Goldenes Kalb

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Live von der IAA: BMW-Chef von selbstgezüchteter Bestie überwältigt

17_Oltimer+BMW

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Vehikel gestern und heute (Fotorechte s.u.)

Nostalgiefreunde erinnern sich oft mit Wehmut an die Oldtimer-Zeit. Als die Designer der ersten Automobile sich noch bemühten, ihren Vehikeln ein Gesicht zu geben, das die Herzen der Menschen, die ihnen ins blecherne Visier sehen, trotz unvermeidlichem Lärm und Gestank ein wenig erfreut. – Drollige runde Augen als Scheinwerfer und gutmütige Kühlergrill-Stupsnasen blickten einem entgegen, auch sonst konnte man sich bei den gerade ihren Siegeszug über die Landschaft antretenden Vehikeln recht harmonischer Formgebungen erfreuen. Noch die Modelle der 80er Jahre hatten etwas von diesem Chic und klassischer Ästhetik.

In den 90er Jahren begann dann ein ganz anderer Wind zu wehen. Mazda brachte einen Werbespot, in dem das neue Modell „6“ an einer urbanen Betonlandschaft vorbeifuhr und dorthin einen haifischförmigen Schatten warf. Der Werbefritze, der damals den Mazda-Video gedreht hat, war wohl ein Goethe-Kenner – er wusste, dass man im Schattenwurf das Wesen der Dinge erkennen kann.

Spätestens mit der Milleniumswende war dann Schluss mit lustig, die jungfräuliche Phase des Automobildesigns ist heute ein für allemal vorbei. Unter einem Zeitgeist, dessen erklärtes Ziel es ist, jedwedes Gutmenschentum auf Teufel komm raus auszurotten, ist natürlich kein Platz für gutmütiges Autodesign.

Sonst vergisst der Bürger womöglich auf seine oberste Pflicht: der totalen Effizienz und dem Verdrängungswettbewerb zu dienen.

Das folgerichtige Autodesign trägt heute also die Signatur Marke „böser Wolf“. Nachdem BMW den Anfang mit richtig „tierischer“ Automobilimpressionistik gemacht hatte, überbieten sich inzwischen auch alle anderen Blechschmieden im stillen Wettbewerb, wer die gerissenste und aggressivste „böse Wolf“-Visage designen kann.

Die ehemals runden Frontscheinwerfer fast aller Marken sind mittlerweile von grimmig nach unten gezogenen Augenbrauen verengt, die Mundpartie der Autovisage erinnert an gebleckte und zu allem bereite Zähne eines Raubtiers. Das unausgesprochene Signal des hinterm Steuer sitzenden Herrl dieses Hundes: „Wer sich mir in den Weg stellt, den mach‘ ich platt!“ – frei nach dem Wahlspruch des Chefs der US Bank Lehman Brothers, dessen T-Shirt den Aufdruck „Get out of my way!“ trug.

Ja, die von Thomas Hobbes postulierte Gesellschaft, in der „jeder Mensch des anderen Menschen Wolf“ sei, ist scheinbar schon näher als uns bewusst ist.

Besonders detailverliebt wird das böse Wolf Design neuerdings vom Autobauer Audi zelebriert, wo die Aggressivität des Motortieres nicht bloß durch gnadenlose Blechgestik demonstriert wird, sondern diese selbst in der Formgebung seiner Pupillen ihren Ausdruck erhält: die Scheinwerferelemente sind in Form mehrerer nebeneinander angeordneter LED-Elemente gestaltet, deren Linienzug an wütend nach unten gezogene Augenbrauen erinnert.

Hat man einen Audifahrer auf der zweiten Autobahnspur im Nacken und er lässt mit einem lässigen Fingerschnipper diese „Böse Wolf“-Augen kurz aufleuchten bzw. verpasst einem einen visuellen „Get out of my way!“-Warnschuß in den Rückspiegel, dann ist leichte Gänsehaut die nicht unerwünschte Nebenwirkung – zumindest wenn man einen alten Fiat fährt und nicht mit einem kurzen Tipper auf die Bremse die eigenen, ebenfalls zur grimmigen Visage verzogenen Flugabwehrgeschütze in Form von „Böse Wolf“-Bremslichtern aufleuchten lassen und dem von hinten herannahenden Feind eine standesgemäße Antwort verpassen kann.

Insbesondere mit einem SUV hat man hier leicht lachen. Viele SUV-Heckteile wirken wie grimmig-schmerzvoll zusammengekniffene Hintern, aus denen per Pedaldruck jederzeit ein tödlicher Gärgas-Furz entweichen kann.

Hätte man in den 80ern hierzulande noch über das aufgeblasene Krapfen-Design der SUVs gelacht und auch die PKWs im Böse-Wolf-Look wieder zurück in die Faschings-Requisitenkammer geschickt, so sind sie heute state of the art.

Und auch wenn ihn manche Spötter als „Hausfrauenpanzer“ bezeichnen und sich sogar Automobilfreunde weitgehend einig darüber sind, dass SUVs außer für den, der drinnen sitzt schrecklich sind – der Erfolg gibt dem SUV Recht: Fast jeder zehnte gekaufte Neuwagen ist heute ein SUV. Dass ein SUV bei gleicher Fahrleistung wie ein PKW ungleich mehr Sprit verbraucht und ein Vielfaches an Schadstoffen ausstößt, stört unsere Politiker keineswegs. Politiker, die im Gegenzug durch mittlerweile absurde Energiespar-Verordnungen und Dämmvorschriften jedem ehrlich arbeitenden Menschen die Errichtung eines Eigenheimes fast verunmöglichen.

Warum die Politik in Zeiten verknappender Ressourcen und eskalierender Feinstaubbelastung kein Problem mit SUVs und auch nicht mit der visuellen Umweltverschmutzung durch die Böse-Wolf-PKWs hat? Nun, ich weiß mir als Techniker auch keine andere Antwort als die, dass der SUV und der Böse-Wolf-PKW womöglich einfach das beste und billigste Werbe-Sujet für das neoliberale Politdogma sind. Omnipräsent vermitteln sie die Botschaft, die man auf Werbeplakaten schwer transportieren könnte: „Der Stärkere setzt sich durch, also pass bloß auf, dass du nicht auf der Strecke bleibst.“

Manchmal ist das Schicksal jedoch gerecht und es bleibt nicht der Schwächere auf der Strecke sondern auch einer der wohlbeleibten SUVeranten. So geschehen dieser Tage bei der Frankfurter Automesse IAA, wo es den BMW Chef Harald Krüger höchstpersönlich umgelegt hat.

Bevor Sie sich das unten gezeigte Video des grausamen Ereignisses ansehen, mag sich mancher vorher kurz in bewegten Bildern auch die Atmosphäre vergegenwärtigen, in der sich die Tragödie abgespielt hat: http://iptv.orf.at/#/stories/2299504/

Die IAA-Messehalle, ein diesmal unter dem Thema „vernetzte Mobilität“ unter Strom gesetzter Hochglanztempel, vollgefüllt mit allem, worauf Deutschmänner stolz sein können: Technik, Elektronik, Autos, verschmolzen zu einer futuristischen Performance, gegen die Captain Kirk auf seiner Enterprise wie ein Waisenknabe wirkt. Smarte Businessmänner in grauem Zwirn, die mit ebenso smarten Funkarmbanduhren selbstfahrende Autos herbeikommandieren, die Luft durchschnitten von Laserstrahlen und in die Luft projizierten Beamer-Zauberbildern, auf denen für Presse und kaufstarke Kunden die neuesten Böse-Wolf-Modelle zu bewundern sind. Das alles in einer kühl-frostig technoblaugrau gehaltenen Kulisse. Menschen krabbeln vor der gigantomanischen Technikmaschinerie herum wie kleine Ameisen und kommen im bewundernden Staunen davor, wie weit wir es gebracht haben, gar nicht mehr heraus. Im Cockpit der neuen Fahrzeuggeneration laufen Kameras, die jede Bewegung der Insassen in Echtzeit auswerten: Mit einer Handbewegung in der Luft kann man eingehende Mobilanrufe annehmen oder zurückweisen. Genauso wird jedes im Cockpit gesprochene Wort per WLAN zu einer Cloud in den Himmel geleitet und von dort aus den Insassen jeder Wunsch von den Lippen abgelesen. „Siri, lad‘ mir die neueste Schwubbeldupp-App runter!“ – „Schon geschehen.“ Gegen die digitalen Dienste von Siri war der bezaubernde Jeannie-Flaschengeist von Larry Hagman noch eine richtiggehend lahme Ente. Gäbe es noch eine Fußball-Leinwand in der Halle – die Seligkeit wäre perfekt und alle Menschen wunschlos glücklich. Im obigen Video sieht man, wie natürlich auch Deutschlands „Frau ohne Eigenschaften“ Angela M. vorbeikommt und dem fortschrittlichen Treiben ihren Tribut zollt.

Mit einem Wort, der Schauplatz des tragischen Geschehens ist eine technokratische Markthalle, vollgefüllt mit Dingen, über die Sokrates achselzuckend gesagt hätte „Was es alles gibt, was ich nicht brauche“, während jeder Nichtsokratiker mit offenem Mund und gefalteten Händen vor ebendiesen Dingen steht und sagt: „Willhabähn!“

Mitten in diesem Treiben kommt nun der BMW Chef auf die Bühne und will der sehnsuchtsvoll wartenden Menge das neueste goldene – in diesem Fall metallic blau lackierte – Kalb aus seinem Münchner Stall präsentieren.

Er hat nur leider denselben Fehler gemacht, den auch die Las Vegas Showmaster Sigfried and Roy gemacht haben, als einer der beiden Löwendompteure von seinem Tier hinterrücks niedergerissen und übel zugerichtet wurde: Auch der Münchner Autobauer hat seiner Bestie den Rücken zugewendet. Und das ist ihm dann auch zum Verhängnis geworden.

Wer das folgende Video aufmerksam betrachtet, der kann wahrnehmen, wie das hinter ihm lauernde Tier langsam seine kalten, technokratischen Tentakeln nach dem Redner ausstreckt. Es legt sie ihm um Hals, Hüfte und Beine. Man merkt zwar, dass der gute Mann etwas blass bei dieser Umarmung wird, aber noch weiß er nicht, wie ihm geschieht und setzt deshalb seine Lobeshymne auf das goldene Kalb fort.

Schließlich der Schock: Die Bestie vollzieht ihren Würgegriff und legt ihren ehemaligen Meister um. Er taumelt, stürzt zu Boden und ringt röchelnd nach Luft, eine Anzahl grauer Männer befördert ihn schließlich von der Bühne.

Die Botschaft, die die eigenläufig gewordene Technik auf der unter dem Motto „Vernetzte Mobilität“ stehenden Automesse mit dem Abservieren des BMW Chefs an die Menschen gesendet hat, ist eindeutig: Wir werden nicht mehr gebraucht. Nicht nur die Autos werden demnächst selbst fahren, auch die derzeit auf Teufel komm raus entwickelte Künstliche Intelligenz wird uns ineffiziente Zweibeiner bald abservieren (siehe auch ARTE Doku „Welt ohne Menschen“).

 

Copyright Fotos (Wikimedia Commons): VW (li.): Silar, CC BY-SA 4.0 – Link; BMW (re.): Navigator84, CC BY-SA 4.0 –Link

RTL: eine terroristische Herrschaftsform des Kapitals?

RTL: eine terroristische Herrschaftsform des Kapitals?

Montag, 17.2.2014. Eifel. Reden wir mal über Faschismus. Kann einer erklären, was das ist? Ja – ungefähr 1000 Faschismustheorien streiten hier über die Deutungshoheit. Mal steht der Glaube an einen gottähnlichen Führer im Mittelpunkt, mal die absolute Einheit von Wirtschaft und Politik, mal mystisch-irrationale pseudoreligiöse Kulte, mal ein psychischer Massendefekt. Je nach Änderung der Perspektive kann man aus jeder x-beliebigen Gesellschaft eine faschistoide Gesellschaft machen – auch aus der bundesdeutschen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.

Die Deutschen sind nun immer ein interessantes Volk, wenn es um Faschismus geht: immerhin gehören wir zu den wenigen Völkern, wo er die Staatsmacht erobern konnte – was letztlich 50 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Kein Wunder, dass man hier aufmerksamer nach faschistoiden Züge schaut oder auf sie reagiert als in vergleichbaren Kulturen.  Z

Verdächtig ist zum Beispiel die wachsende Einheit von Wirtschaft und Politik, die für Bundestagsabgeordnete dazu geführt hat, dass sie zu den reichsten Menschen dieses Landes gehören … und jetzt noch 10% oben drauf bekommen, um auch in Zukunft auf die unantastbare Freiheit ihres Mandates zugunsten der Fraktionsdisziplin – ganz gegen den Geist der Verfassung – zu verzichten. Andererseits bekommen sie dafür die Chance, nahtlos im Anschluss an das fürstliche Mandat füstliche Posten in der Wirtschaft zu bekommen … auch ohne jede Ausbildung oder Berufserfahrung.

Die entscheidende Frage ist nun nicht: kann man auf Teufel komm ´raus den Deutschen wieder einmal Faschismus andichten, sondern die Frage, wann es wieder wie viele Tote gibt. Hören wir dazu ein paar Worte aus dem Artikel über Faschismustheorie bei Wikipedia:

Es besteht ein ausgeprägtes Denken in den sich ausschließenden Kategorien Freund/Feind, Wir/die anderen, Höherwertig/Minderwertig, besonders mit dem Blick auf das Innere der Gesellschaft. Der innere Feind spielt dabei mindestens eine ebenso bedeutende Rolle wie der äußere Feind. Er wird als „Volksschädling“, Bedrohung für das eigene „Blut“ etc ausgemacht. Dazu dient vor allem die eigene Fiktion vom “Juden“, “Semiten“, „Zionisten“ und der anderen „Rasse“. Von ihnen gelte es, den „Volkskörper“ zu reinigen.

Ja – das Reden von „Zionisten“ gehört auch dazu.

Ein Reinigungsprogramm für den Volkskörper durchlaufen wir gerade mit größter Intensität: der Parasit, der Sozialschmarotzer, der faule Drecksack wird mit der größten Behörde in Deutschland gejagt: 123000 Mitarbeiter verfolgen ihn bis in sein Haus, durchsuchen seine Räume, seine Konten, kontrollieren die Anzahl seiner Zahnbürsten und können ihn jederzeit von jeglicher Versorgung abschneiden, damit er die Wirkung von Hunger und Kälte am eigenen Leib erfahren kann … manchmal auch bis zum Eintritt des Todes.

Hört sich schon schlimm an, wenn man es so formuliert, oder? Würden wir das von einem anderen Land hören, wir wären voller Spott und Häme, doch die bundesdeutsche Leistungsgesellschaft mit ihrem ausgesprochenem Hass gegen „Minderleister“ (was eigentlich nur Menschen mit wenig Geld bezeichnet und keinerlei Bezug zur Art und Weise des Gelderwerbs hat: auch Zuhälter, Drogenbarone und Anlagebetrüger werden mit größtem Respekt behandelt – wenn der Kontostand stimmt) denkt sich nichts dabei: immerhin sind wir eine Leistungsgemeinschaft, ein einziger Volkskörper, der zusammenhält um die Weltmeisterschaft im Export zu erlangen. Wir sehen das halt alles nur sportlich – nicht politisch.

Bleiben wir bei dieser von Wikipedia angeregten Diskussion, stellen wir wirklich mal den „Herrenmenschen“ in den Mittelpunkt unserer Betrachtung – den Herrenmenschen, der sein Land sauber halten will. Wir haben ja keinen Herrenmenschen, oder? Das würde ungemein beruhigen, wenn es denn so wäre.

Oder ist unsere Kultur so voller Herrenmenschen, so voller Bäume, dass wir den Wald nicht sehen?

Ich denke da zum Beispiel an … Günter Jauch und „Wer wird Millionär“. Wo andere eine harmlose Show sehen, sehe ich pseudoreligiöse Kulte. Hohepriester Jauch verteilt die Gunst des „Goldenen Kalbs“, um das das Volk in völliger Abkehr seiner christlichen und demokratischen Grundwerte in wahnhaftem Rausche begeistert herumtanzt. Man muss nur eins können: völlig unnützes Sachwissen in richtiger Reihenfolge herunterbeten können – das Paradies für den Oberlehrer des deutschen Gymnasiums … das auch prompt auf diese Herausforderung reagiert. Harald Martenstein erwähnt dies in der Zeit – in einer Kolumne, wo es über die wundersame angestiegene Bedeutung der Schulnote für „sonstige Mitarbeit“ geht:

Man erzieht die Leute zu Dauerlaberern, zu Nervensägen und Ichdarstellern, die sollen alle ins Dschungelcamp.

Wir können zwar kein Mathe – aber wir können so lange darüber reden, bis jeder die Aufgabe vergessen hat.

Natürlich fällt das den Menschen nicht auf. Jauch bestätigt die Relevanz der Inhalte des Unterrichtes, in dem er den Menschen für die richtige Wiedergabe prinzipiell völlig unnützer Informationen eine Million Euro schenkt … eine von tausend Millionen zurückgibt, die zuvor von der Wirtschaft durch Arbeitsplatzabbau und Leiharbeit erbeutet wurden: genau dort wird der Gewinn generiert, der dann – über Werbegelder – „großzügig“ via Jauch zurückgegeben wird. Die deutsche Schule sollte Jauch eine Ehrenmedaille verleihen: ihr Vernichtungsfeldzug gegen Wissen, Kompetenz, Selbstbewusstsein und Kreativität erhält durch ihn einen tieferen Sinn.

Und natürlich ist da die Fähigkeit zur „sonstigen Mitarbeit“ wichtiger als … die Fähigkeit, Mathematik effektiv zu beherrschen.

Wir wollten aber über Faschismus reden … und über Herrenmenschen. Sind wir nicht weit vom Thema abgekommen?

Nein – wir sind mittendrin – mittendrin, ohne es zu merken. Wir haben schon längst unsere Herrenmenschen: wir nennen sie „Promis“ – und ganz Deutschland huldigt ihnen. Nur ihr Leben ist wertvoll, nur ihr Leben ist sinnvoll, nur ihr Leben ist erwähnenswert … und zwar jeden Tag. Während Arbeitslose unbemerkt verhungern, sich still das Leben nehmen, um nicht in die Hartz-Falle zu geraten, aus der es kein Entkommen gibt, wird jeder kleine Ski-Unfall der Promis sogar von ehemaligen Nachrichtenmagazinen wie dem Spiegel breitflächig  in Szene gesetzt … die ganze Nation bangt um die Gesundheit des Herrenmenschen, während Millionen andere elendig im staatlich verordneten Elend dahinvegetieren – vor und hinter den Schreibtischen.

Nehmen wir allein den heutigen Tag bei Spiegel-online: was glänzt einem da entgegen? Ein freudiger Jauch hat eine ergebnislose Talkshow hinter sich gebracht, die Dschungelcampmitglieder treffen sich bei Frauke Ludowig zur Nachbesprechung, wobei das Onlinemagazin viele Fotografien zur Nachbearbeitung der Nachbearbeitung einstellt und kommentiert.

Ja – das Dschungelcamp. Da lag Harald Martenstein leider falsch: ins Dschungelcamp kommt nicht jeder. Da kommen nur Menschen hinein, die sich angemaßt haben, Promis zu sein … aber keine waren. Die müssen dort Würmer schlucken und in Käfern baden (oder war es umgekehrt?), die werden im römischen Zirkus öffentlich zur Schau gestellt und – mangels Löwen – den Maden zum Fraß vorgeworfen, damit das auch jeder sehen kann, was einem geschieht, der zu hoch hinaus will.

Für uns Minderbürger ist anderes vorgesehen: wir – bzw. unsere Kinder – dürfen uns bei DSDS blamieren …. bzw. uns von ausgesuchten Herrenmenschen wie dem Herrn Bohlen auf unseren niederen Stand verweisen lassen. Für die Sieger werden ein paar Singels produziert, bevor man sie ins Prostituiertenmilleu abschiebt wie es den Teilnehmerinnen der „Wild Girls“ als Endstation ihrer TV-Karriere von einem Kommentator prophezeit wurde.

Nochmal zur Erinnerung:

Es besteht ein ausgeprägtes Denken in den sich ausschließenden Kategorien Freund/Feind, Wir/die anderen, Höherwertig/Minderwertig, besonders mit dem Blick auf das Innere der Gesellschaft.

„Wir“, „Freund“, „höherwertig“ – das ist der Promi. Er darf die Minderbürger vorführen – mit einem Auftritt, für den man früher einfach was aufs Maul bekommen hätte … auf die Art wehren sich Menschen gelegentlich, wenn ihre unantastbare Würde absichtlich öffentlich in den Schmutz getreten wird und sie sich nicht anders zu helfen wissen. Für ihn gelten auch andere Gesetze. Er darf Drogen nehmen, Steuern hinterziehen, seine Frau/seinen Mann öffentlich betrügen, jedes Jahr eine jüngere/einen jüngeren Partner heiraten, mit geliehendem Reichtum protzen … für ihn ist alles egal. Er steht über dem Gesetz – er IST das Gesetz.

Warum machen da alle mit?

Der Glaube an ein „Herrenmenschentum“ wird zur stärksten Triebfeder sowohl der Bindung der nationalsozialistischen Massen an den „Führer“ als auch zur psychologischen Grundlage der eigenen freiwilligen Einreihung in die Gefolgschaft. Daneben wirkt aber entscheidend eine intensive Identifizierung mit dem Führer, die die eigene Unterwerfung als geführtes Massenmitglied verschleiert. Jeder Nationalsozialist fühlt sich in seiner psychischen Abhängigkeit als „kleiner Hitler“.

Aus: Massenpsychologie des Faschismus, Willhelm Reich, gefunden bei antisemitismus.net.

Fühlt sich jeder RTL-Schauer nun als kleiner Führer … als „kleiner Promi“? Sicher dann, wenn er hämisch über die Dschungelcamp-Foltereien lacht, die die aussortieren Promis über sich ergehen lassen müssen.

Müssen wir uns aber jetzt Sorgen machen, dass es wieder 50 Millionen Tote gibt?

Schauen wir auf die marxistische Faschimustheorie, bevor wir die Frage beantworten (wieder Wikipedia).

Marxistische Theoretiker (so in Deutschland zuerst Clara Zetkin, 1923) bezeichneten Faschismus als eine terroristische Herrschaftsform des Kapitals. 

Schon mal überlegt, wie ein Promi im Deutschland des 21. Jahrhunderts zum Promi wird? Der Millionen verschenkende Günter Jauch ist ein Studienabbrecher – und ein  Zögling deutsche Jornalistenschulen, in denen das Kapital jahrelang hunderte von Bewerbern für diesen an sich „freien“ Beruf observiert, um jene kleine, auserlesene Hand voll nützlicher Individuen herauszufiltern, die ihm große Dienste leistet. Der Promi wird von der Wirtschaft ernannt, notfalls gezielt mit großem Werbeaufwand gezüchtet.

Währenddessen wird der Untermensch in vielen Formaten vorgeführt, um ihm seine Minderwertigkeit vor Augen zu führen: ob nun die Supernanny die Erziehung übernimmt, dem Bauer eine Frau oder dem Sohn eine Freundin gesucht wird – der „kleine Mann“ wird täglich als grenzdebiler, vereinsamter, in seiner Unfähigkeit allenfalls lächerlicher Sonderling dargestellt, der den Geissens dieser Welt .. den wahren, von Gott Mammon auserwählten Edelmenschen … nicht das Wassser reichen kann.

Unsere gebildete Umwelt weiß schon längst, was sich dort abspielt. Hören wir mal ein paar Worte zu dem „Bachelor“, einer RTL-Kuppelshow (wieder Wikipedia):

Bereits die erste Staffel von Der Bachelor wurde heftig kritisiert. So schrieb der Journalist Oliver Fuchs in der Süddeutschen Zeitung vom 2. Januar 2004, die Sendung wäre „menschenverachtend“ und „die verkommenste TV-Sendung seit Menschengedenken“. Die Kandidatinnen bezeichnete er als „ultra-devot“ und „großteils mäuschenhaft“.Die Politikerin Sabine Bätzing erklärte: „Das Frauenbild, das dem Publikum vermittelt wird, ist erschreckend und erinnert mich an den arabischen Kamelhandel.“ Udo Jürgens wurde mit den Worten zitiert: „Ich empfinde es als billig und nuttig, wenn 25 Frauen um einen Mann buhlen.“

Deutliche Worte.

Sie ändern nichts, weil hinter dem werbefinanzierten Sender RTL das „Kapital“ steht, das große Geld, das Kunden und Steuerzahlern in immer größerem Umfang aus der Tasche gezogen wird.

Und sie ändern nichts, weil sich jeder kleine Hitler vor dem Fernsehbildschirm in den Momenten, wo andere sich vor seinen Augen erniedrigen, prostituieren und selbst vergewaltigen sich selbst wie der größte Führer aller Zeiten fühlt … während er im Alltag nichts weiter ist als der unterworfene Massenmensch.

Kein Wunder, dass diese kleinen Führer immer mehr Zeit vor dem Fernseher und immer weniger Zeit in der Realität verbringen.

Am Ende unserer kleinen, gedanklichen Reise durch die bundesdeutsche Realität des 21. Jahrhundert wartet noch eine Frage auf uns: haben wir nun Faschismus  – und kriegen wir wieder Millionen Tote?

Nun – wie schon zu Anfang erwähnt, ist die Frage nach „Faschismus“ immer einer Frage der Definition, eine Frage danach, ob man nach dem Hakenkreuz auf der Armbinde oder nach dem Hakenkreuz im Herzen schaut.

Die Frage nach den Toten läßt sich leichter beantworten. Erstmal haben wir sie schon – dank „Sozialreform“.

Und die Frage, wann eine Kultur, die ständige neue Rekorde an menschenverachtenden und verkommenen Sendeformaten produziert, ihren Hass gegen die „anderen“, die „minderwertigen“, die „inneren Feinde der Gesellschaft“ offen auslebt, kann sich jeder mal selbst beantworten.

Auf den Bildschirmen tut sie es schon jetzt.

Welchen Stellenwert diese Unkultur inzwischen hat, sieht man daran, dass der Spiegel nahezu täglich über Sendeformate von RTL schreibt … RTL aber nicht über die Nachrichten des Spiegel berichtet.

Und wer das nun alles für Spinnerei und Unfug hält, der soll mir bitte erklären, was ein Günter Jauch (der privat ein außerordentlich netter und integrer Mensch zu sein scheint) in den „geheimen Machtzirkeln der Manager“ (siehe Manager Magazin) zu suchen hat, wieso es in einer aufgeklärten Demokratie derartige Geheimbünde überhaupt geben kann … und was die mit unserem Land noch so vorhaben.

 

 

 

 

 

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