Macht es eigentlich noch Freude, Nachrichten zu lesen? Also – so ganz ohne Tabletten und Alkohol? Geht das gut durch, das ein Chef der Bundesanstalt für Arbeit das deutsche Jobwunder preist und zwei Wochen später genau das Gegenteil prophezeit: weniger Geld für alle?
Gestern erst hatte ich über das Ende das Kapitalismus geschrieben, weil ein Professor im Handelsblatt sein Ende konkret beschrieben hatte. Heute erfahre ich bei Spiegel-online: der legt erst mal richtig los, der Kapitalismus … bedauerlicherweise:
Der Kapitalismus dürfte deshalb keineswegs am Ende sein, sondern lediglich eine neue Stufe erreichen. Man kann das schlecht oder gut finden – ändern wird es wenig. Unabhängig von moralischen Kategorien kann es sein, dass in der heraufziehenden Ära der Kapitalknappheit die Wirtschaft sich erst recht an den Interessen der Kapitaleigner orientieren wird.
Das wäre dann der Supergau: Hartz IV für alle, die nicht 80 Stunden die Woche Tag und Nacht mit voller Leistung bis zum siebzigsten Lebensjahr durcharbeiten können. So schlimm wird es nicht kommen, tröstet uns der Autor:
Die große Frage ist, wie die Wirtschaft darauf in den kommenden Jahren und Jahrzehnten reagieren wird. Wird die „Entmenschlichung“ des Systems fortschreiten, die die Kapitalismuskritiker beschwören? Werden im Szenario der Kapitalknappheit die Interessen der Beschäftigten und der Bürger tatsächlich vollkommen unter den Tisch fallen?
Vermutlich nicht. Vielleicht passiert gerade das Gegenteil: Ohne den Faktor Mensch, ohne sein Wissen, seine Fähigkeiten und seine Kreativität, ist Kapital unproduktiv. Erst durch das intelligente Zusammenspiel der beiden wichtigsten Produktionsfaktoren Mensch und Kapital lassen sich jene hohen Renditen erreichen, die künftig erwirtschaftet werden müssen.
Kann man allerdings die Arbeitskräfte in großen Massen aus dem Ausland beziehen (wie es – welch´ Zufall – gerade massiv gefordert wird) dann … steht einem Fortschreiten der Entmenschlichung der Gesellschaft doch nicht mehr im Wege, oder?
Damit das System funktioniert, muß man nur die „soziale Hängematte“ fortnehmen … dabei ist sie der Grund, weshalb wir überhaupt Gemeinschaften bilden. Da aber Gemeinschaften den egoistischen Kapitalinteressen entgegenstehen, braucht man auf sie keine Rücksicht zu nehmen – genauso wenig wie auf die Wahrheit, wie die Welt heute berichtet:
„Sachverstand ist bei vielen Politikern offensichtlich nicht mehr gefragt“, sagte Bosbach „Welt Online“. Stattdessen werde mit frisierten Zahlen und Statistiken gezielt Stimmung gemacht, und Entscheidungsprozesse würden so vorangetrieben.
Als Beispiel nennt er die angebliche Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Bei genauerer Betrachtung zeige sich, dass die Ausgaben für Gesundheit seit Anfang der Neunzigerjahre nicht stärker gestiegen sind als die Konsumausgaben der Deutschen.
Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreichte 2003 mit 10,8 Prozent einen Höchststand und ist seither sogar leicht rückläufig. Die Sozialquote liegt seit Mitte der Siebzigerjahre konstant bei etwa 30 Prozent des BIP, rechnet Bosbach vor. Von einem Wildwuchs des Sozialstaates könne da doch keine Rede sein.
Indes sind die Einnahmen der Krankenkassen seit 1992 kontinuierlich zurückgegangen, weil die Löhne und Gehälter seit 1995 schwächer gestiegen sind als das BIP und es immer mehr prekär Beschäftigte, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger gebe.
Wie es die „Welt“ aushält, solche Erkenntnisse zu veröffentlichen und gleichzeitig gegen den Sozialstaat zu wettern, bleibt ihr Geheimnis. Vielleicht hilft ja Kokain in hohen Dosen.
Das ganze Geheimnis unseres sozialen Elendes ist: Karsten Maschmeyer und Konsorten brauchen Spielgeld – und das nimmt man den Bürgern in großem Umfang fort, indem man einfach für Arbeit kein Geld mehr bezahlt, beides aber trotzdem einfordert. Das so ein System ohne Drogen krank macht, zeigt eine aktuelle Untersuchung, veröffentlicht bei heilpraxis.net:
Arbeitslosigkeit wird zum Stress eigener Art“, so seinerzeit der Studienautor Wilhelm Adamy vom IGES-Institut. Laut Studie litten Hartz IV-Bezieher vor allem unter Stoffwechselstörungen und Krebserkrankungen. Auch psychische Leiden wie Depressionen nehmen laut der Studie konstant zu. Eine weitere wissenschaftliche Auswertung der Universität Leipzig ergab, dass viele Arbeitslose regelrecht apathisch werden und ihre Situation kaum verkraften. Die Folge: Depressionen, Ängste und soziale Phobien.
Das Druck Menschen kaputt macht, weiß man seit tausenden von Jahren. Aber wir modernen, aufgeklärten Menschen versuchen es gerne mal mit was Neuem: zum Beispiel mit noch mehr Druck. Auch diese Logik scheint nur unter Drogen zu überzeugen.
Wir sind ja nun ein christliches Land. Wir feiern Weihnachten, Ostern und Pfingsten, halten den Sonntag arbeitsfrei und lassen die Armen nicht verrecken. Dafür, das das so bleibt, stehen vor allem unsere christlichen Parteien. Doch was erfahre ich jetzt in der Welt? Die stehen mit dem Teufel im Bunde:
Welt Online: Wie steht es um die Drogenhändler, sind sie den Verlockungen des Teufels erlegen?
Pantoja: Ja, so ist es. Der Teufel hat ihre Schwäche fürs Materielle erkannt. Aber das gilt nicht nur für die Drogenhändler, sondern auch für viele Politiker und ganz normale Menschen. Die Verlockungen des Geldes und der Macht sind die stärksten unserer Zeit und führen dazu, dass die Menschen von Gottes Weg abkommen.
Aha. Verlockungen des Geldes und der Macht sind des Teufels (den es zwar im Christentum eigentlich nicht geben darf, ich will jetzt aber mal nicht kleinlich werden). Was heißt das jetzt für die Kapitalrendite und das Kanzleramt? Klar: Teufelsdreck. Und für Hartz IV, dem Ergebnis des Schulterschlusses von Politik und Wirtschaft? Teufelswerk, na klar.
Ich denke, wir sind nicht mehr weit von dem Schluß entfernt, das der Porsche der Kinderwagen des Teufels ist … und das Hartz IV ganz real Menschen tötet, und zwar viel mehr als man bislang angenommen hat. Die werden statistisch nur anders erfaßt – schon sind sie weg. Geschieht schon jeden Tag. Die Kinder Gottes können den Teufelsatem von Erniedrigung, Demütigung, Verachtung, Drohung und Anfeindung nicht ewig aushalten – immerhin sind sie eigentlich fürs Paradies geschaffen.
Wenn man nun schon nicht aus Gründen der Menschlichkeit, des Bekenntnisses zu den allgemeinen Menschenrechten oder natürlicher Solidarität (ohne die wir schon lange ausgestorben wären) dazu kommen, uns der Entmenschlichung der westlichen Welt in den Weg zu stellen, vielleicht schaffen wir es ja, weil wir eine christliche Kultur haben – oder wir bekennen uns offen zu dem Gegenteil, dann ist auch endlich Schluß mit den lästigen Feiertagen und dem kindischen Sonntag.
Teufelsrepublik Deutschland – wir hätten nicht nur die passende Geschichte dazu, sondern auch einen passenden Mythos, wie der Berliner Dialog zitiert:
Aber auch mitten in Deutschland gibt es nach der Erkenntnis pfingstlerischer Endzeitpropheten Stätten und Bauwerke, die direkt in der Bibel vorkommen – allerdings als Unheilsstätten. Unter der Schlagzeile „Das ist Satans Thron – Offenbarung 2,13 – Heute in Berlin!“, behauptet die extrem pfingstlerische Zeitschrift „Prophetic Vision“ des David Hathaway, der von deutschen Archäologen ausgegrabene und ab 1902 in Berlin ausgestellte Pergamon-Altar sei der in Offenbarung 2, 12-13 in dem Sendschreiben an die Gemeinde in Pergamon genannte „Thron Satans“.
Die Beweisführung der Pfingstler ist so erdrückend wie die unserer Politiker:
„Seit 1945 erlebte das wiederaufgebaute Deutschland mit seiner geteilten Stadt Berlin und getrennt vom Pergamonaltar einen wirtschaftlichen Aufschwung, wie es solchen weder in Deutschland noch in Europa jemals zuvor gegeben hatte.“
Als Westdeutschland durch die Mauer vom Ischtar-Tor, „Babylons Symbol des Judenhasses“, getrennt war, habe sich Westdeutschland auf eine Gnadenzeit zubewegt. Mit der Wiedervereinigung 1990 habe sich dies geändert. Deutschland befinde sich wieder in einer Wirtschaftskrise.
Problem erkannt, Gefahr gebannt, möchte man sagen. Doch was ist jetzt zu tun? Nationalexorzismus? Beutegut zurück nach Pergamon schicken (wäre sowieso eine korrekte Idee)? Die Bonner Republik zurückholen? Oder den Hartz-Regelsatz um 33 Euro erhöhen?
Einmal abgesehen von der Spielerei mit Bildern und jenem Pergamonmythos (der sich im Übrigen noch viel weiter ausdehen ließe, wenn man Spaß an solchen Spielereien hätte) ist es auch ohne Teufel klar, wohin die Reise geht: die Entmenschlichung der Gesellschaft schreitet voran – und in ihrem Gefolge entwickelt sich die Hartz-Gesetzgebung zum Vernichtungsprogramm auf leisen Sohlen. HARTZ MACHT KREBS … wäre mal eine dicke Schlagzeile wert. Und ich wüßte nur allzugerne, wie eine christliche Gesellschaft mit einem solchen Teufelswerk leben kann.