Donnerstag. 6.2.2014. Eifel. Gestern erreichte mich eine Schreckensmeldung: die Internetseite Opposition 24 steht zum Verkauf, ein Mensch namens „Fantareis“ erklärte in seinem „politischen Aschermittwoch“ die Gründe für seinen Abschied aus der Bewegung. Es ist eine Meldung, die mich persönlich betroffen macht und aus meinen derzeitigen Überlegungen herausreißt. Vor einem Jahr wurde ich angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, für eine Bewegung „5-Sterne-für-Deutschland“ zu arbeiten. Noch während ich nachdachte, verbreitete sich die Information blitzartig, wir wurden gedrängelt, wann denn der Starttermin sei – während ich noch über die persönlichen Konsequenzen nachdachte, die ein erfolgreiches Engagement nach sich ziehen könnte. Sicher – wir sind in Deutschland gewöhnt, dass Bürgerinitiativen in die Hose gehen – aber ich bin ja bekannt dafür, dass ich auch „Worst-Case-Szenarien“ in Betracht ziehe … sogar zu allererst.
Im Rahmen der ersten Debatten wurde uns von einer Arbeitslosenaktivistin auch gerade jener Fantareis als jemand angepriesen, den man mit ins Boot holen würde – was dann offensichtlich auch geschehen ist. Schnell gab es dort eine Parteigründung, die nun wieder vorbei ist – siehe Opposition24.de:
Im letzten Jahr haben wir die 5 Sterne gegründet. Nach etwas Medienrummel war die angedachte Parteigründung sehr schnell obsolet. Zum einen gescheitert am unvermeidlichen, aber albernen Streit der Gründungsmitglieder, zum anderen an der Realität, die da lautet: Ohne Moos nix los. Denn ohne Geld lässt sich weder ein Wahlkampf, ein Parteitag oder was auch immer finanzieren.
Ein Ende, das vorauszusehen wahr – aber lehrreich sein kann.
Ich denke, man muss bei solchen Gründungen extrem genau darauf achten, welche Motivation die Gründungsmitglieder haben. Es war schon bei den „Piraten“ zu erkennen, dass die Partei – mit einem enormen Potential ausgestattet – an ihren „Mitarbeitern“ scheitern wird. Viele blasse Gestalten drängten sich ins Rampenlicht, um im Rampenlicht zu stehen – ohne sich darüber Gedanken zu machen, dass man den Platz dort auch mit Persönlichkeit ausfüllen muss … oder mit leidenschaftlicher Botschaft. Präsentiert man zu viele Luschen hintereinander, die sich für den König der Welt halten, wenden sich die Wähler angewiedert ab.
Ebenso muss man sich darüber im Klaren sein, dass man „Treibstoff“ braucht, sprich: Geld. Eine Zeit lang kann man das Geld durch private Initiative aufbringen, durch Gratisarbeit der Mitglieder (die wir – wenn sie für den „Betrieb“ gefordert wird, selbstverstänlich sofort verdammen), doch der Kampf mit den durch Steuermittel fett gewordenen „Großen“ erfordert Geldmittel in großen Stil. Immerhin wäre ein einmaliger Einsatz von 15 Euro pro Arbeitslosen gefordert, um den Regelsatz monatlich um 100 Euro zu erhöhen – das ist ziemlich viel (nicht für „Unternehmer“, aber für „Angestellte“ … wobei ich jetzt vom Bewusstsein spreche, nicht vom Status).
Das Interesse und die Hoffnung, dass sich auch mal in Deutschland ein wenig Widerstand regt, ist bei den Medienleuten anscheinend sehr hoch. Alle wollten ein Interview mit dem deutschen Beppe Grillo, zu dem mich die Zeitungen in Italien erklärten und die deutsche 5 Sterne Bewegung auf der Straße in Aktion sehen. Eine Journalistin hat mich tagelang mit ihrem Auto verfolgt. Mein Telefon stand an manchen Tagen nicht mehr still, und jedesmal erklärte ich von Neuem, dass wir nur eine Handvoll Künstler und Blogger sind
Natürlich ist das Interesse sehr hoch – die Kriegsgewinnler fürchten nichts mehr, als das jemand die Zauberformel findet, die die Interessen der Verlierer bündelt und vereint: die Zeit das großen Absahnens wäre vorbei. So groß wie die Angst vor der Vereinigung der Renditefinanzierer (wie wir die Verlierer mal nennen wollen) ist, so heftig ist auch der soziale Terror, den man ausübt, um diese Vereinigung zu verhindern. Damit muss man jederzeit rechnen, darauf muss man vorbereitet sein … und dafür braucht man sichere Strukturen für die Figuren, die den Widerstand bündeln. Beppe Grillo hat seine Villa und seine Millionen – von dort aus kann man den Krieg gegen das System der Absahner erfolgreich führen … das sollte man im Hinterkopf behalten, bevor man mit den Großen in den Ring steigt.
Der Kampf um die politische Macht ist keine Selbsterfahrungsgruppe, keine Kuschel-Hab-Dich-Lieb-Bruderschaft oder ein Teestündchen … er ist brutaler, vernichtender Krieg, der die menschliche Seele bis aufs Letzte fordert – weshalb die Seelenlosen dort einen enormen Vorteil haben. Wirtschaft selbst ist zum Krieg geworden … und hat sich weit entfernt von ihren Wurzeln, wo fleissige Menschen zum Wohle aller ihre Waren zum Markt trugen, um sie dort – ebenfalls zum Wohle aller – tauschen zu können und so die wirtschaftliche Existenz ALLER zu sichern … anstatt im Namen der Rendite täglich weiter Existenzen zu vernichten.
Mein Engagement für allerlei Bündnisse, deren politischen Ziele mir sympathisch erscheinen, werde ich nicht weiter fortsetzen – es macht aus meiner Sicht schlicht und ergreifend keinen Sinn mehr, denn es kostet mich nur Zeit und Geld, mehr als ich davon habe.
Eine Konsequenz, die viele feine Menschen auch aus ihrem Engagement gezogen haben … und eine Konsequenz, die aus diesem Land ein totes Land macht, in dem die Luschen triumphieren.
Diejenigen, die sich engagieren, das sind oft sehr einfache Leute. Menschen, die zupacken können und für andere einstehen. Sie sind den Politprofis selten rethorisch gewachsen, aber dafür sprechen sie die Wahrheit aus, so wie sie empfinden und haben das Herz auf dem rechten Fleck – und mit rechts meine ich nicht das politische Rechts, vor dem es mir graut.
Wer in den Ring mit den Politprofis steigen will, muss sich im Klaren darüber sein, dass dort nicht dumme, fette, asoziale Nichtsnutze stehen (auch wenn man sie selbst gerne so sieht), sondern Menschen, denen Rhetoriktrainer alle Kniffe der Manipulation durch Sprache begebracht haben, denen Imageberater jedes kleinste Hügelchen im Lebenslauf geradegebügelt haben und die von Kleidungberatern beleuchtungsgerecht in Szene gesetzt werden – es ist harte Arbeit, das über sich ergehen zu lassen … und das Ergebnis ist ein knallhartes „Produkt“, das sich perfekt in Szene setzen kann … auch wenn es oft (erst recht im Vergleich mit früheren Politikern) seelenlos und aalglatt wirkt. Dafür ist es aber im Anschluss an den Auftritt als Politprofi ohne großen Aufwand im Management von Konzernen einsetzbar, wo eine ähnliche Sozialisation stattfindet.
Es ist eine wertvolle Erfahrung, die uns dort mitgeteilt wird. Eine Erfahrung, die wir in Deutschland schon oft gemacht haben: hier klappen keine sozialen Bewegungen. Ich selbst habe die Degeneration der Grünen erlebt (und durchlitten), die Vernichtung der so hoffnungsfroh gestarteten WASG (Wahlalternative soziale Gerechtigkeit) durch SED-Kader (und westliche Medien) beobachten müssen und die Selbstvernichtung der Piratenpartei durch gezielte Pflege des Luschentums zur Kenntnis nehmen dürfen.
Was bleibt, ist eine Tyrannei der Luschen, die primär nach Diäten schielen … und denen Dienst am Volk, Liebe zum Mitmenschen und Hingabe für die Bewegung völlig fremd sind. „Was habe ICH davon – konkret und in bar?“ ist die zentrale Frage nach politischer Aktivität in Deutschland.
Nun – der Autor beendet seinen politische Aschermittwochrede mit der Frage, was zu tun wäre.
Die Antwort hat er selbst tags zuvor gegeben:
Aber dieses Land braucht einen Führer, einen wahren politischen Führer, keinen Verführer, keinen, der sich zum Herrscher macht, sondern einen Befreier, einen der Hoffnung schüren kann, der einem den Glauben an sich selbst wieder beibringen kann, einen, der den Menschen aus den Herzen spricht, ihnen eine Stimme verleiht. Dieses Land wartet auf jemanden wie Nelson Mandela, Martin Luther-King oder einen Mahatma Gandhi, vorausgesetzt diese Lichtgestalten bestehen die Prüfung. Dieses Land wartet auf einen wahren Meister, einen Messias, einen Christus – auf die leibhaftige Wiederkehr von Gott. Manchmal könnte man aber auch meinen, es wartet auf Godot…
Es ist eine Antwort, die gleichzeitig die Bediungung ihres Scheiterns beschreibt.
Alle politischen Bewegungen brauchen eine Führungsfigur – einen Spartakus, einen Luther, einen Napoleon, einen Marx. Wir Menschen trauen Menschen – nicht Programmen. Aber … der selbstverliebte Konsummensch der BRD, der künstlich von Geheimdienst und Nuklearwissenschaft geformte EGO-Zombie, der das Betriebssystem des Kapitalismus ausmacht, möchte seinen Führer erstmal prüfen …. er soll den Ansprüchen von 80 Millionen Menschen gerecht werden …. und WEHE, ER IST NICHT SO WIE ICH!!!
Dabei braucht ein politischer Führer keine besonderen moralischen Qualifikationen – er muss vor allem den Politprofis Paroli bieten können. Sein „Job“ ist rein technischer Natur. Wer aber in den Ring steigt, wo nur die harten Bandagen erlaubt sind … der braucht hinter sich Menschen, die in bedingungsloser Treue und Loyalität zu ihm (oder ihr) stehen … und kein Prüfungsgremium, das jeden seiner Schritte überwacht und genehmigen möchte. Wer Charakter und Standing hat, wird sich selbsternannten Gremien sowieso nicht zum Fraße vorwerfen … wozu auch? Weil die sich so toll und überlegen, so wichtig und besser fühlen?
Dann sollen die doch den Job selber machen. Je mehr, umso besser!
Nochmal zur Erinnerung: wir befinden uns in einem Krieg, einer tödlichen Vernichtungsschlacht, die bereits jetzt jeden Aspekt unseres eigenen Lebens erreicht und durchdringt … und zu einer Staatsverschuldung führt, wie sie diese Wirtschafts- und Sprachengemeinschaft zum letzten Mal im Jahre 1942/43 hatte. Wer mir nicht glaubt, der glaube bitte Frank Schirrmacher, dem Herausgeber der FAZ, hier zitiert aus einer empfehlenswerten Buchbesprechung der Nachdenkseiten:
Nach einem 50 Jahre währenden Kalten Krieg […] befinden wir uns nach dem Ende des Kommunismus in einem neuen Kalten Krieg zwischen demokratischen Nationalstaaten und globalisierten Finanzmarktkörpern
In diesem Krieg treten die globalisierten Finanzmarktkörper extrem geschlossen auf – trotz ihrer Konkurrenz untereinander. Sie ordnen sich einer gemeinsamen Führung unter (z.B. dem Herrn Ackermann), übernehmen mit ihren Außendiensten (Lobbyisten) die Deutungshoheit im Informationsgeschäft und steuern so den ganzen (korrumpierten) politischen Bereich, während die demokratischen Völker kopflosen Hühnerhaufen gleichen, die nichts mehr von ihrer einst kulturschaffenden Größe ahnen lassen.
Natürlich brauchen wir einen selbstlosen Führer, das das Standing (und das Geld) hat, sich gegen den Finanzmoloch mit seiner gewaltigen Überlegenheit in allen politischen Bereichen zu stellen. Aber: wo soll der selbstlose Führer seine selbstlosen Unterstützer finden?
Wo findet David sein Volk im Kampf gegen Goliath?
Hier haben wir ein Volk – ein Luschenvolk – das seine Kritik perfektioniert. Die Auseinandersetzung um Kleidungsstil, Musikgeschmack und Haartracht des David verbraucht ganz schnell alle revolutionäre Energie – zudem sollte er noch Vegetarier, Veganer, Jäger, Pilot, Angler, Tierschützer, Katzenfreund und Blasmusikfan sein … um nur ein paar kleine Anforderungen des Luschenpöbels zu konkretisieren.
Davids übrigens – haben wir genug. Ich kenne persönlich ein Dutzend davon, denen ich sofort folgen würde – leider hat nur einer wirklich Geld genug … und der will keine nörgelnden Luschen führen, was ich gut nachvollziehen kann.
Die Frage, was zu tun ist, ist also leicht zu beantworten: selbstlos werden – in großem Stil. Und zudem muss man verstehen, in welchem Umfeld man sich befindet. Jakob Augstein hat es in seiner Besprechung von Frank Schirrmachers Buch beschrieben, siehe Spiegel:
Im Spiel will jeder gewinnen. Das ist die Bedingung der Spieltheorie. Damit lassen sich komplizierte Handlungsmuster beschreiben. Im Kalten Krieg haben amerikanische Militärs und Physiker die Sowjets mit den Instrumenten der Spieltheorie in die Knie gezwungen. Als es keine Sowjets mehr gab, sind die Physiker an die Wall Street gegangen und zwingen seitdem mit ihrer Theorie die Welt in die Knie. Wir alle sind Opfer einer Ideologie des Egoismus. Sie wurde für eine Welt des Krieges entwickelt und verheert heute den Frieden. Eine Ideologie der Kälte und des Autismus. Eine Ideologie von Psychopathen für Psychopathen.
Im Reich der Luschen – oder der Psychopathen – oder der Egoisten – ist kein gemeinsamer Widerstand zu organisieren. Diese asoziale Philosophie des Egoismus gilt nicht umsonst als „a – sozial“ im Sinne von antisozial. Ihr höchstes Ideal ist der Traum der „Selbstversorgung“ – wenn schon nicht mit sich selbst vermehrendem Geld (Investmentbanker), dann doch mit sich selbst vermehrendem Gemüse (Ökobauer).
Was man noch tun kann?
Ganz einfach: CDU wählen … weil die Luschen nichts anderes verdient haben.
Aber: das haben die meisten Wähler ja schon verstanden.
Dem Musiker Fantareis vielen Dank für seine Worte (und sein Engagement)… aus denen man viel lernen kann.
Wäre wohl auch ein guter Führer gewesen – schon allein deshalb, weil er Künstler sein möchte und kein Führer.
Und schade, dass nun wieder ein Integrationsmodell „verbrannt“ wurde.
Aber – das kennen wir ja schon. Darauf kann man sich in einem toten Land verlassen.