Michel Houellebecq gehört zweifellos zu den bedeutendsten Schriftstellern unserer Zeit. Seine Werke sind mehr als geniale Gegenwartsdiagnosen, Houellebecq denkt Ideen konsequent weiter und lässt auf diese Weise die Blindflecke der liberal-demokratischen Gesellschaft sichtbar werden.
So auch in seinem 2001 erschienenen Skandalroman „Plattform“, in dem der Protagonist Michel den globalen Tourismus weiterentwickelt. Michels Idee: Wenn im Westen die Libido nicht mehr befriedigt werden kann, an anderen Orten aber Not, Attraktivität und Jungendlichkeit groß sind – warum nicht einfach die Globalisierung ernstnehmen und eine Arbeitsteilung in der Lust einführen? Würden davon nicht alle profitieren?
Der französische Schriftsteller bezieht sich in seinem von Roman auf ökonomische und soziologische Theorien, er zertrümmert bürgerliche Wertevorstellungen ebenso wie er sich keine linksliberalen Hemmschuhe anzieht.
In der neuen Folge von „Wohlstand für Alle“-Literatur sprechen Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt über diesen bitterbösen und sehr witzigen Roman, der der Freihandelsideologie die Krone aufsetzt.
Literatur:
Michel Houellebecq: Plattform, Dumont.
Freitag, 20.7.2013. Eifel. Ein schöner, sonniger Tag. Viel zu schön, um vor dem Bildschirm zu sitzen und ein paar nutzlose Worte zu machen – so jedenfalls würden viele heute denken. Das ich nicht so denke, ist jedem klar, der diese Zeilen liest. Da das mediale Imperium der Konsumterroristen (also jener Individuen, die die Ressourcen dieses Planeten gezielt in Müll verwandeln – Tag für Tag, ungestraft und als „Elite“ umschmeichelt) aber nicht schläft und jeden Tag seine „Wahrheiten“ auf allen Kanälen herausposaunt, dürfen jene, die sich ihm in den Weg stellen wollen, nicht ruhen, selbst wenn Fußball oder Talkshow im Fernsehen ist. Leider sehen das viele anders, weshalb sich in Deutschland nie etwas ändern wird – es sei denn, durch die vernichtende Gewalt verlorener Kriege. Wir verlieren gerade wieder einen – einen Wirtschaftskrieg diesmal, der erst viel später zum heißen Krieg wird – aber solange Schalke spielt, kommt das beim Bodensatz dieses Landes nicht an. Zum Bodensatz gehören inzwischen viele, für ein echtes Mittelschichtsgehalt (nach Kaufkraft, nicht nach Zahlen) bräuchte man schon 94 000 Euro – im Monat. Das haben viele, die zur Mittelschicht gehören – wir erfahren das nur nicht, weil sonst der schöne deutsche Wohlstandsmythos zusammenbrechen würde – und wir sind ja so schön stolz darauf, dass es uns so viel besser geht als den Negern in Namibia … dabei ist auch das eine Lüge, siehe Leiharbeit-abschaffen:
Namibia’s Oberster Gerichtshof hat im Dezember 2008 geurteilt, daß „Arbeiter-Verleih-Agenturen“ daran gehindert werden müssen, Arbeiter zu vermieten. Der High Court nannte die Praxis des Menschenverleihs ausbeuterisch und stellte fest, es reduziert Menschen zu persönlichem Eigentum. Leiharbeit ist daher in Namibia seit März 2009 verboten.
Wir sehen: Europa war vielleicht die Wiege der Zivilisation – die selbst wohnt aber heute woanders. Es ist Zeit, mal einen kurzen Blick auf die Stellung der Frau in Deutschland im 21. Jahrhundert zu werfen – einen Blick, der ebenfalls wenig schmeichelhaft ausfallen wird. Das verwundert, sind wir doch gleichberechtigt und emanzipiert, ja, wir haben sogar Frauenquoten (die an sich schon ein Schlag ins Gesicht einer jeden aufrechten Frau sind … Gnadenbrot für Karriereweibchen, öffentlich zugeteilt, weil sie es ohne die Hilfe der mächtigen Männer nie schaffen würden – doch so wollen wir das ja nicht sehen).
Ich gestehe, dass ich dieses Thema lange gemieden habe. Früher hatte ich mal ein ritterliches Verständnis von Frauen, war der Meinung, die gehörten beschützt und gerettet – ich muss dafür um Verzeihung bitten, ich bin so erzogen worden. Zurecht wurde ich zurechtgewiesen, dass so eine Einstellung diskriminierend ist, weil sie aus der Frau ein schwaches, schutzbedürftiges Wesen macht, dass dazu verdammt ist, beständig Beute der Männer zu sein.
Noch später bin ich von Feministinnen (Frauen, mit denen ich dereinst gerne in den Urlaub gefahren bin – als einziger Mann der Reisegruppe – weil sie geistig nicht so eindimensional wie männliche Altersgenossen waren) darüber aufgeklärt worden, dass Frauen sich auch ganz gerne mal vergewaltigen lassen (wer zu dem Thema mehr erfahren möchte, lese Dieter Duhm, Der unerlöste Eros) und ich bemerkte, dass ich fast in ritterlicher Absicht erotische Erfahrungen verhindert hätte.
Ganz gefährlich wurde es, als ein Freund von mir (jedenfalls hielt ich ihn für einen, bis ich sein Chef wurde … danach wurde es kompliziert und äußerst hässlich) in einem Seminar der Unifrauen seine Überlegungen zur Macht der Frau äußerte: seine zarte Poetenseele sah klar, dass Frauen eine sehr einfache Chance hatten, durch´s Leben zu kommen: anders als er hatten viele der anwesenden Frauen genug Potential, sich ein Ehegefährt zu besorgen, dass 94 000 Euro im Monat nach Hause brachte … das hörte man in Emanzenkreise nicht gerne.
Wahr ist es trotzdem …. aber wir berühren hier ein Thema, das Frauen nicht so gerne hören, weil es um reale Machtausübung geht. Solche Themen werden von den Mächtigen nie gerne besprochen, alldieweil zuviel Bewusstheit dem Einsatz von Macht schadet.
Ich habe also für mich erkannt, dass ich das Thema „Frau“ lieber meiden sollte, allein schon, weil ich keine bin und dabei gar nicht mitreden kann. Das Prinzip ist zwar nicht akzeptabel (bin ja auch kein Arbeitsloser, kein Jude, kein Israeli, kein Indianer, kein Katholik oder Moslem, neige aber trotzdem gelegentlich dazu, für diese Gruppen Partei zu ergreifen), aber wer will schon Ärger mit Frauen. Ich jedenfalls nicht – davon hatte ich in meinem Leben mehr als genug.
Dann jedoch stieß ich bei einer liebgewonnenen Facebookfreundin und Leserin auf ein paar Zeilen, von denen ich dachte: ja, die gehören weiterverbreitet:
Wenn alle Frauen dieser Erde morgen früh aufwachten und sich in ihren Körpern wirklich wohl und kraftvoll fühlten, würde die Weltwirtschaft über Nacht zusammenbrechen.
Zitat aus „Fleischmarkt -weibliche Körper im Kapitalismus “ von Laurie Penny .
Weiter: Wir leben in einer Welt, die den unwirklichen weiblichen Körper anbetet und echte weibliche Macht verachtet. Diese Kultur verurteilt Frauen dazu, immer so auszusehen, als seien sie verfügbar, während sie nie wirklich verfügbar sein dürfen, und zwingt uns, sozial und sexuell konsumierbar zu erscheinen, während wir selbst sexuell so wenig wie möglich konsumieren sollen.
Schon der Titel – „Fleischmarkt, der weibliche Körper im Kapitalismus“ – könnte von mir kommen. Nun – als Mann hätte ich das nie so formulieren dürfen (dafür hat die Emanzipation schon gesorgt), aber als Frau darf man das wohl.
Ich habe die siebziger Jahre halt „live“ mitbekommen – und mich gewundert, was in den achtziger Jahren aus der Emanzipationsbewegung geworden ist. Einst (bewusst und gezielt vom CIA-finanzierter) Teil eines Aufbruchs zu einer neuen Kultur des Miteinanders, wurde sie sehr schnell ein weiterer Bestandteil der Kultur des Gegeneinanders, das beständigen Kampfes um an sich übervolle Fleischtöpfe, die aber jeder (im Rahmen der CIA-Strategie) ganz für sich allein besitzen wollte – andere sollten hungern, damit man selber in der Fleischbrühe baden konnte.
So konnte man ganze Generationen gegeneinander ausspielen und ungestört ausnehmen.
Nebenbei wurde eine Gesellschaft maximaler sexueller Frustration geschaffen, in der Weibchen beständig in allen öffentlichen Gegenden Paarungsbereitschaft signalisieren sollten (und dies im Rahmen des Kampfes um die Fleischtöpfe auch gerne und gezielt taten), was aber letztlich nur eine Lüge auf zwei Beinen war, denn … natürlich durften sie nie zur Schlampe werden. Noch ein Zitat aus dem Facebookauftritt:
Der Kapitalismus macht aus echter, menschlicher Sinnlichkeit das erotische Kapital der Pornografie, von künstlich aufgepumpten, gebleichten, rasierten Körpern, die keine Lust teilen, sondern ein Produkt performen. Echte Sexualität jedoch wird abgelehnt, mit moralischer Empörung und Verachtung gestraft. Die Renaissance des Begriffs “Du Schlampe”, während Pornografie in noch nie gekanntem Maße überall verfügbar und konsumierbar ist, zeigt, dass der Kapitalismus dafür sorgt, dass die Gesellschaft auf wirkliche Sexualität mit Abscheu reagiert. Mit ihr lässt sich kein Geld verdienen – mit Pornos hingegen schon. Laurie Penny zeigt auf, dass nicht nur Sexarbeiterinnen ihr Geld mit Sex verdienen, sondern dass jede Frau im Kapitalismus dazu gezwungen wird, mit ihrem erotischen Kapital umzugehen, sich zu schminken, zu stylen, mit erotischen Reizen zu spielen, verfügbar zu erscheinen und sich aber nie hinzugeben. Die mageren Körper der Models, die absolute Kontrolle über den Körper zeigen, deren Körper sich einzwängen lassen, in den wenigen Raum, den die Gesellschaft bereit ist, ihnen zu zu stehen, werden zu einem Ideal erhoben, dessen grausame Schattenseite die Essstörungen sind.
Es ist das Bild einer völlig paranoiden Gesellschaft, die den Traum der freien Sexualität öffentlich auf allen Plätzen zelebriert, ohne ihn leben zu dürfen. Gleichzeitig wurde etwas vernichtet, verlernt, vergessen: das Wort Liebe (einst von vielen Philosophen zum Kernbegriff menschlichen Seins und aller Existenz erhoben) wird ausgelöscht und durch das Wort „Porno“ ersetzt, in logischer Konsequenz wird aus Mutter- bzw. Vaterliebe Kinderpornografie.
Elementare menschliche Seinszustände, Grundfesten einer jeden friedlichen, zivilen Gesellschaft wurden zerschlagen – und das für ein Alternativmodell, dass für oft züchtig gekleidete Männer (hier wirken andere Gebote: der Mann soll sich durch Kleidung ständig bewusst sein, dass er zu dienen und gehorchen hat und selbst nichts darstellen darf) an Dantes Höllenvorstellungen erinnert: hungrig gemacht werden, aber nicht essen dürfen, während die Speise – fein zubereitet – ständig vor den Augen schaukelt.
Dieses Prinzip gilt im Übrigen auch für alle anderen Bereiche der Gesellschaft – jene Anzüge, Sportwagen, Privatflugzeuge, Segelboote, Traumhäuer und Traumreisen, die uns die Medien (gerne auch „hinten herum“ als selbstverständliches Beiwerk harmloser Spielfilme) tagtäglich als Normalzustand vorspielen, bekommt man nur als Mitglied des Mittelstandes – und dafür braucht man mindestens 94 000 Euro jeden Monat.
Das Idealbild der Frau im 21. Jahrhundert ist das einer Prostituierten, die sich jeder jederzeit kaufen kann – aber die nie einer wirklich bekommt. Auch aus der Ehe und der Partnerschaft wird so ein Geschäft, in der Liebe keine Rolle mehr spielt und Kinder nicht mehr gedeihen können.
Ach ja – Kinder. Hören wir dazu die Probleme einer Mutter – aus der gleichen Quelle:
Vielleicht sollten Mütter beginnen, ihre Töchter „anders“ zu erziehen. Was soll ein 15 jähriges Mädchen denn annehmen, wenn es in die Welt schaut? Das Nonplusultra ist ein Platz bei Germany Next Topmodell… Wenn dann noch Werbung läuft, indem sich drei Idiotinnen komplimentieren wie billig sie aussehen, was soll ein junges Mädchen denn dadurch erfahren? Was mir sehr fehlt sind Werte. Jetzt wird einer Frau das Muttersein noch abgesprochen, indem man von Frauenquote quasselt und die Fremdbetreuung von ganz klein der Kinder lobhudelt.
Wir dürfen so etwas doch aus politischen Gründen schon gar nicht mehr sagen: „Muttersein“ gilt doch heute schon als krankhaft, die Mutter ist die Quelle aller narzisstischen Störungen, das hat die Wissenschaft bewiesen. Deshalb gehören die Kinder so früh wir möglich der Mutter entzogen, damit der Staat sie so früh wie möglich in die drogen- und pornogesteuerte Realität des bundesrepublikanischen Wirtschaftsalltags eingliedern kann: Arbeitsbienen gleich sollen sie sich in das System des Bienenstocks einfügen und sich den Anforderungen unterordnen – so lautet die Devise unseres „freien“ Alltags, die wir inzwischen klaglos und manchmal sogar voller Begeisterung hinnehmen, wie wir auch Leiharbeit als höchste Erfüllung menschlicher Träume von „Arbeit“ zu akzeptieren gelernt haben.
Den größtmöglichsten Effekt beim Verkauf der Ware Frau am Fleischmarkt erzielt man übrigens dann, wenn die Ware selbst nie ausgeliefert wird: dadurch explodiert die Nachfrage. Wir brauchen also eine pragmatisch lustfeindliche Gesellschaft, die sich nur theoretisch zu einer freien Sexualität bekennt, wie sie früher nur im Bordell erfahrbar war.
Es ist ein äußerst bösartiges Klima, das so erzeugt wird – und es erzeugt äußerst häßliche Wirklichkeiten, die sich bei der Geschichte um die Zwangsprostituierte Mandy Koop deutliche Bahn brechen, siehe Spiegel:
Sie wurde als Minderjährige zur Prostitution gezwungen, eingesperrt und misshandelt. Zwanzig Jahre später geht Mandy Kopp mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit. Unterlagen zeigen, dass Teile der Justiz ihr keine Hilfe waren – im Gegenteil: Sie wurde als Prostituierte stigmatisiert.
Wer echten Sex mit echten Männern hat, ist eine Hure – selbst wenn sie als Kind dazu gezwungen wurde. Selten sieht man die häßliche Fratze unserer Gesellschaft deutlicher, selten kann man so deutlich erkennen, wir zerrüttet und verwüstet unser Sozialwesen ist, wie tief wir als Zivilisation gesunken sind – weit weit unter jenen archaischen Stammeswelten, denen wir uns so schrecklich überlegen fühlen, weit unter jenem Mittelalter, dessen „Badehäuser“ mehr Erotik boten als unsere Pornoindustrie je liefern könnte.
Wer auf der Strecke bleibt?
Letztlich alle Menschen. Zuerst die 99% Frauen, die nicht äußerlich dem entsprechen, wie „Frau“ sein sollte. Die sieht man nur auf der Straße, wie sie sich verschämt zwischen großformatigen Werbeplakaten und durchgestylten Luxusweibchen hindurchschleichen, ahnend, das „Liebe“ für sie in diesem Leben nie erfahrbar werden wird, weil sie einfach nicht gut genug sind. Dann die 99% der Männer, die einfach nicht genug verdienen, die Ansprüche jener Weibchen zu erfüllen, die in breiter Front von den Medien als „normaler Durchschnitt“ angeboten werden – einem Durchschnitt, dem nur 1 % der Frauen überhaupt nur annähernd entsprechen.
Und das übrig gebliebene eine Prozent? Kämpft einen verzweifelten Kampf gegen einen unbesiegbaren Feind … das Alter, das jeden irgendwann erreicht und einen automatisch aus den Kreisen der „Schönen“ verbannt. Übrig bleiben frustrierte reiche Männer, die vergeblich versuchen, sich ihre Jugend zurückzukaufen … und erst viel zu spät in ihrem Leben erfahren, dass sie nur wegen des Geldes attraktiv waren.
Wie fern ist diese Realität von der romantischen Liebe des von uns so verpönten Mittelalters – und wie unglaublich niedrig ist das Niveau unserer Kultur. Ich erinnere mich daran, dass Ratten ein solches Sozialverhalten im Experiment zeigten.
Ist es das, was das Ziel unsere „weißen“ Kultur ist? Eine Kultur von Ratten?
Vor diese Wahl gestellt, orientiere ich mich lieber an dem Mönch Anselm Grün, der mich lehrte, dass alle Sehnsucht nach menschlicher Liebe letztlich die Sehnsucht nach der Vereinigung mit Gott ist (was immer das auch sein mag).
Ja – solchen Menschen lausche ich gerne. Sie vertreten eine Freiheit, die in meinen Augen zur Rettung der Liebe wichtig ist, siehe Süddeutsche:
Ich sehe, wie das Geld viele Menschen hart macht. So will ich nicht werden. Geld gefährdet die innere Freiheit. Eigentlich könnten Menschen mit viel Geld sorglos und frei sein. Aber oft kreisen gerade reiche Leute mit ihren Gedanken immer nur ums Geld. Es gibt Reiche, die glücklich sind, natürlich. Aber das sind die, die innerlich frei von diesem Reichtum sind.
Sagt ein Mann, der ein Millionenvermögen sein eigen nennen könnte, es aber verschenkt, weil er keine fünfzig Euro Bargeld im Monat braucht.
Taten können schon sehr überzeugend sein – und in einer ach so freien, ach so überlegenen Kultur stellen sie Alternativen dar, die unglaublich erscheinen, aber wahr sind. Gut, dass sie nicht in breiter Front propagiert werden: Fleischmarkt, Leiharbeit und Konsumterror wären morgen schon vorbei – und etwas Neues könnte zu leben beginnen.
So müssen wir warten, bis das Prinzip „verbrannte Erde“ – das wahre Leitprinzip des Konsumterrors – die Welt in jene Wüste verwandelt haben, die Mönche aus ihren geistigen Übungen schon kennen und bewältigt haben. Dann kann aus der Asche vielleicht jenes Paradies erwachsen, das wir heute schon haben könnten – wenn wir nur aufhören würden, darauf zu hören, was „man“ uns darüber sagt, wie „wir“ uns zu verhalten haben.
Aber vielleicht hilft uns ja der Gedanke, dass wir aus unseren Müttern täglich Ware für den Fleischmarkt machen, den Wahnsinn vielleicht jetzt gleich schon zu stoppen, bevor die Wüste der westlichen Kultur auch noch die Natur in jenes unwirtliche, verwüstete Land verwandelt, das unsere Städte schon heute als Standard preisen – jene Orte, wo Arme ihre Nahrung im Müll suchen müssen.
Das Mittelalter kannte schon diese Städte und ihre Müllberge. Sie bilden den düsteren Hintergrund (das „wüste Land“) für die (im Kern heidnische) Suche des Ritters nach dem heiligen Gral, mit dessen Hilfe das Land wieder geheilt werden sollte, mit dessen Hilfe die kooperative Kultur der Mitmenschlichkeit die pyramidale, totalitäre Kultur des „wüsten Landes“ aufheben sollte, um das wüste Land wieder in ein Paradies zu verwandeln (siehe Malcolm Godwin, Der heilige Gral, Heyne Verlag München 1996, Seite 272-275)
So dachte das von uns so verachtete Mittelalter, dessen ritterliche Kultur (die in Wahrheit nur ideel vorhanden wahr) heute als „Sozialromantik“ belächelt wird – wenn auch nur von jenen finsteren Mächten, die erfolgreich danach trachten, die Erde in eine Wüste zu verwandeln … und die Frau in ein Stück Fleisch für den Markt.
Die Abwrackprämie ist ja der Renner in diesem Frühling. DIE Maßnahme gegen die Wirtschafts- und Bankenkrise: jeder kriegt erstmal ein neues Auto. Da ist der Deutsche glücklich, selbst dann, wenn der letzte Trabbi dran glauben muß:
http://www.spiegel.de/auto/fahrkultur/0,1518,625937,00.html
So wie diesen jungen Herren, der vor der schweren Entscheidung steht, entweder seinen heißgeliebten Trabbi zu behalten oder aber ein nagelneues Luxusgefährt der Kleinstwagenklasse zu erwerben, stehen viele Menschen in Deutschland. So manch ein alter Käfer, manch eine alte Ente 2CV und manch ein Renault R 4, die bislang noch an bessere Zeiten erinnerten, wenn sie über die Straße rollten, werden nun dem Abwrackwahn zum Opfer fallen und eingetauscht gegen die langweiligen Modelle der Moderne.
Und da kommen dann doch in der Tat Menschen daher und behaupten, diese Abwrackprämie sei asozial, so wie diese Frau hier:
http://nachrichten.t-online.de/c/18/82/27/06/18822706.html
Sind Autos überlebenswichtig, Investmentfonds unverzichtbar? Die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva, ausgezeichnet mit dem alternativen Nobelpreis, plädiert im Interview mit Spiegel Online dafür, neue Prioritäten zu setzen – und Bäume zu pflanzen.
Spiegel Online: Frau Shiva, haben Sie als Umweltaktivistin und Feministin Verständnis dafür, dass viele Menschen in Deutschland gerade die Frage umtreibt, wer die Wahl zu „Germany’s Next Topmodel“ gewonnen hat?
Vandana Shiva: Nein, was diesen Teil des Lebens anbelangt, bin ich wirklich ignorant. Top-Models könnten an mir vorbeilaufen, und ich würde sie nicht erkennen. Nach Super-Models zu suchen, während das Klima und die Weltwirtschaft im Chaos versinken, ist so, als würde Nero fiedeln, während Rom brennt.
Ja, das schlägt ja wohl dem Faß dem Boden aus, was erlaubt die sich denn? Ignoriert unser Top-Models? Ja, weiß die denn gar nicht, was wichtig ist im Leben? Kann die sich nicht vorstellen, welche eminent wichtige Rolle Topmodels bei der Ent-Emanzipierung der Frau im Westen gespielt haben? Wie schwierig das war (und vor allem: wie teuer!) die Emanzenflut durch eine gezielte Rückbesinnung auf weibliche Werte
einzudämmen?
Der Westen wäre heute ein einziges Chaos, wäre dies nicht geschehen! Frauen wären in der Politik außerhalb der Quotenzone anzutreffen, in Führungsetagen, in Vorständen … ja, wo kämen wir denn da hin?
Aber diese Frau giftet ja noch weiter gegen den Segen des Abwrackens, versucht hinterrücks unser Gewissen zu manipulieren:
Welchen Eindruck haben Sie von Deutschland?
Ich war schockiert, dass die Regierung – um die sogenannte Wirtschaft am Laufen zu halten – den Menschen 2500 Euro Unterstützung zahlt, damit sie ihr Auto zerstören, damit die Industrie weiter Autos bauen kann. Aber woher kommt das Aluminium für diese Autos? Ich arbeite mit Gemeinden in Indien, die gegen Aluminium-Erz-Minen und gegen neue Stahlwerke kämpfen.
Ja, diese Frau ist nicht nur gegen die Abwrackprämie, die ist sogar gegen Autos selbst! Ja, hat die denn noch alle Tassen im Schrank? Die kann doch nicht gegen das Symbol unserer modernen, freiheitlichen, demokratischen Kultur sein, nur weil es ein paar Millionen Menschenleben in seinem Produktions- und Bewegungsprozeß fordert! Immerhin steht hier die Freiheit auf dem Spiel! Die Freiheit, überall mir allen Autos jeden überfahren zu dürfen, der sich nicht an die Verkehrsregeln hält! Die Freiheit, Umweltgifte überall da in die Welt zu setzen, wo es billig ist!
Immerhin schützen wir den Frosch beim überqueren der Straße! Bedeutet das denn gar nichts?
Doch diese Frau gibt selbst da noch keine Ruhe. Man weiß nicht, was in sie gefahren ist, sie wütet immer noch weiter und wagt es sogar, in unsere freie Lebensgestaltung dirigierend einzugreifen, in dem sie uns wagt zu sagen, was zu tun ist:
Wir müssen uns also von Limousinen und Investment-Fonds verabschieden?
Die Krise zeigt uns, das stetige Anhäufen von materiellen Dingen ist vorbei. Nun kann man entweder in Panik geraten oder man kann sagen, gut, dass das vorbei ist – nun kann ich mich darauf konzentrieren, ein wirklich glückliches Leben zu führen.
Ja, die hat ja wohl von Wirtschaft wirklich keine Ahnung. Gut, die Fonds schwächeln gerade ein bischen … aber da steckt die Altersversorgung der ganzen USA hinter: das können wir doch nicht einfach ignorieren! Deshalb brauchen wir doch die 25 % Rendite! Will die das denn nicht verstehen? Und wie soll man glücklich werden, wenn man nichts mehr kaufen kann? Was denkt die sich denn eigentlich?
Die Krise als – letzte – Chance?
Genau, aber Regierungen und Unternehmen sind zu schwerfällig, um Alternativen zu entwickeln. Es ist wie bei einer schweren Maschine, die einmal in Gang ist. Es sind die einfachen Bürger, die andere Ideen haben und sich für diese einsetzen müssen.
Also: das ist ja wohl der direkte terroristische Aufruf zur Revolution!
Wie kann die sich so etwas erlauben? Stellt die Handlungs- und Politikkompetenz unserer Regierungen in Frage, dabei dürfte die von Sarrazin und Missfelder so wenig gehört haben wie von Top-Modells! Einfach empörend und unverantwortlich! Und jetzt soll der einfache Bürger auch noch selbst Ideen haben! Wo soll der die denn hernehmen, bitte schön? Und wozu haben wir eigentlich all diese schönen Parteien, von denen es immer mehr gibt, wenn wir jetzt auch noch wieder alles selber machen sollen?
Und wie könnte das Engagement der Bürger aussehen?
Gärtnern kann die Welt retten. Wir sind an einem Punkt, an dem Gartenarbeit viel ändern kann – materiell, emotional und politisch. Jeder sollte gärtnern. Für die Menschen, die keinen Platz haben, müssten die Gemeinden dafür öffentlichen Raum schaffen – statt neuer Parkplätze. Im Krieg wurden hier in Deutschland auch an den Rändern der Städte große Gärten angelegt, damit sich die Menschen ernähren konnten.
Also, da hört sich doch alles auf. Das ist ja einfach nur noch empörend, wie die De-Industrialisierung unserer Volkswirtschaft hier offen und ohne Scham gefordert wird! Blanker Terrorismus im Deckmantel
des guten Gewissens. Der Morgenthau-Plan erhebt sein schreckliches Haupt nach sechzig Jahren Bundesrepublik. Was uns da drohte, kann man sogar bei Wikipedia nachlesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Morgenthau-Plan
Gärtnern zur Weltrettung … ist wie „Poppen für den Weltfrieden“ – das hatten wir schon mal.
Diese Frau ist eine verkappte Achtundsechzigerin … auch wenn sie nicht so aussieht.
Und was wir von denen zu halten haben, haben uns ja die Medien in den letzten zehn Jahren oft genug gepredigt!
Wie gut, das ich sie jetzt enttarnt habe.
Wo kämen wir denn da auch hin: Die Deutschen, ein Volk von glücklichen Gärtnern in einer friedlichen Gemeinschaft glücklicher Gärtnervölker, die sich der Liebe, der Musik, dem Theater, der Kindererziehung und der Landschaftsgärtnerei hingeben, um in einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung die Erde in ein Paradies zu verwandeln.
Das könnte das Paradies werden, sicher.
ABER IM PARADIES LAUERT DIE SCHLANGE! – das weiß doch jeder.
Darum: Hedgefonds und Luxuslimousinen – und der Apfel vom Baum der Erkenntnis bleibt einem erspart.
Und den Apfel vom Baum des ewigen Lebens: holen wir uns selber!
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,620996,00.html