Dahrendorf

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Was würde JESUS wählen?

Was würde JESUS wählen?

Sonntag, 1.September 2013. Eifel. Ein wichtiger Tag. Er erinnert uns an den deutschen Überfall auf Polen – und daran, dass wir jetzt wählen dürfen, um ähnliche Entwicklungen zu verhindern. In drei Wochen ist es so weit: der Souverän entscheidet wieder, wo es langgeht. So jedenfalls sollte es sein, in Wirklichkeit darf der Souverän nur noch den Kellner wählen, der die Rechnung des Großkapitals präsentiert – aber solche Feinheiten wollen wir heute mal gar nicht ins Auge nehmen, dass ist zuviel für den heutigen Tag. Immerhin ist Sonntag, ein Tag der Erbauung, ein Tag für religiöse Übungen, für Gedanken, die über den trüben Alltag weit hinaus gehen, ein Tag, der wie geschaffen dafür ist, sich einmal mit den höchsten, je von Menschen gedachten Gedanken auseinanderzusetzen – und darüber, was sie wohl für die Wahl bedeuten. Nehmen wir zum Beispiel Jesus. Gott hatte ja einen Bund mit den Israeliten geschlossen, die haben mehrfach versagt – trotz Sintflut und Propheten, so dass er sich genötigt sah, seinen Sohn zu schicken, um persönlich klar zu machen, dass ihm der Lebensstil des römischen Imperiums überhaupt nicht zusagte. Nochmal Sintflut war ausgeschlossen (deshalb hängt ja der Regenbogen am Himmel), aber die Entwicklungen, die Gedanken, die Gesetze, die durch ein gigantisches Sklavenimperiums in die Welt kamen, konnten nicht übersehen werden.  Radikale Maßnahmen waren notwendig. Also kam sein Sohn herunter, wanderte etwas herum und sorgte für Wunder und Hoffnung, bis sein Job getan war. 2000 Jahre später (ist nicht ganz korrekt, aber wir wollen heute nicht pingelig sein) ist Wahl in Deutschland – und wir wollen uns heute einmal die Frage stellen, was denn dieser Jesus hier und heute wählen würde. Wir schauen mal darüber hinweg, dass er „dem Kaiser geben würde, was dem Kaiser gehört“, weil „sein Reich nicht von dieser Welt ist“. Diese Ausflucht wollen wir ihm heute nicht gönnen, erhoffen wir uns von seinem Verhalten doch Hilfe dabei, wo wir das Kreuz machen würden.

Die Antwort schallt einem natürlich sofort entgegen: CDU/CSU. Natürlich wählt der Sohn Gottes christlich, meinen Priester, Lehrer und Philosophen. Nicht unwichtig, denn 48 Millionen Menschen in Deutschland gehören noch dieser Religion an.  Begleiten wir ihn erstmal auf seiner Reise zur CDU: „Deutschland ist stark und soll es bleiben; Weil jeder zählt, das ganze im Blick„.  Nun – mit „Deutschland“ kann unser Jesus nicht viel anfangen – im Gegenteil, das Nationale bereitet ihm Magenschmerzen. Auch die Obdachlosen, an denen er auf dem Weg zur Wahlurne vorbeiging, irritieren ihn: offensichtlich sind sie nicht „jeder“ und zählen deshalb nicht.  Doch nicht das ist, was ihm Sorge bereitet.

Er hat ein wenig mehr gelernt, dort, wo sein Reich ist, und vermag nun (wie dereinst Franz Josef Strauß) Stimmen im Wind zu hören, die ihm ein Liedchen singen – und was er dort vernimmt, verstört ihn sehr. Lauschen wir auch diesem Winde:

1962 bilanzierte Ralf Dahrendorf als Soziologieprofessor in Tübingen:

„Die unbekannteste Führungsgruppe in der deutschen Gesellschaft der Bundesrepublik ist die, die ihr zugleich mindestens äußerlich das Gepräge gibt: die wirtschaftliche Oberschicht, die als Schöpfer und Nutznießer des Wirtschaftswunders die neue Gesellschaft vor allem kennzeichnet“

(Aus:  Die Elefantenmacher, Lambrecht/Müller, Eichborn 2010, Seite 43)

Diese Gruppe hatte die Geschicke Deutschlands schon lange im Voraus geplant – aus sicheren Positionen im NS-Staat heraus:

„Schon während des Krieges hatten Planungen für die Ordnung nach der totalen Niederlage begonnen. Ludwig Ehrhard hatte bereits im März 1944 eine Studie mit dem Titel Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung vorgelegt“. 

(Elefantenmacher, a.a.O., Seite 42).

Es war nur eine kleine Gruppe, 12 bis maximal 20 Wirtschaftsfunktionäre, Hitlers gute Helfer im Hintergrund, die ein neues Deutschland entwarfen – ein Deutschland, dass ihnen die unbegrenzte Macht der Vergangenheit erhalten sollte, ein starkes Deutschland, dass Hitlers Hinterbänklern die Macht geben sollte, die sich nach eigener Ansicht verdient hatten (siehe auch Grunenberg, zititiert bei Elefantenmacher, Seite 43).

Ihr Mittel dazu? Die CDU.

Gegen den Willen der Alliierten wurde von Hermann Josef Abs das Großbankensystem des Deutschen Reiches wieder aufgebaut – und wahrscheinlich wird Deutschland aufgrund dieser Entwicklung direkt nach dem Krieg heute noch von den USA als Feindland eingestuft … die Demokratie war nur dünne Tünche über einem ganz anderen Machtapparat.

Der Wind flüstert unserem Jesus noch viel mehr zu – es geht um „Parteienfinanzierung“ und einem enormen Ausmaß an krimineller Energie, dass sich dort bis hin zur Kanzlerschaft des Helmut Kohl zeigte, dessen Ziehkind Angela Merkel gerade das Land regiert.

Angeekelt wendet sich unser Jesus von diesem Sumpf an Betrug, Täuschung, Lüge und verlängerter Macht des Dritten Reiches ab. Was soll er auch anderes tun, gilt doch Adolf Hitler in weiten Kreisen sogar als „Antichrist“.

Entgegen der Meinung der Pfarrer, Lehrer und Philosophen wählt unser Jesus keine CDU. Wäre auch nie gegangen, wäre zu viel Lüge im Spiel – und Lüge ist eine Spähre Satans, das ist in Jesu´ Reich allen klar.

Im Rahmen der Parteispendenaffäre erfuhr unser Jesus nun von der SPD. Das Wort „sozial“ hat es ihm angetan. Doch sofort beginnt der Wind zu flüstern Er erfuhr von den Geldwaschanlagen der Sozialdemokratie (Elefantenmacher, Seite 54), die in Folge der Geldwaschanlagen der CDU und FDP geschaffen wurden, er sah Bilder von Kanzlern in feinsten Anzügen, die angeblich dem Schutz der Armen verpflichtet waren, lange Schlangen vor Geschäften mit vergammelter Ware und Menschen, die den Industrieabfall noch für gutes Geld vertilgen sollten, er sah staatlich gewollte Armut und Sanktionen, die den Tod bringen konnten und wandte sich angeekelt ab. Das war ja Rom in Reinkultur.

Aber es gab ja noch die FDP. Viel kleiner als die Großen. Doch was flüstert der Wind?

Anfang der fünfziger Jahre wandten sich die Konstrukteure Deutschlands mit ihren Geldsäcken der FDP zu, um den linken Flügel der CDU auszulöschen – die FDP griff gnadenlos zu, worauf hin Adenauer die gesamte hessische CDU zum Arbeitsamt schicken wollte (Elefantenmacher, a.a.O., Seite 54). In Folge waren CDU und FDP durch die gleichen Eliten gesteuert – und selbst heute noch fällt da mal eine Steuersenkung für Hoteliers auf … natürlich nur nach angemessener Parteispende.

Jesus ist ein nun ein wenig ernüchtert und hält das ganze für einen schlechten Scherz. Ihm hatte der Teufel die ganze Welt angeboten – und die Mächtigen der Republik springen schon für kleines Geld durch Feuerreifen? Das nennt sich „christlich“? „Sozial“?“Frei“?.

Nun – unser Christus steht etwas irritiert im Park herum. Fast hält der die Veranstaltung für einen großen Ulk. Räuber, wohin das Auge blickt. Er zeigt sich gewillt, die irdischen Spähren wieder zu verlassen, „heulen und wehklagen“ herrschen immer noch hernieden. Doch sein Gang zur Urne blieb nicht unentdeckt. 48,4 Millionen deutsche Christen stehen hinter ihm, schauen zu ihm auf und warten auf  sein Urteil.

Also macht sich der Heiland auf den Weg, weitere Parteien in Augenschein zu nehmen. Noch ist die Hoffnung nicht gestorben – es gibt ja noch Grüne. Bilder von blühenden Landschaften erscheinen vor dem geistigen Auge, in dem friedliche Schafe ein behütetes Leben führen. Unserem Jesus gefallen diese Bilder – doch wieder kommt der Wind und flüstert ein Lied – und bombenbeladene Düsenjäger donnern über den Himmel, erschrecken das Vieh, verpesten die Luft und bringen Tod und Leid über fremde Völker. Wie der Wind weiter flüstert, war das kein Versehen, siehe Spiegel:

Cohn-Bendit: Eine Strafaktion ohne politische Strategie wäre falsch. Aber der Westen muss militärisch mobilmachen. Als Voraussetzung – entweder für einen Militärschlag oder um einen Waffenstillstand zu erzwingen und das Blutvergießen zu beenden.

Ja, die Bundesregierung müsste sich zusammen mit anderen EU-Ländern an der Vorbereitung einer militärischen Aktion beteiligen.

Jesus erschaudert. So dachte die Welt, bevor er kam. Wollen Grüne Frieden nur für Tiere, doch der Mensch darf geschlachtet werden? Lüge, Täuschung, Betrug – der alte Geruch weht ihm um die Nase – und leise flüstert der Wind noch ein Wort, das schmeckt wie blutige Erde: „Hartz IV“ heißt es – so grün kann Leben sein.

Warum nur nehmen sich alle ein Beispiel an Judas – aber keiner an ihm?

Doch diese Frage wollen wir ihm nicht gestatten. Es ist Wahl in Deutschland – und irgendwo muss das Kreuzchen hin. Darum haben wie ihn ja eingeladen, dass er uns hilft, unser Kreuz zu tragen – seins hat er schon hinter sich.

Doch uns gehen langsam die Vorschläge aus. Mehr als zwei Dutzend Kleinparteien wollen wir ihm nicht vorlegen, noch mehr Lüge, Täuschung und Verrat nur in kleinerem Formen – das wollen wir keinem zumuten.

Aber es gibt ja noch die Piraten. Sie haben kein Profil, aber gute Sprüche. Schauen wir doch mal hin, was die so treiben.

„Polizeischikane auf Schalke“ ist dort Thema. „Was machen die mit Armen?“ will unser Jesus auf einmal wissen. Das Bunte dort gefällt ihm, auch tragen viel weniger diese „Krawatten“, die ihm – zuvor völlig unbekannt – langsam als Ankerband des Satans erscheinen: wo immer Lug und Trug, Täuschung und Betrug ihr Unwesen treiben, da sind sie zu finden. Wir folgen der Seite und stoßen auf „Gesellschaftliche Teilhabe“ … wo uns zuerst die Forderung nach mehr Rechten für „Gamer“ ins Auge fällt. Nur eine Spaßpartei?

Doch bevor wir unseren Jesus zu einem Urteil bewegen können, noch bevor der Wind ein wenig über Johannes Ponader erzählen können – und dem Umgang der Partei mit einem Armen – eilt der Heiland fort. Ein Plakat ist ihm ins Auge gefallen.

„100% sozial“ steht da drauf.

„Umfairteilen“ … so heißt es da. „Gehe hin, verkaufe alles was du hast und gib es den Armen“ … so murmelt er vor sich hin, während er weiter liest:

„Nein zum Krieg“.

Das gefällt ihm. Der Wind flüstert unheimliche Dinge über ein „Ministerium für Staatssicherheit“, über „SED-Vermögen“ und Arbeitslose, die in der Partei schikaniert wurden, er erzählt von Kommunismus, Karl Marx und seinem aussortierten Lumpenproletariat … den Ärmsten der Armen, von Mauerschützen und Terroristen, doch der Herr antwortet: „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“ … und es wird auf einmal ruhig in den Reihen der CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen.

Während es dies spricht, zeigt auf nochmal auf das Schild: „100% sozial“ und spricht dabei: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst„.

Dann verläßt er diese Welt, um sich weiter auf seine große, endgültige Rückkehr zu besinnen.

Die Christen bleiben verwirrt zurück. Kann das denn sein: der Herr würde die Linke wählen? Ja, weiß er denn nicht, dass die die Kirchen abschaffen wollten, die Priester nicht mögen und Religion als Droge ansehen, die es zu verbieten gilt? Doch vom Himmel herab fällt ein kleines Blatt Papier, dass der Herr in seiner unermesslichen Güte der Würdigung wert fand. Es stammt gerade von jenen „Linken“ – und es geht um Ostern:

Ja, Linke oder scheinbar Linke verhielten sich  in der Vergangenheit oft unsachlich und verletzend gegenüber Gläubigen und Kirchen, folgten Vereinfachungen, wonach religiöser Glaube nur Opium oder ein „Fremdkörper“ in der Gesellschaft sei. Die PDS erachtete es daher bereits im März 1990 für erforderlich, ihr Verhältnis zu Gläubigen, Religionen, Kirchen und Religionsgemeinschaften zu bestimmen. Sie bekannte sich zu ihrer Mitverantwortung an einer Politik, die tragische Schicksale, Benachteiligung, Verdächtigung und ohnmächtige Betroffenheit auslöste, und bat um Versöhnung.(1) In der Bundessatzung der LINKEN stehen bei den politischen Zielen Begriffe wie menschenwürdige Arbeit und soziale Gerechtigkeit, Frieden und Nachhaltigkeit. Die Partei, heißt es da, „… ist plural und offen für jede und jeden, die oder der gleiche Ziele mit demokratischen Mitteln erreichen will.“ Also: Die Mitgliedschaft in unserer Partei ist an keine Weltanschauung gebunden, in ihr haben Menschen einen Platz, die sich selbst als Sozialdemokraten oder Kommunisten, als demokratische Sozialisten oder Freidenker verstehen. Ganz selbstverständlich können Christen und Juden, Muslime und Hindus, können Gläubige verschiedener Couleur ihren Platz in unserer Partei finden und politisch aktiv sein.

Die Christen stehen dort … und staunen. Es gibt viel Gemurre unter ihnen – „Sozial ist auch die SPD“, „Christliche Union ist christlich, sonst nichts“, „CSU ist sozial“, „so ein wenig sozial sind wir alle, dass gibt doch nicht den Ausschlag“ … doch alles wird unterbrochen von einem enormen Getöse aus den himmlichen Gefilden, einem donnernden Abschiedsgruß und mit großen Lettern an den Himmel geschrieben erscheint noch einmal der Wunsch des Herrn:

„100 % sozial … EINHUNDERT PROZENT!!!“ –  und Wahrlich ich sage euch: Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.

Tja – so sprach der Herr – und lässt uns verwirrt zurück.

Gerne hätten wir noch mehr Parteien vorgestellt, doch der König der Sozialromantiker hatte gefunden, was er wollte – und wir trauten uns nicht, ihm zu widersprechen. Gerne hätten wir ihn auch auf die vielen Krawatten bei den Linken aufmerksam gemacht … aber was das Soziale angeht, da versteht der Herr keinen Spaß, da hat er einen klaren Kurs: 100 % sozial.

Alles andere … scheint nur Schall und Rauch in seinen Augen zu sein.

Man merkt aber langsam, warum das Christentum immer mehr an Boden verliert – so bald man seine Botschaft versteht, wird die Wahl alternativlos. Deshalb wählen wir lieber Judas als Christus. Den gibt es in vielen Farben.

 

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