Götz Eisenberg

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Gesund bleiben im „Lock Down“-Modus – Über Verlust und Wiedergewinnung des Atemraums in der Coronakrise

(Artikel übernommen CC BY 4.0 von politeia.press / Text: Mario E. Nette, Fotos: Creative Commons – no attribution)

In fast stündlichem Abstand werden neue, rigorose Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus verordnet. Wie gebannt harren wir den Pressekonferenzen und Entscheidungen von Politikern. Sind wir in dieser Situation nun zum bloßen Zuschauerdasein verurteilt und ist die Lösung der Krise Sache von „Experten“? Dürfen wir uns jetzt in die Hand politischer Maßregelung begeben, der die Bürger ansonsten laut statistischer Erhebungen so wenig Vertrauen entgegenbringen wie noch nie? Oder fordert uns die gegenwärtige Krise nicht geradewegs auf, selbst Regie zu ergreifen und uns zu eigenständigem Denken durchzuringen?

Denn trotz aller staatlich verordneter Schutzmaßnahmen wird von Regierungssprechern offen ausgesprochen, dass die Ausbreitung des Virus damit nur verlangsamt werden könne, ein weiterer exponentieller Anstieg an Neuinfektionen jedoch nicht vermeidbar sei. Nach Einschätzung anerkannter Experten u.a. der Harvard-Universität werde der neue Virus im Laufe der Zeit ca. 60-80% der Gesamtbevölkerung erfassen. Die Gefährlichkeit des neuen Coronavirus CoV-2  im Vergleich zu bisherigen, saisonal auftretenden Influenza- und Coronaviren wird von Experten kontrovers beurteilt und kann nach derzeitiger Datenlage noch nicht valide abgeschätzt werden (auch den gewöhnlichen Grippeviren werden alleine in Deutschland jährlich zwischen 20.000 und 30.000 Todesfälle zugerechnet; siehe auch eine aktuelle Riskobeurteilung auf swprs.org und euromomo.eu). Was Anlass zur Sorge gibt, sind neben einer erhöhten Übertragbarkeit des Virus u.a. Studien aus China, wonach bei als geheilt entlassenen Patienten mitunter bleibende Lungenfunktionsschäden festgestellt wurden. Zum Nachdenken gibt auch die Schilderung eines Kölner Internisten (siehe Youtube-Interview ab 14:45), wonach eine im führenden medizinischen Journal „The Lancet“ publizierte Coronavirus-Behandlung mit einer fragwürdigen Kombination an immunsuppressiven und zum Teil hochtoxischen Substanzen tödlich verlaufen könne und aus ärztlicher Sicht ein eindeutiger Kunstfehler sei. Auf diese Weise kämen auch vergleichsweise jungen Patienten zu Tode, die gar nicht einer Risikogruppe zugehören und die den Virus ansonsten mit größter Wahrscheinlichkeit überlebt hätten.

Auch gibt es Indizien, dass SARS CoV-2 nicht bloß natürlichen Ursprungs ist, sondern in einem mikrobiologischen Labor hergestellt worden sein könnte (dass derartige Experimente durchgeführt werden, ist aus seriösen Quellen belegt – siehe z.B. eine Publikation im wissenschaftlichen Fachjournal „Nature“ aus 2015: „An experiment that created a hybrid version of a bat coronavirus that causes SARS …“)

Antikörper und Information

Unabhängig von seinem noch ungeklärten Ursprung ist jedenfalls absehbar, dass über kurz oder lang auch unser eigenes Immunsystem vor die Herausforderung gestellt sein wird, den neuen Coronavirus zu bewältigen. Ob das individuelle Immunsystem eines Menschen in der Lage ist, einen Krankheitskeim zu bewältigen oder ob es ihm unterliegt, hängt insbesondere auch von den Informationen ab, über welche die in unserem Blut und Gewebe zirkulierenden T- und B-Lymphozyten verfügen, um maßgeschneiderte Antikörper zu bilden. Sind unserem Immunsystem bestimmte Merkmale körperfremder Stoffe bekannt, dann kann bei Kontakt mit einem Antigen eine effektive Abwehrreaktion und Ausscheidung erfolgen.

Ist es möglich, uns analog zur Funktionsweise des Immunsystems durch richtige Information bzw. innere Haltung auf eine Bewältigung des Coronavirus vorzubereiten?

Während wir zum Thema Coronavirus gerade in einer Informationsflut an Zahlen und Statistiken untergehen, von der in einem Artikel auf Rubikon treffend festgestellt wird: „Die wesentlichen Fragen zu Corona werden gar nicht erst gestellt — sie stünden Profitmaximierung und Grundrechteabbau nur im Weg“, so fehlt es an Informationen, die dem Menschen ein tieferes Verständnis der gesamten Situation ermöglichen und ihm seine individuelle Handlungsfähigkeit wiedergeben.

Im Gegensatz zu den „Lösungen“, die uns derzeit von Politik und Pharmaindustrie in Aussicht gestellt werden, ist eine Bewusstwerdung des übergeordneten Kontextes der aktuellen Krise mühsam. Wer diese Mühe nicht scheut, der kann in einer aktuellen Betrachtung des Heilpraktikers und Buchautors Heinz Grill fündig werden: „Der Coronavirus: Die Auseinandersetzung mit den Ängsten und Suggestionen stärkt die Abwehrkraft“

Krank durch Überfremdung

Nach Ansicht des Autors sei es das manipulative und suggestive Potential unserer Zeit, das den Menschen regelrecht überfremde und in Konsequenz auch krankmache.  – Wobei es aus einer philosophisch-metaphysischen Sicht bereits die grundlegende Lüge unserer Zeit sei, den Menschen auf eine rein materialistische Existenz zu reduzieren und ihm seinen Geist abzusprechen. Auf diese Weise werde der Mensch nicht nur seiner Würde und seines Selbstvertrauens beraubt, sondern auch seiner Fähigkeit zu einer wirklichen Neugestaltung der Lebensumstände. Der Mensch müsse sich dann ausschließlich von den materiellen Umständen, also auch Viren und sonstigen Krankheitserregern determiniert fühlen und vergesse dabei, dass er selbst maßgeblich zu einer Immunstärkung und Bewältigung von pathogenen Einflüssen beitragen könne. Indem der Einzelne nun von Angst dirigiert wird und seine Fähigkeit zu überschauender Bewusstheit und Handlungsinitiative verliert, erschöpfe sich hingegen sein Immunsystem in nicht ungefährlicher Weise. Durch die gegenwärtigen Maßregelungen werde der Mensch in seiner Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Beziehungsmöglichkeit drastisch reduziert. Er sei dann umso mehr auf staatliche und konzernwirtschaftliche Systeme angewiesen, in deren Abhängigkeit er sich begeben muss, um vermeintlich existieren zu können. Obwohl er sich in dieser Hoffnung am fortwährenden Bande getäuscht sieht und die rein profitorientierten und zerstörerischen Motive des neoliberal-konzernwirtschaftlich organisierten Systems inzwischen mehr als offensichtlich sind, wird dem Bürger ein vermeintlich bequemes Bild suggeriert: „Experten“ würden die heute anstehenden Probleme für ihn lösen.

Die Verantwortungsabgabe des Bürgers wird hierbei durch ein psychologisch raffiniertes Ansprechen seines Angst- und Sicherheitsdenkens  erkauft. Doch während es zu den Mechanismen der Manipulations- und Herrschaftstechniken heute bereits umfangreiche und sehr scharfsinnige Abhandlungen gibt (siehe z.B. Prof. Mausfeld: „Wie werden Meinung und Demokratie gesteuert“), so bleibt die Frage offen, warum so viele Menschen den bereits offenkundig zerstörerischen Machenschaften weiterhin Folge leisten.

In seiner Schrift „Die Gefallsüchtigen“ spricht der ZDF-Reporter Wolfgang Herles von einem unsichtbaren „Deal“ zwischen Herrschenden und Beherrschten: Politiker werden dafür honoriert, dass sie Tabu-Themen, die das bequeme Weltbild der herrschenden Lehre schlichtweg zerstören würden, erkennen und umschiffen (>> Interview Herles bei KenFM). Herles bezeichnet diese trügerische Form der Stabilität als „chronische Ignoranz“, innerhalb welcher die meisten Menschen systematisch belogen werden wollen. Der konsumorientierte Bürger wolle eigentlich mit Politik „in Ruhe gelassen werden“ und Verantwortung abgeben. Aufklärer haben in einem solchen gesellschaftlichen Milieu naturgemäß keinen leichten Stand. Herles:

„Politische Journalisten stören den Seelenfrieden. Vor allem den all jener Personen, deren Zurechtkommen mit der Wirklichkeit ausschließlich auf Selbstbetrug und Selbsttäuschung beruht.“

Dass auch von Einrichtungen führender demokratischer Staaten aktiv in Richtung Betrug und Täuschung der Bevölkerung hingearbeitet wird, wurde von CIA-Direktor William Casey offen zugegeben:

„Wir werden wissen, dass unser Desinformationsprogramm wirksam ist, wenn alles, was die Öffentlichkeit glaubt, falsch ist.“ (William Casey, 1981)

Wer die Analysen von Prof. Mausfeld verfolgt, kommt nicht umhin festzustellen, dass wir diesen von Casey postulierten Zustand nun womöglich erreicht haben. Eine mittlerweile perfektionierte Medien- und Meinungsmaschinerie hilft dabei, diesen Zustand abzusichern und kritische Stimmen auszugrenzen. Gab es im Falle der Zensur von system- und globalisierungskritischen Stimmen bisher doch auch deutliche Kritik, so drohen derartige Stimmen nun mundtot gemacht zu werden. Inmitten eines  zunehmend in den Panikmodus übergehenden Pandemie-

Szenarios kann ein Hinterfragen der herrschenden Meinung schnell als unverantwortliche Gefährdung ausgelegt werden. Geht es jetzt doch um Leben und Tod (als ob das im Gang der Welt nicht auch schon bisher der Fall gewesen wäre) und um die Bekämpfung eines „unsichtbaren Feindes“, wie es der französische Präsident Macron bezeichnete.  Laut Ansage von Macron „befinden wir uns nun im Krieg“. Wer solche Aussagen unwidersprochen entgegennimmt, sollte bedenken, dass in einem Krieg bisher gültige Maßstäbe zivilgesellschaftli

chen Lebens suspendiert sind. Auch wie im Krieg mit „Deserteuren“ und „Wehrkraftzersetzern“ verfahren wird, die sich den Einsatzplänen der Herrschenden entgegenstellen, sollte aus der Geschichte bekannt sein. Im Falle von Frankreich darf sich Präsident Macron bereits freuen: Die sozialen Proteste der „Gelbwesten“, die seine Macht beinahe ins Wanken gebracht haben, werden nun durch rigorose Notstandsverordnungen von den Straßen verbannt. Der Einzelne muss sich in seine Wohnung zurückziehen und dort den Anweisungen der Regierung harren.

In einer lesenswerten Betrachtung stellt der Gefängnispsychologe Götz Eisenberg fest, dass ein von der Regierung verordneter Mundschutz auch ein Maulkorb sei und dass „Chinesische Verhältnisse“ nun auch in Europa nicht mehr fern scheinen (>>Mundschutz und Maulkorb – Vom Doppelcharakter der Prävention“). Eisenberg:

„Man übt Praktiken der präventiven Konterrevolution. Der Virus, um den es letztlich und eigentlich geht, ist der Virus des Aufstands, den die Macht fürchtet wie die Pest.“

Immunsystem und Lüge

In seiner vorgenannten Betrachtung, welche sich insbesondere den geisteswissenschaftlichen Hintergründen der Viruserkrankung widmet, zieht Heinz Grill eine Analogie zwischen der Überfremdung des menschlichen Organismus durch einen Virus und der Überfremdung durch Lügen und Manipulation. Auch letztere setzen sich bis ins Innere des Menschen fort und entwickeln ein pathologisches Eigenleben. Wenn sich der Mensch diesem zwar verdrängten, aber mittlerweile unerträglich gewordenen Zeitgeschehen mutig und erkenntnisfreudig gegenüberstelle, dann könne er die in ihn eingedrungenen schädlichen Wirkungen wieder aussondern. So wie auch das Immunsystem krankmachende Keime unschädlich machen kann, sobald es in der Lage ist, diese anhand geeigneter Codierungen zu identifizieren. Die Immunkapazität reife sogar an einer solchen Auseinandersetzung mit dem Destruktiven und werde dadurch stärker, ein ängstliches Zurückziehen und Nichtbeachtenwollen bewirke das Gegenteil: Der Mensch würde auf diese Weise immer schwächer und apathischer, auch seine Gesundheit werde dabei untergraben.

„Lügen besitzen ihren Charakter in ihrer besonderen heimtückischen Determination, wenn sie auf unbewusste Weise von dem Menschen übernommen werden. Die reife Selbstbestimmung, die mit einer guten und objektiven Vorstellungsbildung ausgerichtet ist, stärkt die Regsamkeit des Immunsystems. Nicht nur den Erregern behagt diese Tätigkeit nicht, es beginnen auch die Lügen, die durch Erkenntnis nach Außen in die Ansicht gerückt werden, zu zappeln. Es ist wie wenn Eis in die Sonne gestellt würde. So wie ein Virus im Inneren schleichend und parasitär arbeitet und in geschwächtem Moment des Menschen überhand nehmende Fremdeiweiße mit nachfolgenden Toxinwirkungen produziert, im gleichen Maße werden heute Menschen von Suggestionen überschwemmt und in verhängnisvolle Zustände geführt. Eine Lüge verträgt keinen objektiven Blick, denn wenn dieser mit seiner Souveränität ihr gegenübertritt, wird die heimtückische Reaktion unterbunden.
(…)
Die Auseinandersetzung mit dem sogenannten Bösen, mit dem Antimoralischen, bildet einerseits eine größte Herausforderung für den Menschen, aber sie beinhaltet andererseits die Möglichkeit, die Immunkraft des phagozytären Systems auf intensive Weise zu fördern. Wenn es dem Menschen gelingt, Vorstellungen aus objektiver Anschauung zu bilden, überschreitet er eine Grenze seines eigenen Körpers und entwickelt daraus langsam und sicher jene Kräfte, die er zu einem selbstbestimmten und freien Leben benötigt. Überreaktionen des Immunsystems, die an den Organstrukturen destruierend arbeiten, treten dann ebenso wenig auf, wie passive Erschöpfungen der zellulären Abwehr. Nicht die Viren sollten die Zellsteuerung im Menschen übernehmen, sondern das reife geschulte und freie Bewusstsein des Menschen. Diese Art von Heilspotential müsste für die Zukunft in breitem Maße gefördert werden.“

Resilienz vs. Vulnerabilität

In der Medizin ist es bekannt, dass die Immunfunktion bzw. die Disposition zu Erkrankung oder zu relativ souveräner Bewältigung eines Krankheitserregers auch eine wesentliche psychosomatische Komponente hat. Bei Menschen, die aufgrund ihrer inneren Einstellung auch inmitten widriger Umstände zu einer Aufrechterhaltung oder raschen Wiederherstellung ihrer Gesundheit fähig sind, spricht man von Resilienz. Das Gegenteil von Resilienz ist Verwundbarkeit (Vulnerabilität).

In der Resilienzforschung werden als wesentliche Faktoren „personale, kognitive Faktoren“ genannt, wobei insbesondere „Deutungs- und Sinngebungs-Modelle der Realität“ (Wikipedia) ausschlaggebend seien, ob ein Mensch einer Belastungssituation gewachsen ist oder an ihr zerbricht.

Weitere resilienzfördernde Faktoren wie intakter sozialer Austausch, Angstfreiheit, Selbstbestimmungsfähigkeit („Selbstwirksamkeitserwartung“) sowie Frischluft, Bewegung und Sonnenlicht sind durch aktuell verordnete Maßnahmen stark eingeschränkt. Durch fortwährend verschärfte Bestimmungen zu Quarantäne, Ausgangssperren und Vermeidung des Kontakts zwischen Alt und Jung (auch in Pflegeheimen und Krankenhäusern sollen bettlägerige Großeltern nicht mehr von ihren Enkeln besucht werden) verbleibt uns womöglich bald nur noch der vorgenannte „personale, kognitive Faktor“, um Resilienz aufzubauen.

Doch was ist unter „personaler, kognitiver Faktor“ konkret zu verstehen? Und wie trainiert man die „personale Deutung und Sinngebung“, zu der dieser personale Faktor, den jeder von uns in sich trägt, fähig ist?

Verlust des Atemraums

In einer weitgehend von ökonomisch-technokratischem Nutzendenken geprägten Zeit, in welcher dieser Faktor gerne wegrationalisiert wird, fällt es nicht leicht, über ihn zu sprechen. Tiefgründige Denker wie Erich Fromm konstatieren nicht nur ein Verschüttet-Sein dieses personalen Faktors des Menschen, sondern stellen sogar fest, dass gegen ihn heute regelrecht „Krieg geführt“ werde. Denn in einer zu Normierung und Utilitarismus tendierenden Gesellschaft empfinde man ihn als Störfaktor. Gleichzeitig sei er das Wertvollste, was der Mensch als Individuum besitzt.

Es steht zu befürchten, dass dieser personale Faktor durch die rigorosen Einschränkungen der Persönlichkeits- und Freiheitsrechte nun noch weiter unter Druck geraten und in seinem Atemraum beschränkt wird. Wie können wir diesen Atemraum, der uns aktuell nicht nur im metaphorischen Sinne, sondern auch ganz real eingeschränkt wird, wieder erweitern?

Wer in der derzeitigen, von Angst und existenzieller Verunsicherung beherrschten Situation über die Wiedergewinnung des personalen Atemraums spricht, läuft Gefahr, angefeindet zu werden. Denn dieser personale Faktor des Menschseins ist elementar mit den Fragen von Freiheit, Selbstbestimmung und Wahrheit verbunden. Genauer gesagt: Er kann eigentlich nur in einem Klima von Freiheit, Selbstbestimmung und Wahrheit gedeihen. So darf es in einem Zeitalter der massenmedialen Meinungsmanufaktur nicht verwundern, dass man von Seiten der meinungsbildenden Polit-, Wirtschafts- und Medienorgane einer Emanzipation des individuellen Menschen sehr abhold ist und lieber auf „handfeste“ Maßnahmen setzt – Maßnahmen, mit denen der Mensch von obrigkeitlichen Systemen abhängig bleibt und die bei Ausrufung einer Pandemie und des nationalen Notstands wohl kaum jemand zu hinterfragen wagt, ohne sich sogleich dem Vorwurf auszusetzen, ein „Gefährder“ der Volksgesundheit zu sein.

Es sei hierbei nicht in Abrede gestellt, dass Maßnahmen zu Hygiene und einer Verlangsamung der Infektionsausbreitung tatsächlich sinnvoll und angemessen sind. Allerdings besteht nun die ebenfalls reale Gefahr, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird und der von immer mehr Regierungen beschlossene „Lockdown“ nicht nur zu einer Abwärtsspirale und einem Kollaps der Wirtschaft führen wird (deren Stabilität von Ökonomen bisher bereits bei rückläufigen Wachstumsprognosen von nur wenigen Prozent- bzw. Zehntelprozent-Punkten als bedroht angesehen wurde – aktuell sprechen Ökonomen von einem zu erwartenden Einbruch des BIP im 2. Quartal dieses Jahres von 28%), sondern womöglich auch zu einer in Europa bislang nicht für möglich gehaltenen Außerkraftsetzung von Grund- und Freiheitsrechten und autoritären Verhältnissen. Wie der Journalist R. Rottenfußer in einem jüngsten Artikel auf Rubikon ausführt, sind die Bestrebungen zu lückenloser Überwachung und Abbau der Grundrechte mittlerweile unübersehbar:

„Hat die Panik ein gewisses Ausmaß erreicht, wird die Freiheit obsolet, Selbstbestimmung zum unverantwortlichen Risiko für die Volksgesundheit. Dann hat die Macht erreicht, was ihr ohnehin am liebsten ist: ein Volk, das von Angst getrieben seiner eigenen Entrechtung zustimmt.“

Ein Blick in eine in Dänemark vor wenigen Tagen beschlossene Gesetzesnovelle lässt erahnen, in welche Richtung die Reise nun geht, wenn wir nicht wachsam sind. Demnach hat sich die Regierung unter anderem folgende Befugnisse eingeräumt:  Enteignung von Privateigentum, Zwangstestungen, Zwangsbehandlungen und Zwangsimpfungen, die nötigenfalls durch exekutive Gewalt durchgeführt werden. Ein Gesetzesentwurf, wonach die Polizei die Möglichkeit hat, Räumlichkeiten ohne gerichtliche Anordnung zu betreten, wurde vorerst abgelehnt (Quelle: Stern).

Auch die Pharmaindustrie wittert wie bereits zu Zeiten der Schweinegrippe-Pandemie ihre Chance zu astronomischen Umsätzen mit Impfungen, die das Problem lösen sollen – wenngleich das für vormals kerngesunde Menschen mitunter nicht ohne Nebenwirkungen vonstatten geht. So wie etwa bei hunderten jungen Skandinaviern, die im Zuge der Schweinegrippe-Pandemie von 2010 aufgrund einer Impfung, die sie vor der Krankheit schützen sollte, stattdessen unheilbar krank wurden und nun unter Narkolepsie bzw. Schlafkrankheit leiden (Quelle: DiePresse;  vgl. Studie von Keil et al, 2011: „The invention of the swine-flu pandemic”). Zur Erinnerung an die Verknüpfung von Pharmaindustrie und Politik hier ein schon etwas älteres Statement des damaligen deutschen Gesundheitsministers Horst Seehofer (>>Youtube).

Auch die Gelegenheit zur Zentralisierung und Bündelung von Macht erscheint günstig wie noch nie. In einem jüngsten Artikel des Spiegel wird sogar eine bis vor Kurzem noch als Verschwörungstheorie bezeichnete Forderung offen ausgesprochen: „Krisen wie diese bräuchten eine Art Weltregierung.“

Wiedergewinnung des Atemraums

Doch kommen wir zurück auf das produktive Feld der Betrachtung, zur Resilienz und zum „personalen Faktor“ des Menschseins. Ob sich der Mensch dem Coronavirus resilient oder vulnerabel (verletzbar) gegenüberüberstellt, hängt nach Aussage von Heinz Grill im eingangs erwähnten Artikel wesentlich von seiner inneren Aktivität ab.

Zur Erkraftung des Immunsystems bedürfe es geradewegs jener Auseinandersetzung, die heute aus vermeintlicher Bequemlichkeit zumeist vermieden werde: Die Konfrontation mit den Lügen und Manipulationen unserer Zeit. Um diese Fremdeinflüsse aus dem eigenen Inneren zu eliminieren, muss man deren Wirkungsmechanismus verstehen. Dieser ist allerdings einigermaßen raffiniert:

„Die Einflüsterungen der Zeit mit ihren suggestiven Elementen und die Bindungen, die man in sich trägt, gehören in der Regel wie zwei Geschwister zusammen … die Vernunft ist durch die Angstsituation des Verlustes von Bindung vielfach bestimmt. Das Bindungspotential tritt in eine Art unausgesprochene, ungesehene Symbiose mit den Einflüsterungen der Interessenslage der Zeit.“

Diese unterbewusste Kondition – welche auch der Grund dafür ist, dass so viele Bürger Politikern folgen, deren unlautere Motive bereits für jedermann längst offenkundig sind (vgl. dazu oben W. Herles) – sorgt somit dafür, dass wir uns mit krankmachenden Einflüssen, die wir von unserem Innersten eigentlich nicht tolerieren und abwehren müssten, verbinden. Es besteht heute allerdings die große Aufforderung, alte Anlagen zurückzulassen, sich neue Gedanken und Sichtweisen zu erarbeiten und das Leben mit eigenständig formulierten Idealen neu zu formen. Indem man es nun vermeidet, im kollektiv-medialen Suggestivgeschehen mitzuschwimmen, Reservehaltungen und ängstliche Zwänge überwindet und die Auszeit, die uns nun durch Ausgangssperren auferlegt ist, dazu nützt um mit umso größerer Entschiedenheit neue Gedanken und persönliche Ziele zur Erkraftung zu führen (wem dazu die Ideen fehlen: z.B. einfach ein gutes, altes Buch aus dem Regal ziehen) und dabei gegenüber seinem Umfeld bewusst empathisch, wahrnehmend, beziehungsfreudig und interessiert bleibt, der kann seinen Immunstatus gegenüber herandrängenden Viren wesentlich stärken – und nicht nur seinen, auch den seiner Mitmenschen. Wer dies bewerkstellige, habe damit die besten Voraussetzungen für eine stabile Gesundheit und Psyche, auch in Zeiten einer kollektiven Krise:

„Das Immunsystem arbeitet in praktischer Hinsicht immer zur maximalen Wahrung der Integrität des Menschen. Diese Integrität des Menschen bedeutet, dass der Mensch keinesfalls von Fremdem bestimmt wird, sondern dass er sich von dem, was seiner Entwicklung angemessen ist, in das Leben hineinbringen lernt.
(…)
Die Angst in diesem Ausmaße, wie sie unbewusste, ergreifende Reaktionen freisetzt, umhüllt den Menschen wie eine vergiftete Atemluft. Die aufkommenden Reaktionen heißen ja nichts anderes, als dass der Bürger den Mut nicht aufbringt, zu seinem eigenen Potential und zu seiner Fähigkeit, dass er eine Sache objektiv denken, vorstellen und beurteilen kann, zu stehen. (…) Da heute die Wege bestehen, die Menschheit vor der Wirklichkeit abzulenken und sie sogar zu steuern, kann man eine individuelle Erkraftung des Einzelnen verhindern und neue Abhängigkeiten fördern. Der Virus aber ist tatsächlich wie symptomatisch, er übernimmt eine Art Steuerung bis hinein in die Erbstrukturen und der Mensch selbst ist diesem ausgeliefert.
(…)
Nun darf man nicht dem Fehler verfallen und sagen, dass Integrität eine Art Konservierung sei, bei der der Mensch zu alten und scheinbar sicheren Strukturen zurückkehrt. Zur Entwicklung bedarf es immer einer gesunden Anschauungsbildung und einem lebendigen Ablösen von subjektiven Eigenheiten. Er lernt, Urteile und Erkenntnisse zu entwickeln, die er nicht aus seinem Genetischen schöpfen kann, sondern die er in Kraft seiner Auseinandersetzung mit den verschiedenen Phänomenen der Wirklichkeit entwickelt. Er kann dann einen Erreger besser abwehren oder gegenüber diesem souverän bestehen. Wie bildet sich der Mensch seine Vorstellungen? Bildet er sie sich aus wirklicher Anschauung oder übernimmt er die Suggestionen, die ihm eingeflüstert werden und denkt, dass es seine eigenen Überlegungen seien? Zur Heilung einer Virusinfektion muss die Fähigkeit, die mit dem 30. Lebensjahr in die Entwicklung kommt, genützt werden. Der Einzelne lernt, die verschiedenen Verhältnisse eigenständig zu ordnen (…)  dann kommt das, was nicht nach innen gehört, nach außen und das, was gesunderweise von außen herein organisiert werden soll, nach innen und somit entwickelt man eine gesunde Integrität. Solange der Virus über den Körper reaktiv ist, fällt es dem Menschen schwer, eine freie Zukunftsvision zu entwickeln. Er braucht eine weit ausgedehnte Denk- und Vorstellungstätigkeit, die sich nicht aus den Ängsten und Emotionen des Leibes bildet, sondern aus einer freien Tätigkeit des Bewusstseins selbst.“

(Quelle: Heinz Grill – „Der Coronavirus: Die Auseinandersetzung mit den Ängsten und Suggestionen stärkt die Abwehrkraft“)

 

Ostern … und wieder einmal: “Ans Kreuz mit ihm! – Wir wollen den Barrabas!!!“ (*)

(*) Vorwort/Fußnote zum Titel:

Barrabas … dieser im Titel genannte Name ist ja heute womöglich vielen gar nicht mehr bekannt. Bushido rappt nicht über ihn, Dieter Bohlen hat ihn noch nie erwähnt und auch auf Bento und Vice macht man lieber einen auf Fack ju Göhte. Barrabas – diesen Namen kann man ohne Fußnote also gar nicht mehr einfach so hinstellen … wäre aber womöglich doch nicht ganz uninteressant, wer denn das ist, dem man derzeit alle Türen öffnet, ihm euphorisch entgegenjubelt und ihm sogar willfährig alle seine Gegner beseitigt, sodass er freie Bahn vorfindet für den Triumphzug, den er demnächst antreten will (siehe auch „Der Führer 4.0 – Er ist schon längst da“).

Barrabas. Nun, wie heißt es im ominösen Buch rund um das Ostermysterium als Kommentar mit fünf knappen Worten, nachdem sich das Volk am Marktplatz frenetisch schreiend für den – offensichtlich über fantastische Entertainerqualitäten verfügenden – Barrabas entschieden hatte, obwohl ihnen der römische Statthalter auch einen anscheinend wenig unterhaltsamen, von Peitschenhieben zerschundenen und bluttriefenden Nazarener zur Wahl geboten hätte, der Nächstenliebe und Frieden im Programm gehabt hätte?: „Barrabas aber war ein Mörder …“

50 Jahre nach dem Attentat auf Rudi Dutschke: Die Full spectrum dominance der „Realos“

An Gründonnerstag jährt sich zum 50. Mal der Mordanschlag auf Rudi Dutschke. Der Attentäter Josef  Bachmann hatte ihm drei Kugeln verpasst, die Dutschke zwar zunächst schwerverletzt überlebte, ihm jedoch Jahre später in der Badewanne einen epileptischen Anfall bescherten, sodass der ehemalige Studentenrevolutionär hilflos ertrank. Mit ihm schied auch viel zu früh eine unermüdliche, energiegeladene Impulskraft ab, die die Studenten- und Friedensbewegung in einer kritischen Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs in der Folge schmerzlich vermisste. Bei den soeben in Gründung befindlichen Grünen, wo Dutschke mit seinen Idealen für Furore sorgte und er als Bundesdelegierter kandidieren sollte, übernahmen in der Folge die „Realos“ – mit allen bekannten Folgen bzw. dem heute in seiner Endphase befindlichen Niedergang der ehemaligen Friedenspartei, deren Vorsitz inzwischen ein Mitglied des PNAC („Project for a New American Century“) innehat.

Hätte man Dutschke und andere alternative Denker nicht  vorzeitig weggeräumt, wer weiß, vielleicht müssten wir dann nicht die unsägliche Depression ausbaden, die heute auf allen Ebenen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft herrscht. Dutschke hätte sich jedenfalls eher den Kopf abschneiden lassen, als dass er zugelassen hätte, dass bei den Grünen ein Mitglied des PNAC die Parteiführung übernimmt, der als „Young Leader“ eines US Thinktanks wild entschlossen ist, in den Grand Canyon zu marschieren und zur Konfrontation mit Russland und für eine „Full spectrum dominance“ von Brzezinskis „Einziger Weltmacht“ trommelt (siehe „Die Glyphosat Kanzlerin und die Große Depression“).

So aber – haben andere das Rennen gemacht.

Der Gefängnispsychologe Götz Eisenberg geht in seinem jüngsten Essay einer interessanten Frage nach: Was bringt junge Menschen, insbesondere Studenten dazu, sich dermaßen in den Strom der herrschenden Meinung einzuordnen und sogar diejenigen erbittert zu bekämpfen, die ihnen mit alternativen Denkansätzen eigentlich aus der Lage heraushelfen wollen, in der sie selbst kaum noch atmen können (siehe auch Juri Galanskow: „In eurer Hölle kann ich nicht atmen“). Immerhin wachen in unserer wissenschaftlich aufgeklärten Gesellschaft heute jede Nacht mehr Menschen schweißgebadet auf als in totalitären Regimen (Quelle: Zeit), der Soziologie-Professor  Hartmut  Rosa bezeichnet unsere stolzen Universitäten mittlerweile als schiere „Entfremdungszonen“, in denen schon unter Jungstudenten Burn-Out und Angsterkrankungen grassieren. Laut jüngsten Krankenkassen-Report gilt bereits jeder sechste Student als psychisch krank (Quelle: handelsblatt). Womöglich würden diese Studenten – und wir alle – augenblicklich wieder gesund und tatkräftig, wenn wir als Lebenselixier nur einen Funken vom Elan und der Inspiration  in uns aufnähmen, die in den 60er/70er Jahren noch den Studentenführer Rudi Dutschke und mit ihm eine ganze Generation beseelten.

Aufforderung zur Lynchjustiz

Dass Dutschke es seinerzeit schaffte, Studenten zu mobilisieren, die couragiert für Frieden und gegen den Vietnamkrieg, Medienmanipulation und gegen die Große Koalition demonstrierten, war den deutschen Qualitätsmedien ein besonderer Dorn im Auge. Umgehend setzte eine mediale Maschinerie ein, um die Friedensaktivisten mit Querfront-Attributen zu diffamieren: „verantwortungslose Störer, bösartige Krawallmacher, Rowdies, Kriminelle und Schädlinge der Gesellschaft“ wären es, die dem Fortschritt von Kommerz und Technik im Wege stünden. Im Februar 1968 rief schließlich die Bild-Zeitung ganz unverblümt zur Lynchjustiz auf:  „Man darf auch nicht die ganze Drecksarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen.“(sic)

In der Tat ist zu beobachten, dass die seinerzeit von der Springer-Presse bzw. der Bild-Zeitung ausgegebene – heute stillschweigend zum common sense gewordene – Losung, in kleinbürgerlicher Selbstjustiz diejenigen Subjekte zu lynchen und von der Bildfläche verschwinden zu lassen, die dem herrschenden Narrativ (eines technokratisch-kommerzialistisch-nihilistischen Systems) widersprechen, heute nicht nur von einigen labilen Einzeltätern wie Josef Bachmann in die Tat umgesetzt wird. Nein, heute haben sich ganze Rudel an selbsternannten Säuberern zusammengerottet, die diese Drecksarbeit erledigen – ganz unblutig und rein virtuell durch konzertierte Mobbing-, Dissing- und Diffamierungskampagnen, die die Existenz anderer Menschen aber mitunter genauso vernichten können wie das Inbrandsetzen ihres Hauses.

Diplom-Proletariat im Inquisitionsfieber

Die Blaupause des aus der „Unterschicht“ stammenden Hilfsarbeiters Josef Bachmann, der vor Gericht zugab, dass er sich von den hetzerischen Artikeln der Bild-Zeitung zu seinem Attentat auf den Intellektuellen Rudi Dutschke hatte anregen lassen, wurde heute auf unzählige Bürger gerade auch der akademischen intellektuell gebildeten Mittelschicht übertragen. Denn wie uns auch der Jurist Milosz Matuschek in seinem nzz-Essay „Das Gastmahl der Geistlosen“ aufklärt, ist dieser gut ausgebildeten Schicht das klassische Bildungsbürgertum zwischenzeitlich abhanden gekommen, sodass man in besagter akademischer Intelligenzia heute zumeist leider im Trüben fischt: in einem „akademisch zertifizierten, aber intellektuell desinteressierten Diplom-Proletariat aus Ärzten, Juristen, Lehrern, Bankern und Ingenieuren, das sich in einen Zustand der Wohlstandsbehinderung hineinpäppelt … wobei sich das Gesprächsniveau in solcher Gesellschaft oft indirekt proportional zur Höhe des Durchschnittseinkommens verhält.“

Strampelt es gerade nicht im Hamsterrad, dann gefällt sich besagtes Diplom-Proletariat darin, ebenso wie Josef Bachmann Jagd auf Fortschrittsverweigerer zu machen. Zwar virtuell auf diversen digitalen Prangern, aber nicht minder brutal und menschenverachtend. Als sich etwa im vorigen Jahr angesichts zunehmender medialer Kriegstreiberei gegen Russland die zarten Sprosse einer neu erstandenen Friedensbewegung wieder sammeln wollten, wurden diese umgehend ebenso niedergetreten wie z.B. die geplante Friedenskonferenz „Angst essen Zukunft auf“ mit Daniele Ganser. Durch Hassblogger aus dem Dunstkreis des Psiram-/Skeptiker-Netzwerks gezielt sabotiert, musste diese in der Folge abgesagt werden (siehe Rubikon), ebenso wie sich die streng wissenschaftlichen Heckenschützen durch konzertierte mediale Aktionen mittlerweile darauf verstehen, Veranstaltungen wie das vom Vorstand  der Humanistischen Friedenspartei HFP, Malte Klingauf organisierte Pax Terra-Friedensfestival zu sabotieren und potentielle Besucher abzuschrecken (siehe Rubikon).

Zusammengerottet zu schlagkräftigen digitalen Rollkommandos, diffamieren die Blogger der Psiram-, Skeptiker- und Antifa-Bewegung Friedensforscher, meucheln investigative Journalisten, homöopathische Ärzte und Heilpraktiker (inklusive Angabe ihrer Adressen im Netz, sodass jeder, der meint, dass er diesen fortschrittsfeindlichen Subjekten mal einen Besuch abstatten sollte, auch weiß, wo er mit der S-Bahn hinfahren muss, wenn er Dampf ablassen und damit gleichzeitig ein gutes Werk tun und der Wissenschaft einen Dienst erweisen möchte). Sie feiern frenetisch, wenn eine konzertierte Mobbingaktion wieder einmal erfolgreich war und es ihnen gelungen ist, einen Friedensforscher von einer Universität zu verdrängen, einer alternativmedizinischen Reha-Klinik die Fördermittel zu sabotieren oder die Lehre eines Gemeinwohlökonomen aus den Schulbüchern zu streichen, da die Bildungsministerin ihrer Argumentation gefolgt ist, dass eine solche Gemeinwohl-Lehre definitiv „unwissenschaftlich“ sei – in fortschrittlichen neoliberalen Zeiten wie unseren, in der „jeder Mensch des anderen Menschen Wolf“ zu werden droht (Hobbes): Ja, wirklich, wer braucht da schon Gemeinwohl?

In einem solchen Klima des Hasses und der Häme auf Andersdenkende ist es dann auch nichts Ungewöhnliches mehr, wenn etwa Ken Jebsen, der Betreiber der alternativen Nachrichtenplattform KenFM, mitten in Berlin auf offener Straße in bester Gegend von Schlägern attackiert wird. Auch dass ihm beim Verlassen seiner Wohnung zu Attacken mit abgebrochenen Bierflaschen aufgelauert wird, die er samt seiner Familie und Tochter bisher nur durch Glück unbeschadet überstanden hat (siehe Interview mit Rubikon/Youtube), sowie Aufrufe auf Youtube zum Mord an seiner Tochter – im Jahre 2018 scheinbar Business as usual.

Autoimmune Allergie als Vorbote von Dostojewskijs Pest

Überhaupt kann man beobachten, dass das, was in den 60er und 70er Jahren noch möglich war: Ideale formulieren, Begeisterung für humanistische Ziele wecken, soziale Einrichtungen, Menschrechts- und Umweltschutzorganisationen begründen, heute kaum noch denkbar oder zumindest unendlich erschwert ist. Hingegen schießen Wettcafes, Flatratebordelle und sonstige Pissbuden allerortens wie die Pilze aus dem Asphaltboden. Beobachtet man den politischen und gesellschaftlichen Diskurs, dann kann man zusehen, wie sinnvolle und notwendige alternative Denkansätze  und Reformbemühungen auf wirtschaftlichem, finanztechnischem, sozialem, pädagogischem oder gesundheitlichem Gebiet oder gar philosophisch-humanistische Gedanken umgehend im Keim erstickt werden. Kaum wagt sich jemand aus der Deckung und versucht, ein paar couragierte Gedanken zu formulieren und dem politischen Tagesgeschehen etwas entgegenzusetzen, da er den unfassbaren Niedergang, die Selbstzerfleischung des Landes und die Verödung der Menschen nicht mehr tatenlos mitansehen kann: Sofort setzt ein vehementes Hauen, Kratzen und Beißen ein, sodass derjenige gar nicht mehr weiß wie ihm geschieht: „Bäääh, weg damit ….!!“, plärrt und unkt es dann aus allen Löchern, aus denen dann neunmalkluge sieche Gestalten ihre Schreihälse herausrecken, die sich der Intelligenzia 4.0 / der bored students violence / dem Club der sklerotisierten Flachbildschirmlemuren / den Transhumanisten / den Smartphoneonanisten / den Teletubbies / Sheldon Coopers Cumpels / der Antifa / Rattifa oder den ganz besonders hellen „Brights“(sic!)/GWUPs/Skeptikern zugehörig fühlen und die vor allem eines mitbringen: einen unbändigen Hass gegenüber allen Menschen mit einem anderen Weltbild als sie selbst es haben. Wild zum streng wissenschaftlichen „Fortschritt“ und zur Ausmerzung allen Geistes entschlossen, merken die beim Gastmahl der Geistlosen sitzenden Ritter von Shledon Coopers Tafelrunde gar nicht, wie sie in Wirklichkeit Dantes Eishölle den Weg bereiten.

Die in Dostojewskijs Traum von der szientistischen Pest vorhergesagte Krankheit, sie droht also gerade mit voller Wucht um sich zu greifen und sich zur Pandemie auszuweiten. Wenn wir diesem Wahn nicht rechtzeitig den Stecker ziehen, dann könnte er uns womöglich schon demnächst alle dahinraffen.

Ein altes Problem …

Eigentlich wollte ich mit diesen Worten nur zu einem lesenswerten Essay von Götz Eisenberg einleiten, in welchem der Gefängnispsychologe anlässlich des Dutschke-Gedenktages zu ergründen versucht, warum mutige Aufklärer sogar von den Bürgern, denen sie helfen wollen, dermaßen gehasst werden.

Das Problem, das Götz Eisenberg dabei beleuchtet, ist eigentlich ein altbekanntes: Platon hat darüber in seinem Höhlengleichnis bereits berichtet (siehe dazu auch Eifelphilosoph). Vielleicht wäre es also heute im 21. Jahrhundert, an der Schwelle zum dritten Jahrtausend an der Zeit, diesen stupiden Mechanismus, mit dem wir uns um unsere wertvollsten Köpfe und auch uns selbst stetig dem Grand Canyon näher bringen, endlich einmal zu knacken. Denn allzuviel Zeit bleibt uns womöglich nicht mehr: Die „Doomsday Clock“ wurde soeben auf zwei Minuten vor Mitternacht, d.h. der symbolischen Apokalypse vorgestellt (siehe Spiegel).

Wie bereits in meinem letzten Kommentar muss ich wieder eine Warnung  anbringen: Das Lesen von Götz Eisenbergs Essay kann melancholisch machen, vor allem wenn der Autor den Esprit und die Ideale der damaligen Studentengeneration mit unserer Situation heute vergleicht (was uns aber gleichzeitig anspornen kann, diesen Elan – diesmal nicht als Gruppe, sondern individuell – wiederzugewinnen, denn er ist in Wirklichkeit nicht weg, er ist nur zugeschottert und man muss ihn freischaufeln:)

„… Die Erinnerung daran, dass eine menschliche Welt möglich ist, soll getilgt werden. Ein großes Vergessen soll sich breitmachen und jede Alternative schon im Ansatz erstickt werden. Ein Blick auf den Zustand der jüngeren Generation zeigt, dass dieses Vorhaben bereits weit vorangekommen ist. Das gilt leider auch für das Gros der heutigen Studierenden. Sie unterwerfen sich den Anforderungen einer zur Lernfabrik verkommenen Universität und lassen sich widerspruchs- und widerstandslos zu „Kopflangern“ (Brecht) des digitalisierten Kapitals herrichten. Sie begeben sich auf ein Reise-nach-Jerusalem-Spiel um gutbezahlte Jobs und verfahren nach dem altgriechischen Motto: „Glück ist, wenn der Pfeil (der Arbeitslosigkeit) den Nebenmann trifft“. Konkurrenz und Ellenbogeneinsatz statt Solidarität und gegenseitiger Hilfe. Sie pfeifen sich leistungssteigende Medikamente rein, vergöttern Markt und Effizienz, rennen wie Somnambule hinter ihren Smartphones her und trinken auf dem Weg zur Uni einen Coffee to Go. Statt sich in den Kampf zu stürzen, jagen sie Pokémons und tanzen nach der digitalen Pfeife. Insgeheim ahnen oder wissen sie, dass sie keine Perspektiven haben. Das macht sie latent wütend und gereizt. Deswegen besaufen sie sich regelmäßig und trinken oder kiffen sich weg aus einer frustrierenden Realität. Dass sie diese ändern könnten, ist ein Gedanke, der ihnen fremd ist. Von Revolution ist bloß noch die Rede, wenn es um eine neue Geschäftsidee oder die Gründung eines Start-up-Unternehmens geht. Ihr Traum, den sie leben wollen – wie ein gängiger Werbeslogan heißt – ist ganz von dieser Welt: reich sein, Karriere machen und dabei Spaß haben.

(…)

Warum will Bachmann [Anm.: der Attentäter, der auf Dutschke geschossen hat] unbedingt jemanden erschießen, der sich zeitlebens für die Erniedrigten und Beleidigten, also für Leute wie ihn, eingesetzt hat? Um der Antwort auf diese Frage näher zu kommen, muss man die kritische Sozialpsychologie zu Rate ziehen. Das von seinen Erziehern gezüchtigte und gequälte Kind ist dennoch auf deren Wohlwollen und Zuwendung angewiesen. Es muss seine Peiniger lieben, und diese sadomasochistische Verfilzung von Quälerei und Liebe bleibt oft ein Leben lang wirksam. Die Erziehung zu Gehorsam und Unterwerfung unter Autoritäten mündet in eine „Identifikation mit dem Angreifer“, die einen Menschentyp hervorbringt, der verbissen seine eigene Knechtschaft verteidigt. Die in einem „erbärmlichen geistigen und seelischen Zustand“ gehaltenen Menschen, schrieb der junge Max Horkheimer in seinem Buch „Dämmerung“, „sind die Affen ihrer Gefängniswärter, beten die Symbole ihres Gefängnisses an und sind bereit, nicht etwa diese ihre Wärter zu überfallen, sondern den in Stücke zu reißen, der sie von ihnen befreien will“. Diesem, wenn man so will, perversen Mechanismus fielen immer wieder Revolutionäre zum Opfer – von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Kurt Eisner, Gustav Landauer bis Rudi Dutschke.“

(ganzer Artikel: siehe Nachdenkseiten)


Foto:Rosa-Maria Rinkl/CC BY-SA 3.0/Wikimedia 

Deutschland im Amok- und Terrorfieber – Über die Turbo-Radikalisierung von fernsehenden Reihenhausbürgern in Zeiten des Turbo-Kapitalismus

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„So eine Woche habe ich noch nicht erlebt“, stammelt Bayerns Innenminister Herrmann auf einer Pressekonferenz in Hinblick auf die Anschlagserie der letzten Woche. Dass zusätzlich noch der Stolz Herrmanns gekränkt wurde, indem das Landgericht Karlsruhe einem deutsch-ghanaischen Anwalt zugebilligt hat, dass er den Bayerischen Innenminister ungestraft als „ganz wunderbares Inzuchtsprodukt“ bezeichnen darf (siehe taz), ist da inmitten der aktuellen Blutbadserie nur eine Randmeldung wert.

Wir wollen das Wort „Inzucht“ trotzdem als Ariadnefaden behalten, um uns durch das blutige Labyrinth des Minotaurus zu manövrieren. Denn wenn wir nicht an der Oberfläche bleiben wollen, müssen wir einige grundlegende Fragen stellen:

Welchen Elementen bietet das derzeitige marktradikale („neoliberale“) Treibhausklima optimale Wachstumsbedingungen? Welche Charaktere züchten wir in unserer Arbeits- und Ausbildungswelt heran? Warum werden die Gewächse bzw. die Absolventen unserer scheinbar so hochqualifizierten und hocheffizienten Schulen und Universitäten plötzlich von Schwarzschimmel befallen und überziehen ihre Umgebung mit einem tödlichen Pelz?

Wer sich mit Umweltmedizin beschäftigt, der weiß, dass Schwarzschimmel nur unter ganz bestimmten Luftfeuchtigkeits-, Temperatur- und Nährstoffbedingungen wächst. Sind diese Bedingungen gegeben, dann benötigt Schimmel weniger als eine Woche, bis er anfängt zu wachsen und das Haus unbewohnbar zu machen – Blitzradikalisierung par excellance also. Obwohl, und das wissen die wenigsten, Schimmel in den meisten Fällen für das Auge unsichtbar bleibt und oft erst nach Jahren oder gar nicht aufgedeckt wird. Viele Menschen werden daher in einer scheinbar blitzsauberen, aber unsichtbar verschimmelten Wohnung krank, ohne zu wissen warum. Nur wenn die Schimmelkultur bis in ihre Blüte bzw. Sporenbildung kommt, wird der Befall für das Auge sichtbar. Experten wissen daher, dass sichtbarer Schwarzschimmel nicht mehr ist als die Spitze des Eisbergs und ein viel tiefgehender Schaden an der Bausubstanz vorliegt, in den meisten Fällen ein unerkannter Wasserrohrbruch oder eine Wärme-/Kältebrücke.

Bevor wir uns den tieferen Ursachen des aktuellen Fiaskos widmen, zunächst noch einmal kurz zurück an die Oberfläche des Schwarzschimmelpelzes: Aktuell schlägt den Migranten eine Welle der pauschalen Empörung entgegen: Wie war es möglich, dass Flüchtlinge, die allen Grund zum Dank hätten, dass Deutschland ihnen Aufnahme, Ausbildung und Unterkunft gewährt hat, sich auf solch desaströse Art revanchieren?

Auch die Schäubles, Merkels und sonstigen Herrmänner sind ratlos. Sogar Konstantin Wecker, der stets eine Lanze für die Willkommenskultur gebrochen hat, schreibt, dass er bei den Nachrichten über Amok laufende Flüchtlinge für Momente das Gefühl gehabt habe, die Flüchtlinge fielen ihm nun in den Rücken bei seinen Versuchen, öffentlich für ihre Rechte einzutreten.

Wieso dieser Hass und Vernichtungswille? In einem Wohlstandsland, in dem allen Bürgern – zumindest solange sie gerade nicht malochen – das Frei- bzw. Billigbier fließt und es Unterhaltung nonstop bis zum Abwinken gibt?

Mangels anderer Erklärungsansätze verengt sich die aktuelle Diskussion derzeit meist auf zwei Erklärungsansätze bzw. Etiketten, die man den Amoktätern umhängt: geistesgestörter Einzeltäter oder islamistischer Terrorist. Wie der Gefängnispsychologe Götz Eisenberg ausführt, kann sich in beiden Fällen die Gesellschaft von Verantwortung freisprechen und sagen: Der Mann ist wahnsinnig oder er handelt im Auftrag des IS. Wenn alle Erklärungen versagen, da der Täter bisher ein biederes Musterleben in einer Musterfamilie in einem Musterreihenhaus geführt hat, dann ist das eben ein typischer Fall von Selbstradikalisierung, vorzugsweise Selbstradikalisierung im Blitztempo, so wie beim Attentäter von Nizza, der sich innerhalb von 14 Tagen selbstradikalisiert und zum Dschihadisten gewandelt haben soll.

In seinem jüngsten Essay (siehe Nachdenkseiten) nähert sich Götz Eisenberg in gleichermaßen ruhiger wie treffsicherer Weise an den Kern der derzeitigen Misere an. Man erspart sich durch das Lesen dieses bereits sehr tiefschürfenden Artikels das Lesen unzähliger anderer sogenannter Expertenmeinungen. Eisenberg führt darin aus, wie Attentäter oft nicht morden, weil sie sich dem Dschihad zugewandt haben, sondern dass sie sich dem Dschihad zugewandt haben, weil sie morden wollten. Wie eine neoliberal-nihilistisch-technokratisch konditionierte Gesellschaft immer mehr „radikale Verlierer“ produziert, die sich abgehängt und in permanenter Frustration fühlen. „Menschen, die vom heiligen Markt als überzählig ausgespuckt werden und wie Fische auf dem Trockenen liegen.“ Und schließlich, wie Amoktäter, die teilweise in imitiertem, gebrochenem Arabisch „Allahu akhbar“ rufen, sich der IS-Chiffre nur bedienen, um gewissermaßen als Teil einer „weltumspannenden Hass-Föderation“ erweiterten Suizid zu verüben. Es lohnt sich, diesen etwas längeren Artikel zu studieren, man sieht danach klarer.

Auch der französische Politologe Olivier Roy kommt zum Schluss, dass nicht die Radikalisierung des Islam heute das größte Problem sei, sondern dass sich Radikalität an sich immer öfter islamistisch kostümiere. Die Ideologie des IS, laut Roy zurzeit das „radikalste Produkt auf dem Markt“, komme diesen Menschen gerade recht, um ihre Wahnsinnstat zu etikettieren und in einer vermeintlich weltumspannenden Guerillagemeinschaft wider die westliche Welt in einen größeren Kontext zu stellen. In Wirklichkeit seien die Attentäter Produkte einer zutiefst gespaltenen und ausbeuterischen Gesellschaft, die an ihren Rand gedrängt, der Kriminalität und Destruktivität verfallen.

Indes kündigen unsere Politiker bereits Jugendschutz- und Entradikalisierungsmaßnahmen an. Was die Folge davon sein wird, ist jetzt schon klar: Ethnische und religiöse Minderheiten wie die Roma, Zeugen Jehovas etc. werden noch mehr an den Rand gedrängt und mit Projektionen und Repressionen behäuft als bisher. Die Wut und der Hass der Bevölkerung über die eigentlich ungreifbare Bedrohung wird sich an einigen Minderheiten entladen – während die eigentliche gesamtgesellschaftliche Radikalisierung bzw. der vorgenannte Schwarzschimmelbewuchs weiterhin ungehemmt voranschreiten kann. Die Strategie, Sündenböcke bereitzustellen, auf die der gemeine Bürger unter Duldung der Justiz weitgehend ungestraft einschlagen kann, hat sich schon seit jeher bewährt, wenn es darum ging, kollektive Wut – die schließlich zu einer Änderung der etablierten Machtverhältnisse hätte führen können – zu kanalisieren. Auch im Dritten Reich konnte auf diese Weise von dem eigentlich unhaltbaren wirtschaftlichen, sozialen und weltanschaulichen Bankrott eines Systems abgelenkt werden, indem man die Schuld für die gesamtgesellschaftliche Krise den Juden, den Roma und ein paar weiteren Randgruppen gab.

Aber wenn wir schon über Entradikaliserungsprogramme reden: Wer kümmert sich eigentlich um die Entradikalisierung unserer Politiker? Ist die weltanschauliche Gesinnung mancher Politiker heute nicht bereits ebensoweit ins Radikale abgeglitten, dass Verelendung und sogar Vernichtung von Menschenmengen größeren Ausmaßes zu befürchten ist?

Ist es nicht ebenso eine radikale Weltsicht, wenn z.B. Wolfgang Schäuble, also eine an der Spitze der Machtpyramide unserer Gesellschaft stehende Person, in einem ARD-Interview sich selbst beschreibt als jemanden, der „abgehärtet ist in einem langen bösen Leben“? (Quelle: ARD-Mediathek – dort nur noch bis 24.8.2016 verfügbar). Muss man angesichts der Verbitterung und womöglich sogar leisen Todessehnsucht, die man aus solchen Worte ahnen könnte, nicht Gänsehaut am Rücken bekommen?

Würde ein Flugzeugpilot solche Worte sprechen, man würde ihn wegen Verdachts auf akute Lebensmüdigkeit und implizite suizidale Tendenzen wohl umgehend aus dem Verkehr ziehen. Dass man von Schäuble trotzdem kein psychologisches Attest eingefordert hat, wird sich womöglich aus zukünftiger Perspektive bitter rächen. Nicht, dass so jemand bewusst eine Katastrophe herbeiführen würde wie z.B. der Germanwings-Pilot Andreas L., aber wie Sigmund Freud schon festgestellt hat, „ist das Unterbewusste immer schlauer“ – womit er meinte, dass sich immer die untergründige Motivlage eines Menschen als Resultat durchsetzt und nicht das, was er in seinem intellektuellen Oberstübchen bekundet. Wenn z.B. jemand bei einer Heirat vor dem Altar oder zu einem Vertrag „Ja“ sagt, aber untergründig ein „Nein“ in sich trägt, dann wird sich dieses Nein irgendwann durchsetzen und Früchte tragen.

Wie werden wohl die Früchte der Politik eines Menschen sein, der das Leben als „lang und böse“ ansieht? Die Griechen haben dies jedenfalls bereits am eigenen Leib zu spüren bekommen: Nach eiserner Durchsetzung der Troika-Weisungen ist dort die Säuglingssterblichkeit um 43% gestiegen, die Suizidrate um 27%, Krankenhäuser kollabieren, vier von zehn Kindern leben in Armut. Dessen unbekümmert wurde lt. ORF-Bericht unter Schäubles Ägide dafür gesorgt, dass von 100 Euro Griechenlandhilfe nur 1,80 Euro im echten Leben, also in Krankenhäusern, Infrastruktur und Schulen ankommen, während die übrigen 98,2 Euro mit Zinsen direkt zurück an die Großbanken gingen. – Eigentlich war das In-die-Mangel-Nehmen von Griechenland ein sinnloser und gemeinschädigender Akt, was laut dem ehem. Finanzminister Varoufakis für seine Verhandlungspartner auch vollkommen einsichtig war. „Und dann schauen dir sehr mächtige Personen in die Augen und sagen: »Sie haben recht mit dem, was Sie sagen, aber wir werden Sie trotzdem zerquetschen.“ (seltsamerweise wurde dieses geschichtsträchtige Zitat in keinem einzigen unserer Leitmedien abgedruckt, sondern findet sich nur in alternativen Medien oder kleinen sozialistischen Blättern).

Seitdem findet in Griechenland täglich ein stilles Gemetzel statt, zwar weniger blutig und spektakulär als die Attentate in München oder Nizza, aber mit noch ungleich mehr Todesopfern und Elend im Gefolge. Noch viel desaströser wirkt sich die transatlantisch verbrückte Politik der angeblichen Verteidiger der europäischen Demokratie – denen Varoufakis das „völlige Fehlen demokratischer Skrupel zugunsten kalter Machtpolitik“ bescheinigt – im Nahen Osten und Nordafrika aus, von wo aus letztes Jahr eine Millionenschaft an Flüchtlingen zu uns geströmt ist, um ein neues Leben anzufangen.

In euphorischer Erwartung „einer Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder“ (Daimler-Chef Dieter Zetsche) ließ die deutsche Bundeskanzlerin, akkordiert mit einer Kampagne der BILD-Zeitung und sämtlichen anderen relevanten Leitmedien, eine Willkommenskultur und das Ende der Schengen-Grenzen ausrufen. Unter den neu einströmenden Humanressourcen sollte sich eine große Anzahl gut ausgebildeter Ärzte und Ingenieure befinden. Wie die Länder, die gerade um ihre qualifiziertesten Fachkräfte ausgeblutet werden, ohne Ärzte und Ingenieure ihre zerstörten Krankenhäuser, Wasserleitungen und Straßen wieder aufbauen sollen, fragte angesichts des in Aussicht sehenden neuen Wirtschaftswunders im Oktoberfestland kaum jemand. Unter einem Kraftakt von Bevölkerung und Administration wurden dann quasi über Nacht über 1,5 Millionen Flüchtlinge bei freier Kost, kassenärztlicher Versorgung und Schulbildung einquartiert. Die Chefs von Siemens, Porsche und Post überboten sich des Lobes für die neu ankommenden Humanressourcen und drängten die Politik, ihnen nach einer kurzen Einführung in „westliche Werte“ möglichst rasch Jobs geben zu dürfen. Und jetzt quasi als Dank ein von blutigem Terror erschüttertes Europa? – Am Stammtisch versteht man die Welt nicht mehr.

Viele der Amokläufer sind durchwegs jung, manche fast noch Kinder. So wie der 17jährige Axt-Attentäter von Würzburg Riaz A., der bis zu seiner Tat als Musterflüchtling galt, bei einer deutschen Pflegefamilie scheinbar beste Start- und Ausbildungsbedingungen genoss und dennoch in seinem Bekennervideo diese verstörenden Sätze voller Hass sprach (Auszug aus Video/SPIEGEL TV: „Ihr könnt sehen, dass ich in eurem Land gelebt habe und in eurem Haus … und in eurem eigenen Haus werde ich euch abschlachten.“) Im vorgenannten Spiegel-Video zeigt sich auch der Bürgermeister, der den Täter kurz vor der Tat noch auf dem Pfarrfest begrüßt hatte, vollkommen verdutzt, wie mit Riaz K. eine solche Wandlung geschehen konnte.

Auch der 18jährige David S., der vor dem Münchner Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen erschossen hat, ging eine rätselhafte Metamorphose durch. In einem weiteren SPIEGEL TV-Bericht kann man seine Wandlung von Superhelden zum Amokläufer bildhaft mitverfolgen. In der Online-Community figurierte er zunächst unter dem Namen „Neo“, gepaart mit einem Bild von Kenau Reeves. Er hatte also ursprünglich jenen Menscheitshelden vor Augen, der im Film „Die Matrix“, eine von Maschinen geknechtete Menschheit wieder aus dem Abgrund befreit. Zuletzt hatte er jedoch die Identität des Neo verworfen und figurierte im Netz nur noch unter dem Pseudonym „Hass“. Auch das Profilbild hatte er verändert: Statt dem Heroengesicht des „Neo“ gab er der Community nun eine schwarze, in sich zusammengekauerte Gestalt ohne Gesichtszüge zu sehen.

Eine Vielzahl von ähnlichen Fällen an Radikalisierung, in denen unscheinbare, äußerlich bestangepasste Schüler plötzlich ein Massaker an Lehrern und Mitschülern anrichten, finden sich in Götz Eisenbergs Buch mit dem bezeichnenden Namen „Gewalt, die aus der Kälte kommt“ – dort auch vollkommen ohne Migrationshintergrund. Denn bei unserer Betrachtung sollten wir nicht den Fehler begehen, unsere Wut nun in die falsche Richtung bzw. auf die Migranten zu lenken. Das würde uns von der berechtigten Wut auf die wirklichen Krankheitswurzeln unseres politisch-ökonomischen Systems ablenken und uns menschlich spalten. Denn in Wirklichkeit sind die Migranten genauso Spielbälle ökonomisch-politischer Interessen wie wir Inländer. Insofern hätten wir also allen Grund, um zusammenzuhalten. Während jedoch durch das Anzünden von Asylheimen und das Bilden von Bürgerwehren geradewegs verhindert wird, dass die Menschen dieser Welt in einer entscheidenden historischen Zeit gemeinsam an einem Strang ziehen und gegen den Marktradikalismus („Neoliberalismus“) protestieren.

Man stelle sich vor, jemand flüchtet aus einer elenden, zerbombten und vergifteten Heimat auf einen neuen Kontinent, der ihm bisher in Büchern bzw. Flachbildschirmen als reines Paradies erschienen ist. Er hat dann alles auf eine Karte gesetzt, sein Haus verkauft und die erhaltenen Jetons in eine Schlepperbande investiert, sein Leben auf einer gefährlichen Fahrt über das Mittelmeer oder die Balkanroute riskiert (hier ein lesenswerter Erlebnisbericht eines auf hoher See gekenterten Überlebenden), und während dieser Überfahrt womöglich auch einige Familienmitglieder oder Freunde verloren. Der letzte Strohhalm seiner Hoffnung war das gelobte Deutschland, von dem Merkel suggerierte, dass man es dort bloß über die Grenze schaffen müsse, dann wäre alles gut.

Nun hat er es über ebendiese Grenze geschafft, aber siehe da: Gar nichts ist gut, der Glanz der über das Smartphone vermittelten Werbewelt des westlichen Mekkas ist dahin – das einzige, was in diesem Kommerzmekka glänzt, sind die SUVs und die omnipräsente Unterhaltungselektronik. Eine Zeitlang legt er sich voll ins Zeug und versucht, auch unsere Sprache zu lernen, auf LED-Flachbildschirmen herumzuwischen und Anschluss zu finden, aber irgendwie wird es nichts so richtig, er bleibt ein Underdog, muss eine missachtete Randexistenz führen, wird sogar gemobbt, so wie es der Amokläufer David S. kurz vor seinem Gestelltwerden durch die Polizei mit seinen letzten Worten lauthals beklagt hat (siehe SPIEGEL TV).

Der Neuankömmling im gelobten Land muss erleben, dass in einer Gesellschaft, unter deren Jugend laut soziologischer Studien „Du Opfer!“ neben „Du Wichser!“ das gängigste Schimpfwort geworden ist, es für Opfer wie ihn leidlich wenig Pardon gibt. Dass die von Medien wie BILD & Co. im Chor mit den Konzernen – in Erwartung eines nächsten, dank billiger Arbeitskräfte katalysierten Wirtschaftswunders – ausgerufene „Willkommenskultur“ nur gefakt war. Dass hier im Vergleich zu seiner Heimat im Großteil des Jahres nicht nur das Wetter arschkalt ist, sondern auch die soziale Atmosphäre unter den Gefrierpunkt gesunken ist und er sich durch eine eisige Gletscherlandschaft bewegen muss. Dass im einstigen Land der Dichter und Denker heute fast jeder Aspekt des Lebens dem Kommerz zum Fraß vorgeworfen wurde und wahre Humanität aus politisch-ökonomischer Sicht nur lästiger Sand im Getriebe einer gnadenlos auf höchste Effizienz getrimmten Technokratie darstellt. Eine Gesellschaft, in der man für Gutmenschen im besten Falle ein mitleidiges Lächeln, meist jedoch schiere Aggression übrig hat (dass neben „Du Opfer!“ und „Du Wichser!“ heute laut laut Bericht im Focus auch „Du Goethe!“ zu einem der übelsten Schimpfwörter unter Jugendlichen avanciert ist, habe ich zuvor vergessen zu erwähnen. Man weiß dann, auf welchem Niveau das Kulturgut, das Deutschland einstmals von den USA und vom Kongo unterschieden hat, heute rangiert).

Der Migrant merkt mehr oder weniger schnell, dass seine Zukunftsaussichten in solch vergletscherter marktradikaler („neoliberaler“) Landschaft in Wirklichkeit die gleichen sind wie daheim: Dass er sich als unterbezahlter Tagelöhner verdingen wird müssen, der trotz rückhaltlosen Verschleißes seiner Gesundheit zuwenig zum Leben und zuviel zum Sterben besitzt, während sich einzelne Warlords (hierzulande nicht mit Patronengürteln und Granaten gewappnet, sondern fein herausgemausert in Nadelstreif und bestückt mit bloßer Hugo Boss-Titankugelschreibermine und Smartphone) dick und dämlich verdienen.

Dass hier im vermeintlich gelobten Land Bullshitjobs warten, an denen sogar die gut situierten und von ihrer Kindheit an an das marktradikale („neoliberale“) Klima getrimmten Eingeborenen mittlerweile zermürben und ins Burnout abzudriften drohen – wobei Burnout nichts Flammendes oder Heldenhaftes ist (von einem Betriebsarzt weiß ich, dass es in vielen Firmen immer noch als „Verwundetenabzeichen der Leistungsgesellschaft“ angesehen wird und man zumindest ein „kleines Burnout“ vorweisen sollte, um zu beweisen, dass man im Job alles gegeben hat), sondern man es, wie mir eine Psychotherapeutin erklärt hat, lieber ganz unpathetisch als „Erschöpfungsdepression“ bezeichnen sollte.

An gleichermaßen naiven wie brandgefährlichen Maßnahmenforderungen aus dem pragmatischen Eck der Herrmänner mangelt es natürlich nicht. Reflexartig wird z.B. der Einsatz der Bundeswehr im Inneren gefordert (als ob man mit der Feuerkraft von Panzern und Kampfjets einen Rucksackbomber daran hindern könnte, auf einen Knopf zu drücken) oder der weitere Abbau der Grundrechte und Ausbau der Totalüberwachung (wir kommen gleich noch darauf zurück). Aber lassen wir das, wir werden schon wieder oberflächlich und haben Tiefgang versprochen.

Halten wir uns also nicht mit Oberflächlichkeiten auf, diese bekommen wir über die Leitmedien gerade im Überfluss serviert. Eisenberg schreibt dazu in seinem Buch „Gewalt, die aus der Kälte kommt“:

„Die unter die „Diktatur der Einschaltquote“ geratenen Medien leben von Sensationen wie dem Massaker von Erfurt. Es scheinen die giftigen Sekrete der Medien zu sein, die den „Amok-Virus“ auf Empfänger übertragen, deren Immunsystem geschwächt ist und die infolgedessen für Ansteckung anfällig sind.“

Lassen wir die Boulevardmedien, die Herrmänner und eitle „Inzucht“-Kontroversen also einmal hinter uns und gehen wir in medias res.

Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, hat neben der Erforschung seines Hauptthemas, dem als „Libido“ bezeichneten Lebenstrieb, in seinem Alter zunehmend auch das Gegenteil dieses Lebenstriebs thematisiert: „Thanatos“, den Todestrieb. Laut Freud schlummert „Thanatos“ als destruktives Gegenprinzip in jedem Menschen, kommt jedoch erst dann zum Ausbruch, wenn der natürliche Lebenstrieb frustriert wird.

So ähnlich also wie ein Herpes-Virus, der im Nervensystem fast aller Menschen schlummert, jedoch vom gesunden Immunsystem normalerweise in Schach gehalten wird. Erst wenn das Immunsystem durch Stress geschwächt ist, nützt der in den Nervenkanälen verschanzte Herpes-Virus seine Chance und kommt in Form unappetitlicher Eitergeschwüre an die Oberfläche.

Dass auch ein aktuell geforderter Ausbau der Bürgerüberwachung keineswegs zur Lösung des Terror- bzw. Amokproblems führen wird, sondern ganz im Gegenteil, das gesunde Immunsystem des Menschen bzw. seine psychische Kondition noch mehr schwächen und damit die Affinität für den Ausbruch entzündlicher Symptome erhöhen würde, wird im aktuellen politischen Diskurs leider wenig bedacht. Denn Überwachung ist eigentlich etwas dem gesunden Menschsein diametral Entgegengesetztes: Jeder Mensch, der in Beruf oder im Privatleben überwacht wird, weiß, dass er sich unter diesem Misstrauensvorschuss nicht wirklich entfalten kann. Er hasst dies bzw. seinen Vorgesetzten dafür und wünscht sich sogar unbewusst den Untergang derjenigen Institution, die ihn überwacht. Ist der Staat diejenige Institution, die den Menschen in Stasi-Manier überwacht, dann steht es um den Zusammenhalt und die Zukunft dieses Staates nicht gut.

Da der Mensch auf Freiheit und Verantwortung hin ausgelegt ist, bewirkt der Aufbau einer diese spezifisch-humanen Eigenschaften immer mehr bedrückenden Überwachungsmaschinerie selbst eine höchst ungesunde Atmosphäre, in welcher Ängste und Depressionen induziert werden und in welcher sich schwache Charaktere leichter zu irrationalen Handlungen hinreißen lassen.

Doch zurück zu Freuds Todestrieb „Thanatos“. Halten wir nochmals die These fest: Wenn der natürliche Lebenstrieb des Menschen frustriert wird, dann ergreift „Thanatos“, der Todestrieb, die Regie mit dem unheimlichen Drang, sich und möglichst die gesamte – als unwert, da sinnlos erlebte – Existenz um sich herum in den Abgrund zu reißen.

Und genau diese Dramatik ist aktuell bei vielen jungen Menschen zu beobachten. Sie bringen von ihrer inneren Anlage eigentlich eine geballte Ladung an Kraft und neuem Potential mit, mit dem sie die Welt in individueller Weise ein Stück weit verändern und in positiver Hinsicht bereichern wollen – Viktor Frankl nennt diesen zentralen menschlichen Impuls den „Willen zum Sinn“. Nun wird aber unter den gegenwärtigen, ganz auf Technokratie und Kommerz ausgerichteten gesellschaftlichen Bedingungen dieser Wille zum Sinn laut Frankl permanent frustriert.

„Aber der ‚Mensch auf der Suche nach Sinn‘ wird unter den gesellschaftlichen Bedingungen von heute eigentlich nur frustriert! Und das rührt daher, dass die Wohlstandsgesellschaft bzw. der Wohlfahrtsstaat praktisch alle Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen imstande ist, ja, einzelne Bedürfnisse werden von der Konsumgesellschaft überhaupt erst erzeugt. Nur ein Bedürfnis geht leer aus, und das ist das Sinnbedürfnis des Menschen – das ist sein „Wille zum Sinn“, wie ich ihn nenne, das heißt, das dem Menschen zutiefst innewohnende Bedürfnis, in seinem Leben oder vielleicht besser gesagt in jeder einzelnen Lebenssituation einen Sinn zu finden – und hinzugehen und ihn zu erfüllen.

(…)

„Jede Zeit hat ihre Neurose und jede Zeit braucht ihre Therapie. Tatsächlich sind wir heute nicht mehr wie zur Zeit von Freud mit einer sexuellen, sondern mit einer existenziellen Frustration konfrontiert. Und der typische Patient von heute leidet nicht mehr so sehr wie zur Zeit von Adler an einem Minderwertigkeitsgefühl, sondern an einem abgründigen Sinnlosigkeitsgefühl, das mit einem Leeregefühl vergesellschaftet ist – weshalb ich von einem existenziellen Vakuum spreche.“ (V.E. Frankl)

Wird allerdings der Sinn des Lebens und des Menschseins frustriert oder von vornherein geleugnet, so wie dies derzeit in unseren Schulen und Universitäten de facto gelehrt wird (lt. unbestrittener herrschender Lehrmeinung sind Mensch und Welt nur geistlose, somit der reinen Effizienz und ökonomischen Verwertbarkeit unterworfene Kohlenstoffagglomerate – eine heute achselzuckend hingenommene Weltanschauung, die ihrem Wesen und auch ihren ganz realen Folgewirkungen nach in Wirklichkeit nicht minder radikal und zerstörerisch ist als diejenige der islamistischen Fundamentalisten ), dann gerät der Mensch in innere Verzweiflung. Mittlerweile konstatiert Regisseur David Schalko „Perversion als letzten Ausdruck der inneren Verzweiflung“ – eine optimale Kondition also, in der der Schimmelpilz des „Thanatos“ gedeihen und zur Blüte gelangen kann.

Dass eine Kondition geschaffen wurde, in der „Thanatos“ mit seinen Amok-/Terrorgeschwüren wie in einem Treibhaus gedeihen kann (so wie plakativ anhand der vorgenannten Mutation des Profilbildes des Attentäters David S. vom Helden „Neo“ zur Schattenfigur „Hass“ ersichtlich), sollte bei uns eigentlich alle Alarmglocken läuten lassen. Es ist insbesondere deshalb eine Schande, da wir in unserem europäischen Kulturgut alle notwendigen Requisiten hätten, um ein wirksames Gegengift gegen den technokratisch-nihilistischen Wahnsinn, der alle Grundlagen unserer Zukunft zu verschlingen droht, zu brauen.

Wir tun es jedoch nicht, sondern huldigen weiterhin bedingungslos dem neoliberalen Mammon, obwohl wir mittlerweile schon erkannt haben, dass er uns wie einen Lemmingzug in den Grand Canyon führt. Im Gegenteil, den herrschenden Polit- und Wirtschaftsmächten kommt die Terrorangst in Wirklichkeit sehr gelegen, denn so lässt sich jede Diskussion über eine Neuordnung der gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse verdrängen. Denn nach der 2008er-Krise waren wir kurz davor, einige grundsätzliche Fragen zu diskutieren. Das geht nun im allgemeinen Chaos und Rauch unter. Man hat jetzt wieder ein Feindbild, das ein in Wirklichkeit zerrissenes und jeder Nachhaltigkeit spottendes System vordergründig wieder eint: Den Terror bzw. den IS.

Derzeit werden wir alle mobilisiert und eingeschworen auf den „Krieg gegen den Terror“. Der Eifelphilosoph hat bereits darauf hingewiesen, was die Ausrufung dieses Krieges für unsere nähere Zukunft bedeutet (siehe Nachrichtenspiegel). Auch Götz Eisenberg resümiert in seinem vorgenannten Artikel, dass der Kollateralschaden dieses Krieges darin bestehen wird, dass ihm Rechtsstaat und Demokratie zum Opfer fallen. Roland Rottenfußer, Redakteur des Webmagazins „Hinter den Schlagzeilen“, warnt ebenfalls: „Bestimmte Kräfte warten doch nur darauf, den Umbau zuvor freier Gesellschaften in Polizei-, Überwachungs- und Angstgesellschaften bei jedem gegebenen Anlass voranzutreiben. Wir dürfen ihnen das nicht durchgehen lassen.“

Nachsatz:

Innerhalb der vorgenannten Sinnkrise und der Flut an täglichen Schreckensnachrichten, von Marcuse als „Normalisierung des Grauens“ bezeichnet, stellt sich natürlich die Frage, was der einzelne Mensch im derzeitigen Teufelskreis tun kann.

Zunächst ist eine bewusste Dosierung im Nachrichtenkonsum anzuraten. Wie auch Götz Eisenberg anmahnt, „verschlingen wir unentwegt eine derart hohe Dosis an Dramatik, dass wir jede Fähigkeit zur Verarbeitung und Wahrnehmung einzubüßen drohen. (…) Die Fülle der Nachrichten wird zum Widersacher der Wahrheit, unsere Aufnahmefähigkeit und Verarbeitungskapazität kollabiert unter dem Ansturm schrecklicher Bilder.“

Auf der anderen Seite gilt es heute umso mehr, dasjenige aufzubauen, was Viktor Frankl als das „Spezifisch-Humane“ bezeichnet hat. Das ist derjenige menschliche Faktor, der zwar unwägbar ist, aber uns schlichtweg ausmacht. Jeder kann in seinem privaten oder beruflichen Umfeld zigtausenden Menschen etwas von dieser Qualität vermitteln, auch wenn er äußerlich keinen augenscheinlichen Handlungsradius oder Entscheidungskompetenz hat. Bereits durch die Art und Weise, wie er im Supermarkt in der Schlange steht (ungeduldig oder humorvoll, ruhig) und wie er andere Menschen auf der Straße anblickt, übt er eine soziale Wirkung auf den Gesamtorganismus der Gesellschaft aus. Joseph Beuys hat dies als „soziale Plastik“ (von ‚plastisch‘ = formbar) bezeichnet. Es gibt zahlreiche Berichte, dass Menschen, die einen Suizid vorhatten, diesen destruktiven Gedanken wieder verworfen haben, nachdem ihnen am Gehsteig nur für Sekundenbruchteile ein Mensch in die Augen geblickt hat, der etwas Ehrliches, Mitfühlendes oder Hoffnungsvolles ausgestrahlt hat.

Vielleicht ist es also auch nicht vermessen, sich vorzustellen, dass ein frustrierter junger Mensch, der innerlich mit einer Gewalttat liebäugelt, diesen Gedanken des Thanatos wieder verwirft, nachdem er einem Menschen begegnet, der von seiner Wesensart her etwas Spezifisch-Humanes ausstrahlt oder ein freundliches Wort zu ihm spricht.

Auch wenn uns das nicht beigebracht wurde, aber die Möglichkeiten jedes Einzelnen sind hierbei groß und man darf auch auf diese dem Menschen eigenen Fähigkeiten vertrauen. Sie sind in Wirklichkeit das einzige, was uns in den auf uns zukommenden Zeiten einen Anker geben kann.

Ebenso, wie die Entfaltung der spezifisch-humanen Qualität in seinem individuellen Leben – diese Qualität ist bei jedem Menschen anders gefärbt und daher niemals ersetzbar und auch niemals langweilig– in Wirklichkeit die größte Revolution und der tiefste Dolchstoß ist, den man dem morschen Baum des retardierenden Wahnsinns, den man uns heute zur Normalität erklären möchte, verpassen kann.

Am Bösen also nicht bitter werden, sondern reif. Obwohl die Zukunftsaussichten wenig rosig sind, kann uns die eskalierende Krise die Augen öffnen, um dem Wahnsinn die Stirn zu bieten und ihm wieder eine Wendung zu geben. Dazu braucht es natürlich auch Galgenhumor. Ganz im Sinne von Yamaoka Tesshu, einem japanischen Samurai:

„Wenn sich zwei Schwerter treffen, gibt es kein Entrinnen.

Schreite gelassen voran,

wie eine Blüte im tosenden Flammenmeer erblüht

und durchstoße energisch die Himmel!“

 

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