Disziplin

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Die Rente, die Disziplin, Auschwitz und das Paradies

Wir leben ja im Paradies. Doch wirklich. Viele werden es nicht glauben, weil sie unter individuellen Wahrnehmungsstörungen leiden, aber: wir leben im Paradies. Und: die Rente ist sicher.

Jetzt gehen sogar die Arbeitslosenzahlen zurück. Und bald haben wir gar keine Arbeitslosen mehr. Die Bertelsmannstiftung hat das ja jetzt bewiesen:

Als Berufe mit guten Zukunftsaussichten nennt die Studie zum Beispiel Gesundheitsberufe wie Altenpfleger, Krankenschwester und Sprechstundenhilfe oder sozialpflegerische Berufe wie Heimleiter oder Sozialarbeiter.

Quelle: Welt

Natürlich werden wir ein Problem mit dem Sozialbudget bekommen, denn all diese Jobs mit Zukunft werden gerade eben aus diesem Budget bezahlt. Machen wir als aus Hartz-IV-Billigstüberlebenden bezahlte Arbeitskräfte im Gesundheitsbereich (was ja heute schon ginge, der Bedarf ist da) , so explodiert des Sozialbudget erst recht. Gesundheit ist teuer, deshalb haben wir soviele Kranke im Land.

Es wird auch Arbeitsplätze in vielen anderen Lebensbereichen geben, vor allem Akademiker werden sehr glücklich und unermeßlich reich, obwohl ….

Arbeitsplätze in der Produktion werden zwar weiterhin ins Ausland verlagert, dennoch sind die Berufsaussichten für qualifizierte Arbeitnehmer in Deutschland gut.

Als Laie fragt man sich einfach mal so nebenbei: womit verdienen wir denn dann das Geld? Autos und Maschinen bauen doch andere. Was machen wir dann, wir kriegen wir Kapital ins Land, wer zahlt letztlich für unsere Arbeit?

Dazu kämen Dienstleister wie Gästebetreuer, Hotel- und Gaststättenpersonal oder Flugbegleiter. Besonders zukunftsfest seien auch die Arbeitsplätze von Kaufleuten in der Datenverarbeitung, im Speditions- und Rechnungswesen, im Fremdenverkehr oder der Werbung, meinen die Autoren der Studie.

Wer nichts wird, wird Wirt, das wußte man schon früher.  Aber auch der Wirt braucht doch zahlende Kundschaft. Sicher, Frau Schavan möchte ja jetzt noch zusätzlich Arbeitskräfte aus dem Ausland einfliegen, damit die ARGEn nicht völlig abgeschafft werden müssen. Sechs- bis acht Millionen Arbeitslose sind ja in Deutschland so erfolgreich auf der Flucht vor  zehn Millionen Jobs, das die ARGEn alle Hände voll zu tun haben, diese Leute einzufangen.

Wenn ich die Autoren richtig verstehe, haben wir eine gewisse Zukunft in der Altenbetreuung und der Reisebranche. Reisen mit Alten hat Zukunft, das könnte ich mir vorstellen, wenn … ja wenn nicht Vater Staat schon jetzt in die Rentenkasse greift. Gerade deshalb wird die Rentengarantie ja auch in Frage gestellt.

Wieso?

Nun, Hartz IV-Abhängige bekommen doch keine Rentenzahlungen mehr. Rentenzahlungen von Arbeitnehmern fließen aber nicht auf das Sparbuch oder zum Ackermann, sondern direkt in die Rentenkasse, die das sofort wieder auszahlt. Von den Beiträgen werden die Renten JETZT bezahlt.  Bezahlt also die ARGE keine Rentenbeiträge mehr (und das betrifft immerhin eine Gruppe vom 16 Millionen Menschen, die  – laut Angabe der Bundesanstalt für politische Bildung – zwischen ARGE und Niedriglohn hin- und herpendeln) dann wird es JETZT schon enger mit den Rentenzahlungen.

Zwei Euro im Monat für jeden Hartz-IV- Abhängigen macht 12Millionen Euro im Monat weniger in unser aller Rentenkasse, sind 144 Millionen weniger im Jahr – Raus aus unseren Rentenkassen, rein in das Budget der ARGEn. Die Rentenkasse braucht das aber auch wieder. Von wem sie das wohl nimmt? Ach ja, Brüderle hat ja schon die Rentengarantie in Frage gestellt – zeitgleich zum Streichen der Hartz-IV-Rentenbeiträge.  Dazu kommt ja noch, das die Ausblicke auf die Bezahlung der Jobs, die Bertelsmann im Zukunft im Bereich der Altenreisen und ihrer Verwaltung  sieht, nicht gerade berauschend sind, denn Fakt ist: wir verwandeln uns Schritt für Schritt in ein Land, bei dem andere sich die Hemden nähen lassen.

Dumpinglohnland Deutschland? Laut einer Studie arbeiten mehr als 20 Prozent aller Beschäftigten für weit weniger als zehn Euro in der Stunde – viele sogar für unter fünf Euro. Minijobber, Frauen, Ausländer und junge Leute sind am häufigsten betroffen.

Quelle: Spiegel

So mag es zwar sein, das wir in Zukunft Millionen von reichen Chinesen durch das Land karren, aber … davon werden wir selbst nicht reich. Wir haben nur viel Arbeit – den Spaß haben andere.

Und wenn es nach Roland Springer geht, dann wird der Spaß für die, die noch Arbeit haben,  jetzt auch aufhören:

mm: Aber muss man gleich von Erziehen sprechen?

Springer: Wenn sich die Mitarbeiter falsche Verhaltensweisen angewöhnt haben, dann muss man sie umerziehen. Das gehört zum lebenslangen Lernen dazu, ob es einem gefällt oder nicht.

mm: Und wie bringt man es den Mitarbeitern bei, die Standards einzuhalten?

Springer: Indem man Grundsätze formuliert und beispielsweise systematisch auf Ordnung und Sauberkeit hinweist. Und indem man immer wieder deutlich macht, dass die Einhaltung dieser Standards der Geschäftsführung sehr wichtig ist.

Quelle: Manager Magazin

Na, dann wissen wir doch jetzt, wie  unsere Zukunft aussehen soll.  Wenig Geld, ordentlich und sauber karren wir für wenig Geld alte kranke Leute durchs Land.  Das sieht doch richtig gut aus.  Wir können und freuen,  an so einer Zukunft mitgestalten zu dürfen.  Ich persönlich bin jetzt schon ganz aufgeregt, wer in Zukunft in meiner Rikscha sitzt und wen ich als Reiseleiter mit Reanimationskenntnissen und Kreditkartenleser an der Rikscha durch ein ganz neues Deutschland ziehen darf.

Wenn … ja, wenn da nicht diese Unken vom Handelsblatt wären

Die Staatsschulden sind wie ein Krebsgeschwür, die Aussichten für die Weltkonjunktur immer düsterer. Glaubt man Experten, dann stehen den Finanzmärkten schlimme Jahre bevor. Robert Shiller etwa, Professor an der weltbekannten Universtität in Yale, ist davon überzeugt, dass die kommenden Probleme die aktuelle Krise in den Schatten stellen werden.

Quelle: Handelsblatt

Ich schicke dem Shiller mal die Studie von Bertelsmann, da wird der sich wieder beruhigen, denke ich.  Unsere Reiseleiter werden die Welt retten.

Ordentlich, sauber und diszipliniert werden wir Indern und Chinesen zeigen, was eine Rikscha ist und wie schnell man damit werden kann.  Die werden noch staunen!

Nur eins macht mich noch etwas nervös.

Roland Springer nennt sein  Buch: Survival of the fittest. Überleben der Tüchtigsten. Damit ist der Sozialdarwinismus – dessen Ausprägungen gerade wir Deutschen im Detail 1933 – 1945 studieren durften – in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts angekommen.

Ganz offiziell.

Der Sozialdarwinismus wurde zur Rechtfertigung von Imperialismus undRassismus herangezogen und führte in Deutschland zu Bestrebungen, psychisch Kranken, geistig Behinderten oder schwer Erbkranken zur Vermeidung der genetischen „Degeneration“ oder „Entartung“ das Lebensrecht abzusprechen.[129] Dies führte in der Zeit des Nationalsozialismus schließlich zu systematischen Zwangssterilisationen, zum Genozid, der massenhaften Ermordung „lebensunwerten Lebens“ oder „minderwertiger Rassen“ wie der jüdischen Bevölkerung Deutschlands und weiter Teile des restlichen Europas. Dabei fanden sich nach Auffassung des Bielefelder Soziologen Peter Weingart im Sterilisationsgesetz von 1933 und den ‚Nürnberger Gesetzen‘ des Hitler-Régimes von 1935 alle wesentlichen Elemente sozialdarwinistischer Züchtungsutopien wieder.[130] Die Begründung, soweit eine solche wahnhaft versucht wurde, ruhte auf der als natürlich angesehenen Vormachtstellung einer ethnischen Gruppe über eine andere, die nicht als Folge gesellschaftlicher Umstände, sondern als Folge einer grundsätzlicheren Überlegenheit der mächtigeren Gruppe gedeutet wurde.

Quelle: Wikipedia

In dem System ist kein Platz für Kranke. Und erst recht nicht für Alte. Die bleiben solange an der Macht, wie sie die Angriffe der Jüngeren abwehren können.  Das System des Sozialdarwinismus auf die menschliche Gesellschaft angewandt, heißt: wir verwandeln uns absichtlich in ein Wertesystem, in dem jeder gegen jeden kämpft. Alte, Kranke, Behinderte … werden kostengünstig entsorgt.  Das ist wirtschaftlich im Übrigen sehr vernünftig … nur … Paradies geht anders. Aber die Rente ist sicher. Für eine Handvoll Überlebender. Und die Staatsschulden … werden so auch geringer.

Na … paßt dann doch alles wieder, oder?

Darf ich nochmal an eins erinnern:

Gangsterbosse haben ein deutlich größeres Verständnis dafür, dass alle Krisen von den Menschen gemacht sind, die an dem System beteiligt sind.

So eine Entwicklung fällt nicht vom Himmel.  Wenn wir in die Hölle gehen, dann haben wir uns entschlossen, diesen Weg zu nehmen. Es gäbe trotzdem Alternativen.

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