesichts des Massakers an den Konzertbesuchern zutiefst geschockt sind und auch unsere Medien nur Bilder von verzweifelten, verstörten Menschen bringen (repräsentativ dazu hat Popstar Madonna einen Tag nach den Anschlägen auf der Showbühne Tränen vergossen: „Warum soll ich zulassen, dass sie mich und euch davon abhalten, Freiheit zu genießen? An den Plätzen, an denen die Attentäter Menschen umgebracht haben, sind Menschen zusammengekommen, um Spaß zu haben. Niemand auf der Welt sollte uns davon abhalten, das zu tun, was wir lieben.“), so wird das von Millionen Menschen in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens ganz anders gesehen. Unsere Medien berichten zwar nicht davon, aber dort vergießt kaum jemand eine Träne um die spaßsuchenden Hardrockfans, sondern dort wird applaudiert. Dort hasst man uns dafür, dass wir uns einen Dreck um das derzeitige Elend des Rests der Welt scheren, obwohl wir die Intelligenz und die technischen Ressourcen hätten, um die globalen Verhältnisse zum Guten zu wenden. Stattdessen beuten wir weiter die Ressourcen ihrer Länder aus, bombardieren und bedrohnen sie und in unserer Freizeit huldigen wir einem hemmungslosen Hedonismus. Jean Ziegler hat bereits 2008 in seinem mit dem Literaturpreis für Menschenrechte ausgezeichneten Buch „Der Hass auf den Westen“ auf den wachsenden Hass der Armen und Entrechteten und die Folgen dieses Hasses für die globale Friedenspolitik aufmerksam gemacht).

Wenn wir den orthodoxen Muslimen aus Sicht unserer westlichen Hardrock-Kultur erklären würden, dass das, was dort im Konzertsaal gerockt wird, ja gar nicht so gemeint ist, sondern die vom Job frustrierten Menschen hier am Wochenende „einfach nur Schpaß haben“ wollen, dann wird das orthodoxe Muslime nicht ganz überzeugen. Die werden sagen: Ich weiß, was meine Augen sehen und meine Ohren hören und das, was ihr betreibt, ist eindeutig teuflisch.

Und selbst wenn dort ein etwas kritischerer Bürger Zweifel daran hätte, dass bei uns alle den Rinderwahnsinn haben und deshalb notgeschlachtet gehören, bevor wir den Rest der Welt anstecken, dann braucht ein radikaler Jihadisten-Führer seinen Landsleuten nur sagen: „Ihr glaubt mir nicht? Gut, dann schaltet einfach einen der zigtausend westlichen Fensehsender ein und schaut, was die Westler so treiben.“ Nachdem die Männer im arabischen Raum noch etwas mehr Muße haben und in ihren Kaffehäusern heute genausoviel am Smartphone wischen wie sie früher in den Zeitungen geblättert haben, dauert es auch nicht lange, bis sie bei Bildern vom RTL-Dschungelcamp oder auf Tierpornoseiten landen oder eben auf Hardrockfestivals, wo riesige Areale bis zum Horizont mit jungen und älteren Menschen vollgestopft sind, die zu teuflisch fetzigen Hardrocksongs wie „Kiss the Devil“ frenetisch ausflippen – Hardrocksongs, wie sie auch den US Panzerpiloten in ihre Kabinen eingespielt wurden, damit sie mit dem passenden Sound im Ohr während der Irak-Invasion einen hohen Kill-Score erzielen und alles, was ihnen ins Visier kam, gnadenlos niedermetzeln konnten. „Let the bodies just crash down…!“ (Lass die Köper einfach aufprallen…!), war einer der ständig wiederholten Textfetzen aus dem Hardrock / Death Metal – Repertoire der US Army, wie Panzerveteranen aus dem Irak-Krieg berichten.

Mit diesem Hardrock / Death Metal Sound im Ohr haben sie in bester Laune mit Uranmunition einen Teppich des Todes über das Land gebreitet. Bereits in Wikipedia erfährt man, dass der Irak das am stärksten durch Uranwaffen kontaminierte Land ist. Die erbgutschädigende und hochtoxische Uranmunition wurde von den USA und seinen Bündnispartnern auch in Afghanistan, Libyen, Libanon, Bosnien, Kosovo und Somalia eingesetzt. Lt. einer Studie der britischen Atomenergiebehörde, welche der Londoner Redaktion des Independent zugespielt wurde, besitzen bereits 40 Tonnen verschossenes Uran-238 ein tödliches Potential für bis zu 500.000 Menschen. Alleine im Golfkrieg wurden nach Schätzungen von NGOs 330 Tonnen U-238 über Stadt und Land gepfeffert. Die Folgen des Einsatzes von Urangeschossen schildert der WDR-Filmemacher und Journalismus-Preisträger Frieder Wagner z.B. in diesem Interview: „Die Geburtsklinik von Basra war ein Blick in die Hölle“.

Death Metal ist also quasi ein Synonym für all das Elend, das die ausgebeuteten und infrastrukturell in die Steinzeit gebombten Menschen in ihren Heimatländern heute erleben müssen. Ein Synonym für das US-Frackingprinzip („Put in poison, get out money“), das derzeit zum state of the art erklärt wird und als Leitmotiv der Globalisierung dient. Und wenn nun ein paar irre Jihadisten gegen „Death Metal“ Attentate verüben, dann kann man sie bei der bildungsarmen Bevölkerung leicht als Helden verkaufen.

Dabei haben sich die Jihadisten vollkommen in der Adresse geirrt. Denn die Death Metal Rocker sind eigentlich höchst geniale Kerle, denen man den europäischen bzw. amerikanischen Kulturpreis und ein paar Ehrendoktorate verleihen sollte. Die Musiker haben es nämlich geschafft, unserem Polit-, Wirtschafts- und Finanzgeschehen DEN passenden Hintergrundsound schlechthin zu verleihen. Genauso wie auch Barock und Renaissance die passende Musik zu Ihrer Kultur hatten. Genauer gesagt ist es den Hardrockern gelungen, das, was sonst unhörbar in der Luft gelegen hat und das derzeitige Tagesgeschehen bestimmt, in eine akustische Klangwolke samt passenden visuellen Bühnenimpressionen zu transformieren und dadurch auch dem Fußvolk verständlich und anschaulich zu machen.

Nach den Attentaten in Paris wäre es daher konsequent und folgerichtig, wenn wir nun Sticker und Armschleifen mit dem Aufdruck verteilen: „Je suis Death Metal.“

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