Entwicklung

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Es findet immer einen Weg…

Das Leben feiert sich mal wieder selbst.

Gedanken von Mutter Natur

Frustriert beäugte sie den Planeten. Ihr Gesichtsfarbe verblasste immer mehr, als sie einzelne Orte genauer betrachtete. Was ihre Augen sahen, verhiess nichts Gutes. Ab und an entdeckte sie Gebiete, die wenigstens ein kleines Lächeln in ihre farblosen Gesichtszüge zaubern konnte. Aber diese Momente waren dünn gesät und gingen in der Menge der überall sonst anzutreffenden Katastrophen unter. Am liebsten wäre sie spurlos verschwunden, hätte den Planeten seinem unglücklichen Schicksal überlassen. Aber so einfach war das nicht. Sie war von Anfang an dabei gewesen und musste es nun auch weiterführen. Gesetz ist Gesetz. Vor allem wenn es sich um Naturgesetze handelt.

Mutter Natur seufzte. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie wollte ein Paradies schaffen, unterschätzte aber die Eigendynamik der Entwicklungen, die sich hier vollzogen. Geplant war ein blauer Planet, der eigentlich noch über zwei Milliarden Jahre den verschiedensten Spezies als Lebensgrundlage dienen sollte. Gleichzeitig war er als Arche Noah des galaktischen Lebens gedacht. Eine einsame Insel der Fruchtbarkeit im leeren, kalten Weltraum. In seiner gesamten Lebensspanne hätte er so viele neue Planeten mit seinen Keimlingen besiedeln können. Aber aus der Hegemonie des Lebens wird in diesem Teil der Milchstrasse wohl nichts, dachte sie sich. Wie es aussieht, endet jegliche Existenz auf diesem Planeten viel früher als erwartet und die Ausbreitung des Lebens hier wird um Milliarden Jahre zurückgeworfen.

Bei dieser Erkenntnis schüttelte sie traurig den Kopf. Gut, es waren noch zwei Monde in Reserve. Io und Europa. Aber die wurden sprichwörtlich auf Eis gelegt, denn die Erde stellte ein Glücksfall dar und bot optimalste Bedingungen. Es gibt zwar unzählige Planeten in der Milchstrasse und viele können und sind mit verschiedensten Lebensformen besiedelt, aber die Erde ist in dieser galaktischen Ecke ein Sonderfall. Eine gutmütige Sonne, die eine gemässigte Strahlung hat und eine lange Lebensdauer, ein Mond der für Strömungen sorgt, ein Magnetfeld und eine Atmosphäre, die wie ein schützender Mantel die Erde umhüllt und so vor kosmischer Strahlung bewahrt, eine Rotation, welche die Temperaturunterschiede  auf dem Planeten  moderat hält und so weiter und so weiter. Im Umkreis von vielen Lichtjahren gibt es keinen Zweiten, der so viele optimale Bedingungen für die Entwicklung von Leben vorweisen kann. Umso tragischer ist  die Tatsache, dass diese einzigartige Arche nun vorzeitig untergeht, bevor sich der Samen auf andere Welten verteilte. Aber wie konnte es überhaupt so weit kommen, wenn doch alle Voraussetzungen so erfolgsversprechend waren. Mutter Natur liess die irdische Entwicklung vor ihrem inneren Auge vorbeiziehen.

Alles lief gut, die Ursuppe wurde genährt von kosmischen Mitbringseln in Form von Kometen und Meteoriten. Die ersten Lebewesen hatten einen riesigen Spielplatz und konnten sich mit ihrer genetischen Vielfalt austoben. Mutter Natur sorgte dafür, dass jeder genug Ressourcen zum Ausprobieren hatte. Ab und an vermieste ein kometenhafter Reisender die Idylle und verbreitete Chaos. Oder ein irdischer Pickel platzte mit viel Asche und Rauch. Aber die zeitlichen Räume zwischen den Katastrophen reichten, um die Entwicklung des Lebens voranzutreiben. Irgendwann kam der Zeitpunkt, wo das Gesetz der natürlichen Auslese von einer Spezies ausgehebelt wurde. Dem Menschen. Er entwickelte ein Denken, dass sich von allen Lebewesen auf der Erde grundlegend unterschied.  Zeitgleich passte sich sein Hirn den zusätzlichen Anforderungen an. Er konnte kognitiv mehr verstehen als die Tiere und dieses Wissen seinen Artgenossen sprachlich in irgendeiner Form weitergeben.  Diese Fähigkeit katapultierte den Homo Sapiens Erectus vom Mittelfeld an die Spitze der Nahrungskette. Er ist die einzige Spezies auf dem Planeten, der schwächeren Mitbewohnern aufgrund seines Intellektes ein Überleben ermöglichen kann. Hätte er diese  Fähigkeit nicht, würde die halbe Menschheit als Futter dienen. Sie hätte nie den Entwicklungsstand erreicht, den sie heute besitzt.

Nachdenklich kratzt sich Mutter Natur am Kinn. Hätte sie hier einschreiten sollen? Nein, denn irgendeine Spezies sollte ja den Samen auf andere Planeten bringen und so für die Ausbreitung des Lebens sorgen. Der Mensch mit seiner intellektuellen Entwicklung schien dafür prädestiniert. Er war auch auf gutem Wege, hatte schon seinen Trabanten besucht und andere Planeten und Monde mit Sonden erforscht. Bei jeder Mission schafften es während der Konstruktionsphase immer wieder ein paar Mikroben in die Satelliten und die wurden im Sonnensystem verteilt. Diese genetischen, organischen Bausteine des Lebens warten jetzt nur auf eine weitere Ursuppe, um aktiv zu werden. Doch das dauert wieder sehr lange. Zeit ist nicht das Problem, sinnierte Mutter Natur, es ist nur bedauerlich, dass die Entwicklung unzähliger Arten von nur einer einzigen Lebensform wieder zerstört wird. Lange hatte sie die Hoffnung, dass die Kollegin von der Abteilung Evolution die menschliche Entwicklung entsprechend lenkte, was sie auch tat. Aber schlussendlich musste sie sich ebenfalls eingestehen, dass die Dinge nicht so liefen, wie es gedacht war. Der menschliche Intellekt wuchs derart schnell, dass keine Zeit blieb, die alten Urtriebe abzulegen. So kam es, wie es kommen musste. Seit sich die menschliche Intelligenz ihrer bewusst ist, findet ein Kampf statt zwischen den Urtrieben mit all seinen zerstörerischen Kräften und dem fürsorglichen Miteinander, welches auf Güte und Nächstenliebe aufbaut. Einzelne Völker hatten den Kampf bereits hinter sich gelassen. Sie lebten Jahrtausende im Einklang mit der Natur und wären sie nicht ausgerottet worden, könnten sich die heutigen Menschen an ihnen orientieren und lernen wie ein umweltverträgliches Miteinander funktionieren kann. Aber leider sind nur noch Scherben übrig. Wenn die Urtriebe das menschliche Handeln bestimmen, bleibt nichts verschont. Sie überwalzen alles, was sich in den Weg stellt. Aber vielleicht könnte man alle Scherben zusammentragen und versuchen den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Hoffnung keimte in Mutter Natur auf. Aber im gleichen Moment erkannte sie, dass schon zu viel zerstört war, um es wieder aufzubauen. Der Mensch hat sich mittlerweile zu weit von der Natur entfernt. Er merkt nicht einmal mehr, wie er ihr mit seinem Handeln schadet. Innerhalb eines Jahrhunderts hat er es fertig gebracht, soviel zerstörerisches Potential zu entfesseln, dass die Erde mindestens für zehn Millionen Jahre damit beschäftigt ist, den ganzen Müll  wegzuräumen. Wenn der Mensch in absehbarer Zeit von der Bildfläche verschwindet, hinterlässt er ein strahlendes Erbe in Form von Atomruinen. Bis dahin hat er fast fünfhundert von den Reaktoren gebaut, obwohl er von Anfang an nicht wusste, wie man sich dem tödlichen Zeugs wieder entledigt. Er plante zwar Endlager, scheiterte aber an seinem Unvermögen, Zeiträume von Millionen von Jahren richtig einzuschätzen. In dieser Zeit wuchsen die Alpen kilometerweit in den Himmel. Solche Naturgewalten will der Mensch kontrollieren können? Mutter Natur schüttelte abermals den Kopf über so viel Grössenwahn. An die zehntausenden von Atombomben, die noch irgendwo rumstanden wollte sie gar nicht denken. Andere Arten waren da schlauer.

Mit Wehmut dachte sie an die schöne Zeit zurück. Vor vielen Millionen von Jahren entwickelten sich schon Hochkulturen. Sie lebten mit den Kräften der Natur, konnten mit ihr kommunizieren, waren mit dem Umgang verschiedenster Energieformen vertraut  und lebten mit dem natürlichen Einklang, dass man alles in gleichen Teilen gibt, wie man nimmt. So herrschte ein ausgeglichener Ressourcenhaushalt.  Leider beendeten Katastrophen kosmischen oder irdischen Ursprungs immer wieder den weiteren Aufstieg dieser Kulturen. Aber Mutter Natur war zuversichtlich, dass sich das Leben wieder erholte, diese positive Entwicklung sich fortsetzte  und so war es auch. Dank des umsichtigen Handelns der einzelnen Hochkulturen, waren die zig Millionen Jahre später folgenden neuen Lebensformen in der Lage, den Planeten weiter zu nutzen und zu gedeihen. Bis heute. Nach dem Menschen muss aber ein Entwicklungsstopp eingeschaltet werden. Erst wenn die letzte Verstrahlung und Verseuchung beseitigt ist, kann man der Abteilung Evolution wieder grünes Licht geben. Der Bauer pflanzt ja sein Saatgut auch auf gesunde Erde und nicht auf Müll. Eigentlich weiss der Mensch, wie es richtig gemacht wird, aber die Urtriebe gewinnen auch diese Schlacht.

Mutter Natur schaute wieder zur Erde hinab. Tränen füllten ihre gutmütigen Augen. Und jetzt bereitet der Mensch sein Finale vor. Auf der ganzen Welt injiziert er  Frack-Fluide in die Erde. Kilometertief. Presst giftige Substanzen in gesunden Boden, der in ernährt. Die Abscheulichkeit dieses Handelns lässt sie erschaudern. Ein Drittel der Oberfläche des blauen Planeten ist Land und dieses kleine Stückchen Erde, dass alle Landlebewesen beheimatet wird von einer einzelnen Lebensform so stark vergiftet, dass alle anderen auch daran zu Grunde gehen werden. Und nicht nur an der Oberfläche, sondern eben – kilometertief. Aber wie schon beim Atomproblem kann und will der Mensch die zukünftigen Konsequenzen seines Handelns nicht abschätzen. Wenn in zehn bis zwanzig Jahren die Gifte die Erdschichten durchwandert haben und alles Leben verseuchen, ist der letzte Akt irdischen Daseins eingeläutet. Wer nichts zu Essen hat, der verhungert. So wird es allen ergehen. Ein paar hartnäckige Überlebenskünstler werden sich gegenseitig auffressen aber das nützt trotzdem nichts. Sie vergiften sich mit der Beute und irgendwann sind auch  die alle weg.  Das war’s dann. Viren und Bakterien werden vermutlich als Letzte das irdische Lebenslicht ausknipsen, bevor auch sie die Bühne der Evolution verlassen. Dann herrscht Ruhe. Einzig die Abteilung Evolution arbeitet weiter auf Hochtouren. Sie versucht alle vom Menschen produzierten Substanzen und Strahlungen auf die neuen Lebensmodelle genetisch zu übertragen. Damit sollen den neuen Lebensformen grössere Chancen eingeräumt werden. Aber bei der Vielzahl von Schadstoffen ist es fast unmöglich einen Organismus zu kreieren, der resistent auf alles Schädliche ist, was der Mensch je hervorgebracht hat. Da stösst sogar die Schöpfung an ihre Grenzen. Wenn nichts funktioniert, muss die Erde ihre Generalreinigung arbeiten lassen und zwar so lange, bis alle jetzigen Landmassen zusammengeschmolzen wurden. Tektonische Bewegungen spielen sich im Millimeter bis Zentimeterbereich ab – pro Jahr.  Deshalb wird dieser Säuberungsprozess sicher hunderte Millionen Jahre dauern. Neu entstandene Landmassen sind dann sozusagen klinisch sauber und können wieder gefahrlos besiedelt werden.

Mutter Natur wurde wütend. Soviel Entwicklung in den letzten paar hundert Millionen Jahren und alles vergebens. Der Mensch entpuppt sich als grösster Fehlgriff in der Evolution und die Natur verzeiht keine Fehler. Zum Glück. Sonst würde diese Spezies noch andere Welten verseuchen und weitere Erfolge der Evolution mit seinem unnatürlichen Handeln zunichtemachen. Demzufolge wäre es besser, den Menschen zu entsorgen, bevor er noch grösseren Schaden anrichtet. Schadensbegrenzung eben. Mutter Natur dachte darüber nach, ob sie den Untergang der humanen Rasse forcieren sollte. Nach kurzem Überlegen kam sie zur Ansicht, dass es sogar sinnlos ist, Ressourcen für den Untergang zu mobilisieren, zu viel wurde für diese unfähige Gattung schon aufgewendet. Also übt sie sich in Geduld mit der Gewissheit, dass sich das Problem von selber erledigt. Er war bis anhin nicht in der Lage, sein Handeln ökologisch zu gestalten, also wird er es auch in der Zukunft nicht schaffen. Das Resultat liegt auf der Hand. Er zerstört seine eigene Lebensgrundlage und geht schlussendlich an seinen produzierten Giften und Müllbergen zugrunde. Und das wird nach dem Stand der Dinge nicht mehr lange dauern. Hundert Jahre hat er gebraucht, bis der Planet unrettbar verseucht war. In weiteren hundert Jahren wird er sich selber endgültig aus den Geschichtsbüchern löschen. Also muss sie nichts tun, ausser abwarten. Sie könnte in der Zwischenzeit der Evolutionsabteilung einen Besuch abstatten. Vielleicht sind Io und Europa doch bessere Kandidaten. Es ist zwar schwieriger  hier etwas Beständiges zu machen, aufgrund der Bedingungen, aber einen Versuch ist es sicher wert. Aber bevor sie sich einer anderen Baustelle widmet, sollte die Alte aufgeräumt werden.

Sie blickte auf das weite Blau der Ozeane. Hier hätte noch eine Möglichkeit bestanden, die Evolution voranzutreiben. Aber Gifte und Strahlung kennen keine Grenzen und so werden auch die Meere über kurz oder lang lebensfeindlich werden. Ein Wassertropfen braucht ungefähr tausend Jahre, bis er alle Meere mit all ihren Tiefen durchwandert hat. Somit haben die verbliebenen Meeresbewohner noch etwas länger Zeit. Aber bei den Unmengen an Abfall, die im Meer entsorgt wurden, könnte sich diese Zeitspanne erheblich verkürzen. Zudem kommt permanent tödliches Material vom Land her und beschleunigt die Ausrottung maritimen Lebens. Es nützt alles nichts.

Mutter Natur kann es drehen und wenden wie sie will. Es läuft immer auf das gleiche Resultat hinaus: die Erde stirbt. Eigentlich müsste der Mensch solange weiterexistieren und die ganze Tragödie miterleben. Das wäre eine entsprechende Strafe. Aber auch hier drückt er sich vor der Verantwortung und verschwindet als einer der Ersten von der Bildfläche.

Angewidert wendet sie sich ab. Das Experiment mit der Rasse Mensch dauert circa hunderttausend Jahre und verursacht einen Schaden von hunderten von Millionen, wenn nicht gar Milliarden von Jahren. Auf diese Leistung können die von der Evolutionsabteilung nicht gerade stolz sein. Aber wo gearbeitet wird, fallen bekanntlich Späne. Mutter Natur ist sich jedoch sicher, dass der Fehler nicht zweimal gemacht wird. Mit diesem hoffnungsvollen Gedanken widmet sie sich wieder ihrer Arbeit und umsorgt liebevoll all die Lebewesen im Universum, welche die Geschenke von Mutter Natur zu schätzen wissen und im Einklang mit ihr gedeihen.

Von Krisen umzingelt – und doch …

Wir sind von Krisen umzingelt: Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Staatsschuldenkrise, soziale Krise – so lässt sich die Metamorphose der aktuellen ökonomischen Krise kennzeichnen. Und die Umzingelung wird immer enger: Zunächst waren es ja hauptsächlich Zahlen, Indizes, die ins Bodenlose stürzten. Bald sind es soziale Netze, die zerreissen – und Menschen, die fallen. Und dann ist die Krise ganz bei uns angekommen, klopft an unsere Haustüre, tritt ein ins Wohnzimmer. Hallo, ungebetener Gast! Du bist falsch hier. Geh zum Nachbarn! Bitte nicht bei mir!

ABC der Krise

Doch das ist ja nur die eine, die wirtschaftliche Seite. Hinzu kommt die Umweltkrise, letztes Jahr drastisch vor unsere Augen geführt im Golf von Mexiko, wo über Wochen Rohöl unaufhaltsam in den Ozean floss. Auch in diesem Bereich wird die Umzingelung enger: Die oft recht abstrakten Formen der ökologischen Bedrohung – zum Beispiel des Klimas durch die Erwärmung um mehrere Grade im Lauf der nächsten Jahrzehnte – werden auch hier anschaulicher, unübersehbar, brutal. An allen Enden und Ecken wird unser System ad absurdum geführt. Problemlos liesse sich ein ABC der Krise erstellen: von der Krise der Arbeit über die Krise der Beziehungen (der Geschlechter) bis zur Krise der Zeitungen.

Kulmination einer langen Entwicklung

Nicht dass die Entwicklung neu wäre. Das Ungleichgewicht, die Vereinseitigung wurde schon vor Jahrzehnten diagnostiziert – und seit langem von vielen Menschen schmerzlich empfunden. Das legendäre 1968 war zum Beispiel so ein Aufbegehren gegen das quadratische Denken, das dumpfe Fühlen und das blinde Handeln. Und viele weitere Revolten und Rebelliönchen folgten, verzweifelte Versuche, der wütenden Einverleibung der Welt und unserer selbst durch die Logik des Marktes und des herzlosen Fortschritts etwas entgegenzusetzen. Die Entwicklung hat sich beschleunigt; insbesondere seit 1989 ist sie in ihre Turbophase eingetreten. Und inzwischen sind wir Menschen zu Konsumenten degradiert und nur noch ein Mittel zum Zweck. Die Wirtschaftszahlen entscheiden über unser Sein oder Nichtsein.

Unsere Verantwortung

Doch wir liessen das auch einfach geschehen, haben brav mitgemacht, wollüstig zuweilen und in gemeinsamer Raserei. Wir haben zugelassen, dass man uns auf unsere leiblichen Bedürfnisse reduziert, haben mit der Zeit selbst geglaubt, was uns PR und Werbung vorgaukeln. Wir haben uns kaufen lassen – aus Trägheit, aus Mangel an Lebendigkeit und selbständigem Denken, aus fehlendem Verantwortungsbewusstsein auch. Wir haben uns vom Wesentlichen ablenken lassen, sind mit sattem Bauch vor dem Fernseher eingedöst. Selber schuld! Wir hätten es anders haben können.

Gefahren beim Aufwachen

Und nun schrecken wir aus dem Dauerschlaf. Und das ist gut so. Erwachen ist unsere einzige Chance. Und es schadet nichts, dass wir durchgeschüttelt werden. Das gehört zum Aufwachen – und hilft, dass wir nicht so schnell wieder einschlafen und ins Alte zurückfallen. Denn das ist eine der grössten Gefahren: nichts aus der Krise gelernt zu haben, mechanisch, ja autistisch immer wieder dieselben Rezepte anzuwenden – wie wenn es nicht gerade diese gewesen wären, die an den Abgrund geführt hatten.

Eine andere Gefahr: Untergangspropheten, Verschwörungstheoretiker, Heilsprediger. Erstaunlich, wie schnell diese Verführer der Vernunft in den Startlöchern stehen, wenn die Angst umgeht! Mit ihren Drohungen und Halbwahrheiten, ihren Lügen und Schmeicheleien versuchen sie die Menschen in eine Richtung zu biegen, die ihnen genehm ist. Doch eigentlich lassen sich diese Krisengewinnler schnell erkennen: an ihrem quadratischen Denken und der notorischen Abwesenheit von Fragen.

Unausgeschöpftes Potenzial

Und eben dieses einseitige, quadratische Denken, die geradezu barbarische Verengung unseres Menschen- und Weltbildes steckt meines Erachtens hinter all den krisenhaften Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte. Ausgerechnet heute, wo wir als Menschheit noch nie so reich waren – an Bewusstsein und Erkenntnissen, an Verbindungen zueinander, an Gütern des Lebensbedarfs, an Geld, ja, auch das … –, ausgerechnet heute handeln wir, als wären wir Barbaren in einer kulturellen Wüste. Wir schöpfen unser Potenzial bei weitem nicht aus.

Und das ist zugleich meine Hoffnung: Wir Menschen, du und ich, haben wirklich ein wundervolles Potenzial – der Herzlichkeit, der Intelligenz, der Phantasie, der Liebe gar. Auch wenn dieses Potenzial unter Bergen von Ängsten und Egoismen verschüttet ist, kaum mehr sichtbar vor lauter Enttäuschung, Verzweiflung und Schmerz, brauche ich nur einen Menschen unbefangen anzusehen, um zu erahnen, dass sehr viel mehr in ihm steckt, als er augenblicklich zum Ausdruck bringt. Und wenn ich ein paar Worte mit ihm wechsle, ihm auch nur ein Minimum an Wertschätzung entgegenbringe, wird diese Ahnung zur Gewissheit: Mit dir zusammen schaffen wir es. Und wenn wir wirklich wach werden, kann gar nichts mehr schief gehen.

Walter Bs Textereien
http://walbei.wordpress.com/

Wachstum ≠ Fortschritt

Endlich wird von höchster Stelle bestätigt, was vielen schon lange schwant und manchen Gewissheit ist: Fortschritte bei der menschlichen Entwicklung sind auch ohne rasches Wirtschaftswachstum möglich – und starkes Wachstum führt nicht unbedingt zu besseren Entwicklungsbedingungen für die Menschen. Dies macht der neueste Bericht der Vereinten Nationen zur menschlichen Entwicklung klar: (mehr …)

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