Final Handshake

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Pig Business Monkey Events, Global Playboys und bezaubernde Jeannies – Auf dem Weg zur digitalen Transformation und zum Final Handshake

Bild: Parkwaechter 2017

In einer Studie stellte der US-Unternehmensberater Jeremy Rifkin 150 führenden Managern der  internationalen Konzerne die Frage, ob die Welt, die sie gerade selbst durch ihre Arbeit mitgestalten, für ihre Enkel lebenswert sein werde. Die Frage wurde 150 mal  – also ausnahmslos – schlichtweg verneint.

Gleichwohl hüten sich die Leistungsträger, dieses Bekenntnis in der Öffentlichkeit abzugeben – wäre ja auch schlecht fürs Geschäft und hätte wohl das umgehende Abserviertwerden der eigenen Person von der Showbühne zur Folge. Dabei ist das Glänzen im Scheinwerferlicht der Science-Avantgarde ja etwas ungemein Ekstatisches – dazu unten aber gleich mehr.

Wenn jedenfalls sogar die Vertreter des führenden Establishments innerlich nicht mehr an die Sinnhaftigkeit ihres eigenen Tuns glauben, dann darf sich auch der gemeine Bürger fragen: wohin führt dann eigentlich unsere Reise? Der Astrophysiker Prof. Harald Lesch macht uns darüber keine Illusionen: „Wir sind alle Astronauten auf dem Raumschiff Erde. Wenn wir weiter so Gas geben, dann fahren wir das Ding vor die Wand“ und fügt hinzu, dass wir mit dem naiven Glauben an neue Technologien gerade dabei sind, den letzten Rest dieses Planeten „zu verfahren, zu verbrennen, zu verleben …“ (siehe YouTube).

Man mag Analysen wie die von Lesch und anderen schon kaum noch lesen, die Zeugnis abgeben über ein nie dagewesenes Artensterben, Vergiftung unserer Ökosysteme, unglaubliche Verelendung von Menschen, eine weitgehend sinnentleerte und erschöpfte Gesellschaft … Hingegen auf den Leinwänden der Konzerne … – läuft ein ganz anderer Film. Denn ungeachtet aller Realität haben die von Lesch als „Mammonesen“ bezeichneten Ökonomen aktuell eine neue Schallplatte aufgelegt. Mit den Schlagwörtern „Industrie 4.0“ und „digitale Transformation der Gesellschaft“ wittern sie in ihren bluetoothverzahnten Mausoleen wieder Frischluft und sehen ein neues Ziel am Horizont, für das es sich zu kämpfen lohnt: Die totale Durchtechnisierung von Mensch und Lebensumwelt, deren Umwandlung zu einer hocheffizienten  Technikmaschinerie, mit der der Mensch verschmelzen soll, um schon zu irdischen Lebzeiten in jenem Paradies anzukommen, das uns die Religionen der Menschheit erst im Jenseits anbieten können.

Mit ganzem Herz und bedingungsloser Hingabe sprechen perfekt manierliche Damen, die  noch vor wenigen Jahren  in einer (inzwischen digital gewordenen) Barbiepuppen-Kinderstube den Wert des Glanzes der Oberfläche internalisieren durften und nun mit großen Spielzeugen und gewaltigen Technologien hantieren dürfen, ihr Credo:  „I’m so exited to bring digital transformation to life here…“ (siehe z.B. eine jüngste Microsoft-Technologiekonferenz im u.a. Video).

Über ihren Chef Ken schwärmt sie: „There ist so much energy around him…” und setzt hinzu: “It is so contagious!“ (“Das ist so ansteckend!“) – Der männliche Part der frisch gebackenen Head-of-Marketing-Lady, er heißt eigentlich nicht Ken, sondern Neil, ergänzt nonchalant und breit grinsend auf die Frage, wie es ihm inmitten des futuristischen Gewimmels als General Manager für Microsoft Health Worldwide so gehe:

„I’m havin fun – I’m busyiiii !

Im Video bekennt ein Fachwissenschaftler mit würdevollem Ernst und ganz ohne Scham, worum es sich für ihn dreht: „To get recognition by Microsoft is very, very exiting.“ Auch alle anderen Akteure drücken ihr bedingungsloses Bekenntnis zu Technik und zur digitalen Transformation unserer 4.0 Gesellschaft aus, gegen welche die „Stahler 80“-Zahnpastawerbung ziemlich blass aussieht (Erklärung für Post-Millenials: Strahler 80 war eine bekannte Zahnpasta der 80erJahre. Den mit dieser Pasta geputzen, gebleckten weißen Zähnen ist man in den Jahren vor der Milleniumswende in fast keinem Fernseh-Werbeblock entkommen).

Am Ende des Meetings gibt Microsoft-Abteilungsleiter Ken seinen Appell aus: „Just keep doing it: creating more and more benefit for our customers!“ – woraufhin sein Expertenheer frenetisch ausflippt. Ken hat also die Losung des alten Microsoft CEOs Steve Ballmer geflissentlich internalisiert, wo letzterer mit seinem Monkey Rap schon seinerzeit die Microsoft-Belegschaft in Redmont mantrenartig eingeschworen und zum monotonen Mitklatschen gebracht hat: „Developers, developers, developers … -Developpp !!!“

Dass damals noch gewisse Fragmente des Faktors Mensch mit im Spiel waren, sieht man an dem vielfach kritisierten Achselschweiß, den der Microsoft-Guru während seines fulminanten Auftritts in Massen absondert. So ein unappetitliches Transpirieren wird heute durch porenverschließende Hitech-Sprays mit Aluminiums-Nanopartikeln sicher verhindert und ein CEO kann sogar in Ausnahmezuständen bis kurz vorm Umfallen (so wie der kollabierende BMW-CEO auf der IAA-Messe) vollkommen souverän wirken.

Während globalisierungskritische Menschen mit philosophischer Ader angesichts des umwälzenden derzeitigen Weltgeschehens eher verstört bis hin zu schockiert sind, nach Atem ringen und kaum Worte finden, um das zu formulieren, was gerade wie ein großer Tsunami auf uns zukommt, so haben die wissenschaftlichen Experten, die im Epizentrum des kommenden Tsunamis stehen, nicht das geringste Problem mit dem astreinen Wahn-Sinn, sondern demonstrieren mit all ihrer zu Gebote stehenden Emotion und Überzeugungskraft, wie großartig und paradiesisch die von ihnen vorangetriebene neue Welt sein wird. Mit Wucht, bullig, humorvoll und ohne den geringsten Zweifel an ihrem Tun bringen die Silicon Valley CEOs  ihre Mission und ihr Commitment stringent auf den Punkt. In einem der Microsoft-Vorträge erklärt etwa ein junger Gentechnik- Wissenschaftler dem anwesenden Publikum auf charmante Weise die Kunst der Genmanipulation im menschlichen und tierischen Körpern: Eingängig dargestellt mit lustigen Powerpoint-Cartoons, auf denen man sieht, wie eine Schere einfach mal ein bisschen Schnipp in den von der Naturweisheit über Jahrmillionen der Evolution angelegten Gensequenzketten des Menschen macht … höchste Zeit, dass führende Wissenschaftler eines  globalen Technologieführer-Konzerns der Natur endlich mal auf die Sprünge helfen und ein paar Dinge zurechtrücken … das Paradies naht also… – so wie uns das auch der GWUP-Nerd und „Science Slam Champion“ Martin Moder auf seinem ProGentechnik-Blog GENau unermüdlich klarmachen möchte, sofern er nicht gerade damit beschäftigt ist, rückständigen Menschen den GWUP-Schmähpreis „Das Goldene Brett vorm Kopf“ zu verleihen oder alternative Denker zu diffamieren.

Aber wer immer noch Zweifel daran hat, dass man es in der Welt der Konzerne in himmlische Sphären bis oberhalb der Seraphim und Cherubim schaffen kann, der möge sich kurz nur einen der Höhepunkte der vorgenannten Technologiekonferenz angucken: eine Rede der IBM Chefin Ginni Rometty:

Beim diesem Videolink wollte ich nur auf die perfekte farbliche Komposition zwischen dem Galakleid der IBM-Grandin und dem Bühnenhintergrund hinweisen. Direkt hinter ihr ein Sonnensymbol, wie man es sonst nur von Gravuren in den Säulenhallen und Altaren der alten Pharaonen kannte. Niemand braucht sich die – im Grunde tödlich langweilige – einstündige Rede der bezaubernden Ginni anhören, deren Inhalt im Grunde auf nur drei Buchstaben beruht: I, B und M, genauer gesagt „I and IBM“ bzw. wie die beiden Einrichtungen wechselweise ihre Großartigkeit steigern. Sie sagt damit im Grunde nur auf eine etwas manierlichere Art genau das Gleiche, was Microsoft-Chef Steve Ballmer schon seinerzeit vor versammelter Arbeitsbienen-Mannschaft in seinem legendären Pig Rider-Ausraster bis zum Jupiter hinaufgebrüllt und damit die gesamte Götterwelt erschüttert hat: „I – LOVE – THIS – COMPANY – YEEEEAH …!“

Der Auftritt Ballmers in Strahler 80-Manier, untermalt mit plattem Happysound der 80er Jahre, erscheint heute vergleichsweise dilettantisch.  Obwohl im Kern immer noch dasselbe, legen auf Industrie 4.0 gebürstete CEOs heutigen Zuschnitts eine ganz andere Performance hin. Während man bei Steve Ballmer im obigen Video die brachial nach oben sprudelnden mammonitischen Urgewalten noch relativ unverblümt zu Gesicht bekommt, so haben die smarten Konzernlenker von heute die alte menschliche Eigenheit, dass „der Mund übersprudelt, wovon das Herz voll ist“, längst abtrainiert und sich stattdessen ein bis in die letzte Mundwinkelfalte in perfektem Understatement geschultes Mimikspiel zugelegt, bei dem George Clooney in die Schule gehen könnte.

Wer sich von diesem Mimikspiel bzw. vom Glanz der Oberfläche täuschen lässt, der übersieht, dass selbige Urgewalten, wie sie bei Steve Ballmer kurzfristig einmal zum Vulkanausbruch bzw. ans Tageslicht gekommen sind, immer noch exakt die gleichen sind, wie sie heute die Konzernrealität beseelen bzw. entseelen. Besagte Urgewalten befinden sich heute eben in einem Kernreaktor im Keller bzw. im Bauch des Menschen, wo die radioaktive Strahlung der Kernbrennstäbe das im menschlichen Organismus zirkulierende Wasser bzw. Blut bis zur Weißglut erhitzt und damit die mächtigen Turbinenräder des Kommerzgenerators antreibt. Solcherart als „Schnelle Brüter“ auf zwei Beinen durch die Gegend stolzierenden Kraftwerken sieht man es äußerlich nicht an, welche Urgewalten sie innerlich antreiben. Bluetoothbestöpselt und in feinen grauen Zwirn von Hugo Boss gehüllt, die Visage glatt rasiert und mit Versace-Lotion geölt, fädeln die Global Playboys bei Tag und bei Nacht unermüdlich Deals und Golden Handshakes ein, vernetzen Länder oder melken Cash Cows. Normalsterblichen ist es da ebenso wie jungen Damen aus der Provinz schier unbeschreiblich, dass es Global Playboys, – pardon, Global Players natürlich – gibt, die in unserer Zeit der allgemeinen Erschöpfung und des Burnouts entgegen allem Mainstream „so much energy around them“ haben, dass es einen direkt elektrisiert und man fast andächtig in die Knie gehen muss.

Wer bremst, verliert, ist jedenfalls das fraglose Motto der auf Digitalisierung und „Industrie 4.0“ getrimmten Schnellen Brüter bzw. Global Players. Wer im Rennen auf dem Highway Richtung Grand Canyon gewinnt, darf schließlich zu den ersten gehören, die am Grunde des Grand Canyon ihr zerbröseltes Smartphone wieder aufsammeln und die Champagnerkorken knallen lassen werden (siehe Illustration von Steve Cutts: The Final Handshake).

Zurück aber zu IBMs Ginni. Im Konzern aufstrebende Nachwuchskräfte werden angesichts eines solch strahlenden Auftritts  der bezaubernden Ginni wohl zweifellos attestieren, dass ihre CEO-Frontfrau „eine Wucht ist“  oder darüber schwärmen, dass „so much energy around her“ ist. Laut Forbes Magazine rangiert Ginni auf Rang 15 der Liste der mächtigsten Frauen der Welt. Wie man sieht, gibt es also in der über 7 Milliarden Seelen zählenden Menschheit scheinbar auch noch ein paar andere Bienenköniginnen – was der Beweis ist, dass an der sonnenbeschienenen Spitze der Pyramide nicht nur ein(e), sondern durchaus mehrere Leistungsträger(innen) Platz haben.  In ihrer o.a. Rede drückt Ginni in nähmaschinenartig wiederholenden Rückstichschleifen aus, wie großartig sie es eben findet, es bei IBM bis ganz nach oben geschafft zu haben, sodass am Ende der Rede hoffentlich auch diejenigen, die es nicht bis dorthin nach oben schaffen, sondern IBMs massivem Abbau der immer überflüssiger werdenden Humanressourcen zum Opfer fallen (was im vorigen Jahr ca. 26 Prozent der Belegschaft und damit mehr als 100.000 Mitarbeiter betraf), verstehen, dass ihr Versagen nur daher rührt, dass sie eben nicht ganz so großartige Strahlefrauen, sondern im Hamsterrad nur Minderleister sind – so wie jene heimgekehrte Wiener Betriebswirtin, die ihren vermeintlichen Traumjob in der Apple-Konzernzentrale in Irland mit dem Leben in einer Hühnerbatterie vergleicht und das hochglanzpolierte Arbeitsumfeld  als „furchtbar beklemmend und trostlos“ und sich dort „hilflos und entmenschlicht“ erlebt hat (Quelle: Interview in ZIB24 vom 20.03.2017, siehe auch welt.de).

Die implizite Botschaft der Business-Shows an die nachwachsende Generation der Human Resources lautet also: Legt euch mehr ins Zeug, trainiert euch mehr Barbie-Faktor an, übt vorm Badezimmerspiegel bessere emotionale Business-Statements, sammelt mehr Praktika-Erfahrung in den Kaderschmieden der Konzerne, macht Nachtschichten vor den Flachbildschirmen, lasst euch notfalls einen Chip ins Hirn einbauen, der euch mit ein paar Quadcore-Prozessoren und smarten Algorithmen auf die Sprünge hilft, gebt Einfach Alles für das Große Ziel, … dann dürft auch ihr zumindest ein paar Lenze lang bei der CyberNerd-Party zur digitalen Transformation unserer Gesellschaft mit dabei sein. Und wer besonders emsig in der Tretmühle des Kommerz läuft, der bekommt vielleicht sogar ein Ticket ins Elysium.

Durch GWUP-Edutainment restlos in die Zweidimensionalität des nihilistischen Szientismus plattgehämmert  und zu fortschritts- und frackinggläubigen Teletubbie-Nerds erzogen, dürfen junge fleißige Arbeitsdrohnen auch heute wieder die Blütejahre ihres Lebens dafür opfern, um einer Pharaonin zu dienen, die gewaltige Pyramiden und Obelisken mit vergoldeter Spitze errichten ließ. Wobei die 30 Meter hohen und ca. 300 Tonnen schweren Obelisken, welche die Pharaonin Hatschepsut um ca. 1400 v. Chr. von einem Heer an tausenden fleißigen Ameisen aus den Granitsteinbrüchen von Assuan meißeln ließ, gegen die heute in Arbeit befindlichen 4.0-Obelisken vergleichsweise blass aussehen. Denn die 4.0-Obelisken werden über die gesamte Erdatmosphäre bis durchs Ozonloch hinaufragen und drahtlos mit allen Dingen vernetzt sein („Internet of things“). Und während die goldenen Spitzen der Hatschepsut-Obelisken nur tagsüber im Sonnenlicht weit ins Land strahlten, um die Arbeiter zu ihrer großen gemeinsamen Aufgabe zu motivieren, so werden die digitalen 4.0-Obelisken sogar in der Nacht auf unsere Köpfe einstrahlen.

Ach ja, ich vergaß Ginnis Gehalt zu erwähnen: im letzten Jahr waren das samt Boni 5,2 Millionen Dollar (Quelle: silicon.de), dh. die Dame bekommt pro Tag ein Salär von über fünfzehntausend Dollar. – Nur ein Klacks im Vergleich zu einer ganzen Milliarde, wie sie z.B. der Blackstone-CEO Stephen Schwarzman für ein Jahr Arbeit einstreift (Quelle: welt.de), ich weiß. Aber bei einer solchen Tagesgage würde, glaube ich, sogar manche graue Hartz 4-Maus augenblicklich zur hochglanzpolierten Strahlefrau mutieren, um vor versammeltem Publikum glückshormonüberschwappend einen auf „Strahler 80“ zu machen. Pardon, wir haben ja upgedatet – „Strahler 4.0“ natürlich. Ich bin einfach noch von gestern.

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Nachsatz:
In Assuan/Ägypten kann man heute noch den größten Obelisken besichtigen, an dem Menschen jemals gearbeitet haben – er wiegt über tausend Tonnen und ist 42 m lang (siehe Foto). Der gigantomanische Hinkelstein hat es allerdings nie aus der Horizontalen in die Vertikale geschafft. Nachdem er schon von allen Seiten frei gehauen war, bekam er plötzlich einen Riss und war somit unbrauchbar. Aller Schweiß, Blut und Tränen, die für das Opus Magnum aufgewendet wurden, waren auf einmal für die Katz‘.

 

 

 

 

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