Evolutionsbiologie

This tag is associated with 1 posts

Bundeswehr in Lybien und die Evolutionsbiologie: zwei Schritte zum Umbau der Demokratie

Schritt für Schritt schreitet die Degeneration der politischen Wirklichkeiten voran und wir gewöhnen uns daran. Das ist das Unangenehme dabei. Wir empören uns zu wenig und schlucken zuviel. Kein Wunder, das alle schlecht drauf sind. Dabei brauchen wir nichts mehr zu schlucken, wir leben offiziell noch in einer  Demokratie (auch wenn das für viele nicht mehr der erfahrbaren Lebenswirklichkeit im Alltag entspricht) – noch können wir uns versammeln, noch können wir unsere Meinung frei äußern. Vieles aber … lassen wir einfach so mit uns machen. Gefährlichere und ungefährlichere Dinge.

Nehmen wir erstmal die ungefährlicheren. Man stelle sich einfach mal vor, da gäbe es einen Chemiker, der Bücher darüber schreibt, das Germanisten alle geisteskrank sind, das ihre Gedichte nicht den Erkenntnissen der Naturwissenschaft genügen und schlichtweg falsch sind: wir würden uns über den Hansel kaputtlachen – offensichtlich hat er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Oder denken wir uns einen Physiker, der sich für ein Verbot von Musik ausspricht, weil er sie für unsinnig hält, einen Biologen, der sich gegen Geschichtsbücher ausspricht, weil sowieso alles Zufall ist – wir kämen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das würden wir noch merken.

Was wir nicht mehr merken ist, was wir mitlerweile schon widerstandslos schlucken ist, wenn ein Evolutionsbiologe einen Kreuzzug gegen Religion startet, wie jetzt wieder im Spiegel.

Der Biologe erkennt seine Grenzen eigentlich selber und bekennt sich sofort dazu, das es ihm egal ist:

Wissenschaftsphilosophen werden sagen, dass alles nur Hypothesen sind, die niemals endgültig bestätigt werden können, und dass wir alle aufwachen könnten und entdecken, dass alles nur ein Traum war. Aber in dem Sinne, wie wir alle normalerweise das Wort Tatsache benutzen, ist Evolution eine.

In dem Sinne, in dem wir normalerweise das Wort Tatsache benutzen, ist die Erde eine Scheibe, wurde die Welt vor 6000 Jahren erschaffen und war Hitler der gottgewollte Führer des deutschen Volkes. Philosophen merken das schnell, Biologen scheinbar noch nicht mal, wenn sie es selber sagen.

Naturwissenschaftler haben ein Problem mit dem menschlichen Geist – sie können ihn nicht erfassen, nicht wiegen, nicht messen, nicht einpacken oder umbauen, sind aber ohne ihn selber nichts. Darum haben wir Geisteswissenschaften erschaffen – einen riesengroßen Komplex Geisteswissenschaften, die vor allem eins sollen: Kriege verhindern, die Selbstvernichtung der Menschheit aufhalten. Der Angriff der Naturwissenschaften auf die Religion ist deshalb keine Kleinigkeit – und an dieser kleinen oben zitierten Sequenz merkt man, das es nicht nur ein Angriff auf die Religion ist, sondern vielmehr: ein Angriff auf alle Geisteswissenschaften, deren Erkenntnisse über die naturgegebenen Grenzen menschlicher Erkenntnis uns egal sein sollen.

Wenn uns diese Grenzen aber egal sein sollen, dann … ist ein neuer Hitler wieder jederzeit möglich. Mit Formeln, Reagenzgläsern oder Erlenmeyerkolben hält man keine politische Bewegung auf – sogar Gedichte sind da schon nachhaltiger. Man kann unglaubliche Waffen erschaffen, das stimmt, aber … die Hand, die diese Waffen bedient, folgt mehr ihrem Herzen als naturwissenschaftlichen Erkenntnissen.

Darum ist es wichtig, zu sehen, wo „Naturwissenschaft“ (so nennt die Bewegung sich in diesem Moment selber) versucht, nach politischer Macht zu greifen – und im Konfliktfeld Evolutionsbiologie versus Kreationisten (als dem Kampf des Chemikers gegen Gedichte, des Physikers gegen Musik, des Biologen gegen Geschichtsschreibung)  sogar nach religiöser Macht, denn was dort konkret geschieht (aus der Perspektive des  Religionsphilosophen) ist die Etablierung einer neuen Religion, eines neuen Gottes: eines blinden, gleichgültigen, grausamen Gottes, der eine brutale Welt voller Lieblosigkeit, Ungerechtigkeit und sinnloser Qual geschaffen hat: eine Hölle auf Erden.

Der Horrorschriftsteller Howard Phillip Lovecraft hat solche Gottheiten in seinen düstersten Kunstmythen beschrieben. Das sich in den Zeiten der aufklärerischen Gesellschaft unglaubliche Gräuel entfalten können, wird auf einmal – aus dieser Perspektive – recht plausibel, weil wir eben nicht in der Gelassenheit altgriechischer lebenspraktischer Philosophie einen pragmatischen Atheismus leben, sondern unbemerkt im Hintergrund eine finsterste Religion wirken lassen, die aber wiederum die wachsende Akzeptanz „satanischer“ (sprich inhumaner, menschenfeindlicher, asozialer) Werte in der bundesdeutschen Gesellschaft hinreichend erklärt.

Das war nun ein weiter Bogen. Man muß dem Leser zwischendurch mal dafür danken, das er den Weg mitgegangen ist. Um sich empören zu können, um sich erfolgreich mit aller Kraft wehren zu können, sind solche Bögen manchmal notwendig, damit man sieht, wohin die Reise geht, woher der Kurs stammt, auf den die Bevölkerung – alternativlos – zugetrieben wird. Wenn wir uns nicht gegen die politische Machtergreifung naturwissenschaftlichen Denkens mit aller Kraft wehren, dann werden wir irgendwann wieder vor Konzentrationslagern stehen, in denen aus purer „Alternativlosigkeit“ Türken verbrannt werden, denn „Alternativlosigkeit“ ist ein direktes Produkt des mechanistischen naturwissenschaftlichen Denkens des 19. Jahrhunderts, das gerade in seiner primitiven, unreflektierten Form Religion wird.

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, das gewisse Absonderlichkeiten der politischen Wirklichkeit einfach so hingenommen werden – womit wir nun zu den gefährlicheren Aspekten der Degeneration der politischen Wirklichkeiten kommen – zum Beispiel der Einmarsch der Bundeswehr in Lybien, der kam, während ich noch scherzhaft davor warnte, siehe Spiegel:

In einer geheimen Mission haben Bundeswehr und britische Royal Air Force 132 Europäer aus Libyen gerettet, darunter 22 Deutsche. Die Transall-Maschinen landeten mitten im Krisengebiet. Trotz des hohen Risikos sah die Bundesregierung keine Alternative.

Eine Alternative gäbe es schon: „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um!“ Wo kommen wir dahin, wenn wir jedesmal die Bundeswehr losschicken, wenn deutsche Touristen und Beutemacher sich weltweit in Lebensgefahr begeben? Die Antwort ist einfach: in einen neuen Kolonialismus. Das Prinzip der „Selbstverantwortung“, das man jedem Arbeitslosen mit der Hungerpistole auf der Brust aufdrückt, existiert außerhalb der deutschen Grenzen scheinbar nicht. Deshalb ist diese Aktion politisch eine Katastrophe … trotz allem Verständnis für die menschliche Dimension der in Lybien gestrandeten Deutschen. Ich würde mir nur das gleiche Verständnis innerhalb Deutschlands für jene Menschen wünschen, die in Armut und Arbeitslosigkeit gestrandet sind … und auch den gleichen finanziellen Aufwand, um sie zu retten. Dort versagt dann aber auf einmal die international gern so offen und dynamisch demonstrierte Mitmenschlichkeit.

Die schnelle Entscheidung stellt durchaus eine neue Qualität für zukünftige Krisenfälle dar. Einsätze der Bundeswehr oder gar der Spezialeinheiten sind in Deutschland stets ein schwieriges Thema. Oft überwiegen im Krisenstab die Zweifler, die fürchten, bei einem Fehlschlag könnten sie politisch verantwortlich gemacht werden.

Nun haben wir sie, die „neue Qualität„, weshalb zu erwarten ist, das in Zukunft die Einsätze der Bundeswehr im Ausland problemlos durchgewunken werden können, zumal wir ja bald dort nur noch unsere Arbeitslosen verheizen.

Für alternativlose politische Wirklichkeiten braucht man ein enges, naturwissenschaftlich dogmatisches Weltbild jenseits der Geisteswissenschaften – dann bekommt man auch eine Welt jenseits von Frieden, Humantität, Freiheit und Selbstbestimmung – und jenseits der Demokratie. So erklären sich die Gräuel des 20. Jahrhunderts.

In einem mechanischen Universum gibt es sowenig Freiheit, wie es in einer Welt der Alternativlosigkeiten noch Demokratie gibt. Man braucht dann nur noch Manager, die die „alternativlosen“ (aber in Wirklichkeit völlig beliebigen)  Entscheidungen durchwinken … und schon kann man eine Vorstellung davon haben, warum die Religion (oder Philosophie) der Evolutionsbiologie kritiklos durchgewunken wird … obwohl man auf Seiten der Kreationisten ebenso Naturwissenschaftler findet, hier bei creationwiki:

Dr. Ken Ham ist der Präsident von Answers in Genesis USA. Er ist ein bekannter Redner und Autor zum Thema des Junge-Erde-Kreationismus. Er hat einen Bachelorabschluss in angewandten Wissenschaften mit dem Schwerpunkt Umweltbiologie vom Queensland Institute of Technology

Junge-Erde-Kreationismus?

Der Junge-Erde-Kreationismus (auch „Kurzzeitkreationismus“ oder „24-Stunden-Tag-Theorie“) ist der hauptsächlich von evangelikalen und fundamentalistischen Christen, aber auch von ultraorthodoxen Juden vertretene Glaube, dass die Erde von Gott vor wenigen tausend Jahren erschaffen wurde. Anhänger vertreten eine wörtliche Auslegung der Bibel und interpretieren den Schöpfungsbericht in der Bibel als Tatsachenschilderung.

Das passiert, wenn Naturwissenschaftler die Bibel (oder überhaupt Literatur) lesen. Gedichte von Ingenieuren sind häufig ähnlich grausam.

Und so wurde die Erde vor 6000 Jahren geschaffen … in dem Sinne, in dem wir normalerweise das Wort Tatsachen benutzen.  Meinen jedenfalls Naturwissenschaftler.

Und ja –  ich gestehe: ich benutzte für diese Artikel die geisteswissenschaftlichen Methoden des Naturwissenschaftlers Dawkins … damit man sieht, was dabei herauskommt.

 

 

 

 

 

Die letzten 100 Artikel