Dienstag, 6.3.2018. Eifel. Haben Sie sich eigentlich schon mal Gedanken über Staatsversagen gemacht? Mal ehrlich: Sie kennen den Begriff doch gar nicht. Der ist auch in Deutschland reinweg wirtschaftlich definiert: wenn der Staat bei wirtschaftlichen Projekten versagt – wie BER, Stuttgart 21 oder der Elbphilharmonie. Wir kennen aber den Begriff eines „failed state“. Dazu gibt es auch eine Definition (siehe Wissen.de)
„Bezeichnung für einen Staat, der keine vollständige Kontrolle mehr über sein Staatsgebiet ausüben kann oder dessen Regierung in ihren Handlungsmöglichkeiten grundsätzlich beeinträchtigt ist, d. h. ein formal weiterexistierender Staat, der zentrale Aufgaben im Sinne legitimer Machtausübung, Gewährleistung der Sicherheit und Wohlfahrtsgarantie für die eigene Bevölkerung nicht mehr erfüllen kann.“
Da kommt man sofort ins Grübeln, oder? Welcher Staat kann im Zeitalter der Globalisierung schon noch die vollständige Kontrolle über sein Staatsgebiet ausüben? Welche Regierung wird nicht durch Ratingagenturen grundsätzlich in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt? Oder durch Lobbyismus? Aber keine Sorge: unser eigenes Land steht natürlich nicht auf der Liste der hilflosen Staaten. Ja – für die gibt es inzwischen einen Index und eine schöne Grafik, wo man sich in aller Ruhe die Looserstaaten anschauen und sich an dem hohen Rang der Bundesrepublik erfreuen kann (siehe Länderdaten). Die Liste umfasst immerhin 177 Länder, Somalia führt auf Platz eins (völlig marode), Norwegen brilliert auf Platz 177 (erfolgreicher Staat), Deutschland befindet sich – geschlagen von den Niederlanden, Island und Irland – auf Platz 157 … bei den „moderaten“ Staaten.
Schauen Sie bitte nicht zu genau hin: anders als Frankreich, Gropßbritannien und die USA gilt die Bundesrepublik Deutschland (ja – so heißen wir in Wirklichkeit) in der Grafik noch als weitgehend stabil, nur wenn man in der Tabelle näher hinschau, merkt man: so zukunftsfähig wie die 13 Spitzenstaaten sind wir nicht. Übrigens: bemerkenswert, dass von 177 Staaten nur 13 zukunftsfähig sind … 164 also nur bedingt oder gar nicht. Moderat sind neben der Bundesrepublik Deutschland auch Staaten wir Panama, Oman, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate, Barbados, Kroatien oder Griechenland – nur so zur Info, damit Sie jetzt nicht ins Träumen kommen – insgesamt erreichen diesen B-Klasse Status nur 34 Länder. 33 Staaten sind … komplett im Eimer wie Afghanistan, Somalia oder der Irak, der Rest … immerhin fast die Hälfte … befindet sich in einem bedenklichen Alarmzustand. Das ist – kurz gefasst – die Situation der Welt. Von 177 Ländern haben noch 13 eine erkennbare Zukunft, 34 merkeln so vor sich hin, die absolute Mehrheit der Staaten erfüllen nicht das, was Staaten leisten sollten.
Es gibt auch Begründungen, warum die jeweils einzelnen Staaten so desolat abschneiden, die für Deutschland ist schon besonders prekär:
„Der Index für menschliche Entwicklung (HDI) der Vereinten Nationen zählt Deutschland zu den sehr hoch entwickelten Ländern. Allerdings sind Einkommen und Vermögen in Deutschland deutlich ungleich verteilt. 2007 besaßen die reichsten 2,5 Prozent der Bevölkerung 45 Prozent des Gesamtvermögens, das reichste Prozent 36 Prozent des Gesamtvermögens. Rund zwei Drittel der Bevölkerung wiesen 2007 kein oder nur ein sehr geringes Nettovermögen auf. Dabei bestehen auch regionale Disparitäten im Einkommen, Vermögen und des BIP pro Kopf zwischen den westlichen Bundesländern und den Gebieten im Osten Deutschlands. Die Arbeitslosenquote liegt in den östlichen Ländern im Durchschnitt höher.“
Verstehen Sie diese Zahlen? Von hundert Leuten im Dorf gehören einer Familie mit Kind knapp die Hälfte der umliegenden Ländereien, 66 haben so gut wir gar nichts. Das ist unser Alltag. Das ist das Land, in dem wir „gut und gerne“ leben .. jedenfalls als Kind dieser einen Familie. Die Tendenz ist auch steigend, da brauchen wir uns nichts vormachen. Und es wird sich auch nichts daran ändern: Vati CDU und die gute alte Tante SPD feiern – trotz gegenteiliger Beteuerungen – eine Groko nach der anderen, damit dies auch so weiterläuft.
Sie wissen, wohin wir uns damit historisch bewegen, wie man Gesellschaftsformen nennt, wo eine kleine Minderheit alles hat und deshalb der Rest für sie arbeiten muss? Nennt man „Feudalismus“ – oder auch „Sklavenhaltergesellschaft“ – wobei wir bei letzterem Begriff berücksichtigen müssen, dass es noch mehr Formen von Sklaverei gibt als nur jene, wo eine konkrete Leibeigenschaft vorliegt. Als Adeliger können Sie arbeitsfrei auf höchstem Konsumniveau in solchen Gesellschaften erstaunlich gut leben, haben Zeit und Muße für lange Forschungsreisen im Ausland, für Gedichte, Theater, Oper oder Golf (spielen – nicht fahren), als …. nun … „anderer“ … gestaltet sich der Alltag nicht so überzeugend.
Stört nun keinen? Außer die links-grün-versifften Kommunisten?
Nun … ich habe da mal eine Aussage der Bundeszentrale für politische Bildung gefunden – im Zusammenhang mit der von Ludwig Ehrhard so gepriesenen sozialen Marktwirtschaft (siehe Bpb):
Der Anspruch der sozialen Marktwirtschaft ist, die Vorteile einer freien Marktwirtschaft wie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder hohe Güterversorgung zu verwirklichen, gleichzeitig aber deren Nachteile wie zerstörerischer Wettbewerb, Ballung wirtschaftlicher Macht oder unsoziale Auswirkungen von Marktprozessen (z. B. Arbeitslosigkeit) zu vermeiden. Die Zielsetzung der sozialen Marktwirtschaft ist deshalb ein größtmöglicher Wohlstand bei bestmöglicher sozialer Absicherung. Der Staat verhält sich aus diesem Grund nicht passiv, sondern greift aktiv in das Wirtschaftsgeschehen z. B. durch konjunkturpolitische, wettbewerbspolitische und sozialpolitische Maßnahmen ein. Eingriffe des Staates in die Wirtschaft erfolgen im allgemeinen Interesse und in solchen Bereichen, wo Anbieter oder Nachfrager durch angepasste, marktwirtschaftlich vertretbare Maßnahmen geschützt werden müssen (z. B. beim Verbraucherschutz oder der Wettbewerbsgesetzgebung).
Nochmal:
Die Zielsetzung der sozialen Marktwirtschaft ist deshalb ein größtmöglicher Wohlstand bei bestmöglicher sozialer Absicherung.
Gut – klingt relativ. „Bestmöglich“ kann man – je nach Intention – auch einen Platz unter einer Autobahnbrücke nennen, nur: das die Menschheit jemals so weit degenerieren kann, dass man solche Selbstverständlichkeiten klar ausdefinieren muss – das hat nach dem letzten Krieg wohl niemand mehr für möglich gehalten. Wir haben es trotzdem geschafft.
Natürlich darf man sich auch fragen, ob das Modell „Staat“ nicht generell ausgedient hat. Undenkbar? Nun – „Staat“ fing mal an als kleines Dorf – das zur Stadt wurde, um sich gegen den Adel verteidigen zu können und später durch Vereinigung aller gleichsprachigen Siedlungen zum Staat wurde … wenn wir es mal ganz verkürzt darstellen wollen. Klar ist: die Geschichte macht nicht halt, man entwickelt sich weiter – und man wusste schon zu der Zeit, als Länder anfingen, untereinander Kriege zu führen, dass es irgendwann einmal eine planetare Zivilgesellschaft geben würde, weil dies nun schlichtweg als das Vernünftigste unter der Sonne galt.
Wissen Sie, wovon mal ganz früher mal geträumt hat? Was Staat eigentlich mal sein sollte? Ich zitiere einfach mal Wikipedia, damit alle das auch nachlesen können (siehe Wikipedia):
„Der ideale Staat hat den Zweck, die Idee des Guten auf der physischen Ebene zu verwirklichen; mit der Umsetzung der Gerechtigkeit soll eine Voraussetzung für das gute Leben jedes Bürgers geschaffen werden.“
So jedenfalls dachte Platon. Nun – auch das können wir heute nicht mehr denken, seit der Wucherung der dekonstruktivistischen Philosophie in den USA gibt es keinen gemeinsamen Begriff mehr vom „Guten“ … und ebenso wurde damit hinter vorgehaltener Hand das Böse abgeschafft. Zwar können Sie sich mit den meisten ihrer Nachbarn noch auf einen gemeinsamen Grundbegriff von Gut und Böse einigen – aber nicht mehr mit Verbänden, Vereinen, Parteien, Regierungen und Konzernen, dort fallen Sie schnell in die Agonie endloser Debatten, in denen Sie ohne gründliche Schulung und Vorbereitung kein Bein mehr auf den Boden kriegen.
Nein?
Schauen Sie doch einfach mal die Diskussion über die Essener Tafel an, dann sehen Sie schnell, was ich meine. Was war geschehen? Nun – es gab Tumulte. Junge, starke, erwerbsfähige Menschen (meist männlichen Geschlechts) verdrängten arme Rentnerinnen, die leer ausgingen. So jedenfalls die Legende. Was ist da wirklich passiert? Schreiben Sie mir, wenn Sie es herausgefunden haben. Angeblich bekommen jetzt nur noch Menschen mit deutschen Pass was von der Essener Tafel – wozu jeder eine andere Meinung hat – vor allem viele, die nie vor Ort waren. Versuchen Sie jetzt da mal, das Gute und das Böse herauszufiltern. Gut ist, Arme mit Essen zu versorgen. Gut ist, Mitbürger ohne deutschen Pass nicht hungern zu lassen. Gut ist, Alte nicht von Jungen verdrängen zu lassen. Gut ist, wenn Frauen nicht bedrängt werden – wie es in Essen angeblich geschehen sein soll (siehe rp). Gut ist, armen Menschen auch dann zu helfen, wenn Sie aus fremden Ländern kommen, andere Sitten und Gebräuche haben. Gut ist auch, Grenzen zu setzen. Gut ist, Schwache vor Starken zu schützen. Was aber, wenn der Starke aus einem anderen Land kommt – einem jener versagenden Staaten, in denen wir Krieg führen? Was, wenn er ein starker Mann ist und Zugriffsrechte auf Frauen einfordert, wie er es von daheim gewöhnt ist? Wir merken auf einmal, warum Platon Philosophenkönige gefordert hat, Menschen, die solange gebildet wurden, bis sich Weisheit eingestellt hat – zur Lösung solcher Probleme wäre die schon hilfreich.
Fragen Sie mich jetzt bitte nicht nach einer optimalen Lösung für diese Situation – ich würde dafür lieber auf die Verantwortlichen verweisen, auf jene, die zugelassen haben, dass 2,5 Prozent der Bürger im Laufe der Jahre 45 Prozent des Vermögens an sich bringen konnten und so für viele Folgeprobleme ursächlich verantwortlich sind. Oder glauben Sie wirklich, wir hätten die momentane politische Verschärfung der Lage, wenn alle Bürger den größtmöglichen Wohlstand und die größtmögliche soziale Absicherung hätten?
Warum muss eigentlich in einem der reichsten Länder der Erde die Grundversorgung für Millionen über Essensspenden stattfinden? Warum übernehmen nicht jene die Verantwortung, die für den Anstieg der Armut – und der Armen – die Verantwortung tragen? Sicher – es ist edel und gut, von Folter und Krieg bedrohte Menschen in einem reichen Land aufzunehmen … doch darf man da doch weiter denken und sich daran erinnern, das man sich zuvor Gedanken darüber machen muss, wer für diese Menschen sorgt – anstatt sie sich selbst zu überlassen und darauf zu vertrauen, dass „die Straße“ das doch von selbst regelt.
Aber so sind sie halt, unsere Politiker – die im Prinzip schon Verrat begehen, wenn sie nur von „Deutschland“ reden anstatt von der „Bundesrepublik Deutschland“ – der Bundescharakter hat Verfassungsrang.
Sollen wir mal über diese Verfassung reden? Über den Kern, der unsere Staatswesen ausmacht? Den haben wir schriftlich (siehe BpB):
„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“
Was sind wir? Ein Bundesstaat (also: nicht direkt ein Nationalstaat), demokratisch (auch wenn wir da weniger wagen als andere) und: sozial.
Und das Soziale führt die Bundeszentrale für politische Bildung gleich weiter aus:
„Dem Sozialstaatsprinzip sind im Grundgesetz nur wenige Worte gewidmet, durch die Erwähnung in Artikel 20 GG aber kommt ihm Verfassungsrang zu. Zusammen mit Artikel 1 GG, der die Würde des Menschen als unantastbar garantiert und deren Schutz zu einer Verpflichtung der staatlichen Gewalt erklärt, lassen sich für den Sozialstaat bestimmte Prinzipien ableiten. So geht man allgemein davon aus, dass sich daraus die Garantie eines bestimmten Existenzminimums ableiten lässt und das bestimmte Gruppen des besonderen Schutzes bedürfen. Diese Verpflichtung führt zusammen mit Artikel 3 GG, welcher das Diskriminierungsverbot enthält, auch dazu, dass der Staat für eine Angleichung der Lebenschancen aller Bürger Sorge zu tragen hat. Das Ziel der Sozialpolitik ist die Schaffung von sozialer Gerechtigkeit.“
Fragen Sie mal einen Hartz IV-Empfänger, wie sehr er diese Prinzipien als erreicht empfindet. Fragen Sie ihn geheim – öffentlich ist ja schon längst von führenden Politikern bekannt gegeben worden, dass diese Parasiten nur versoffene Penner sind, die ausradiert gehören. Nein, sorry, den letzten Teil des Satzes erwähnen diese „Politiker“ nie, sie sind da zahmer geworden, heuchlerischer, sagen nur lapidar „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“. Das der, der nicht essen kann, nicht lange leben wird …. nun ja. Vielleicht schmunzelt man später heimlich in kleinem Kreise über diesen Satz, der eine Massenvernichtung einleiten kann. Fragen Sie den Hartz-Abhängigen mal nach seiner Würde. Ihn – und die Leiharbeiter. Die Armutsrentner. Würde als Armer, in einem Land, in dem Geld Gott ist? Wo Geld Gott ist, ist für den Armen die Hölle auf Erden … womit wir wieder bei der Frage sind, warum dieses Land nicht ganz so zukunftsfähig ist wie andere Länder.
Wir sind – in völligem Verrat zu unserer Verfassung – wieder im Mittelalter angekommen. Die Geldherren weisen uns Arbeiten zu, die wir zu erledigen haben, wenn wir weiterleben wollen. Dafür kriegen wir soviel Geld, das wir gerade so überleben können. Aufseher bekommen etwas mehr, der Hofstaat sogar richtig viel. Könnte man mal so sehen.
Und dann würde man zu Recht sagen: Germany – failed state: „Bezeichnung für einen Staat, der keine vollständige Kontrolle mehr über sein Staatsgebiet ausüben kann oder dessen Regierung in ihren Handlungsmöglichkeiten grundsätzlich beeinträchtigt ist, d. h. ein formal weiterexistierender Staat, der zentrale Aufgaben im Sinne legitimer Machtausübung, Gewährleistung der Sicherheit und Wohlfahrtsgarantie für die eigene Bevölkerung nicht mehr erfüllen kann.“
Bin gespannt, wann wir den Status „warning“ bekommen.
Einen habe ich noch – um Ihnen Ihren Status klar zu machen. Ziel unseres real existierenden Staates (also: das was ist, nicht das, was sein sollte) ist, die Idee der arbeitsfreien Wohlstandes für eine kleine Gruppe von Barbaren (ja – ich schiele da nach Platon) auf physischer Ebene zu verwirklichen, ganz nach der Devise: minimaler Aufwand für maximalen Ertrag. Versteht jeder mit Sinn für Betriebswirtschaft. Und jetzt: versuchen Sie das mal in ihrem Arbeitsalltag durchzusetzen. Minimaler Aufwand an Arbeitszeit, maximaler Ertrag auf dem Konto. Wünsche Ihnen viel Spaß, Spannung und Unterhaltung mit Ihrem Aufseher. Für Sie – gelten andere Regeln. Welche – nun, das werden Sie dann erfahren.
Samstag, 10. November 2012. Heute habe ich erfahren, wie einen die Geschichte einholen kann. 1684 Artikel habe ich bei Blog.de geschrieben. Nachdem aber nun dort schon mal Pauschallöschungen ganzer Blogs vorgenommen worden sind (und der Verdacht aufkam, das das kein Zufall war), dachte ich mir: sicherer ist es, ein eigenes kleines Örtchen zu schaffen, das vor Fremdlöschungen sicher ist. Hier habe ich jetzt nur noch 700 Artikel geschrieben – die aber eine Länge haben, das sie auch als „Artikel“ gelten können. Die Länge ergibt sich oft einfach aus der Komplexität der Themen. „Hartz IV“ zum Beispiel. Man kann sich darüber aufregen, das es da ist, zu wenig ist und zu lästig. Das geht schnell und kostet keine Kraft. Oder man weist nach, das Hartz IV beweist, das die Economic Hit Man in Deutschland aktiv sind (hier heißen sie u.a. McKinsey) und dadurch das erste Mal unseren Alltag erreicht haben – von der viel wichtigeren Deregulierung haben die meisten von uns gar nicht gemerkt, dabei kostet sie ein vielfaches mehr als Sozialhilfe. Im Juli 2009 habe ich noch darüber gespottet, das wir 1,5 Billionen Euro Schulden haben – da waren einige Hilfen schon mitgerechnet. Aktuell sind wir bei 2,057 Billionen – aber kein Aufschrei geht durch das Land. Warum nicht? Nun – auch die Presse wurde diszipliniert. Niemand fragt mehr, wofür für denn die zusätzlichen 500 Milliarden in drei Jahren ausgegeben haben. Auch weist keiner darauf hin, die ständig neuen Schuldenrekorde unter Schwarz-Gelb aufgelaufen sind – den „Wirtschaftsparteien“. Dabei wäre die Antwort so einfach: die Sozialhilfe ist es, die uns wirtschaftlich erwürgt.
Das wird nun jeden wundern: die Sozialhilfe? Jene paar mickrigen Mäuse für Arbeitslose? Nein, natürlich nicht – wir haben nur verlernt, zu sehen, was einen Sozialstaat ausmacht. Wir helfen ja nicht nur in Not geratenen Menschen – wir helfen auch in Not geratenen Konzernen. Im Jahre 2010 schrieb der Spiegel über ein Redordhoch an Subventionen: 165 Milliarden Euro stecken wir in unsere marode Wirtschaft. 2011 klärte der Westen über ein weiteres pikantes Detail auf:
Die Bundesrepublik hat im abgelaufenen Jahr Subventionen in Höhe von 164 Milliarden Euro gezahlt. Das ist Rekord. Alleine 58 Milliarden Euro an Beihilfen bekamen Unternehmen. Das sind 14 Milliarden mehr, als der Bund 2010 Schulden machte.
58 Milliarden für Unternehmen – viel mehr, als der gesamte Hartz IV-Bereich kostet, der uns ja angeblich so belastet. Man muss sich das mal vorstellen: die Rekordmeldungen unserer Unternehmen bezahlen wir mit … mehr Schulden. Das liest man so nie in den Medien. Natürlich bekommt auch der Gesundheitssektor sehr viel Geld: die Gewinne der Pharmabranche und ständig Arzthonorare sind mit den normalen Beiträgen kaum noch zu bezahlen, da muss der Steuerzahler doppelt ´ran.
Mit Marktwirtschaft hat das alles allerdings nicht mehr viel zu tun, „der Markt“ läuft nur noch, wenn wir ihn massig mit Steuergeldern unterstützen. Das ist auch Sozialstaat. Das kann auch ganz in Ordnung sein – aber wir müssen es auch so nennen und vor allem entscheiden, ob wir nicht lieber mehr Geld in Arbeitslose (und damit in den Binnenkonsum) stecken, was wieder Arbeitsplätze schafft, anstatt in marode Unternehmen, die nur Arbeitsplätze abbauen. Würden wir die 165 Milliarden Subventionen den Arbeitslosen geben, dann wären menschenwürdige Regelsätze möglich, die grassierende Kinderarmut wäre vorbei und wir hätten endlich keinen Fachkräftemangel mehr.
Was wir aber tun: wir ruinieren uns selber. Das hat auch mit Hartz IV zu tun – so leid es mir tut, dieses nervende Thema wieder auf den Tisch zu bringen.
2,5 Millionen Kinder bekommen Dank Hartz IV eine saumäßig schlechte Ausbildung. 2,5 Millionen Erwachsene werden aus diesem Grund in Zukunft kaum noch große Gewinne erwirtschaften können – womit sich die Bundesagentur für Arbeit eine sichere Perspektive für die Zukunft erarbeitet hat – für sich und für die 100 000 Mitarbeiter. Durch die vorgenommene Stigmatisierung der Hartz-IV-Abhängigen wird ihre Chance auf einen echten Vollzeitarbeitsplatz auf Null zurückgedreht, damit sich an dem Status des Hartz-Systems auch ja nichts ändert. Nötigenfalls kann man ja seine Erfolgsstatistiken auch dadurch schönen, das man Arbeitslose ohne ärztliches Gutachten für geistig behindert erklärt und sie dann den Behindertenwerkstätten zur Verfügung stellt, wo andere Kostenträger für sie aufkommen müssen, siehe Wikipedia:
Das ARD-Fernsehmagazin Monitor kritisierte in der Sendung vom 13. August 2009, dass eine steigende Anzahl von Arbeitssuchenden nach einem schriftlichen Testverfahren als „dauerhaft geistig behindert“eingestuft würde, um dann an eine Werkstatt für behinderte Menschen vermittelt zu werden. Sie fallen somit aus der Arbeitslosenstatistik, zudem wird die Bundesagentur finanziell entlastet. Eine fachärztliche Untersuchung zur Feststellung der geistigen Behinderung findet nicht statt. Die Zahl der jährlich auf Behindertenwerkstätten verwiesenen Arbeitssuchenden stieg von 22.678 im Jahr 2004 auf 27.350 im Jahr 2008
Diese leistungsfeindliche, kinderfeindliche und menschenfeindliche Praxis fordert aber in Zukunft einen hohen Preis von uns, den wir schon jetzt erkennen können, siehe Welt:
Deutschlands Bedeutung in der Weltwirtschaft wird in den kommenden 50 Jahren rapide sinken. Kein anderes Land auf der Welt wird so stark Marktanteile verlieren wie der einstige Exportweltmeister.
Indonesien, Mexiko, Russland und selbst Großbritannien werden bis 2060 an Deutschland vorbeigezogen sein. Der Grund: Die Forscher prognostizieren der hiesigen Wirtschaft aufgrund der alternden Bevölkerung ein jährliches Wachstum von nur 1,1 Prozent. Andere Industrienationen wie die USA, Frankreich oder eben auch Großbritannien wachsen dank höherer Geburtenraten deutlich kräftiger.
Währenddessen sind in Deutschland Kinder das Armutsrisiko Nr. 1 – sogar bei einem Einkommen von 3500 Euro im Monat erweisen sich Kinder als Kostenfaktor, der kaum noch zu bewältigen ist (siehe Welt aus dem Jahre 2005). Wenn man dann heute hört, das 50 % der Jugendlichen zwischen 14 und 29 Schlafstörungen haben (ebenfalls Welt) dann wundert das nicht mehr – die haben schlichtweg keine Zukunft mehr in einem Land, das alsbald Albanien um sein Niveau beneiden wird, trotzdem müssen sie noch so tun, als ob alles Bestens wäre und hochmotiviert (und vor allem ohne Lohn für ihre Leistung) in eine chancenlose Zukunft wandern.
Diese Zukunft soll nach Ansicht einiger Wissenschaftler jetzt künstlich weiter verdüstert werden (wobei wir mal erwähnen wollen, das der ganze Universitätsbetrieb auch „Sozialstaat“ ist und nicht selbstverständlich vom Himmel gefallen ist), siehe Spiegel:
Der Wissenschaftsrat bemängelt nach SPIEGEL-Informationen die Tendenz zu immer besseren Prüfungsnoten an deutschen Hochschulen. In der „großen Mehrheit der Fächer“ werde die „Notenskala kaum ausgeschöpft“, konstatiert das wichtigste Beratergremium im Wissenschaftssystem.
Neben diesem Aufruf zur Zwangsnote 5 und 6 aus Gründen statistischer Ausgewogenheit (der zusätzlich mehr Arbeitslose produziert) veröffentlicht der Spiegel ebenfalls ein neues Idealbild, das unser Arbeisumfeld in den nächsten Jahren nachhaltig prägen wird: der Berserker wird zu jenem Urtypus, dem einzig ein Anrecht auf freizügigen Zugang zu Lebensberechtigungsscheinen (sprich: Geldscheinen) gestattet wird:
Alle reden vom Burnout. Diese Berserker nicht. Top-Manager wie Martin Sorrell kennen weder Feierabend noch Ferien, sie ackern ohne Ende und pfeifen auf „Work-Life-Balance“. Eine Expedition ins Reich der Extremarbeiter offenbart: Sie sind oft glücklich im Stress und kerngesund.
Da werden neue Maßstäbe gesetzt, was einst als krank galt wird verherrlicht – auch wenn die „Väter“ ihre Kinder die ganze Woche nicht sehen und Berserker eigentlich eher für ihre Zerstörungswut bekannt sind: es lebe der neue Menschentyp, der zeigt, wie man den Untergang des Landes überstehen kann um anschließend „glücklich wie ein Guttenberg“ in den USA seinen Ruhestand genießen zu können. „Glücklich wie ein Guttenberg“? Ja, ich schätze, das wird mal ein geflügeltes Wort werden, er uns seine Familie sind dort so glücklich, das an eine Rückkehr nach Deutschland gar nicht mehr zu denken ist (siehe Welt). Nach Informationen unserer Redaktion ist der Mann übrigens auch arbeitslos – da kann man mal sehen, was aus Arbeitslosen alles werden kann, wenn man ihnen nur genug Geld gibt, doch dazu ist unser Sozialstaat offensichtlich zu blöde, er steckt das Geld lieber in Konzerne, deren Chefs sich selbst und das ganze Land samt Umwelt vernichten, anstatt in Arbeitslose, die mit ihren Reden in den USA ganze Hallen füllen können.
Dabei haben diese Arbeitslosen wichtige Dinge zu sagen:
Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen, so die erste Botschaft Guttenbergs. Die zweite folgt eng verknüpft und besteht kurz gefasst darin, dass er insbesondere in Europa den wenigsten der politischen Akteure zutraut, diese zu meistern. Guttenberg merkt dazu beispielsweise sarkastisch an, dass diese nach dem Prinzip handelten „sich alle Optionen offenzuhalten, dies aber mit Entschiedenheit zu vertreten“. Namen erwähnt der Ex-Minister dabei in seinem Vortrag nicht.
Nun – diese Namen brauchen wir auch nicht von ihm zu hören, wir hören sie ja sonst schon den ganzen Tag, sie und ihre Reden.
Der Gauck, unser Bundespräsident, hat da jetzt in der Welt etwas Interessantes gesagt:
Die Bundesregierung habe diese Haltung „zum Glück auch denjenigen signalisiert, die hierzulande der Auffassung sind, das alles sei zu teuer und wir Deutsche ruinierten uns. Nein, wir ruinieren uns überhaupt nicht. Jedenfalls nicht, wenn wir Griechenland im Euro halten.“
Merkt man die kleine Wendung? Wir ruinieren uns nicht durch die Rettung Griechenlands … sondern durch etwas anderes. Das wir uns ruinieren, ist wohl allen klar – aber eben nicht durch die lächerlich kleinen Spenden an Griechenland. 1,65 Billionen Euro Subventionen in zehn Jahren für eine Wirtschaft, die außer beim Kassieren keine besonders bemerkenswerten Leistungen erbringt sind da schon eher ein Grund zur Sorge.
Viel eher ruinieren wir uns auch durch unser Führungspersonal – jedenfalls, wenn wir der „großen politischen Hoffnung“ Guttenberg folgen. Einer ist ja jetzt ganz groß am Ruinieren – und offenbart uns dabei Abgründe, von denen wir immer wußten, das es sie gibt, die wir aber nie wahrhaben wollten: Peer Steinbrück, ein Mann, der Kanzler können will.
Wir kommen auch hier wieder zurück auf das Problem Sozialstaat … aber dazu muss man etwas weiter ausholen, um das zu verstehen.
Die Stadtwerke Bochum, das sei zuvor gesagt, sind ein kerngesundes Unternehmen, siehe Handelsblatt:
Schaut man auf die Stadtwerke alleine, sind die Zahlen aber solide. Das kommunale Unternehmen hat in den vergangenen Jahren durchgängig Gewinne gemacht und die auch an die Stadt ausgeschüttet. Im Geschäftsjahr 2011 machte das Unternehmen bei einem Umsatz von 488 Millionen Euro einen Gewinn von 29,8 Millionen Euro. Das entspricht einer Umsatzrendite von rund sechs Prozent, das heißt mit 100 Euro Umsatz erwirtschafteten die Stadtwerke Bochum sechs Euro Gewinn.
Nur kann man eigentlich nicht auf die Stadtwerke allein schauen. Auch hier zeigt sich das Problem, das dieses Land schon lange hat: wir gönnen uns keinen Blick mehr für das Ganze, wir schauen auf Papas Lohnzettel und sehen: der verdient gut. Das da noch viele Menschen dranhängen, die man Familie nennt, blenden wir aus. Genauso blenden wir aus das Bochum hoch verschuldet ist – und die Stadtwerke als kommunales Unternehmen teil der Familie.
4,5 Millionen erlaubt sich dieser Familienteil als „Sponsoring“ weiterzugeben – unter anderem an Steinbrück und Gauck. Gedacht ist das Geld wirklich für die Kommune vor Ort. Da kann man sich jetzt drehen und winden wie man will, ein Artikel der WAZ aus dem Jahre 2010 hätte auch die Herren Steinbrück und Gauck darüber aufklären können, wozu sie das Geld eigentlich erhalten:
Normalerweise muss ein Gastgeber fünfstellige Eurobeträge blättern, um Promis dieser Klasse zu buchen. Aber die Stadtwerke regeln das anders, wie Schönberg sagt. Die Protagonisten bekämen persönlich keinen Cent: „Sie verzichten auf ihr Honorar zugunsten einer Stiftung, die ihnen nahesteht.“ So habe Uli Hoeneß das Geld für eine Kinderkrebsklinik gespendet und Peter Maffay sein Honorar einer Israel-Stiftung zukommen lassen.
Man kann dort auch nachlesen, wo das Geld hinkommt:
Es gibt über 30 Nutznießer, aus „Sport, Kultur, Sozio und Sonstiges“. Mal profitieren Einzelne wie der Ex-IG Metall-Chef und Künstler Ludger Hinse, von dessen Galeristin die Stadtwerke noch zu alter Währung ein Hinse-Werk für 35.000 Mark erstanden hatte. Aber meist sind es Vereine. Im Sport u.a. der VfL Bochum, Teutonia Riemke, der Billard Club DBC Bochum, der Bochumer Minigolf Club, der Schwimmverein Blau-Weiß Bochum, der Universitäts-Sport-Club, der TV und der SG Wattenscheid.
Auch die Theater- und Musikszene vom Schauspielhaus über Thürmer bis zu Theater Total, Bosy, Comödie und Steiger-Award geht nicht leer aus. Ebenso wie Tierpark, Wattenscheider Tafel und das Milchhäuschen im Stadtpark.
Da steht nichts davon, das man die Kohle privat einsacken kann – aber was will so ein Veranstalter schon tun, wenn der Steinbrück mit seinen Anwälten kommt?
Nun – auch das ist unser Sozialstaat: Millionenbeträge der Kommunen werden für Hobbys von Gewerschaftsführern ausgegeben, für Leibesübungen und Spaßveranstaltungen … und ein winziger Teil geht sogar dorthin zurück, wo er hingehört: zu den Armen.
Allerdings sollten die Tafeln nicht dazu gehören, sie sind, wie früher schon mal erwähnt, ein Produkt von McKinsey, das hilft, die Abfälle großer Konzerne zu entsorgen – hierzu wird der Arme als „Müllvertilgungsmaschine“ eingesetzt – mit großen Gewinnen für die spendenden Konzerne. Auch das ist „Sozialstaat“ – und auch deshalb brauchen wir die Armen: die Unternehmen wüßten sonst gar nicht, wohin mit ihrem Müll.
An diesem Spendenverständnis sehen wir aber auch, wo es bei unserem „Sozialstaat“ hakt: die Steinbrücks und Gaucks verstehen sich selbst automatisch als „Bedürftige“, etwas anderes kommt ihnen gar nicht in den Sinn – und so sieht es mit dem Rest der politischen, wirtschaftlichen und medizinischen Kaste in Deutschland (die trotz beständig sich verschlechternder Qualität beim Einkommen ständig neue Spitzeneinkommen erhalten) aus. Sie alle halten sich für bedürftig – und die wirklich Bedürftigen verhungern angesichts des Ansturmes der wahren Asozialen auf deutsche Kassen.
Bezahlen können wir das nicht mehr – kontrollieren aber auch nicht, das sehen wir an der ständig wachsenden Staatsverschuldung, die man angesichts von einer Million „Sanktionen“ den zudem dank Zwangspsychiatrisierung und Zwangsverrentung ständig weniger werdenden Hartz-IV-Empfängern wohl nicht anlasten kann.