03.09.2013 – Aussprache zur Situation in Deutschland: Ohne DIE LINKE gäbe es keinen Widerspruch einer Fraktion gegen Kriege, Waffenexporte, falsche Eurorettungsschirme, gegen die Senkung des Rentenniveaus und die Rentenkürzung um zwei Jahre, gegen prekäre Beschäftigung und gegen Hartz IV. Die einzige Partei, auf die sie alle reagieren, ist DIE LINKE. Und das macht unsere Wahl auch wirklich so attraktiv für die Leute. Man wählt uns, und noch bevor wir einen dummen Antrag gestellt haben, ändern sie schon ihre Politik.
Donnerstag, 6.6.2013. Eifel. Kennen Sie das? So Tage, an denen Sie auf den Bildschirm schauen und glauben, dass es besser wäre, Sie würden sich freiwillig in die Psychiatrie einweisen lassen? Hätte ich nicht diverse Praktika in geschlossenen Abteilungen psychiatrischer Anstalten (mit Kittel und Schlüssel – man hatte mir ärtzlicherseits dringend nahe gelegt, dies immer mit zu erwähnen … Kittel allein reicht wohl nicht) hinter mir, würde ich auch auf so eine Idee kommen. So jedoch bleibt mir auch dieser letzte Fluchtpunkt verwehrt. Vor fünf Tagen wurde eine Demonstration in Frankfurt durch Dummheit, Ignoranz oder pure Boshaftigkeit aufgehalten, die gegen die europäische Finanzpolitik und den Bankenrettungswahn gerichtet war.
Und heute?
Lese ich dies im Wall Street Journal:
Der Internationale Währungsfonds gesteht bei der finanziellen Rettung Griechenlands Fehler ein. Der IWF kreidet sich in einem streng vertraulichen Bericht, in den das Wall Street Journal Einblick hatte, zwei große Schnitzer an. Die Washingtoner Experten bereuen mittlerweile die rigiden Sparvorgaben und ihre enormen wirtschaftlichen Folgen für die Wirtschaft des südeuropäischen Eurolands.
Tja, da bereuen sie, diese „Experten“. Ich sehe sie förmlich vor mir, wie sie auf Knien vor dem Altar herumrutschen und aufgelöst voller Tränen um Verzeihung bitten …. nein, eigentlich sehe ich sie mit einem Glas Champagner in der Hand und einem Stellenangebot von Goldman Sachs in der Tasche.
Schauen wir noch einmal kurz ins Handelsblatt:
Griechenland war das erste Mitglied der Eurozone, das in der Schuldenkrise Hilfen der internationalen Gemeinschaft erhielt. Im ersten Programm hatte Athen Notkredite in Höhe von 110 Milliarden Euro enthalten. Doch schnell zeigte sich, dass das nicht reichte: Im November 2012 wurde ein zweites Hilfspaket geschnürt, mit zusätzlichen Kredite von 165 Milliarden Euro.
Wo sind eigentlich diese 275 Milliarden Dollar? Das sind 275 000 Millionen … für ein Volk von 11 Millionen. 25 000 Euro für jeden Griechen. In drei Jahren knapp 700 Euro im Monat – für JEDEN Griechen, ob arm oder reich. Damit müssen deutsche Arbeitslose auch auskommen – wenn sie nicht gerade sanktioniert werden. Die Griechen sollten sich freuen vor Glück – stattdessen bringen sie sich um, siehe Zeit vom 22.11.2012
In Griechenland ist die Zahl der Selbstmorde und versuchten Suizide binnen zwei Jahren um mehr als ein Drittel gestiegen. Die entsprechenden Zahlen der griechischen Polizei legte der Minister für öffentliche Ordnung, Nikos Dendias, dem Parlament vor.
Der Hintergrund? Das Geld ist nie in Griechenland angekommen. Die haben eine Jugendarbeislosigkeit von 50% (siehe Süddeutsche), in vielen anderen europäischen Ländern sieht es kaum besser aus, weil das Diktat des IWF einfach jeden früher oder später erreicht. Das mussten auch die deutschen Gewerkschaften erfahren, die dem IWF in den siebziger Jahren ein Dorn im Auge waren. Dann kam Peter Hartz, finanzierte Prostituierte für Betriebsräte, stand Pate für Hartz IV und Schluss war es mit deutschen Gewerkschaften, die nun fast schon als Handlanger neoliberaler Gesellschaftspolitik bezeichnet werden können. Immerhin geht es ja – das haben wir oft gehört – um die „Regierungsfähigkeit“ in diesem Lande.
Für wen und wozu dieses Land regiert werden soll, wurde allerdings nie weiter ausgeführt: „regieren“ war zum Selbstzweck geworden.
Was nun haben die Griechen für diese Hilfe aus dem Auslang bekommen? Schauen wir mal in die FTD:
Lohnkürzungen von bis zu 30%
Reduktion der Arbeitslosenunterstützung auf 332 Euro/Monat
Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 21 % (2012)
Rentenkürzung bis zu 20 %
150 000 Entlassungen aus dem Staatsdienst (bis 2015)
Anstieg der Unternehmenspleiten um 27 % (2011 auf 2012)
Anstieg der Mehrwertsteuer auf 23%
Kräftige Steuererhöhungen bei KFZ-Steuer, Kraftstoff, Spiritousen, Tabak (die Verteufelung von Tabak hat auch wird auch hier direkt zu Geld gemacht)
90% der Bürger haben ihre Ausgaben eingeschränkt – dank des enormen Geldregens aus Brüssel und Deutschland.
Doch das ist noch nicht alles. Ein Brief aus Griechenland zeigt uns weitere gruselige Erscheinungen der rigorosen Sparpolitik, für die vor allem wir Deutsche den Kopf hinhalten – einmal als Zahler, und dann als Buhmänner … dank geschickter deutscher Außenpolitik. Vielleicht tritt Außenminister Westerwelle (ja, der ist immer noch Außenminister – das überrascht, oder?) deshalb weniger in Erscheinung.
Werfen wir nochmal einen Blick in die Süddeutsche Zeitung:
In einem ersten Rettungspaket hatte die griechische Regierung im Mai 2010 Hilfen im Umfang von 110 Milliarden Euro bekommen und sich im Gegenzug zu harten Sparmaßnahmen und Strukturreformen verpflichtet. Die griechische Wirtschaft hat sich seither viel schlechter entwickelt, als erwartet. Der IWF hatte ursprünglich prognostiziert, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2012 um 5,5 Prozent schrumpfen würde, tatsächlich waren es 17 Prozent.
Überraschend, oder? Wie kann es sein, das Lohnkürzungen, Rentenkürzungen, Firmenpleiten und Rekordarbeitslosigkeit mit einhergehendem chronischem Geldmangel nicht zu einem explosivem Wachstum der Wirtschaft führen?
Wie kann es sein, dass ich bei Aldi nichts im Einkaufswagen habe, wenn doch mein Geldbeutel leer ist?
Wieso kaufe ich eigentlich nicht immer mehr, wo ich doch immer weniger Geld habe? Würde doch der Wirtschaft gut tun?
„Die Prognostiker haben auf entscheidende Weise den Anstieg der Arbeitslosigkeit und den Rückgang der Nachfrage unterschätzt, der mit der Haushaltskonsolidierung einhergeht“,
Ach so. Man fordert Massenentlassungen … aber wundert sich, dass die zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Und „Rückgang der Nachfrage“ ist die Sparpolitik des kleinen Mannes – das war doch gewollt, oder?
Aber man hat ja schon die Lösung des Dilemmas parat:
„Liberalisierung der Arbeitsmärkte“.
Der Niedriglohnsektor soll wieder alles richten – zumindest wird er für einige skrupellose Gesellen kurzfristig eine Riesengewinnchance darstellen, die sie gerne annehmen.
Der Traum eines jeden Unternehmers: bald wir er war. Um arbeiten zu dürfen, bringt jeder Arbeitnehmer Geld mit an den Arbeitsplatz. Immerhin: Arbeitsplätze sind ein knappes Gut, das sollte man sich was kosten lassen. Je knapper das Gut ist, umso teurer wird es.
Was schreibt der Spiegel?
Man habe die Wirkung der Sparmaßnahmen auf die Wirtschaft unterschätzt, schreibt der IWF. Die Wirtschaft habe „eine viel tiefere Rezession als erwartet“ erlebt mit „außergewöhnlich hoher Arbeitslosigkeit“. Anders als erwartet, sei das Vertrauen der Märkte in Griechenland nicht zurückgekehrt. Aus dem Bankensystem seien 30 Prozent der Spareinlagen abgezogen worden.
Da führen doch Massenentlassungen und Unternehmenspleiten überraschend zu höherer Arbeitslosigkeit?
Na, da konnte ja keiner mit rechnen.
Wer zahlt jetzt den so im Experiment versackten Griechen Schmerzensgeld?
Wer löst den IWF wegen bewiesener Unfähigkeit auf?
Wer entschädigt den deutschen Steuerzahler für den Verlust vieler Milliarden (wieviel ist ja noch immer unklar)?
Niemand. Der IWF wurschtelt weiter wie bisher, weil er vor allem ein politisches Instrument ist, siehe Bundeszentrale für politische Bildung
Die geforderten Sparprogramme und Einschnitte in Sozialprogramme seien für die Menschen in Entwicklungsländern unzumutbar und für das Wachstum schädlich. Allzu oft seien in der Vergangenheit – ohne nähere Kenntnis der spezifischen Gegebenheiten des jeweiligen Landes – Programme auferlegt worden, die vielleicht für entwickelte Staaten geeignet seien, in einem Land mit unterentwickeltem Finanz- und Geldwesen und anderen sozialen Strukturen hingegen nicht. Solche Programme seien auch der Dominanz der Industrieländer, insbesondere der USA, in den Entscheidungsgremien des IWF geschuldet.
Jetzt geht es nicht mehr um die Entwicklungsländer, jetzt geht es um die Konkurrenz aus Europa.
Darf ich nochmal Dirk Müller aus dem Handelsblatt zitieren?
Ich glaube, dass hier geostrategische Interessen im Spiel sind. Gehen wir ein paar Jahre zurück: Der Euro war auf dem besten Wege, den Dollar als Leitwährung anzugreifen. Davor hat unter anderem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman gewarnt. Aus Sicht der Amerikaner wäre es fahrlässig gewesen, nichts dagegen zu tun. Amerika ist existenziell darauf angewiesen, dass der Dollar die Leitwährung der Welt bleibt. Weltweit gibt es Öl fast ausschließlich gegen US-Dollar. Wenn es hierdurch nicht eine beständige Nachfrage nach US-Dollar geben würde, würde das amerikanische Modell überhaupt nicht mehr funktionieren. Die Frage ist nicht: Kann es sein, dass die Amerikaner etwas gegen den Euro haben? Sondern: Ist es realistisch, dass sie tatenlos zuschauen, wie der Euro den US-Dollar als Weltleitwährung gefährdet.
Nochmal nachgefragt: wo sind denn diese ganzen Milliarden geblieben, die den Griechen geliehen wurden? Wer steuert den IWF – und teilt sich die Regierungsgewalt mit Banken wie Goldman-Sachs? Übrigens: 2012 hat Goldman-Sachs seinen Gewinn um fast 200 % steigern können (siehe Spiegel).
Vor zwei Monaten hatte Wiwo etwas über die Kosten der Eurorettung geschrieben, eine Rettung, die wir nun mal wieder als gescheitert ansehen können. Es lohnt sich, mal einen Blick darauf zu werfen, es geht hier um die aktuelle Immobilienblase in Deutschland, die die Mieten in unerträgliche Höhen steigen läßt, weil die unsichtbare Hand des Marktes mal wieder völlig bei der Aufgabe versagt, den Bürger zu versorgen:
Doch was geschieht, wenn die Blase platzt? Wenn Deutschland geschwächt ist durch das Gift des billigen Geldes, durch seine Milliardenhilfen, durch seine gesunkene Produktivität, durch seine hohen Löhne, durch seine schrumpfenden Renten, durch überteuerte Wohnungen und unablösbare Immobilienkredite? „Für die Währungsunion wäre es das Aus“, sagt Krämer. Und mit dem Aus der Währungsunion würde zugleich der Großteil der Haftungssummen fällig, mit denen sich Deutschland im Zuge der Euro-Rettung für die Währungsunion verbürgt hat. Es wäre das Ende halbwegs gesunder Staatsfinanzen. Das Ende einer gesunden Wirtschaft. Und ganz gewiss auch das Ende Deutschlands, so wie wir es kennen. Kein Land der Euro-Zone wird in der Lage sein, Deutschland zu retten. Nicht in der Lage – und ganz sicher auch nicht mehr willens.
Darum ging es bei Blockupy – das haben viele schon wieder vergessen, weil Fußball war.
Um es einmal mit deutlichen Worten für den nichtinformierten Leser zu sagen:
Wenn wir dem IWF weiter folgen (und das macht unsere Politik gerne) dann:
gibt es keinen Fußball mehr
gibt es kein Fernsehen mehr
gibt es kein Bier mehr
gibt es keinen Kaffee mehr … und weder Schulen, noch Krankenhäuser, noch Rente, noch Polizei.
Aber ich schätze mal: in der superbunten rosa Welt, die sich die deutsche Konsumdrohne so tagtäglich herbeiphantasiert, wird diese Botschaft auf absoluten Unglauben stoßen. Ist mal wieder zu hoch für Konsumdrohnen.
Nur ist Wirtschaft keine Angelegenheit des Glaubens. Wer glauben will, sollte in die Kirche gehen.
Was wir aber jetzt langsam verstehen können: deshalb fördern weitblickende Kreise in der Politik das Verprügeln von Blockupy, deshalb lachen Polizisten, wenn sie Abgeordnete abführen. Die sehen die Zukunft schon klar vor Augen.
Und während man in Berlin noch von Mietpreisbremsen schwärmt, ist in der Eifelgemeinde Nideggen der erste deutsche Sparkommissar weiter aktiv: siehe Aachener Zeitung. 500 000 Euro hat er in der ersten Sitzung den 10 000 Bürgern als Steuern neu aufgebürdet, weiter Millionen sollen folgen. Das Mittel war die Erhöhung der Grundsteuer, die zu einer Erhöhung der Wohnkosten führen wird, was wiederum die Immobilienblase indirekt füttert.
Das Modell hat sich wahrscheinlich auch der IWF ausgedacht, um neue Gelder für „Griechenland“ zu generieren, oder?