Sonntag, 17.6.1789. Eifel. Unglaubliches geschieht gerade. Der ganze Kontinent ist in Aufruhr. In Frankreich gab es Revolution, in ganz Europa rüstet der Adel zum Krieg. Schon jetzt merkt man, das ein kleiner unbedeutender Korse sich bereit macht, den Adel vom Kontinent zu verjagen. Überall wird Geld von den Konten abgehoben, wer es sich leisten kann, flieht, wohin es ihn sicher dünkt. Ähhhh … nein, Entschuldigung. Das war ein Fehler. Seitdem mein Kollege Regenbogenbieger mit einer Fischvergiftung im Nichts verschollen ist, kommen hier die historischen Archive durcheinander. Fangen wir nochmal von vorne an:
Sonntag. 17.6.1939. Unglaubliches geschieht gerade. Der ganze Kontinent ist in Aufruhr. In Deutschland gab es Revolution, in ganz Europa rüstet man sich zum Krieg. Ein kleiner, unbedeutender Österreicher macht sich bereit, seine eingebildeten Feinde (also eigentlich jedermann) vom Kontinent zu verjagen. Überall wird Geld von den Konten abgehoben, wer es sich leisten kann, flieht, wohin es ihn sicher dünkt. Ähhhh … nein, Entschuldigung. Das war ein Fehler. Seitdem mein Kollege Regenbogenbieger mit einer Fischvergiftung im Nichts verschollen ist, kommen hier die historischen Archive durcheinander. Fangen wir nochmal von vorne an:
Sonntag, 17.6.2012. Eifel. Unglaubliches geschieht gerade. Der ganze Kontinent ist in Aufruhr. Griechenland wählt.
…
Da stockt auf einmal der Schreiber und wundert sich. Gut, Napoleon und Hitler waren ordentliche Kaliber, der erste der typische linke Revolutionär, der sich nach Machterhalt sofort in einen Ultrarechten verwandelt (aber das ist ja das, was Linke wollen: das Geld der Rechten. Was die einen sich durch Betrug und unfaire Geschäftemacherei angeeignet haben, wollen sie sich mit Gewalt holen. Auch illegal, geht aber schneller) während der letztere im linken Gewande nach der Machteroberung noch eins draufsetzte und zum internationalen Prototyp des Antichristen wurde, eine Gestalt, deren Weltanschauung heute noch tief in der deutschen Gesellschaft nachhalt: „Wer nicht arbeitet, der soll nicht essen“ …. und wird schnellsten vergast, um ihm den Hungertod zu ersparen. Das war wohl das „soziale“ im nationalen Sozialismus, der keine Armen kannte, weil Armut damals wie heute eine indirekte Straftat darstellte.
Bei den beiden versteht man den Aufruhr … aber bei einer Wahl in Griechenland? Vor zehn Jahren hätte man die als Randnotiz im kostenlosen Wochenblättchen wiedergefunden, zwischen den Nachrichten vom Kaninchenzüchterverein und den Anzeigen für Diätmittel. Heute macht die Wahl richtige Endzeitstimmung, Armageddon und Apokalypse finden gerade heute satt – und nicht erst am 22.12.2012.
Eine Kostprobe?
Gern.
Carta-info hat zusammengetragen, was ich heute morgen zusammentragen wollte: von „Marktschock“ und „Eurobeben“ ist da die Rede, „Bange Blicke“ voller „Zittern“ zeugen von der „Angst vor weltweiter Schockwelle“ kurz: ALLES IST VORBEI!
Warum?
Weil ein demokratisches Land einen in einer demokratischen Gemeinschaft ganz normalen Vorgang abwickelt: man wählt ein Parlament.
Das ist schon etwas anderes als Hitler oder Napoleon, oder?
Scheinbar nicht, denn die Wirkungen sind die gleichen. Von „Panikgefahr“ reden die Mittelstandsnachrichten, angeblich gibt es heute in vielen Banken eine Notbesetzung, um auf die kommende große Katastrophe auch am arbeitsfreien Sonntag vorbereitet zu sein.
Wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte? Der Spiegel klärt in einer kurzen Sequenz darüber auf …. obwohl ich mir nicht sicher bin, ob die wirklich wissen, was sie dort wirklich schreiben:
Klar ist, dass sich die politische Elite mit Tricks und Manipulationen der Statistik die Aufnahme in die Euro-Zone erschlichen hat. Das Ziel: Die Regierung in Athen wollte von den niedrigen Zinsen profitieren, die Anleger Euro-Ländern für neue Schulden gewährten.
Die „politische Elite“ sind wohl auch jene Leute, die gerade ihre Euros außer Land schaffen. Klar eigentlich … die normalen Bürger haben keine mehr. Warum ich meine, das der Spiegel hier seine redaktionelle Kontrolle für einen Moment verpennt hat? Nun, gleichen Sie mal diese Aussage mit einer älteren Information aus dem Spiegel ab:
Im Schönen ihrer Haushaltszahlen waren die Griechen Meister – und offenbar hatten sie dabei Hilfe von echten Profis. Nach SPIEGEL-Informationen unterstützte die US-Bank Goldman Sachs den nun vor der Pleite stehenden Staat mit komplexen Finanztransaktionen.
Klar ist, das Goldmann-Sachs mit Tricks und Manipulationen die Aufnahme in die Euro-Zone erschlichen hat. Das Ziel: die Regierung in Athen wollte von den niedrigen Zinsen profitieren, die Anleger Euro-Ländern für neue Schulden gewährten … und Goldman-Sachs und der Bankenclan wollte im Anschluss dann die Zinsen kräftig erhöhen, weil die griechische Wirtschaft bei weitem nicht so stark war, wie der Zinshunger der Banken. Das war aber schon vor zehn Jahren bekannt. Natürlich war es auch den deutschen Regierungen und der deutschen Wirtschaft bekannt, die sich mit ihren Rüstungslieferungen (und dem Absatz von überteuerten Konsum- und Arzneiprodukten) eine goldene Nase an den billigen Krediten für Griechenland verdient haben.
Jeder Mercedes, VW und Audi in Griechenland ist letztlich von diesen von Goldman-Sachs eingefädelten Krediten bezahlt worden, genauso wie jedes U-Boot, jede Fregatte und jeder Panzer. Jeder Normalbürger hätte das auch schon vor zehn Jahren gesehen: die Wirtschaftskraft Griechenlands hätte niemand auf der Höhe von Frankreich oder Deutschland vermutet. Jeder wusste, das die außer Oliven nichts haben.
Wirklich nicht?
Die griechische Botschaft ist da anderer Meinung. Hören wir ihr doch mal kurz zu:
Durch die Erweiterung der Europäischen Union ist Griechenland zu einem regelrechten Giganten in der europäischen Handelsschifffahrt aufgestiegen. Der Großteil der Flotten der neuen EU-Mitglieder Zypern und Malta wird von Griechen kontrolliert. (Jahresbericht der griechischen Reederunion 2003/04)
Insgesamt 58,34 % des Volumens der EU-Handelsflotte (nach Großtonnage – GT) werden von Cargos und Tankern unter griechischer, zypriotischer und maltesischer Flagge gestellt, und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein überaus großer Anteil an den Flotten Zyperns und Maltas von griechischen Reedern kontrolliert wird, beherrschen letztere insgesamt 46,15 % des Volumens der EU-Handelsflotte.
Laut des in London ansässigen Greek Shipping Cooperation Council (GSCC) geht der Einfluss griechischer Reeder aber noch weiter. Zu den insgesamt rund 70 Mio GT griechischen Volumens unter EU-Flaggen kommen noch weitere 39 Mio GT, die unter Nicht-EU-Flaggen fahren – überwiegend aus folgenden Ländern: Panama (14,5 Mio.), Liberia (6,9 Mio.), Bahamas (5,9 Mio.).
Wie Bitte? Griechische Reeder kontrollieren 46,15 % ALLER EUROPÄISCHER HANDELSFLOTTEN? Stehen laut Stern weltweit auf Platz 2?
Die sind aber sehr reich, die Griechen. Superreich. Mit diesen Flotten könnten die locker den kleinen Küstenstaat finanzieren – so wie wir Deutschland mit der Automobilindustrie hochhalten. Von wegen „die haben nur Oliven“.
Die haben nur ein Problem, das wir alle in Europa haben. Das ist das, was der Spiegel so lapidar „die politische Elite“ nennt jene Menschen, die von Goldman-Sachs zum Essen eingeladen werden – oder gleich direkt bei ihnen gearbeitet haben. Oder – formulieren wir es anders:
„Es heißt, dass Leistung nicht fruchtet. Wer die anderen hereinlegt, gilt mehr als der, der arbeitet. Würde sich diese Mentalität ändern, würde sich alles ändern.“
Dieses Zitat stammt aus dem Jahre 2002 – und wird wieder aktuell, wie der Artikel in der Zeit zeigt, aus dem er entnommen ist. Ebenso wie die Zeit erinnert das Handelsblatt daran, das wir die Krise schon mal hatten: 2002 in Argentinien. Die Parallelen sind erstaunlich … auch wenn die Artikel manches gerne unterschlagen, siehe Wikipedia:
Eine Privatisierungswelle Anfang der 90er Jahre, bei der viele Staatsbetriebe zum Teil unter Wert verkauft wurden, führte dazu, dass weite Teile der argentinischen Wirtschaft vom Ausland abhängig wurden. Dies machte das Land anfällig für Spekulation und Kapitalflucht, ein Phänomen, das Ende 2001 maßgeblich zur Bankenkrise beitrug.
Man glaubt es kaum, wenn man es liest – und sogar den Deutschen sollte es mulmig werden, wenn sie dies lesen, denn den Verkauf der Staatsbetriebe haben wir erlerbt, die ganze DDR wurde verramscht (wobei jene, die andere hereinlegten, auch in unserem Land mehr gelten als jene, die einfach nur gearbeitet haben) – und nun haben wir eine Bankenkrise.
Klar ist, das die politische Elite mit Tricks und Manipulationen die Argentinienkrise verursacht hat, klar ist, das dort ein Modell ausprobiert wurde, mit dessen Hilfe man sich jetzt Zugriff auf die finanziellen Reserven des gesamten europäischen Kontinents verschafft – und nicht nur auf die kläglichen Reste Griechenlands.
„Die Presse“ aus Österreich klärt darüber auf:
Dazu bedarf es einerseits der kurzfristigen, demokratisch nicht legitimierten Zentralisierung von Wirtschafts- und Fiskalpolitik und andererseits einer Rekapitalisierung der europäischen Banken direkt aus den Mitteln von EFSF und ESM. Vor allem Letzteres scheint tatsächlich unausweichlich
Wir erinnern und vielleicht mal besser für einen Moment an das griechische Erbe: die Hebelgesetze des Aristoteles. Griechenland ist der Punkt, mit dem Goldman-Sachs und die Lumpenelite ganz Europa aus den Angeln hebt – dabei ist es völlig egal, wie die Wahl in Griechenland ausgeht. Es geht ja auch gar nicht um Griechenland: das war nur die Eintrittskarte, die man ab 2001 nach argentinischem Vorbild vereinnahmt hat … und weil ich Banker nicht für blöd halte (erst recht nicht die von Goldman-Sachs, die jetzt als „politische Elite“ in Griechenland, Italien und Brüssel sitzen), nehme ich an, das das genauso geplant war: das Bankenparadies sollte Wirklichkeit werden, der Enteignungspakt für Staaten und Menschen (ESM) wird das Mittel werden, mit dem man uns ohne jede demokratische Kontrolle auch noch den letzten Cent aus der Tasche klaut.
Sieht man ja auch jetzt an Spanien … einerseits wird langsam klar, das dank verstärkter Kapitalflucht die 100 Milliarden bei weitem nicht ausreichen (siehe Mittelstandsnachrichten), andererseits ist aber auch klar, das eine Rettung Spaniens einer Studie der Deutschen Bank zufolgt scheitern wird (ebenfalls Mittelstandsnachrichten) … aber trotzdem läuft der Rettungsautomatismus weiter.
In der Welt finden wir den Ökonomen Hans-Werner Sinn, der uns mit kurzen Worten erklärt, was hier abläuft:
Banken und andere Investoren, darunter viele reiche Griechen, dagegen konnten ihre toxischen griechischen Staatsanleihen an die EZB und damit in die Haftung des Steuerzahlers der europäischen Kernländer übergeben.
Und noch einen weiteren denkbaren Satz finden wir dort:
Die große Lücke zwischen dem, was Griechenland erwirtschaftet, und dem, was es verbraucht, wird längst vollständig von der EZB und der Staatengemeinschaft finanziert.
Und hier halten wir einen Moment inne und erinnern uns daran, was wir kurz zuvor lasen: die Griechen haben die zweitgrößte Handelsflotte in einer globalisierten Welt – wie kann das sein, das die nichts erwirtschaftet?
Nun – die erwirtschaften schon Einiges, aber: sie zahlen ihre Miete nicht. Griechische Reeder zahlen keine Steuern (siehe z.b. Focus). Kein Wunder, das die angesichts der Wahl nun das Land verlassen wollen (siehe Standard), weil sie Lynchjustiz fürchten (siehe Finanznachrichten).
Denen wird gestattet, was man keinem anderen Bürger gestatten würde: Miete nicht bezahlen. Während dem Bürger die Zwangsräumung droht, kriegt der Unternehmer ein Bundesverdienstkreuz fürs reich werden – ein spannendes Beispiel findet sich hier bei „Extremnews„.
„Wer die anderen hereinlegt, gilt mehr als der, der arbeitet“.
Besser kann man die bundesdeutsche Wirklichkeit im Jahre 2012 gar nicht beschreiben … und auf einmal sehen wir, warum die Wahl in Griechenland medial soviel Angst verbreitet: es könnte passieren, das der Bürger merkt, das genau dies das Problem ist:
„Wer die anderen hereinlegt, gilt mehr als der, der arbeitet“.
Das würde auch erklären, warum die deutschen Leitmedien in einer gesellschaftliche so brisanten Situation (die schnell zu einer Neuauflage von 1789 führen könnte) einen merkwürdigen Kurs fahren, den wir heute der FAZ entnehmen können:
Denn für den Sonntag, wenn dort Wahlen sind, die für ganz Europa Folgen haben, planen die öffentlich-rechtlichen Sender, das sind die mit dem Kirchhofschen zwangsgebührenbegründenden Gesamtdiskursauftrag, für die Zeit nach 20Uhr folgende Beiträge: Erst Deutschlanddänemark und „Traumschiff“, gefolgt von „Kreuzfahrt ins Glück“ und Hollandportugal, dann „Waldis Club“ und „Mysteriöse Kriminalfälle der Geschichte“.
Die Bundesanstalt für Volksbespaßung nimmt ihren wahren Sendeauftrag ernst und lenkt mit großem Tamtam von der historischen Dimension der momentanen Ereignisse ab. Es steht auch viel auf dem Spiel – für die, die als Funktionselite eingesetzt sind. Schauen wir doch mal, wie es Argentinien heute geht, siehe Wikipedia:
Die soziale Situation des Landes ist in mehrerlei Hinsicht durch eine starke Ungleichheit gekennzeichnet. So gibt es einerseits ein sehr großes Wohlstandsgefälle zwischen Ober- und Unterklasse. So gehören die argentinischen Top-Manager-Gehälter zu den höchsten in Südamerika, während die ärmsten 40 % nur über zehn Prozent des gesamten Volkseinkommens verfügen.
Sehr viele Funktionsträgern droht das Millionärsparadies, wenn der momentane „große Coup“ wirklich gelingt. Wundert man sich da, das der Widerstand in Wirtschaft, Politik und Medienwelt so seltsam gering ausfällt – die führenden Köpfe des Landes verdienen alle daran.
Jetzt verstehen wir, warum das mediale Europa vor der Wahl zittert wie das politische und wirtschaftliche Europa. Dort, wo das Volk mitbestimmen kann, hat man kein Verständnis für eine Gesellschaft, in der derjenige, der andere hereinlegt, mehr gilt, als derjenige, der arbeitet.
Und es zeigt sich, das der Vergleich mit 1939 auch nicht falsch ist – siehe NZZ:
Viele Deutsche wählten Hitler, weil sie sich von ihm ein Ende der Wirtschaftsmisere wie der in Versailles oktroyierten Bedingungen versprachen. Der Wunsch nach Selbstbestimmung mündete in der Katastrophe
Das wird dann eins er möglichen Ergebnisse sein, wenn sich der „Anti-Europa-Kurs“ nicht durchsetzt und der ESM kommt: der Hunger nach einem neuen Führer, der uns aus der alternativlosen wirtschaftlichen Misere führt, wird beständig größer werden.
Man sieht: man fürchtet sich zurecht in diesen Zeiten … vor einem ganz normalen gesellschaftlichen Vorgang.