Freitag, 6.6.2014. Eifel. Heute ist D-Day – Tag der Befreiung … jedenfalls Tag der Befreiung Europas von einer Kultur der industriellen Menschenvernichtung und professionalisierten Menschenausbeutung. Der Cameron – so heißt es – hat dem Putin nicht die Hand gegeben – welch´ ein Eklat. Das wird heute in den Kantinen, Eckkneipen und Wohnzimmern für helle Aufregung sorgen: Cameron gibt Putin nicht die Hand: was wird es da wieder zu diskutieren geben! Eine deutliche wichtigere Nachricht findet jedoch keine Gnade vor den strengen Augen der Zensoren, sie wurde in die Keller und Archive verbannt, dabei ist ihre Brisanz für das deutsche Volk (und ganz Europa) wesentlich höher einzustufen als der Kinderkram der EU-Fürsten bezüglich des Staatschefs einer Nuklearmacht.
Vor wenigen Tagen warnte der Herr Draghi die Banken und Investmentprofis vor dem großen Knall, der in Insiderkreisen schon lange erwartet wird. Man sucht die Nachricht vergeblich in den großen Wirtschaftsblättern der Nation, deren Informationen Grundlage für jede wirtschaftliche Planung des Landes sind. Nur ein kleines Internetmagazin bringt einen Hinweis auf den bevorstehenden Supergau: die Deutschen Wirtschaftsnachrichten, gerne als „rechts“ verschrien, wie alles, was nicht auf Drei die Meinung des Bundeskanzleramtes wiederspiegelt:
Die Europäische Zentralbank (EZB) warnt angesichts der Rekordjagd an den Börsen vor einem Kurseinbruch. Wegen der Suche der Investoren nach Rendite stiegen die Risiken für die Finanzstabilität. Dies könnte die „Möglichkeit eines scharfen und ungeordneten Abbaus der jüngsten Kapitalflüsse“ auslösen, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Finanzstabilitätsbericht der Notenbank.
„Ich habe keine Empfehlung für die Investoren, aber sie sollten sich dieser Risiken bewusst sein und versuchen, sich zu schützen“, sagte EZB-Vizepräsident Vitor Constancio der Nachrichtenagentur Reuters. Die Krise in der Ukraine zum Beispiel könnte die gute Stimmung kippen. „Die Banken sollten darauf vorbereitet sein“, warnte Constancio.
Die Investoren und die Banker sollten darauf vorbereitet sein – und die Bürger? Warum steht dieses Nachricht nicht an der Spitze der deutschen Leitmedien? Wieso ist Camerons Händeschüttelallergie wichtiger als der Zusammenbruch aller Versorgungsstrukturen in Deutschland und Europa?
Es sind Fragen, die nicht nur mich beschäftigen.
Nun hat der DAX gestern die 10000´er Marke geknackt – so hoch stand er noch nie. Im Prinzip eine gute Sache – hätten wir noch Marktwirtschaft, so könnten wir uns über äußerst erfolgreiche Firmen freuen: doch Grund für den Höchststand ist nicht die Leistungskraft der deutschen Wirtschaft, sondern in Massen gedrucktes billiges Geld, das die mögliche Deflation im Euroraum bekämpfen soll. „Deflation“ heißt: Geld wird mehr wert. Eigentlich eine gute Nachrichten für die Bürger – endlich sinken die Preise mal wieder. Vielleicht wären sogar Spritpreise unter zwei Mark drin? So ein Deflation könnte den Konsum schon richtig ankurbeln, für mehr Reichtumsgefühl innerhalb der Bevölkerung sorgen – und für den langsamen Abbau der grassierenden Armut – doch so etwas geht nicht mit der deutschen Wirtschaft. Die hat andere Probleme:
Besorgnis äußerten die Währungshüter jedoch über die nach wie vor geringe Profitabilität vieler Banken. Auch fänden sich in den Bilanzen der Geldhäuser immer noch zu viele faule Kredite. „Bislang scheint hier der Wendepunkt noch nicht erreicht“, hieß es.
Zudem hätten mehr als die Hälfte aller Großbanken in der Euro-Zone im zweiten Halbjahr 2013 Verluste geschrieben.
Rettet die Großbanken – dafür opfern wir uns gerne auf. Wie das Opfer für Normalsterbliche aussieht, beschreibt aktuell der Spiegel:
„Erst habe ich gedacht, ich hab mich verhört“, erzählt Anja Helffenstein, 41. Bereits seit 17 Jahren arbeitet sie für ein Postunternehmen in Wittenburg, mit einer längeren Unterbrechung. 88 Arbeitsverträge hat sie in dieser Zeit unterschrieben. Der letzte lief Ende April aus. Als sie sich Anfang des Monats nach einem Folgevertrag erkundigte, teilte man ihr mit, es gebe keinen mehr. Der Grund: Sie habe Anfang des Jahres nicht eingesetzt werden können. Nach Neujahr war Helffenstein eine Zeitlang krankgeschrieben gewesen. Seit dem 1. Mai ist sie nun arbeitslos.
Soviel Dreistigkeit und Ausbeuterlust macht fassungslos: 88 Zeitverträger hintereinander … und dann wegen Krankheit entsorgt. Und das ist kein Ausnahmefall:
Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsbildung (IAB) ist der Anteil befristeter Neueinstellungen zwischen 2001 und 2011 von 32 auf 45 Prozent gestiegen.
Anders formuliert: der Abbau des klassischen Arbeitsverhältnisses, das Grundlage für die soziale Marktwirtschaft war, schreitet schleunigst voran: noch ein paar Jahre weiter, und wir haben die „ewige“ Probezeit eingeführt, ein Leben in Angst und Planungsunsicherheit geschaffen, das familiäre Existenzformen unmöglich macht und den Tagelöhner als Standardmodell einführt.
Davor warnen auch andere, siehe Frankfurter Rundschau:
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat vor dem weiteren Abbau staatlicher Sozialleistungen in Ländern der Europäischen Union (EU) gewarnt. «Zusammen mit anhaltender Arbeitslosigkeit, niedrigen Löhnen und hohen Steuern haben diese Maßnahmen zu mehr Armut und sozialer Ausgrenzung geführt», kritisiert die UN-Sonderorganisation in ihrem am Dienstag veröffentlichten «Weltbericht zur sozialen Sicherung 2014/2015».
Wie gesagt: Deflation – und damit eine dringend notwendige Korrektur der auseinanderdriftenden Wirtschafts- und Handelsmacht der Marktteilnehmer – wäre für viele zu begrüßen. Möglicherweise würde dann die staatliche reglementierte Ausstattung mit Sozialhilfe wieder für die Erprobung politischer Experimente wie den Aufbau von Selbstversorgergenossenschaften oder bürgernahen Parteien ausreichen: der Kampf ums tägliche Brot fordert sonst einfach zuviel Energie, um noch Zukunft aktiv gestalten zu können.
Aber das ist nicht gewünscht. Der Erfolgsautor Harvey Friedmann (siehe Bankster-Club.eu) benennt auch unverblümt die Gründe für diese Haltung:
Nicht ohne Grund warnt die EZB vor einem Crash, sie wissen wie katastrophal die Bankbilanzen aussehen und es soll zugleich eine Warnung an die kriselnden EU-Regierungen sein, die jetzige Geldpolitik der EU durch fehlende Unterstützung nicht zu konterkarieren. Ein Politikwechsel der EZB würde zu einem Kollaps der Finanzmärkte führen. Das wollte uns die EZB sagen.
Sehr aufschlussreich: die Begegnung des Autors mit dem österreichischen Finanzminister während eines Fernsehauftrittes im österreichischen Sender Puls 4: das Engagement der Oberschichtsjournalistin spricht Bände, deutlicher hat man die neue Aufgabe der Medien selten studieren können: den Schutz der Bankensprecher (hier: Politiker) vor der Öffentlichkeit. Hat man das gesehen, weiß man, warum man den Fernseher getrost auslassen kann: dort gibt es rund im die Uhr Bankenpropaganda – sonst werden Kredite und Aufsichtsratspöstchen gestrichen.
Wie die realen Machtverhältnisse in Europa sind, verrät ein älterer Artikel aus dem Manager-Magazin: „Mario Draghi, Europas letzter Alleinherrscher“ – so lautet die Überschrift, die allein schon die D-Day-Mächte auf den Plan rufen müßte. In Zeiten, wo politisch angeblich Linke den Beweis der Verstrickungen der privaten Bankwirtschaft in Kriege und illegale Machenschaften als „neurechts“ zu verkaufen versuchen, finden wir in diesem Magazin ein schönes Bild aktueller politischer Realitäten:
Das roch nach harter Arbeit für einen, der kaum etwas lästiger findet als Empfänge, Small Talk und deutsche Geldpolitiker. Am gesellschaftlichen Leben der Mainmetropole nimmt der menschenscheue Währungshüter so selten wie nötig teil. Die Hochfinanz jedenfalls ließ sich die seltene Gelegenheit nicht entgehen, den EZB-Chef aus nächster Nähe zu erleben – bei Carpaccio von Roter Bete, bayerischem Rind in Senfkruste und Apfelküchlein an Nusskrokant.
An Draghis Tafelrunde nahmen neben Weidmann unter anderen Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen (65), die Präsidentin der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Elke König (60), Mark Carney (49), der Gouverneur der Bank of England, sowie die neue EZB-Bankenaufseherin Sabine Lautenschläger (49) Platz – allesamt Hochkaräter mit Systemrelevanz. An den Katzentischen dinierten Landes- und Investmentbanker, Verbandsfürsten, Ministerialbeamte und Lobbyisten.
Da hält ein Kaiser Hof, ein neuer Napoleon. Seine Armeen? Unerträglich unerschöpfliche Geldmassen, die unbegrenzt in die Märkte gepumpt werden – nur um dann von den Banken wieder bei der EZB geparkt zu werden.
Das Ergebnis? Befristete Kettenverträge – und die soziale und wirtschaftliche Eliminierung von Arbeitnehmern im Krankheitsfalle. So weit ist es schon gekommen.
Im Spiegel wird derzeit – mal wieder – über das „Ende des Kapitalismus“ fantasiert, das Ende einer Kultur, in der sich Geld ohne Risiko automatisch von selbst vermehrt (siehe Spiegel): das negative Zinssätze in letzter Konsequenz eine Enteignung der Sparer darstellen, erkennen momentan nur wenige. Die Hoffnung, dass das so frei gewordene Kapital endlich wieder zu den Menschen und in die Unternehmen fließt, hat sich schon in den letzten Jahren nicht erfüllt: statt dessen landet das Geld auf dem Aktienmarkt. Jeder Laie kann verstehen, was dort geschieht: die Banken kaufen in großen Mengen die Papiere jener Unternehmen, AN DENEN SIE SELBST BETEILIGT SIND. So werden die PREISE KÜNSTLICH NACH OBEN GETRIEBEN – und Werte geschaffen, die real gar nicht existieren – die aber wieder schöne „Sicherheiten“ für neue Kredite sind, mit denen man weiter Aktien kaufen kann.
Die Zombiebanken rechnen sich die Welt schön – ein Schneeballsystem, das MIT SICHERHEIT zusammenbrechen wird.
Was heißt das für uns Bürger in Europa?
Wir werden den Gürtel so eng schnallen müssen, dass er um ein Handgelenk passt … oder um den Mittelfinger. Niemand, der noch echte Werte besitzt, wird diese gegen das schnöde Geld der Bankster hergeben: hier kann jeden Tag der Moment kommen, wo alle erkennen, dass es überhaut keinen Wert mehr hat.
Dieses Mal jedoch werden wir vergeblich auf Retter warten, die an den Küsten der Normandie landen. Zwar ist Europa wieder im Zangengriff eines Alleinherrschers, der die gewählte Politik an „Katzentischen“ verbannt, zwar leidet das ganze europäische Volk wieder unter dem Terror einer ausbeuterischen Partei (diesmal nicht um eine politische Partei gruppiert, sondern um eine wirtschaftliche Fraktion: den Banken), die wieder einmal alle Schaltstellen der Macht für sich besetzt hat: aber es gibt weit und breit keine Allianz der Gegenkräfte.
Kaum etwas illustriert das herrschende Wahn-System besser als die letztjährigen Bonizahlungen des deutschen Eliteinstituts „Deutsche Bank“ – siehe Spiegel:
Für die Deutsche Bank war 2013 ein verheerendes Jahr: Ein Skandal jagte den nächsten, das Image litt, und am Ende stand für das sonst so erfolgsverwöhnte Geldhaus ein Mini-Gewinn von gerade mal noch 681 Millionen Euro – rund 400 Millionen Euro weniger als noch vor wenigen Wochen vermeldet.
In den Gehältern der Top-Banker schlägt sich die schwierige Lage kaum nieder. So zahlte die Bank im vergangenen Jahr wie im Vorjahr insgesamt 3,2 Milliarden Euro an Boni aus. Der Großteil davon, 2,1 Milliarden Euro, floss an die Mitarbeiter der Investmentbanking-Sparte. Inklusive Grundgehalt verdienten die rund 25.000 Investmentbanker sogar 4,5 Milliarden Euro – im Schnitt etwa 180.000 Euro pro Kopf.
Keine Familie könnte so wirtschaften. Keine Wirtschaft könnte sich erlauben, dass Bonuszahlungen den Gewinn um das Vierfache übertreffen – und keine Volkswirtschaft wird das lange überleben – aber die Oberschichtsmedien, die Politiker an den Katzentischen und sämtliche Entscheider und Funktionäre (sogar Bundestagsabgeordnete und Kirchenfürsten) profitieren von den Segnungen der „Partei“ der Bankster – hier wird niemand auch nur den kleinen Finger heben, um das System zu beenden.
Der Kapitalismus wird nicht einfach enden. Wir werden enden – wie Anja Helffenstein. Ja – schauen wir doch mal genau hin, was sie jetzt erwartet, was „die Wirtschaft“ für sie noch zu bieten hat, damit die Boni weiter fließen können – wie die Diäten und Sonderzuwendungen für die ausführenden Organe des Bankenterrors in Wirtschaft, Gesellschaft, Medien und Politik.
Sie ist arbeitslos, wegen Krankheit entlassen, über vierzig: sie wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Mammutbehörde „Jobcenter“ zur Last fallen müssen. Dort erwartet sie erstmal eine sofortige Einschränkung ihrer bürgerlichen Freiheiten und bei Befehlsverweigerung (bzw. anderweitig mangelnder Verwertbarkeit) die schleichende Exekution durch „Sanktionen“, d.h. Totalverweigerung von lebensnotwendiger Versorgung.
Liest man als Reicher nicht gerne, hört man als Politiker nicht gerne so formuliert, will man als Nutznießer das Systems auch absolut nicht wahr haben – ist aber für Millionen von Menschen in Deutschland eine Tatsache. Und sie dürfen sich noch glücklich schätzen: in den Südländern der EU wurde die Versorgung der Bevölkerung schon versuchsweise einfach eingestellt – mit verheerenden Folgen.
Ich möchte die Gräuel der Konzentrationslager nicht verharmlosen: sie übertreffen den momentanen Zustand Europas bei weitem. Die philosophische Sicht befiehlt jedoch einen strengen Blick auf die PRINZIPIEN einer Kultur, also ihre QUALITÄT: und die ist seit einigen Jahren ebenso menschenverachtend wie schon zu Zeiten des D-Day. Die Quantität der Massenvernichtung unwerten Lebens ist noch lange nicht erreicht – ich fürchte jedoch, sie wird alternativlos eintreten, wenn wie die grundlegenden Prinzipien nicht ändern.
Hierzu müssen wir uns zuerst einmal vor die Wirtschaft stellen – vor die Gesamtwirtschaft – und ihr klar sagen: Ihr habt versagt. Total. Das System ist eine Katastrophe. Auch die bundesdeutsche Demokratie hat versagt – hier sind deutliche, scharf einschneidende Reformen notwendig, um das Land wieder auf einen Kurs zurückzuführen, der von den Vätern des Grundgesetzes erträumt war … und der Deregulationen der Finanzmärkte in Zukunft unmöglich macht – selbst dann, wenn Sozialdemokraten und Grüne dies wieder innigst wünschen.
Und dann brauchen wir einen neuen D-Day.
Hier zu warten, bis wieder einer kommt und uns von unserem Wahnsystem befreit, wird nichts fruchten: es ist niemand mehr dort draußen, der uns „die Demokratie“ bringen kann.
Aber es sind genug hier drinnen, die was ändern können, bevor „unwertes Leben“ aus Gründen der „Finanzmarktstabilität“ wieder kostengünstig entsorgt wird … was wir im Prinzip durch Hartz IV schon jetzt machen. Nicht durch das Prinzip des Förderns und Forderns, was einst angedacht war, sondern durch das Prinzip der Entrechung und Sanktionierung, das aktuell gelebt wird.
Was Oberschichtsjournalisten nicht verstehen: hierin liegt die Ursache der Sympathie der Deutschen für Putin begründet: Sanktionierte treffen auf einen Sanktionierten. Einem totalsanktionierten „Sozialschmarotzer“ wie Ralph Boes würde Cameron auch nicht die Hand geben.
Deprimierend?
Überhaupt nicht. Die Akzeptanz von Wahrheiten mag unbequem sein – ist aber immer der erste Schritt zur Verbesserung der Verhältnisse.
Deshalb an dieser Stelle nur mal eine Frage: Wenn Sie auf einer einsamen Insel stranden würden, die fernab aller Verkehrswege liegt was hätten sie lieber dabei?
Eine Kiste voller Werkzeug und Saatgut, eine Gruppe fleißiger Menschen, die damit umgehen können – oder einen Karton voller Geldscheine?
Wir haben Glück – als Volkswirtschaft. Wir haben Ersteres – nur den Karton haben die anderen.
Von mir aus können die den auch behalten – „wir“ brauchen ihn nämlich nicht.