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Freshfields Bruckhaus Deringer – noch gut erinnere ich mich an die leuchtenden Augen einiger Mitstudenten, denen es gelungen ist, bei dieser renommierten Wirtschaftskanzlei ein Trainee-Praktikum zu ergattern. Wer einmal einen Fuß in die Tür jener heiligen Hallen gestellt hatte, der besaß beste Chancen, „es zu schaffen“ – sofern er nur bereit war, hart genug zu arbeiten.
Schon kurze Zeit später leuchteten die Augen oft nicht mehr so hell – die Nächte an den Bildschirmen, die damals noch nicht flach, sondern klobig waren, hinterließen unübersehbare Spuren. Denn Feierabend zu machen war für Neueinsteiger bei Freshfields ein absolutes No-Go. Wer nicht bis tief in die Nächte hinein arbeitete, der fiel auf und wurde schnell als Minderleister ausgesiebt. So erzählte ein Studienkollege, dass er – nachdem er in der Kanzlei bereits über ein Jahr Alles gegeben und sogar auf Hobbies und Beziehung verzichtet hatte – sich ganze zwei Mal erlaubte, schon um 20.30 Uhr das Büro zu verlassen. Er wagte dies nur mit äußerst schlechtem Gewissen und aus einem nicht aufschiebbaren Grund: seine Großmutter lag im Sterben und er wollte sie im Spital noch sehen. Bereits wenige Tage später musste er zum Rapport zu seinem Abteilungsleiter, der ihm nahelegte, einmal darüber nachzudenken, ob er bei solcher Arbeitsmoral wirklich mit einer Sozietät weiter zusammenarbeiten wolle, in welcher von den Mitarbeitern „Exzellenz“ erwartet werde.
Freshfields nimmt nicht jedes Frischfleisch. Die ehrwürdige Kanzlei kann es sich leisten, nur die besten Humanressourcen für sich arbeiten zu lassen (siehe Website). Neben anderen transatlantischen Schlachtschiffen wie McKinsey und Boston Consulting gilt Freshfields unter Wirtschafts- und Jurastudenten als einer der meistbegehrten Arbeitgeber: Wo sonst hat man schon die Gelegenheit, Airbus bei der Übernahme von Bombardier zu beraten oder der HSH Nordbank bei Verkäufen „notleidender Kredite“ an den Cerberus-Fonds behilflich zu sein. Die in Juristen-Handbüchern als „politisch exzellent vernetzt“ beschriebene Sozietät ist dafür bekannt, dass sie im Gegensatz zu den traditionellen PR-Agenturen sogar an der „Rechtsgestaltung“ mitwirken könne (als Full-Service-Kanzlei schreibt Freshfields Gesetze für die Bundesregierung, die Merkels transatlantische Flachmannschaft nur noch abnicken muss; wer besonders gut nickt, hat auch gute Chancen, nach seinem Abgang aus dem Bundestag ein lukratives Versorgungspöstchen in der wunderbaren Welt der Schwerkraft zu erhalten).
In einem jüngsten Artikel in der Süddeutschen wird die Geschäftspraxis von Freshfields in Anlehnung an den militärisch-industriellen Komplex als „juristisch-industrieller Komplex“ bezeichnet, mit dessen fachkundiger Hilfe die Großbanken und Konzerne gezielt Steuerflucht betreiben und so gut wie keine Abgaben bezahlen. Von einem meiner Bekannten, er ist selbst staatlicher Steuerprüfer, weiß ich, dass dies in den meisten Fällen auch gelingt. Er schilderte mir, wie er und seine Kollegen im Falle einer Steuerprüfung in den großen Wirtschaftsberatungskanzleien fast jedesmal übers Ohr gehauen werden, da ihnen deren Spezialistenheer mit seinen verwinkelten Transaktions- und Geschäftskonstrukten hoffnungslos überlegen und immer eine Nasenlänge voraus sei. Manchmal habe er mitbekommen, wie die Bereichsleiter in den gerade von ihm geprüften Büros die Sektkorken knallen lassen und schallend darüber lachen, dass sie mit ihrer raffinierten Buchhaltung wieder einmal durchgekommen sind und zulasten der Staatskassa Millionenbeträge gespart haben.
Möglicherweise hat es das erfolgsverwöhnte Freshfields nun aber übertrieben. Aktuell wird die renommierte Wirtschaftskanzlei von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt beschuldigt, in kriminelle Machenschaften verwickelt zu sein und z.B. dem Private Banking Institut Maple geholfen zu haben, den Staat um Steuerabgaben in der Höhe von 450 Millionen Euro zu betrügen. Vergangene Woche haben Finanzermittler eine Hausdurchsuchung in jenen marmorvertäfelten und chromstahlblitzenden Tempelhallen durchgeführt, die für Uneingeweihte normalerweise nicht zugänglich sind. Wider Erwarten wurden die Finanzbeamten beim Betreten der heiligen Hallen des Mammon nicht sofort vom Blitz getroffen, wobei, wie man weiß, allzu pflichtbewusste Finanzbeamte ja manchmal erst mit Verzögerung vom Blitz ereilt und kaltgestellt werden (siehe Stern).
450 Millionen Euro … – man ist geneigt, an den Ausspruch von Berthold Brecht aus seiner Dreigroschenoper zu denken: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“
Manchen mag auch Brechts Ausspruch „Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie?“ geläufig sein.
Etwas weniger oft erwähnt wird in diesem Zusammenhang meist Brechts dritter Ausspruch, ist er doch reine Häresie wider den Zeitgeist und könnte in Zeiten des marktradikalen Wettbewerbs zur Zersetzung der Wehrmacht beitragen, die unsere Volkswirtschaft heute so händeringend braucht:
„Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?“
siehe dazu auch Steve Cutts Cartoon: „I can’t take this bullshit anymore“
(Ich weiß nicht, ob mein eingangs erwähnter Studienkollege, der sich wegen seiner im Sterben liegenden Großmutter aus der Freshfields-Kanzlei geschlichen hat, noch lebt oder ob er sich bereits „die Seele aus dem Leib gearbeitet“ hat, so wie das eine Diplompsychologin einmal als unvermeidbare Phase bezeichnete, die man am Weg nach oben auf der Karriereleiter der internationalen Konzerne zu absolvieren habe. Ich finde den Link zur entsprechenden Studie nicht mehr, aber das Fazit der Diplompsychologin lautete: Wer diese Phase durchstehe und trotzdem weiterarbeite, der habe die Chance, es bis „ganz nach oben“ zu schaffen.)