das volle Glas

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Die böse Welt – der gute Mensch

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Freitag, 11.12.2015. Eifel. Wir werden heute mal über etwas anderes sprechen müssen, fort von den ständig übler werdenden Niederträchtigkeiten der Menschenwelt, fort von ihrem andauernden Vernichtungsfeldzug gegen die natürliche Welt, fort von der drohenden Vernichtung allen menschlichen Lebens auf diesem Planeten durch atomare Kriege, völligen Kollaps der lebenserhaltenden Natursysteme oder dem totalen Zusammenbruch des Welthandels und der Nahrungsmittelversorgung durch absolut unverantwortliche Spielereien mit Tauschmitteln, die diesen friedlichen Handel fördern und nicht ausbeuten sollen. Stattdessen werden wir uns einmal radikalen Perspektiven zuwenden, die für unser geistiges und seelisches Wohlbefinden einige Bedeutung haben.

Ich meine jetzt nicht die akademischen Spielereien mit willkürlichen Wertungen. Die sind intellektuell ganz spaßig, aber real völlig bedeutungslos, weil sie keine Bezugsrahmen haben. Ein Beispiel kennt jeder von Ihnen: das Glas ist halb voll – oder halb leer, je nach dem Auge des Betrachters. Der Spruch wirkt so gut, weil er twittertauglich ist, schnell über die Lippen kommt und die Verantwortung für den Zustand der gesammten Welt in das betrachtende Subjekt, das Individuum verlagert. Gehen wir über Twitterdimensionen hinaus, wird es schnell unruhig im Glas. Nehmen wir an, sie sind durstig, bräuchten ein Glas Wasser, um zu überleben – da bringt Ihnen das halbe Glas den sicheren Tod. Wasser trinken ist für uns absolut lebensnotwendig, noch schneller als bei Nahrungsmangel hören wir auf zu funktionieren: das volle Glas ist also absolutes Sicherheitsminimum, mit leeren Gläsern – und seien sie auch nur halb leer – können wir in Wirklichkeit nicht viel anfangen, ihr Nutzen ist generell mangelhaft. Wir haben – wollen wir weiterhin in der Welt die Kunst des Denkens üben – gar keine Freiheit, über den Gebrauch von Wasser zu entscheiden, ein halb leeres Glas ist IMMER ein Warnsignal für den ganzen Körper. Der Verstand weiß genau: ist auch der letzte Rest Wasser aus dem Glas – das schon jetzt beängstigend leer ist – wird es schnell unlustig … und lebensgefährlich, deshalb ist ihm ein volles Glas lieber.

Ja, wir werten hier auch – aber haben auch einen Bezugsrahmen: einen Körper, der hauptsächlich aus Wasser besteht und beständige Wasserzufuhr braucht. Das volle Glas ist gut, das leere Glas böse, das halbleere Glas befindet sich auf dem Weg zum Tode – sofern es nicht bald wieder jemand füllt.

Bitte bedenken Sie: Sprüche wie diese sollen uns in Ruhe wiegen und vor allem dazu erziehen, mit allem zufrieden zu sein, was man uns noch übrig läßt, ohne direkt danach zu fragen: „Hey, welcher Sack hat aus meinem Glas getrunken!?!“

Nehmen wir einen anderen Rahmen: die „Welt“.

Unsere modernste Weltdeutung ist: sie ist chaotisch und zufällig aus dem Urschlamm entstanden, kann aufgrund dieser wirren Grundbedingungen jederzeit völlig unberechenbar aus den Fugen geraten.

Merken Sie, dass was nicht stimmt?

Ersteres wird Ihnen jeder Naturwissenschaftler bestätigen. Doch die Konsequenz daraus … hören Sie so gut wie nie. Wir sind hier mitten in der religiöse Weltdeutung – obwohl wir noch gar nicht den Bereich der Religion berührt haben, wir sind mitten im „Glauben“ angelangt – der, wie wir wissen, nicht viel wissenschaftliches an sich hat. Diese chaotische und zufällig entstandene Welt kennen wir seit Jahrtausenden – in allen Religionen, auch in unserer christlich-jüdischen Weltdeutung. „Gottes Geist schwebte über den Wassern“ – so fängt unsere Welt an. Die Wasser – sind finster, wild, chaotisch, mit dem Leben nicht zu vereinbaren. Sie erinnern an Tiamat, die babylonische Salzwassergöttin und ihren schrecklichen Sohn Quingu, die mit ihrer Armee aus Dämonen die Menschheit vernichten wollte. Die Schöpfungsgeschichten der Menschheit ähneln sich da sehr – es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie man voneinander abgeschrieben hat. Die Bibel enthält viel, was in anderen Kulturkreisen Vorläufer hatte – zum Beispiel die Sintflutsage oder die zehn Gebote, die für unsere Rechtsprechung so wichtig sind und das chaotische Faustrecht abgelöst haben.

Die Wasser sind auch dämonisch, sie sind nicht wertneutral. Der Leviathan – ein finsterstes, riesiges Meeresungeheuer, das Luther (bewusst?) falsch als „Wal“ übersetzte – ist ein Überbleibsel jener Mächte, die Gott „bei der Schöpfung überging“, Mächte, die heutzutage jederzeit an den Grenzen der Schöpfung lauern und zum chaotischen, leeren Nichts zurückkehren wollen, einer lebenfeindlichen Existenz jenseits unserer Vorstellungskraft, atomare Wüsten kämen ihren Vorstellungen eines gelungenen Urlaubs schon etwas nahe (oder unsere „Agrarsteppen“) – doch wären selbst sie noch viel zu voll und geordnet.

Es ist eine faszinierende Perspektive, die unsere Naturwissenschaft dort auftut: obwohl sie sich antireligiös geben, mit vielen Geschenken kommen (früher mit Glasperlen, heute mit Kraftfahrzeugen, Zentralheizungen, Flachbildschirmen, Laptops und Smartphones), erfüllen sie aus dem Blickwinkel eines babylonischen Bürgers doch die Funktion von Priestern der gräßlichen Tiamat mit ihrer Armee von Ungeheuern, die die Welt vernichten wollen. Ist sicher nur ein Zufall, dass die Ungeheuer der „Wissenschaft“ ebenfalls gerade die Welt vernichten … bzw. WIR die Welt vernichten, weil die „Glasperlen“, mit denen man uns verführte, außerordentlich giftige Nebenwirkungen haben.

Andererseits … vermitteln sie jedoch jetzt den Eindruck, die Welt sei ein stabiler, für die Ewigkeit geschaffener Ort, ein Ort, perfekt dafür geschaffen, das für sich einzigartige und fehlerfrei auf den eigenen Leib zugeschnittene individuelle Shampoo käuflich zu erwerben (als ob Haare waschen der Gipfel des Lebenssinns wäre) – oder irre ich da? Also – ich habe die letzten Monate ein paar mal Werbung sehen können … jenen Ort, wo „Wissenschaft“ ihre Produkte an den Mann und die Frau bringt: die Welt die ich dort sehe ist durch und durch gut, ohne Mangel, ohne Leid, ohne Not, ohne Tod und Krankheit – nur strahlende Menschen in wunderschöner Natur, fernab aller Trübnisse – zu ihrem vollendeten Glück fehlt nur noch die Krönung: der richtige Joghurt, der passende Lippenstift und der politisch korrekte Blockbusterfilm, den „alle gucken müssen“.

Es gab eine Zeit, da habe ich diese Welt geglaubt. Ich war jung, gesund, erfolgreich, gern bereit zu glauben, dass die Welt ein wunderschöner Ort sei, nur für mein Wohlfühlen geschaffen – kein Wunder, wohne ja auch in der „Ersten Welt“ – dem Riesenpalast der Moderne. Dann begegnete ich im Rahmen der psychologischen Ausbildung in der Pharmaindustrie (nach langen Jahren im akademischen Elfenbeinturm, in dem es bei bester Versorgung kein echtes Leid gab) einem Mann, dessen Körper verkrüppelt war und der uns einige Grundlagen über Psychologie vermittelte. Er kam nebenbei auf diese Illusion einer „guten“ Welt zu sprechen, auf jene Religion der Fantasterei und Einbildung, die uns beständig einreden will, dass alles wunderbar ist … und es „Deutschland gut gehe“ (eine krasse Lüge angesichts der realen Wirtschaftsdaten – dazu ein andermal mehr) und wir nur noch eins zu tun haben: den richtigen Ort für unser Lieblingsurlaubsbild an der idealen Wand unseres überteuerten heimischen Konsumtempels zu finden. Wie kann eine Welt gut sein, so fragte er uns, in der kleine Kinder wie er von Kinderlähmung verkrüppelt werden, noch bevor sie die Chance hatten, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen?

Es ist eine alte Frage der Menschheit – allerdings keine ganz alte. Für die ältesten Kulturen war klar: die Welt ist ein finsterer, bösartiger, gemeiner Ort, der eine ganze Büchse der Pandora enthielt, aus der sich alle Übel der Welt ergossen: Tod, Krankheit und ARBEIT (darüber … werden wir noch gesondert reden müssen, wir können aber schon jetzt sagen, dass eine Kultur, in der Arbeit zum Inbegriff alles Guten und zur ersten Bürgerpflicht wurde, eine Kultur des Bösen ist – jedenfalls für die überwiegende Mehrheit der jemals lebenden Menschen, die diese Arbeit zur Belustigung und Bereicherung einiger weniger Banker und Politiker leisten mussten). Das Böse – kam von außen in die Welt, die vorher ein paradiesischer Ort war. Auch Buddhismus und Hinduismus kennen diese Sichtweise, ebenso die archaischeren Glaubensformen eher schamanistischer Ausprägungen. Erst die christlichen Theologen bekamen damit ein Problem – allerding lediglich ein Problem der theologischen Systematik: wie kann das Böse in einer Welt existieren, die von einem guten, gerechten, liebevollen Gott geschaffen und regiert wurde? Die Antworten auf diese Fragen sind vielfältig – und laufen auf diese Geschichte mit dem leeren oder vollen Glas heraus, die der Hinduismus mit der Antwort gerecht zu werden versucht, dass das Glas generell eine finstere Illusion ist, während der Buddhismus das Glas (bzw. den damit verbundenen Durst) als Schrecken gebietendes Hindernis auf dem Weg ins Nirvana betrachtet.

Wir aber: bleiben erstmal im Hier und Jetzt – und bei dem kleinen Menschen mit der Kinderlähmung, dessen Leid begann, noch bevor sein Bewusstsein reif genug war, jene Dummheiten zu begehen, die ihn an der Erlösung hinderten, wir bleiben bei jenen Menschen, die (nach Sartre) in die Welt geworfen wurden und sich darin zurecht finden müssen, fernab des Luxus einer theologischen Ausbildung und ihrer akademischen Feinheiten (über die tausend Bücher zu schreiben wären). Jenem Menschen zu sagen, die Welt sei gut, nur er habe etwas falsch gemacht, ist ebenfalls eine moderne Interpretation, die 18000 Kindern, die täglich an Hunger sterben (ein äußerst qualvoller Tod, wie jeder weiß, der schon mal wirklichen Hunger erlitten hat)(siehe Zeit) auch noch die volle Verantwortung für ihr Leid übertragen: sie haben wahrscheinlich falsch visioniert, falsch gefühlt, falsche Affirmationen gebildet, falsche Gebete falsch gesprochen, haben ein mangelndes Selbstwertgefühl gepflegt, haben es sich in der Opferrolle bequem gemacht oder haben einfach falsch gedacht: in Wirklicheit war ihr Glas ja halb voll. Nur aufgrund ihrer existentiellen Minderwertigkeit sind sie jetzt … tot.

Es ist eine große, weltweite (politische, philosophische, religiöse und wirtschaftliche) Bewegung, Kern des „Amerikanismus“ (den wir als solchen nicht kennen, aber „Antiamerikanismus“ kennen wir sehr gut): die Welt ist gut und perfekt, und wer nicht faul ist (oder sonstwie minderwertig wie das hungernde Kind) und fleißig arbeitet kommt ins Paradies der Konsumgötter, kann sich seinen irdenen Käfig mit edelsten Materialien schmücken … anstatt ihm zu entfliehen. Diese Kultur, dessen Leitspruch „The winner takes all“ aus Milliarden Menschen automatisch Verlierer macht – egal, wie fleißig sie für den zweiten, dritten und vierten Platz gearbeitet haben … oder für den letzten – legt alle Verantwortung für den Zustand der Welt bequemerweise in das Individuum, in … das Opfer, „Opfer sein“ wird als bewusst freiwillig gewählte Qualität minderwertigen Menschenmaterials (das falsch fühlt, falsch glaubt, falsch denkt – siehe oben) definiert.

Ich jedoch … denke an das kleine Kind mit der Kinderlähmung. Sicher: dieses Kind hatte es weit gebracht, konnte jedes Wochenende nach London fliegen um dort Saxophon zu spielen – doch lieber wäre es gesund gewesen, anstatt täglich aufs Neue mit den Qualen seiner Behinderung leben zu müssen.

Nun – Wertungen sind immer problematisch, darüber kann man mit Buddhisten und Hinduisten lange diskutieren – auch sie haben ihre Kasten, die ihre Privilegien durch unausgegorene Philosophien schützen müssen, weshalb sie leicht sagen können: „In Wirklichkeit gibt es nichts schlechtes“ (siehe Deutschlandradio):

Das Böse in der Welt ist Menschenwerk. Darin besteht Einigkeit zwischen einem Muslim, einem Hindu und einer Buddhistin. Sowohl Allah als auch „Brahman“, so nennen die Hindus das Göttliche, und auch der universelle Geist, von dem die Buddhisten sprechen, werden frei von aller Bosheit vorgestellt. Woher kommt dann aber der menschliche Hang zum Bösen?

Nun – für jene, für die das Böse kein Menschenwerk ist, ist das gar keine Frage – für die Katharer zum Beispiel, für die die Welt ein böser, misratener Ort war, regiert von einem finsteren Gott, der jene wilden Wasser befehligte über der der Geist des wahren Gottes schwebte und danach trachtete, den Menschen soviel Erleichterung wie möglich zu schaffen. Die Kirche rottet die Katharer aus (die Gründe sind vielfältig, einer ist rein logischer Natur: sie hatten einen zweiten, weniger mächtigen düsteren Gott neben dem Allmächtigen geschaffen) und damit jene, die einen wunden Punkt in der christliche Lehre herausgearbeitet hatten: auch Christus lebte in einer bösen Welt, in der finstere Dämonen Menschen krank machten und ein wild gewordener Satan alle Menschenreiche befehligte (doch: gehen Sie mal nicht in die Kirche und lesen Sie die Evangelien selbst – am besten in verschiedenen Übersetzungen – sie werden sich wundern, in welcher Welt sich der Sohn Gottes … mit großer Macht … bewegte).

Das Böse in der Welt ins Menschenwerk – ohne Weiteres. Das Gute – aber auch. Für den Reichen in seinem Palast ist es außerordentlich nützlich zu sagen: ihr könntet alle einen Palast haben, wenn ihr nur nicht so falsch und minderwertig währet. Der Arme arbeitet fortan nicht nur weniger murrend weiter für den Reichtum des Palastes, er arbeitet auch fleissig an sich selbst, womit er völlig aus dem Handeln kommt und nur noch um sich selbst kreist: noch so viel Denken beschert keine einzige Gurke zusätzlich. Doch schaut man den Armen an, so sehen wir erstaunliches: er ist wahrlich in der Lage, das Leid eines verletzten Tieres zu erkennen, es bei sich aufzunehmen, zu hegen und zu pflegen und nach der Genesung in die Freiheit zu entlassen. Selbst bei jenen Wesen, die ihn jagen und fressen könnten, kann er Mitleid und Mitgefühl walten lassen … ähnliches gibt es aber auch für Tiere (da gibt es Berichte von Wölfen, Affen und Delphinen, die sich um Menschen in Not kümmerten). Er ist in der Lage, sich „die Welt untertan zu machen“ und aktiv gegen das Leid, dass sie enthält, vorzugehen. Sicher – er kann von den bösen Mächten der Welt verführt werden (wollte man sogar mit dem Sohn Gottes selbst machen)… aber sich auch gegen die böse Welt stellen, weil in ihm auch Bilder einer besseren Welt existieren.

Was wäre das für ein Leben, in der wir die Welt als „böse“ definieren (ja: frecherweise machen wir absichtlich von unsere Soueränität in der Weltdeutung Gebrauch, einem Recht, das uns von Geburt an zusteht – wir brauchen hier keine Schützenhilfe von Theologen, Akademikern oder Priestern, noch brauchen wir irgendeine Legitimierung … könnten aber leicht auf Erfahrungen unserer Vorfahren verweisen, die erlebt  haben, wie „gut“ die Welt war, als das ewige Eis Europa verschlang-  was es in Zukunft wieder tun wird). Ja – sie mag chaotisch, sinnlos und widerwärtig sein, wie die Naturwissenschaft predigt: aber wir haben die Freiheit, die Kraft und die Macht, die unserem Geist entspringt, jenem außerweltlichem Guten, das einen Funken des wahren Gottes in uns darstellt, der … „über den Wassern“ schwebte, die heute die Bretter sind, die die Welt bedeuten.

Das Böse – dass sind Kälte, Hunger, Durst, feindliche Bakterien (Leben, das unser Körper jeden Tag ohne uns zu fragen mit tödlicher Gewalt bekämpft, um der Vernichtung zu entgehen), Viren (die nach unsere Definiton kein Leben sind und eher wie biologische Kampfstoffe des Altertums wirken) und Menschen, die (an sich nicht böse, sondern geistig und sozial schwach und deshalb leicht verführbar) dem finsteren Herrscher der Welt ehrfurchtsvoll als Priester und Handlanger dienen. Wären wir in unserer eingeschränkten Wohlstandsblasenrealität nicht so unendlich weit vom natürlichen Leben entfernt, würden wir auch noch wissen, dass Raubtiere ebenso furchtbar werden können (erst recht, wenn sie sich die wehrlosen Kinder als Beute erwählen) wie Pflanzenfresser, die – wenn es zu viele werden – ganze Landstriche in totes Ödland verwandeln können. Gilt auch für süße Kaninchen.

Was wäre das für ein Weltbild, dass aus dem Menschen ein ursprünglich gutes, edles, gerechtes und außerordentlich soziales Wesen macht, geschaffen, den feindlichen Mächten der Welt zu trotzen, ausgestattet mit unveräußerlichen Rechten, die der Große Geist ihm verliehen hat und die ihm kein Wesen dieser Welt gerechterweise nehmen kann. Sie wären alle Helden, die ein kräftiges Selbstbewusstsein entwickeln könnten – auch Brillenträger, die sich sonst endlos quälen müssen, wieso sie die Verantwortung für ihre schlechten Augen haben. Sozial – ist der Mensch auf jeden Fall. Wird oft vergessen – aber unsere eigentlichen Stärken sind nicht die kräftigen Klauen, die übermächtigen Beine, das stachelige Fell, die mächtigen Hörner oder das kräftige Gebiss, sondern die wunderbare Fähigkeit, sich mit anderen Menschen (und Tieren) verbünden zu können, um gemeinsam mit Ihnen aktiv und kraftvoll lebenswerten Raum in der wilden, wirren, bösen Welt zu erschaffen.

Entscheiden Sie also selbst, wie Sie sich sehen wollen: als missratenes Unwesen in einer perfekt von der Wissenschaft gestalteten Welt … oder als Pionier in einer lebensfeindlichen Umwelt, in der jede Abweichung des Körpers oder des Charakters nur eine Wirkung der bösartigen Welt ist. Überlegen Sie doch einfach, welches Weltbild ihr eigenes Wohlbefinden mehr fördert und der planetaren Lebensgemeinschaft (zu der auch Pflanzen gehören) den größten Nutzen bringt, welches Weltbild sie eher zur aktiven Umgestaltung ihrer (feindlichen) Umwelt bringt – und welches eher dem Frieden der Paläste dient. Diese Entscheidung … dürfen Sie selbst frei treffen – und sie wird Ihr gesamtes Wohlbefinden beeinflussen, ihre Handlungsmacht … und ihre politische Einstellung.

Darum stehen diese Worte in der Rubrik „Politik“ … denn diese erste Entscheidung bedingt alle folgenden.

Man muss aber erstmal an den Anfang der Entscheidungskette zurückgehen, was ich heute für Sie – so kurz wie nur irgend möglich – getan habe. Ob Sie mir folgen wollen – ist ihre freie Wahl. Wenn Sie sich als voll verantwortliches minderwertiges Wesen in einer an sich völlig verantwortungslosen perfekten Welt wohl fühlen, ist das Ihre Sache. Ich kann Ihnen nur sagen: in Wahrheit sind Sie für die meisten Erscheinungen der Welt in ihrem Leben nicht verantwortlich, dafür haben Sie viel zu wenig Macht – und jeder Gedanke, was sie bloß nur wieder falsch gemacht haben, weil ihre Firma ihren Arbeitsplatz wegrationalisiert hat oder Banker die gesamte Zivilgesellschaft betrügen und mit Hilfe der Politik ausplündern oder weil ihr Rücken schmerzt, es gerade heute regnet oder gerade Sie nie im Lotto gewinnen oder ihre Tochter gestern an Leukämie gestorben ist, ist vergeudete Lebenszeit.

Ich persönlich habe meine Entscheidung getroffen und kann sagen: ich fühle mich außerordentlich wohl damit, habe daraus eine wissenschaftlich attestierte „extrem soziale Einstellung“ entwickelt und kreise lieber um die Täter als um mich. Das ich arm, krank, einsam und sterblich bin (dem Fluch der fremdbestimmten Arbeit bin ich krankheitsbedingt ein wenig entkommen – dafür nimmt das Kreisen um die Täter, die Diener des Bösen, sehr viel Raum in meinem Leben ein, was auch Arbeit ist), ficht mich nicht weiter an noch kratzt es an meinem Selbstwertgefühl.

Ich selbst – bin schon völlig in Ordnung, wie die meisten (99 Prozent, um genau zu sein) meiner Mitmenschen auch, die nicht mehr wollen, als den Übeln der Welt zu entfliehen. Und gäbe es dieses „draußen“ nicht – ich wäre überglücklich, könnte meinen Seelenfrieden bis ans Ende meiner Tage genießen.

Doch da draußen … da stimmt was gewaltig nicht.

Und das ist auf keinen Fall Ihre Schuld – wäre jedenfalls meine Meinung.

Es ist die Welt als solche, an der es hakt. Aber gewaltig.

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