Dienstag, 15.7.2014. Eifel. Es gibt Dinge, über die wir kaum reden – als Gesellschaft. Wir ignorieren sie völlig. Anderen Themen wird große Aufmerksamkeit geschenkt: Dingen wie Krieg, Fussball, Aktien, Politik. All´ dies wäre aber wahrscheinlich nicht nötig, wenn wir uns auf Themen konzentrieren, die langweilig erscheinen, aber große elementare Veränderungen in unserem Alltag mit sich bringen würden.
Ich möchte dazu mal etwas weiter ausholen. Vor zwanzig Jahren habe ich die Regionalleiter eines Pharmakonzerns, der sich selbst als der erfolgreichste Konzern auf deutschem Boden darstellte, in „modernen Führungs- und Kommunikationstechniken“ unterrichtet. Viele spannende Dinge gab es dort zu erforschen: Transaktionsanalyse, neurolinguistische Programmierung, Grundlagen der Kommunikation – all´ jene Werkzeuge, mit dem die Drückerkolonnen der Pharmaindustrie die deutsche Ärzteschaft unter Kontrolle halten wollten. Viele Themen musste ich mir selbst erst erarbeiten, bei anderen Themen halfen zusätzliche Seminare, die Wissen kompakt vermitteln konnten. Am Ende jener Phase wurde mir klar, wie man ein optimales Kommunikationsverhalten leisten kann: in dem man seinen Nächsten liebt.
Das hatte mich selbst verblüfft – aber die Quintessenz ist: liebt man seinen Nächsten (am Besten so, wie sich selbst) ist die Kommunikationsebene am saubersten – und gute, für beide Seiten erfolgreiche Geschäfte können abgeschlossen werden. Nun – da sind wir schon beim Thema Handel – ein Thema, das ebenfalls in seiner Bedeutung völlig unterschätzt wird: dem Handel haben wir Wohlstand und Zivilisation zu verdanken, weniger den Kriegen – wir schreiben aber keine Geschichte aus der Sicht des Handels, für den Krieg immer ein störendes Moment ist. Für heute wollen wir aber bei der Liebe bleiben, denn ich höre schon großes Geschrei ob meiner Aussagen – Millionen stehen Schlange und klagen über Streitigkeiten in der Ehe.
Ich weiß nun trotz meiner 54 Jahre Lebenserfahrung immer noch nicht, ob eigentlich die Ehe generell eine funktionierende Form der Gemeinschaftsbildung sein kann – ich arbeite aber noch an diesem Thema – aber sie kann für Kinder ein sinnvolles Nest darstellen. Ehe und Liebe gleichzusetzen, wäre in etwa so. als würde man Kirche und Gott gleichsetzen. Ehe wäre ideal, wenn sie auch der Hort der Liebe wäre – ist sie aber nicht. Das liegt nicht an der Liebe, sondern an der Unklarheit der Gefühlslage der Mitstreiter.
Nur allzu oft sind Ehen (oder Beziehungen generell) Raub- und Schutzbeziehungen. Da raubt zum Beispiel Partner A Partner B alles, was er von ihm zum Überleben braucht – Geld, Zeit, Zuwendung, Sicherheit, Aufmerksamkeit, Arbeitskraft – bis die Ressourcen erschöpft sind. Sind die Raubgüter ausgebeutet, wird man sehen, wie schnell ein Gefühl der „Verliebtheit“ sich auf ein neues Objekt der Begierde richtet, das der reine Wille als ideales Opfer für den nächsten Raubzug ausgemacht hat. Natürlich gibt es in solchen Beziehungen Streit, weil es asymmetrische Beziehungen sind. Manchmal sind es auch reine Schutzbeziehungen zweier Seelen, die Angst vor der bösen Welt haben – oder Angst davor, sich dem Leben allein stellen zu müssen.
Mag sein, dass die Ehe zwischen Liebenden wirklich ein wunderschöner Garten sein kann, wie es Friedrich Nietzsche mal ausgedrückt hatte – aber ich sehe auch viele Frauen, die in langjährigen Ehen ersticken und eingehen … bis nur noch Leichen übrig bleiben. Das gibt mir zu denken – aber bleiben wir bei der Liebe.
Ist Ihnen übrigens auch so mulmig zumute, wenn über Liebe geredet wird? Nun – denen, die dabei gleich an Sex denken, wahrscheinlich nicht. Nur: Sex geht auch ganz ohne Liebe, das zeigen erfolgreich durchgeführte Vergewaltigungen oder die Arbeit der Prostituierten. Liebe hingegen – geht auch ganz ohne Sex.
Ist überraschend?
Man denke nur an die Liebe des Philosophen zur Weisheit … und Wahrheit. Oder an die Liebe der Musiker und Künstler zu ihren Werken, an die Liebe des Gärtners zu seinem Schrebergarten, an die Liebe von Eltern zu Kindern … und von den Kindern zu den Eltern – auch die Liebe christlicher und buddhistischer Mönche zum Hintergrund allen Transzendenten sei nicht unerwähnt, auch jene, die Gott für eine Einbildung halten, sollten erkennen können, dass es Menschen gibt, sie sich ihm in Liebe hingeben können.
Wir dürfen aber gerne noch weiter denken: an die Liebe zur Heimat. Das kann ein Staat sein (hier wird es aber schon sehr gefährlich, weil das Objekt der Liebe wie in einer Beziehung einen eigenen, oft feindlichen Willen hat), eine Dorfgemeinschaft, ein Straßenzug, eine Stadt – oder sogar der Betrieb. Ja – hier zeigt sich die Dimension der Liebe in ganz neuer Qualität … in der Qualität von Arbeitsleistung und Produkten. Dort, wo eine liebevolle Führung den Betrieb als Gemeinschaft versteht, die zu gegenseitigem Gewinn zu einem Abenteuer aufgebrochen ist, wird man sehen, wie sich das Problem der „inneren Kündigung“ (samt der daraus resultierenden Kosten) in Luft auflöst – dafür werden die Waren langlebiger, was wiederum den Kunden freut.
Ein Beispiel? Gut – nehmen wir die Automobilindustrie. Gönnen Sie sich mal den Luxus, zu einer Oldtimerrallye zu gehen: dort werden Sie viel Liebe entdecken können – nicht nur in der Pflege und Instandsetzung der alten Gefährte, sondern auch in der Konstruktion selbst: ein Individuum neben dem anderen, liebevoll gestaltet bis ins kleinste Detail. Mit dem Eindruck können Sie dann gerne ins nächste Autohaus gehen und mal schauen, was dort angeboten wird.
Liebe zur Arbeit kann wahre Wunder verbringen … trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl, denn: Liebe an und für sich ist schon längst „Sozialromantik“ geworden. Rauben, ausnutzen, ausbeuten – auch in Beziehungen – das ist unser Weg, der Weg der westlichen Barbaren, die sich in Deutschland gerade am Weltmeistergefühl beim Fussball sonnen.
Was wäre – diese freche Frage sei erlaubt – wenn wir Weltmeister der Liebe werden würden? Eine von Liebe geprägte Wirtschaft bräuchte keinen Sozialstaat, liebevolle Unternehmer würden von sich aus schauen, wo noch sinnvoll ein Arbeitsplatz eingerichtet werden kann, der allen im Betrieb nutzt … anstatt wie heute üblich einmal im Jahr zu schauen, wer alles noch weg kann, um pralle Geldbeutel von Investoren zu füllen … die wir uns im Übrigen lieber selbst füllen sollten, doch auch das ist ein anderes Thema mit Blick auf eine andere Form des gemeinsamen Wirtschaftens, die eher den Gewinn des Unternehmens als den Gewinn der Banken und Anleger (was oft dasselbe ist) im Blick hat.
Ist es mir nun gelungen, Ihnen aufzuzeigen, welche Dimensionen das kleine Wort „Liebe“ alles haben kann? Eine wunderbare, harmonische, lebens – und liebevolle Welt könnte gestaltet werden, in der jeder Tag ein Fest wäre – anstatt eine Qual.
Stattdessen aber stirbt die Liebe.
Der Soziologe Sven Hillenkamp hat darüber ein ganzes Buch geschrieben – über das Ende der Liebe. Konsumwahn und Effektivitätssucht (auch und gerade bei der Partnerwahl) zerstören die Fähigkeit zur Liebe generell: der „Lebensabschnittspartner“ wird zum Standardmodell … und als Ergebnis folgt: die reine Vernunftehe (siehe Perlentaucher). Klasse Aussichten, oder? Am Ende des sexuellen Rausches werden wir wohl wie die Japaner, siehe FAZ:
Die Japaner haben immer weniger Spaß am Sex. Wie eine Studie des Gesundheits- und Sozialministeriums zutage brachte, sind 35,1 Prozent der jungen Männer zwischen 16 und 19 Jahren nicht an Sex interessiert oder lehnen ihn sogar ausdrücklich ab. Das sind fast doppelt so viele wie bei der letzten Befragung 2008, als 17,5 Prozent ihr Desinteresse bekundeten. Noch dramatischer sehen die Zahlen bei Japanerinnen aus. Die Zahl der jungen Frauen, die keine Lust auf Sex haben, stieg von 46,9 Prozent im Jahr 2008 auf 58,5 Prozent. Kunio Kitamura von der Vereinigung für Familienplanung wertet vor allem die wachsende Zahl junger Männer, die kein Interesse an Frauen zeigen, als bedrohlich. Im Japanischen gibt es für sie schon ein eigenes Wort: „pflanzenfressende Männer“.
Junge Männer, die nicht an Sex interessiert sind? Ist das das Ende einer Gesellschaft, die im sexuellen Bereich alles ausprobiert hat? „Sex ohne Liebe erzeugt Ekel“ – so habe ich es mal nebenbei von einer konservativ-christlichen Autorin gehört … und durfte es im engeren Familienkreis selbst erfahren, wie die Sexualität eines jungen Mannes durch eine ältere Frau zerstört wurde – schon erstaunlich welche Erfahrungen man ohne die Dauerpredigten der „Verbrauchsideologie“ der Konsumgesellschaften machen kann – Erfahrungen, die am Beispiel Japans ein ganzes Volk betreffen.
Wir aber – wollten ja bei der Liebe bleiben … bzw. bei ihrem Tod. Das die Sexualität dem Tod der Liebe folgen wird … sollte uns jetzt nicht kümmern.
Wissen Sie, wer dafür verantwortlich ist?
Sie. Ganz allein SIE.
Liebe ist ein Gefühl, dass man hegen und pflegen kann. Sie kann sogar – welch´ Überraschung – in Zwangs- und Vernunftehen wachsen … auch wenn dies ein äußerst ungesunder Weg ist. Vergleichen Sie sie mit einer Blume, einem kleinen zarten Gewächs, dass Sonne, Boden und Wasser in fein abgestimmten Dosierungen braucht – so sehr muss man sich um das Gefühl kümmern.
Sicher – es gibt eine extrem feindliche Umwelt, die der Liebe nicht wohlgesonnen ist, weil die Liebe eine Gesellschaft bauen würde, die liebevoll auf den Mitmenschen schaut – anstatt mit den Augen eines Raubtieres. Liebe würde eine Gesellschaft aufbauen, in der die Raubtiere verschwinden würden – oder enge Reservate zugewiesen bekommen, wo sie ihre Soziopathie ausleben können. Sicher – es gibt viele Gründe, die man aufführen kann, um ein liebloses Leben zu rechtfertigen: aber mal ehrlich – wieso sollte man das als Mensch tun? Definiert man sich wirklich nur noch als nutzloses Anhängsel der Verbrauchs- bzw. Vernichtungswirtschaft? Hat man zu sehr Angst, von „coolen Typen“ ausgelacht zu werden, wenn man sein Leben in den Dienst der Liebe stellt, um die drohende Dunkelheit zu verjagen?
Sicher: das entscheiden allein SIE. Kommen Sie mir nicht mit Sprüche wie „ich komme an meine Gefühle nicht mehr heran“. Lassen Sie sich behandeln, wenn es so sein sollte. Wo wirklich Liebe war – auch zwischen Menschen – kann man die alten Gefühle wieder zum wachsen bringen … wenn man WILL. Und dieser WILLE – ist IHR VERANTWORTUNGSBEREICH. Hier gilt weniger das Gefühl – denn dass kann wie eine Pflanze wieder zum Leben erweckt werden. Nicht nur in einer Beziehung – auch im gemeinschaftlichen Zusammenleben.
Warum wir so gezielt über die Liebe gesprochen haben, wollen Sie jetzt wissen? Warum wir diesen kleinen Aufsatz unter dem Titel „Politik“ veröffentlichen? Nun – wegen einer kleinen Meldung, die ich zugeschickt bekommen habe. Ich zitiere sie jetzt mal, weil sie genau hier und jetzt gut hereinpasst. Die Meldung stammt vom 10.7.2014 aus der Stimme Russlands:
Der US-Senat erörtert derzeit das Gesetz Nr. 2277 „Über die Vorbeugung einer Aggression seitens Russlands im Jahr 2014“, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Donnerstag.
Als eine Art Antwort darauf lässt sich Moskaus jüngste Entscheidung betrachten, seine strategischen Raketentruppen in höchste Einsatzbereitschaft zu versetzen. Es geht um insgesamt zehn Regimenter, die unter anderem mit mobilen Raketenkomplexen Topol, Topol-M und Jars gerüstet sind.
Das war vor fünf Tagen. Während wir hier friedlich zusammensitzen, braut sich die nukleare Vernichtung über unseren Köpfen zusammen: mit etwas mehr Sozialromantik wäre das nicht passiert. Zerbricht diese Gesellschaft nicht am Mangel an Sex (wie die in Japan), zerbricht sie am Überfluss an atomarer Waffengewalt.
Zu undenkbar?
Schon längst haben die USA ihre atomare Doktrin umgebaut – die Atombombe wurde Gefechtsfeldwaffe. Gerüchten zufolge wurden die ersten russischen Bürger auf russischem Boden durch ukrainische Granaten getötet – wenn es mehr ist als ein Gerücht, kann sich das schnell ausweiten – noch in den nächsten Tagen.
Huch – wo sind wir da jetzt gelandet?
Ganz einfach: bei den Resultaten einer lieblosen Weltgesellschaft. Dachten wir gerade noch, es ginge um albernen Beziehungskram, geht es jetzt um die Existenz Europas. Philosophie ist schon wunderbar, oder?
Verantwortlich dafür ist jeder Einzelne. Übernehmen Sie einfach mal Verantwortung für ihre Gefühle … Sie werden schnell merken, dass das wächst, worauf man seine Aufmerksamkeit richtet. Liebe zu Partnern wird oft nicht erwiedert – damit wird man leben müssen, aber Liebe ist selbst an sich schon ein wertvolles Gefühl – aber damit wir uns richtig verstehen: ich spreche nicht von „Verliebtheit“ … jenem Zustand, den die Sprache nicht umsonst die korrigierende Silbe „ver“ beigestellt hat – laufen ist ok, verlaufen nicht; recken ist ok, verrecken nicht; fahren ist ok, verfahren nicht. Hören wir den Duden dazu, was die Silbe -ver so mit Verben wie „lieben“ anstellt:
drückt in Bildungen mit Verben aus, dass eine Sache durch etwas (ein Tun) beseitigt, verbraucht wird, nicht mehr besteht
Und was predigen uns doch die Frauenzeitschriften das hohe Lied von der Verliebtheit … jenem Gefühl, das Liebe beseitigt, verbraucht und vernichtet.
Wird eigentlich Zeit, aus „Liebe“ ein Schul- und Universitätsfach zu machen – die Wirkungen könnten ähnlich sein wie die Ausformung der Ingenieurwissenschaften.
Bis es soweit ist, kann aber jeder für sich an seinen eigenen Liebesfähigkeiten arbeiten. Ist noch ein wenig Zeit, bis die Nuklearsprengköpfe detonieren. Vielleicht kriegen wir ja noch die Kurve.
Sie meinen, Sie kennen das Gefühl überhaupt nicht mehr? Dann …. bitte schnell zum Arzt gehen. Das Schicksal der ganzen Welt hängt davon ab.