Existenzsichernde Mindestlöhne sind unsozial, weil er den Arbeitslosen ihre Dienste billiger anzubieten verwehre – führende Ökonomen in Deutschland aber auch weltweit vertreten diesen Standpunkt. Selbst der DGB hat diese Debatte über existenzsichernde Mindestlöhne nicht zugelassen, zumindest in den Jahren Jahr 2002 bis 2006, denn es wäre gewerkschaftsschädigend, so die gewählten Vertreter der Arbeitnehmerschaft. Was jedoch am meisten verwundert, dass nicht die Konservativen und die knallharten Neoliberalen diese Doktrin verbreiteten, nein, es waren Sozialdemokraten und auch die Grünen, die diesen Weg des Sozialstaatsmassakers ebneten.
Dass sich so ein mörderischer Unsinn überhaupt durchsetzen konnte – gegen die eigenen Interessen – der in Lohn und Brot stehenden Bevölkerung, die diesen Staat überhaupt aufrechterhalten, brauchte es eine geschickt eingefädelte Propaganda – in der sich die Lügenpresse bravourös andienerte, diesen Part bzw. die Interessen der Hochfinanz sowie der Arbeitgeberverbände zu vertreten. Obwohl „andienern“ hier nicht richtig formuliert ist – denn die vom Status abhängigen Tintenknechte – führen nur Befehle von Liz Mohn und Friede Springer aus.
Wenn es möglich ist, dass eine kleine Kaste von Multimilliardären, die Politik so dermaßen bestimmen kann – dass sogar die Bevölkerung, gegen ihre eigenen Interessen handelt, muss noch Schlimmeres passieren, damit der Michel endlich aufwacht. Es ist nur zu hoffen, dass er nicht erst im Schützengraben aufwacht.
Guten Tag Deutschland!
Einen Beitrag zu den Einzelhandelsumsätzen bin ich letzte Woche noch schuldig geblieben. Das hole ich hiermit nach.
Wie das statistische Bundesamt am vergangenen Donnerstag mitteilte, haben die Umsätze im Einzelhandel im Januar um real 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zugelegt. Bevor deswegen einmal mehr Jubelstürme losbrechen und das Märchen vom Konsumboom neue Nahrung erhält, sollte man die Daten einordnen und die Entwicklung der Umsätze anhand einer grafischen Darstellung genauer betrachten.
Umsatz (2005=100, kalender- und saisonbereinigt)
Die Grafik werde ich für die folgenden Monate fortsetzen
Im Januar gab es also einen kleinen Schritt nach oben auf der Treppe im Umsatzkeller. Aber wie sie an der Grafik sehr schön sehen können, ist das nicht außergewöhnlich. Der erkennbare Abwärtstrend wurde immer mal wieder von positiven Ausschlägen begleitet. Gründe für eine Trendumkehr gibt es aber nach wie vor keine. Insgesamt bewegt sich das Niveau der Umsätze immer noch deutlich unterhalb des Vorkrisenzeitraums und selbst da kann von einem Konsumboom keine Rede sein.
Immerhin dämpfen die Einzelhändler selber die Erwartungen, die beispielsweise durch GfK-Konsumklima- und ifo-Index sowie Rainer Brüderle immer wieder realitätsfern formuliert werden. Steigende Preise für Kraftstoffe und Energie könnten die Geschäfte der Händler belasten, heißt es. Man sei vorsichtig optimistisch. Steigende Preise für Kraftstoffe sind natürlich das eine, aber viel wichtiger ist doch die Tatsache, dass die Einkommen auch in diesem Jahr weiter stagnieren werden.
Quelle: ver.di
Nehmen sie als Beispiel die bevorstehenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Erste Warnstreiks hat es dort bereits gegeben. Rainer Brüderle hatte letztes Jahr noch einen kräftigen Schluck aus der Lohnpulle gefordert, weil der Aufschwung auch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen müsse. Nun hätte er also Gelegenheit seinem Länderkollegen Möllring aus Niedersachsen, der mal wieder Verhandlungsführer für die Arbeitgeber spielt, auf die Finger zu klopfen. Doch Brüderle bleibt still. Finanzminister Hartmut Möllring hingegen gibt weder ein Angebot ab, noch hält er es für nötig, auf die Gewerkschaften zuzugehen. Im Gegenteil. Er sendet, wie all die Jahre zuvor, eine klare Botschaft.
Die Gewerkschaft Verdi müsse «einsehen, dass sowohl drei Prozent als auch 50 Euro mehr pro Monat nicht gehen», sagte er der «Stuttgarter Zeitung» (Samstag) mit Blick auf die leeren Kassen der Länder. «Und wenn schon jede Einzelforderung für sich nicht geht, ist offenkundig, dass beides zusammen gar nicht geht. Diese Einsicht muss bei der Gewerkschaft noch greifen, dann werden wir ein Ergebnis bekommen.»
Quelle: Süddeutsche
Bei den Einkommen der Menschen geht gar nichts. Das ist die Botschaft, die sie bitte kapieren sollen, also neben der Tatsache, dass Aufschwung ist, die Wirtschaft boomt und die Menschen künftig mehr einkaufen werden.
Zum Möllringschen Blick auf leere Kassen der Länder bleibt nur zu sagen, dass Hartmut Möllring gerade der Finanzminister ist, der die landeseigene Beteiligungsgesellschaft von Hannover ins Emsland verlegen ließ, um Steuern zu sparen. Damit gehört es offensichtlich zur Politik des Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft der Länder, auf gerade jene Einnahmen zu verzichten, die gebraucht werden, um die Mitarbeiter besser bezahlen zu können.
Der ein oder andere mag jetzt pingelig anmerken, dass die entgangene Gewerbesteuereinnahme ja nicht dem Finanzminister, sondern dem Kämmerer der Stadt Hannover fehlt, aber genau das ist ja das Problem bei der Steuerflucht. Am Ende wird der Fehlbetrag immer in der Kasse der öffentlichen Hand verbucht werden müssen. Dazu kommt natürlich die Tatsache, dass die Kommunen verpflichtet sind, einen Anteil der Gewerbesteuereinnahmen an Bund und Länder abzuführen. Herr Möllring oder einer seiner Nachfolger wird diesen fiskalpolitischen Unsinn früher oder später zu spüren bekommen.
Der Vorgang zeigt im Prinzip nur eins. Die Kassen der öffentlichen Hand sind nie leer genug, um noch viel mehr öffentliche Mittel und Ressourcen sinnlos zu verschwenden. Sei es für Steuergeschenke oder für sparwütige Finanzminister wie Möllring, die, offenbar mit einem Zauberdiplom im Rechnen ausgestattet, ihren Haushalt kurzfristig und auf Kosten der Amtskollegen in den Kommunen aufzuhübschen beabsichtigen.
Pünktlich zu Beginn des Dezembers ist es bitter kalt geworden und ein eisiger Wind bläst durch das Land, das noch immer eine Aufschwungparty feiert. Hinter dem ersten Türchen des Adventskalenders erscheint heute die Botschaft, dass das Getriebe der Wirtschaft noch nicht festgefroren sei, das das Wachstum weiter stabil wachse, mit vermindertem Tempo zwar, aber mit Freude. Denn der Bundeswirtschaftsminister hat gestern das „Fest der Freude am Arbeitsmarkt“ ausgerufen, weil nun knapp 41 Millionen Menschen in diesem Land einer Beschäftigung nachgingen. Welche Tätigkeiten das sind und ob man sich davon soviel Alkohol kaufen kann, um, wie beim Minister Brüderle, die eigene Wahrnehmungsschwelle außer Kraft zu setzen, ist nicht weiter von belang.
Es ist Aufschwung, basta, auch wenn keiner hingeht. Dabei steigen die Privatinsolvenzen und auch in Zukunft sei nicht mit einer Entspannung bei der Verbraucherüberschuldung zu rechnen:
In den kommenden zwei Jahren ist nicht mit einem Rückgang der Verbraucherüberschuldung zu rechnen. Jeder zehnte Deutsche (9,8 Prozent) fühlt sich bereits jetzt durch seine finanziellen Verbindlichkeiten überfordert, ein weiteres Drittel (32,0 Prozent) hat wenigstens manchmal „Schuldenstress“. Die von der Bundesregierung geplanten Sparmaßnahmen sowie weitere Faktoren – wie zunehmende Wohnkosten und der Anstieg prekär Beschäftigter – drohen Auslöser für eine neuerliche Überschuldungsentwicklung zu sein.
Quelle: Creditreform SchuldnerAtlas Deutschland 2010 (4.11.2010)
Es steigen also prekäre Beschäftigung und gleichzeitig die örtlichen Kosten für den Erhalt der Ware Arbeitskraft. Genau genommen leben wir nicht mehr in Zeiten von Brutto und Netto, wo es um die Frage nach mehr Netto vom Brutto geht, sondern in Zeiten von Bretto und Nutto, wo es um die Frage geht, wie viel vom Netto eigentlich noch übrig bleibt, wenn sämtliche gestiegenen privat zu tragenden Fixkosten wie Miete, Strom, Gas, Gesundheit, Kinderbetreuung, Eintritte für Kultureinrichtungen, die private Altersvorsorge immer weiter steigen. Denn inzwischen haben die Bundesregierungen der letzten Jahre mit ihrer Politik des staatlichen Ausstiegs aus dem Staat dafür gesorgt, dass immer mehr Kosten und Risiken privatisiert wurden.
Der Gebührenstaat feiert fröhliche Urständ. Doch während die Lohnabhängigen so langsam begreifen, dass ihnen zu mehr Netto einfach das entsprechende Brutto fehlt, sprudeln am anderen Ende die Gewinne wie nie. Allein die Dax-Konzerne streichen in diesem Jahr 63 Milliarden Euro mehr Netto ein. Im Frühjahr 2011 soll es dann 25 Milliarden Euro an Dividenden geben. Das sind natürlich glänzende Zahlen, die allemal zu einem Boom passen, von dem die „Experten“ aber lieber nicht sprechen.
Aber auch die Vermögenden kaufen keine Güter, wie es scheint. Der private Verbrauch soll ja laut den akademischen Kaffesatzlesern, die man auch unter den Bezeichnungen Wirtschaftsexperte oder Konsumforscher kennt, zu einer Stütze des Wachstums werden. Nun dämpft aber gerade heute wieder das statistische Bundesamt mit aktuellen Zahlen zum Einzelhandelsumsatz die vorweihnachtlichen Konsumerwartungen.
Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Oktober 2010 nominal um 0,4% höher und real um 0,7% niedriger als im Oktober 2009.
Vor allem bei den Lebensmitteln wird weiter gespart.
Der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren setzte im Oktober 2010 nominal 0,5% und real 2,4% weniger um als im Oktober 2009. Dabei lag der Umsatz bei den Supermärkten, SB-Warenhäusern und Verbrauchermärkten nominal um 0,5% und real um 2,4% niedriger als im Vorjahresmonat. Im Facheinzelhandel mit Lebensmitteln wurde nominal 1,1% und real 2,4% weniger als im Oktober 2009 umgesetzt.
Insgesamt legen die Umsätze im Einzelhandel von Januar bis Oktober 2010 um gerade einmal real 1,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Folgt man der Euphorie des Einzelhandelsverbandes sollen es am Jahresende zwischen 1,5 und 2,0 Prozent mehr sein als im Jahr davor. Mal abgesehen davon, dass die Umsätze in 2009 um knapp 2 Prozent eingebrochen waren, wird der vorausgesagte Kaufrausch auch in diesem Jahr wieder ausbleiben.
Dennoch verbreitet der Einzelhandelsverband Partystimmung. Nur stützt er sich dabei ebenfalls auf Trendumfragen, die lediglich einen Zusammenhang zwischen der geschätzten Menschenmenge in der Fußgängerzone und der Höhe der Umsätze in der Ladenkasse herzustellen versuchen. Verlässlich ist so etwas aber nicht, wie wir aus der Vergangenheit wissen.
Spiegel Online titelt Steigende Konsumlust: Einzelhandel bejubelt Umsatz-Boom. Dafür heißt es weiter unten im Text:
Das Konsumklima hellt sich damit deutlich auf. Im Vormonat waren die Einzelhandelsumsätze noch um 1,8 Prozent gefallen. Allerdings: Im Jahresvergleich sieht die Zahl etwas weniger toll aus. Demnach gingen die Einzelhandelsumsätze real um 0,7 Prozent zurück.
Eine Erklärung, warum die Umsätze noch unter denen des gleichen Monats im Krisenjahr 2009 liegen, wäre wünschenswert gewesen.
Und woanders heißt es „Goldener Oktober“ für Einzelhandel. Im Text steht dann:
Nur der Lebensmitteleinzelhandel schwächelt
Da fragt man sich doch, ob der „Traumstart“ ins Weihnachtsgeschäft mit weiterem Verzicht beim Essen und Trinken erkauft wird. Aber so negativ will ja keiner denken, um nicht die gute Laune zu verderben. Spätestens im Februar wird man aber wissen, wie toll das Weihnachtsgeschäft tatsächlich lief. Nur interessieren wird es wieder keinen.
Aber was reden wir auch vom Weihnachtsgeschäft in Deutschland? Das Schicksal Deutschlands entscheidet sich doch nicht unter Brüderles Weihnachtsbaum, sondern ganz woanders. Der Grund für die Stimmungsmache ist doch immer dergleiche. Es soll verdeckt werden, dass die deutsche Binnennachfrage keinen wirklichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum in Deutschland, aber auch nicht zum Weltwirtschaftswachstum leistet. Dabei ist es aus volkswirtschaftlicher Sicht gerade zu zwingend, dass Deutschland als Überschussland endlich zur Vernunft kommt und es zulässt, auch mal ein paar Jahre Defizite zu machen. Denn auf Dauer werden es sich die Defizitländer dieser Erde nicht mehr gefallen lassen, dass die Deutschen mit Hilfe ihres Euro gestützten Lohndumpings die Welt mit Billigprodukten weiter überfluten.
Der Druck in Brüssel und bei den G20 wächst doch bereits. Es wird nur nicht zum Thema gemacht. Da kann der Minister für Wirtschaft Brüderle, der auch schon mal von wider seine Natur von Lohnerhöhungen spricht, noch so sehr vom Rückfall in die Planwirtschaft fabulieren, am Ende zieht er dennoch den Kürzeren. Nämlich dann, wenn der Protektionismus wiederkehrt und deutsche Waren auf anderen Märkten keinen Zutritt mehr haben. Von den Forderungen, die ein Überschussland wie Deutschland dauerhaft anhäuft, kann sich nämlich auch ein Herr Brüderle nichts kaufen. Im Gegenteil, als Gläubiger sitzt er nämlich immer mit am Tisch, wenn andere Staaten den Offenbarungseid leisten und ihre Schulden gegenüber dem Ausland nicht mehr bedienen können.
Im Moment rettet Deutschland über die Hilfen an Irland schon wieder die eigenen Banken. Im Moment betreibt Frau Merkel ein perverses Spiel im sog. Währungskrieg. Sie säht absichtlich Misstrauen in den Euro, damit er gegenüber dem Dollar wieder fällt, um die deutsche Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, koste es was es wolle. Gleichzeitig geißelt sie die Maßnahmen der Amerikaner, die mit einer weiteren Lockerung der Fianzpolitik ihre Währung ebenfalls schwächen wollten, um Wettbewerbsanteile zurückzugewinnen. Man fragt sich verwundert, was die deutsche Bundesregierung eigentlich will. Wenn sie will, dass Defizitländer ihre Schulden abbauen, muss sie bei sich selbst welche zulassen. Eine andere Logik funktioniert einfach nicht. Wenn sie sich aber weiterhin weigert, werden nicht nur Spanien und Portugal von deutschen Steuerzahlern gerettet werden müssen, sondern auch wieder die Griechen und weitere Länder der Eurozone. Als Gläubiger sitzen Merkel, Schäuble und Brüderle immer wieder mit am Tisch, Planwirtschaft hin oder her.
Es stellt sich also die Frage, wie lange das Währungsspiel zwischen den Deutschen und den Amerikanern noch weitergeht, ob Frau Merkel ein Scheitern der Eurozone tatsächlich riskiert, nur um der deutschen Exportindustrie Vorteile zu sichern. Wenn die deutsche Bundesregierung weiter so denkt wie ein Unternehmen, das andere Marktteilnehmer am liebsten verdrängen möchte, wird die Sache scheitern, Aufschwung hin oder her. Nur die Amerikaner haben im Prinzip erkannt, dass der Welt eine Jahrzehnte lange Stagnation vom Muster der japanischen droht. Aber es sind wieder nur die Amerikaner bereit, wie in der Asienkrise vor zehn Jahren, etwas dagegen zu unternehmen. Nur allein werden sie es dieses Mal nicht schaffen.
Der übermächtige Gegner „Big Money“ hat erkannt, dass die Staaten erpressbar sind, sich gegenseitig ausspielen und bereit sind, das eigene Volk brutal und alternativlos auszupressen. Und solange die Politik glaubt, ihre Aufgabe bestünde darin, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen, anstatt eben diesen mit Misstrauen und scharfer Regulierung zu begegnen, sieht die Zukunft duster aus. Die Politik rettet lieber Banken als den Zusammenhalt der eigenen Gesellschaft. Sie rettet lieber den Nonnenmacher der HSH, weil man dessen Banker-Kumpel im Aufsichtsrat Kopper vertraut. Dagegen vernachlässigt sie jene Menschen, die die kriminellen Akte der Finanzindustrie teuer zu bezahlen haben und unverschuldet im Niedriglohnbereich, in der Leiharbeit oder in der Arbeitslosigkeit ein Leben ohne Planung, Sicherheit und den Heizkostenzuschuss führen müssen, nur damit es die Verursacher der Krise auch weiterhin schön mollig haben.
Während der Bundesfinanzminister im Parlament seinen Etat mit den eindringlichen Worten verteidigt,
„Wir schwimmen nicht im Geld, wir ertrinken allenfalls in Schulden.“
feiert der Bundesbewirtungsminister Rainer Brüderle weiter seinen und unseren Aufschwung. In einer Mitteilung seines Hauses heißt es heute euphorisch:
„Großer Sommer, goldener Herbst, Dem großen Aufschwung-Sommer folgt ein goldener Konjunktur-Herbst. Unser Aufschwung steht auf einer breiten Basis.“
Ich wusste gar nicht, dass man im Aufschwung an Schulden ertrinken kann, allenfalls im Wein, so wie der Brüderle. Jedenfalls freut sich die große Zukunftshoffnung der FDP und mit ihm zahlreiche Gestalten, die sich als Wirtschaftsexperten vertehen. Sie behaupten, dass der Aufschwung zunehmend vom privaten Konsum getragen werde, weil die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) einmal mehr haltlose Weissagungen zum voraussichtlichen Konsumverhalten der Deutschen verbreitet.
Vorhin meinte ein Radiosprecher, der Konsumklimaindex starte durch und dies sei ein deutliches Zeichen dafür, dass es in der Wirtschaft weiter bergauf gehe. Na ja, vor allem ist diese Einschätzung ein Zeichen von geistiger Schwäche, die nicht nur auf die biorhytmisch bedingte Müdigkeit zur Mittagszeit geschoben werden kann. Denn das, was die GfK von Menschen erwartet, deren Erwartungen sie angeblich auf eine Stelle hinterm Komma genau messen kann, wird regelmäßig durch die Ergebnisse statistischer Erhebungen zu den Umsätzen im Einzelhandel widerlegt.
Es gibt aber noch eine andere Quelle, auf die sich die Aufschwungsabsäufer berufen. Das statistische Bundesamt hat heute nähere Angaben zur wirtschaftlichen Entwicklung im dritten Quartal 2010 gemacht. In Brüderles Sommerhoch ging es um 2,3 Prozent nach oben und danach mit nur +0,7 Prozent weiter. Wer klar sehen und denken kann, wird vielleicht erkennen, dass sich der Aufschwung im dritten Vierteljahr deutlich verlangsamt hat. Man wird auch erkennen, dass das dritte Quartal die Monate Juli, August und September umfasst. Von einem goldenen Konjunktur-Herbst kann der Minister doch noch gar nix wissen.
Heißt das aber nun wirklich, dass der Aufschwung weitergeht? Zumindest die „breite Basis“, von der Brüderle faselt, ist eher schmaler geworden. Nun behauptet man aber auch, dass der private Konsum das Wachstum tragen würde. Dabei sind die privaten Konsumausgaben gar nicht nennenswert gestiegen. In der Meldung der Statistiker heißt es dazu:
Im Inland wurde im dritten Quartal 2010 im Vorjahresvergleich sowohl deutlich mehr konsumiert als auch investiert. So lagen die privaten Konsumausgaben im Vorjahresvergleich erstmals seit über einem Jahr wieder über ihrem Vorjahresniveau und stiegen preisbereinigt um 1,2%.
Klar ist, dass im Vergleich zum Vorjahresquartal, das noch von der Kurzarbeit gekennzeichnet war, die Konsumausgaben in Q3/2010 höher liegen würden. Im Vergleich zum Vorkrisenzeitraum haben sich die Ausgaben hingegen kaum verändert. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man sich noch einmal vor Augen hält, dass die Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen seit Jahren eher unterirdisch verläuft, während Unternehmens- und Vermögenseinkommen weiter explodieren.
Quelle: Michael Schlecht, MdB
Bei diesen Zahlen kann das Konsumklima noch so sonnig aussehen, aber was die reale Kaufkraft anbelangt, herrscht weiterhin eisige Kälte. Falls trotzdem mehr Geld in Lohnverhandlungen herausspringen sollte, was durchaus anzunehmen ist, wird man das sicherlich für steigende Gesundheits- und Pflegekosten sowie höhere Energiepreise beiseite legen müssen. Ich hatte ja bereits darüber berichtet, dass die Aufschwungsabsäufer in ihrer jüngsten Gemeinschaftsprognose davon ausgehen, dass die Einkommen um 1,4 Prozent steigen werden, aber auch die Verbraucherpreise um 1,4 Prozent bei gleichbleibender Sparquote. Wie unter diesen Voraussetzungen ein Aufschwung vom privaten Konsum getragen werden soll, bleibt nach wie vor ein Rätsel der Konsumklima- und vorweihnachtlichen Kaufrauschverkünder.
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich habe gerade den Aufruf “Vermögensteuer jetzt!” unterschrieben, der von Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ (Nell Breuning Institut), Prof. Dr. Rudolf Hickel (Memorandum-Gruppe Alternative Wirtschaftspolitik), Detlev von Larcher (Attac), Wolfgang Lieb (nachdenkseiten.de), Nicola Liebert (Tax Justice Network), Wolfgang Pieper (ver.di, Leiter Grundsatz und Vorstandssekretär) und Ernst Prost (Geschäftsführer Liqui Moly GmbH) initiiert wurde. Der Aufruf fordert die Wiedereinführung der Vermögensteuer auf große Vermögen.
Ich kann Ihnen diesen Aufruf nur empfehlen und würde mich freuen, wenn Sie ihn auch unterzeichnen würden.
Hier der Link:
http://www.vermoegensteuerjetzt.de
Vielen Dank und viele Grüße
André Tautenhahn (adtstar)
Über Krieg und Frieden haben sich Menschen viel Gedanken gemacht – und obwohl der Krieg schonmal als „Vater aller Dinge“ verherrlicht wurde, finden die meisten Menschen dieses Planteten Krieg doof – erst recht die, die gerade einen haben. Wir haben ja jetzt auch auf einmal gemerkt, das Krieg ist. Ganz plötzlich. Gott sei Dank haben wir jetzt einen Adeligen als Verteidigungsminister, sonst hätten wir das ja nie gemerkt, aber die kennen sich ja aus mit der Kriegführerei, haben ja jahrtausendelang nichts anderes gemacht.
Die Politik, die Gesellschaft – zu lange hätten sie die Augen vor den Realitäten im Einsatzgebiet verschlossen, zu lange wurde nicht von „Krieg“ in Afghanistan gesprochen.
Was ist das eigentlich: Krieg? Es wird immer oft davon geredet, doch wissen die wenigsten, was das wirklich ist. Der letzte echte Krieg in diesem Land ist 65 Jahre her, nur noch Rentner haben ihn erlebt – und auch die waren damals noch jung. Mahner werden meinen: Krieg hat was mit Ballerspielen zu tun. Weit gefehlt … es sei denn, auch ein Jäger würde Krieg gegen Kaninchen führen. Die Jagd … macht auch Frauen Freude. Ich kenne begeisterte Jägerinnen, die ihr Geld als Ärztin verdienen und nebenbei in der Praxis Yogakurse anbieten.
Wir sollten also Jagd und Krieg trennen … obwohl es bei beiden Formen der Auseinandersetzung um „haben“ geht:
http://de.wikipedia.org/wiki/Krieg
Das Wort „Krieg“ bedeutet ursprünglich „Hartnäckigkeit“, „Anstrengung“, „Streit“.[2] Das Verb „kriegen“ heißt einerseits „Krieg führen“, andererseits „bekommen, erhalten“: Dies kann Herkunft und Charakter dieser kollektiven Gewaltanwendung anzeigen. Auch wo andere Kriegsanlässe im Vordergrund stehen, fehlt selten ein ökonomischer Hintergrund.
Ich denke, mit etwas Anstrengung kann man aus diesem „selten“ auch ein „nie“ machen, denn ich vermute mal, das man auch hinter jedem Genozid handfeste wirtschaftliche Interessen finden kann – außer bei denen natürlich, wo der Grad der geistigen Zerrüttung die Freude am Krieg führen bestimmt. Und ein Staat … ist ursprünglich immer auf Raub gegründet. „Das Land ist meins!“ – steht am Anfang jeder Staatsgründung. Gäbe es in Afghanistan keine Rohstoffe, würde keine Sau dort die saudi-arabischen Terroristen des 11.9.2001 bekämpfen wollen. Immerhin ist Krieg eine Investition, man benötigt Kredite und die Geldgeber wollen Sicherheiten – selbst wenn das Land noch einen König hat. Das konnte man schon von den Fuggern lernen.
Krieg ist einfach. Waffe nehmen, abdrücken: Schluß mit lustig. Oder man hungert den Feind aus, das geht auch, da stirbt er dann von alleine und man muß sich nicht auch noch die Hände schmutzig machen.
Frieden hingegen – ist schwerer:
http://de.wikipedia.org/wiki/Frieden
In der wissenschaftlichen Diskussion unterscheidet man zwischen dem oben genannten engen Friedensbegriff, der die Abwesenheit von Konflikten beinhaltet, und einem weiter gefassten Friedensbegriff. Letzterer umfasst neben dem Fehlen kriegerischer Gewalt, bei Johan Galtung direkte Gewalt genannt, auch das Fehlen kultureller und struktureller Gewalt. Nach dieser Definition bedeutet Frieden also zusätzlich das Fehlen einer „auf Gewalt basierenden Kultur“, sowie das Fehlen repressiver oder ausbeuterischer Strukturen. Ein struktureller Frieden wäre die konkrete Utopie eines sozialen Zusammenlebens in Harmonie und ohne Statuskämpfe und „Reibungsverluste“. Frieden wird hier positiv definiert als „die Fähigkeit […], Konflikte mit Empathie (= der Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellung und Mentalität anderer Menschen einzufühlen), mit Gewaltlosigkeit und mit Kreativität oder spielerisch zu klären und zu lösen.“ Dies erfordert neben kommunikativer Friedensarbeit das Erkennen der Bedeutung von „Rechtskommunikation“ und eine intensivere Beschäftigung mit den Ursachen streitlegenden Verhaltens, das mit „Machtkommunikation“ Streiteskalationen provoziert und begünstigt.
Ich denke, wir sollten diesen weiter gefaßten Friedensbegriff nehmen, damit nicht wieder irgendein Adelshampel uns nachher vorwirft, wir hätten da wieder was aus Überforderung verharmlost – diesmal wollen wir alles richtig machen, denn: möglicherweise haben wir ja auch Krieg im eigenen Land. Wo es Verteilungskämpfe gibt, sollte es doch vorher einen Krieg gegeben haben, der die Beute auf die Seite der Verteiler gebracht hat.
Verteilungskämpfe haben wir auf jeden Fall beim Krieg um das Sozialbudget und der tobt immer weiter. Die Bastion der Arbeitslosenversicherung wurde schon erfolgreich geplündert – mit gravierenden Folgen für Staatstreue und Demokratieempfinden der Bürger – die Rentenversicherung ist noch zu mächtig aber das klar definierte Fernziel, die Gesundheit jedoch ist als zweitgrößter Posten des Sozialbudgets ist in greifbarer Nähe, also toben die Verteilungskämpfe erstmal dort:
http://www.manager-magazin.de/politik/artikel/0,2828,706513,00.html
Die gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr etwas mehr Gewinne verbucht als erwartet. Der Überschuss lag rund 300 Millionen Euro höher als zunächst geschätzt und betrug 1,4 Milliarden Euro.
Die Krankenkassen haben Gewinne erwirtschaftet, weshalb wir jetzt alle noch mehr bezahlen müssen. Ist ungefähr so, als wenn der Ober nochmal mit der Rechnung kommt, nachdem wir bezahlt haben. Und weil wir alle so unermeßlich blöde sind, merken wir das nicht einmal und zahlen in Zukunft gerne noch mehr. Auch Kopfpauschalen. An Fuß- Bauch- und Handpauschalen wird ebenfalls gearbeitet, Ärzte sind da erfinderisch. Wenn´s um Geld geht, operieren die auch schon gerne mal ohne Zulassung, Hauptsache, man kann es abrechnen:
http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/aerztepfusch-in-drk-kliniken/
Jahrelang sollen Ärzte an DRK-Kliniken Patienten operiert haben, obwohl sie dafür nicht ausgebildet waren.
Toll, oder? Na ja, Löcher in Menschen machen kann jeder. Dann ein bischen rumrühren in den Innereien, wieder zunähen und man ist den Malediven und dem Ferarri schon wieder ein Stück nähergekommen. Ärztepfusch geschieht nur selten? Leider nicht:
http://www.netdoktor.de/Magazin/Die-fehlbaren-Goetter-in-Weis-10481.html
Schwächen eingestehen? Diese Eigenschaft ist unter Ärzten nicht gerade weit verbreitet. Mediziner gehen mit ihren Missgeschicken jedoch freimütiger um als gedacht. In einer aktuellen Umfrage gaben von 985 Ärzten rund 95 Prozent ärztliche Pannen zu
95% … aber für diese Leistung möchte man natürlich gut bezahlt werden. Manche Menschen möchten gut dafür bezahlt werden, das sie sich morgens erfolgreich die Socken anziehen. Des Menschen Wunsch ist halt sein Himmelreich.
Demnach zählt das Risiko, an Kunst- und Behandlungsfehlern im Krankenhaus zu sterben zu den zehn häufigsten Todesarten – noch vor Aids und Brustkrebs. Rothmund forderte seine Zunft auf, eine „Politik des Schweigens“ zu beenden und Konsequenzen zu ziehen.
Mehr Todesfälle durch Ärztepfusch als durch den Straßenverkehr … aber unsere Streitkräfte operieren in Afghanistan. Dieser Artikel ist etwas älter … geändert hat sich seit dem nichts, außer das einige hundertausend Menschen durch den medizinischen Komplex umgebracht oder verstümmelt worden sind – zum einen, weil es Geld bringt und zum anderen, weil man immer irgendwo ein perverses Genie findet, das Frauen gerne die Brüste abschneidet. Da hat schon so mancher die Abweisungen durch hübsche Mädchen in der Schulzeit bitter gerächt. Ärzte sind nämlich auch nur Männer – in Wirklichkeit.
Und wem jetzt noch nicht schlecht ist, der findet hier auch noch mehr:
http://www.aerztepfusch-linkliste.de/
Trotz dieser Leistungsbilanz hört die Gilde der Brustabschneider zu den gierigsten im Lande. Gerade noch ordentliche Zuwächse gehabt, stehen sie jetzt schon wieder auf der Straße:
http://www.welt.de/wirtschaft/article8472147/Hausaerzte-wollen-aus-Protest-Praxen-schliessen.html
Patienten müssen sich auf geschlossene Praxen vorbereiten. Die Hausärzte wollen einem Bericht zufolge gegen die Gesundheitsreform streiken.
1. Halbjahr 2008: 89.839
1. Halbjahr 2009: 92.720
Veränderung: 3,2 Prozent
Da kann man nur sagen: stimmt. Das ist wenig. Da hat ja ein Pharmareferent mehr. Viele von denen kommen übrigens als Zeitsoldaten von der Bundeswehr, es gibt auch Pharmafirmen, die stellen grundsätzlich keine religiösen Menschen ein oder auch keien Wehrdienstverweigerer. Der Dienst an der Pille fordert den ganzen Mann, da kann man keine Zimperlieschen gebrauchen. Immerhin geht es um Leben und Tod … und man braucht Leute, die die gewieften Mediziner in die Tasche stecken können. Immerhin soll der Arzt verschreiben, was die Firma will und nicht, was Kassen oder Patienten Nutzen bringen würde. Und es bedarf schon außerordentlicher Überzeugungskünste um solchen Giftmüll noch an den Mann zu bringen:
Der britische Pharmakonzern Glaxo Smithkline hat bei seinem umstrittenen Diabetes-Mittels Avandia einen wichtigen Teilerfolg errungen: Trotz möglicher Herzrisiken sprach sich ein Beratergremium der US-Gesundheitsbehörde FDA nach zweitägigen Beratungen mehrheitlich für eine weitere Vermarktung des umstrittenen Medikaments aus.
Ich kenne mich ein wenig aus mit Thiazolidindionen, alldieweil ich Glaxomitarbeiter zu dem Thema Ende der neunziger Jahre ausgebildet habe. Schon damals stand fest: das Zeug bringt Leute um. Deshalb waren alle froh, das es nicht kam. Jetzt … ist es da, wird bleiben und noch mehr Leute umbringen.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,679261,00.html
Das Diabetes-Medikament Avandia ist offenbar schwer gesundheitsschädlich. Das berichtet die Online-Ausgabe der „New York Times“ („NYT“) unter Berufung auf einen internen Regierungsbericht. Dem vertraulichen Dokument zufolge könne das Medikament der Firma GlaxoSmithKline tödliche Herzkrankheiten auslösen. Allein im dritten Quartal 2009 habe das Mittel mit dem Wirkstoff Rosiglitazon 304 Tode verursacht.
Aber immerhin steht das dann im Beipackzettel. Und zwar so, das das keiner verstehen kann. Dann sind alle abgesichert. Ich denke, solche Streifzüge durch die Welt der Medizin sind mal wichtig, damit man andere Meldungen erfolgreich verarbeiten kann:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,706575,00.html
Patienten sollen künftig einen Teil ihrer Arztrechnung aus der eigenen Tasche bezahlen – und so eher auf teure Behandlungen verzichten. Dies fordert eine Beraterkommission der Bundesregierung.
Das wird letztendlich viele Leben retten. Weil man nicht mehr hingeht. Aber was wir ja jetzt gelernt haben: Frieden – ist anders.
Nochmal, damit es nicht untergeht? Hier:
Nach dieser Definition bedeutet Frieden also zusätzlich das Fehlen einer „auf Gewalt basierenden Kultur“, sowie das Fehlen repressiver oder ausbeuterischer Strukturen.
Wir schießen momentan nicht in Deutschland. Aber wir sterben trotzdem – und Pharmafirmen, Apotheken und Ärzteschaft streiten sich wie ein hungriges Rudel Hyänen um die Beute….und die ist dieses mal sechsmal so hoch wie die Beute, die man durch die Enteignung der Arbeitslosen erziehlt hat. Mit Hilfe dieser Beute hat die BA immerhin einige hoch bezahlte Stellen für persönliche Freunde besetzen können.
Frieden … nochmal … Frieden ist anders. Ganz anders. Aber er macht nicht so viele Leute krank wie Krieg – und an Gesundheit kann man überhaupt nichst verdienen.
Und weil es gerade so paßt, noch ein paar Zitate:
http://www.miprox.de/Sonstiges/Arzneimittel-Tollhaus-Deutschland.htm
Deutsche Chirurgen amputieren bei Zuckerkranken viel zu häufig: In unseren Kliniken werden pro Jahr fast 30 000 Amputationen vorgenommen. „Das sind viel mehr als in anderen europäischen Staaten wie Frankreich, den Niederlanden, Italien und den skandinavischen Ländern“, sagte Hans Henning Wetz von der Universität Münster. „Es könnten 8000 bis 10 000 weniger sein.“ Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Deutschland schon vor Jahren in einer Deklaration aufgefordert, die Amputationen bei Zuckerkranken zu halbieren.
Derzeit werden auf Grund von jährlich vier Millionen „grauen Mammographien“ 100 000 Frauen operiert, die nicht operiert werden müssten, wenn stattdessen mit der Qualität der europäischen Nachbarländer wie zum Beispiel der Niederlande gescreent würde, heißt es in einem Gutachten des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Von den jährlich 100 000 operierten Frauen sterben im Schnitt 4000.
…
Kein Wunder, dass auch die Zahl der durch Arzneimittel geschädigten Patienten ohne direkte Todesfolge ungeheuer groß ist. So kam Professor Wehling an seinem Mannheimer Institut zu einem nicht weniger skandalösen Resultat: Mehr als zwei Millionen ältere Menschen über 60 Jahre müssen jährlich nur deshalb in Kliniken eingewiesen werden, weil sie von niedergelassenen Ärzten unsachgemäß mit Medikamenten behandelt werden.
…
Nach Prof. Dr. Peter Schönhöfer, Pharmakologe und seit vielen Jahren Mitherausgeber des unabhängigen Arznei-Telegramms in Berlin, steht zweifelsfrei fest: „Das allgemeine Handlungsprinzip im deutschen Gesundheitswesen ist Betrug.“ Mit einer im medizinischen Fachschrifttum seltenen Deutlichkeit hat sich auch die altehrwürdige Münchner Medizinische Wochenschrift in die gesundheitspolitische Diskussion eingemischt. Unter der Überschrift „Weiße Kittel und schmutzige Hände“ nahm das angesehene Ärzteblatt den Medizinbetrieb als „Unrechtssystem“ ins Visier und zitierte den Leiter der Sonderkommission „Abrechnungsbetrug“ beim Bundeskriminalamt, Raimund Schmidt, mit einer vernichtenden Feststellung: „Die kriminellen Strukturen im Gesundheitswesen sind nur noch vergleichbar mit der ‚organisierten Kriminalität‘.“
Darum möchte ich hier deutlich sagen: Wir befinden uns im Krieg. Es wird gestorben, verstümmelt, vergiftet, betrogen … nur geschossen wird nicht. Wurde aber im Mittelalter auch nicht – und aus der Sicht des Opfers ist mir relativ egal mit welcher Absicht ich umgebracht werden. Afghanistan ist ein Witz gegen das, was einem blühen kann, wenn man zum Arzt geht:
Angesichts der von ihm geschätzten 30 000 Arzneimitteltoten pro Jahr sei nun vor allem die Politik zu raschem Handeln aufgefordert; denn die durch diese Todesfälle verursachten Folgekosten allein beziffert Frölich auf mehr als 30 Milliarden Euro pro Jahr. Noch bizarrer sind die Untersuchungsergebnisse seines Kollegen Wehling, der jüngst in dem angesehenen Fachjournal Deutsche Medizinische Wochenschrift die Vermutung anstellte, dass von den 500 000 Todesfällen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen wahrscheinlich 100 000 verhindert werden könnten, wenn die Patienten nicht die falschen Arzneimittel bekämen.
Das ist nicht nur Krieg, das ist ein Vernichtungskrieg – auch wenn die Weißkittelkrieger noch so freundlich lächeln. Das konnten die Mongolen auch.
Das Wissenschaftliche Institut der Allgemeinen Ortskrankenkassen hat errechnet, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung im gleichen Maße sinke wie die Arztdichte in Ballungsräumen zunehme. Der renommierte Medizinpublizist Dr. med. Hans Halter ist auf Grund eigener Nachforschungen zu ähnlich alarmierenden Ergebnissen gelangt: „Bürger, die in einem Gebiet mit vielen Ärzten und reichlich Krankenhäusern wohnen, verwandeln sich rascher in Patienten, werden häufiger operiert, nehmen mehr nebenwirkungsreiche Medikamente und sterben, gemessen am statistischen Durchschnitt, früher.“
Aber anders als in Afghanistan nennen wir dies jetzt auch mal ganz deutlich: Krieg. Damit nicht der nächste Adelige uns in Zukunft wieder sagen kann, wir hätten da etwas verharmlost. Doch dafür wissen wir jetzt auch, warum das alles so teuer ist.
Kriege kosten Geld.