Burn out

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Die gezielte Vernichtung der Familie in der westlichen Welt: ein Gemeinschaftswerk von „Politik“ und „Wirtschaft“

Freitag, 17.3.2017. Eifel. Wir können auch mal über Familie reden. Merke schon: jeder schreit und stöhnt. Familie – hat ja auch jeder. In der Werbung wird sie uns ja auch jeden Tag mehrfach als Non-plus-ultra jeglichen Glücks präsentiert … weitab der realen Wirklichkeit. Schöne Bilder sieht man dort … Bilder, die keinen Entrüstungssturm von Feministinnen auslösen: die Kinder brav und adrett, immer gut gelaunt, nie nervend, die Frau des Hauses strahlt über das ganze Gesicht beim Servieren von Markenware, der Herr des Hauses schaut voller Stolz auf das von ihm geschaffene Idyll, im Hintergrund schimmern Terrasse und Pool samt Sportwagen. Aber Werbung soll ja auch nicht die Wirklichkeit abbilden, sie soll „Appetit machen“ – so der Markenberater Brandmeyer bei Brandeins. Herr Brandmeyer führt uns auch gleich in zentrale politische Dimensionen von „Familie“ ein:

„Erinnern Sie sich übrigens an Bonanza, Flipper, Daktari? Die haben eine Gemeinsamkeit: Es gab in diesen Familien nie eine Mutter. Und es wurde auch nie erklärt, wo sie war: Sie existierte einfach nicht. Die Familie bestand aus dem Vater mit seinen drei oder vier Kindern. Ich habe darüber mal mit einem Soziologen gesprochen. Seine Erklärung: Die Bande hätte nicht annähernd so viel erlebt, wäre eine Mutter dabei gewesen. Denn die hätte gleich gesagt: Bei dem Wetter geht ihr nicht raus! Oder: Setzt in jedem Fall eine Mütze auf! Die Mütter bedenken, was alles passieren könnte. Die Väter sind für den unkalkulierbaren Teil zuständig.“

Zum Beispiel also … für die Erstürmung von Rathäusern, die Besetzung von Fabriken, die Errichtung von Barrikaden. Bei Bonanza kein Problem – bei den Gilmore Girls oder den Damen von Sex in the City schon: da werden Strategien zur erfolgreichen Anpassung und Maximierung der Konsummöglichkeiten favorisiert … da geht man auch ohne Mütze nicht bei jedem Wetter ´raus.

Brandmeyer hat auch eine interessante Sicht auf die Familie:

„Die Familie ist die älteste und vermutlich stabilste Form der Lebensgemeinschaft, die es gibt – weltweit.“

Nun – da darf er sich aber nicht mit der Wissenschaft auseinandersetzen – aber wer braucht die schon: was Familie betrifft, haben wir alle selber unsere Erfahrungen. Geht man in den Bereich der Wissenschaften, so findet man sich in einer kunterbunten Welt wieder, in der jeder Wissenschaftler mit einer neuen Theorie brillieren will … die nach zwei Jahren wieder völlig vergessen ist. Liegt nicht an den Leuten, liegt an der Umwelt, in der sie sich bewegen: um eine der seltenen Festanstellungen zu bekommen, muss man (in fast allen Fächern) besonders hoch hüpfen und besonders laut „ich-weiß-was“-rufen, um nicht als Kellner im Studentencafe zu enden.

Dass Familie auch überhaupt eine politische Funktion haben kann, bemerken wir kaum noch. Was wir bemerken: die rebellische Jugend ist uns abhanden gekommen – und das ist ein voller Erfolg der Politik. Es ist mir letztens bei der Lektüre von Daniele Gansers  Buch „Nato – Geheimarmeen in Europa“ begegnet (da ich generell das ganze Buch zur Lektüre empfehle, zitiere ich hier mal nicht detalliert): der ernsthafteste Angriff auf „das System“ war die „Flower Power Bewegung“, die Friedensbewegung und die Bürgerrechtsbewegung. Sie waren der Feind, weil sie das System an seinen Wurzeln angriffen. Hätten sie sich durchgesetzt … der kapitalistische Putsch wäre im Keim erstickt worden, wir hätten heute eine friedliche globale Zivilisation von Blumenkindern, die mit Schrecken auf unsere gegenwärtige Realiltät schauen würden so wie wir mit Schrecken (und einer gehörigen Portion Unverständnis) auf die römischen Gladiatorenarenen, die Hexenverbrennungen, die Indianermassaker der US-Kavallerie oder die Konzentrationslager des Faschismus blicken.

Nun – gewonnen haben die anderen.

Zurück zur Familie. Einige Eifrige werden jetzt schon bei Wikipedia nachgeschlagen haben und dürften erschlagen worden sein von der Flut an Perspektiven, den dieser Begriff mit sich bringt – und zu vielen der dort dargestellten Thesen gibt es auch noch nicht berücksichtigte Gegenthesen, auch in der historischen Betrachtung der Familie scheiden sich die Geister. Wir wollen aber keine Begriffsforschung machen, noch ausufernde Debatten führen: das Ziel ist ja vorgegeben – wir wollen schauen, ob es nicht äußere Gewalten sind, die die Familien aktuell zerstören.

Dass sie zerstört werden, scheint Fakt. Der Einpersonenhaushalt wird zunehmend das führende Lebensmodell, der Haushalt mit Kindern – das klassische Familienmodell – rückt damit in den Hintergrund (siehe BpB). Nun kann man natürlich diskutieren, ob der zwei-Personen-Haushalt ohne Kinder trotz Ehe überhaupt noch Familie ist, es zeigt sich auf jeden Fall der Trend zum Minimum (siehe hierzu die Besprechung in Deutschlandfunk zu Frank Schirrmachers Buch Minimum) mit drastischen Folgen für unsere Gesellschaft:

„Der Sozialstaat verschwindet. Die Familie löst sich auf. Übrig bleiben bloß noch individualistische Einzelkämpfer, die im Notfall unfähig sind, zusammenzuhalten. Übrig bleibt nur noch Kälte. Soweit Schirrmachers düstere Prognose über die Zukunft des sozialen Zusammenhalts.“

Der egoistische Einzelkämpfer ist ja auch das Modell für Staat und Wirtschaft geworden, zunehmend sieht sich der Staat als Einzelwesen im Land, dass sich gegen die „Schmarotzer“ (seine steuerzahlenden Bürger) wehren muss … Bürger, die zunehmend auch als lästig und bildungsfern empfunden werden … ebenso wie die „Firma“ sich als Einzelkämpfer gegen Mitarbeiter, Kunden und Staat sieht, eine Einstellung, die die prinzipielle Solidarität zwischen den Funktionsträgern von Staat und Wirtschaft erahnen läßt, die das gleiche Weltbild und die gleiche taktische Situation teilen: „allein gegen alle“.

Ist es aber wirklich so, dass der Staat aktiv Familien zerstört? Nun: das kann ja im Prinzip gar nicht sein. Das Grundgesetz verpflichtet ja den Staat zu besonderem Schutz der Familie (siehe Gesetze im Internet)

„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“, Artikel 6 Absatz 1. Absatz 2-6 befasst sich dann gezielt mit dem Wesen von Familie: den Kindern, woraus wir schließen können, dass das klassische Familienmodell auch hier den Urgrund der Entscheidung zur Gesetzesformulierung war, auch … wenn es heute nur noch eine Lachnummer ist.

Eine Lachnummer?

Nun – der Staat fördert gezielt die Vernichtung der Familien … allerdings erstmal offen nur bei einer Kaste, die wir uns als „Unberührbare“ halten: den Arbeitslosen, auf die sowieso keiner achtet. Wie viele dieses Schicksal ereilt: wir wissen es nicht. Mehrfach geschönte Statistiken verzerren das Bild (siehe z.B. Focus), als sicher scheint zu gelten: 1,5 Millionen Kinder sind in diesem System auf Eis gelegt – und es werden immer mehr (siehe Tagesschau).

Es gilt als sicher, dass diese Kinder in zu großer Armut leben, dass ihre minimalistischen Regelsätze noch nicht mal im Ansatz für eine hinreichende sozio-kulturelle Teilhabe ausreichen … aber der Staat hat eine Lösung für das Problem. Trennen sich die Familien, so zahlt er den Trennungsgewinnern eine Prämie auf Kosten des Verlierers.

Ach – das war noch nicht bekannt?

Das Konstrukt nennt sich „Alleinerziehendenzuschlag“ (siehe Hartz IV.org):

„Alleinerziehende, die sich alleine um die Pflege und Erziehung ihrer minderjährigen Kinder kümmern,  haben einen Anspruch auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 SGB II. Diese Leistungen werden zusätzlich zur Regelleistung erbracht. Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund ermittelt hat, erhalten rund 41 Prozent der Alleinerziehenden Hartz-IV-Leistungen, weshalb dieser Mehrbedarf eine große finanzielle Hilfe ist. Dabei beträgt die Höhe der Mehrbedarfe mindestens zwölf und höchstens 60 Prozent der maßgeblichen Regelleistung und ist in erster Linie vom Alter und Anzahl der Kinder abhängig.“

Das können bis zu 245 Euro mehr sein – jeden Monat.

Versetzen Sie sich doch einfach mal in die Situation der Familie. Auf der einen Seite: der ständige Blick auf die Armut der Kinder, auf Mangel in jeder Hinsicht, auf das Mobbing, dass diese Kinder in der Schule ertragen müssen, die Verachtung, die ihnen durch die Nachbarschaft ins Gesicht schlägt … und auf der anderen Seite die große Verlockung, die Staat – und Medien – aufbauen. Trennt sich die Mutter vom Vater, hat sie sofort mehr Geld für ihre Kinder, um deren Leid zu mindern. Ist sie eine verantwortungsvolle Mutter, der das Leid ihrer eigenen Kinder nahegeht, ist sie fast schon in der moralischen Pflicht, sich vom Familienvater zu trennen – die Prämie für diese Trennung darf sie sogar behalten, wenn sie einen neuen Liebhaber hat (siehe bista.de).

Der besondere Kniff an der Sache ist aber: diese Prämie zahlt der ausgestoßene Vater der Kinder. Im Falle der Trennung kann die Frau Leistungen von der Unterhaltsvorschusskasse beantragen, die dem Vater als Schulden aufgebürdet werden: er hat von nun an zwei Behörden im Genick – das Jobcenter und die im Jugendamt angesiedelte Unterhaltsvorschusskasse. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht macht seine Arbeit für ihn gar keinen Sinn mehr, er arbeitet 45 Stunden in der Woche (was ja so langsam unsere Normarbeitszeit wird), bekommt aber nur knapp 1000 Euro ausbezahlt. Der Gewinner dabei sind jedoch nicht seine Kinder … für die er wohl gerne zahlen würde … sondern der Staat, denn der Unterhalt des arbeitenden Vaters wird von der Hartz-IV-Leistung für Mutter und Kinder als Einkommen angerechnet (wie auch das Kindergeld), womit der Staat ein gutes Geschäft macht.

Allerdings … dürfen Väter wie alle Arbeitnehmer ja nicht in betriebswirtschaftlichen Dimensionen denken, dieses Denken ist dem Staat, der Firma und der Versicherung vorbehalten. Der Arbeitnehmer, der für seine Arbeitsleistung die Formel Umsatz minus Kosten gleich Gewinn in Anspruch nimmt, gilt als asozialer Schmarotzer, der unsolidarisch mit der Firma (oder dem Staat) ist … auch wenn die Arbeit seine Gesundheit so sehr angreift, dass seine Lebensarbeitsleistung nur sehr beschränkt verwirklicht werden kann, weil er zum Beispiel aufgrund von Überlastung im Arbeitsprozess noch nicht einmal mehr zum Schlafen kommt (siehe Spiegel):

„In der Umfrage berichteten etwa 80 Prozent der Erwerbstätigen von „Schlafproblemen“. Fast die Hälfte sei bei der Arbeit müde.“

Ja, stellen Sie sich das mal vor: Vater sagt zum Chef “ bei dem Ertrag an Gehalt muss ich betriebswirtschaftlich logisch meine Arbeitszeit drastisch reduzieren, um noch Gewinn machen zu können“. Gäbe großes Gelächter in der Runde, oder? Obwohl die Kinder davon einen Gewinn hätten, denn Väter haben schon eine besondere Rolle für Kinder … zum Beispiel bei der Anleitung zum Barrikadenbau in Hauptstädten. Dafür brauchen die aber Zeit für ihre Kinder – wo soll die herkommen, wenn noch nicht mal mehr Zeit für Schlaf da ist?

Aber seien wir mal ehrlich: für wen sollten die Väter denn noch Barrikaden bauen?

Andererseits ist die familienfeindliche Wirtschaft (ja: der Wunsch nach optimaler „Flexibilität“ von Mitarbeitern geht automatisch zu Lasten der Kinder, die einen stabilen Lebensraum brauchen) jederzeit in der Lage, kritiklos „harte Sanierungen“ durch Stellenabbau durchzuführen – was aktuell 38000 Opel-Mitarbeitern droht (siehe Spiegel).

Es bleibt nun die Frage: ist das nun eine gezielte Entwicklung oder eher ein natürlicher Prozess, der sich nicht aufhalten läßt?

Im Falle der deutschen Sozialgesetzgebung muss man sagen: hier kann man bewusste Prozesse voraussetzen, Gesetze werden lange genug beraten, so dass man davon ausgehen kann, dass die „Nebenwirkungen“ bekannt sind und zumindestens billigend in Kauf genommen werden … obwohl man damit gegen das Gebot des Schutzes der Familie verstößt.

Und es ist natürlich riskant, hier das Thema Hartz IV ins Spiel zu bringen: wie schnell kann dieser Zuschlag wieder gestrichen werden, um noch mehr Armut für die Kinder zu bringen.

Gehen wir über zur nichtarbeitslosen Normfamilie … in der zwei arbeitende Eltern ein wohlstandsverwahrlostes Kind großziehen, das mit sieben Jahren schon einen eigenen Haustürschlüssel hat, ein Zimmer mit PC, Fernseher und Spielkonsolen, damit es ihm nicht zu langweilig wird, bis die Eltern wiederkommen. Wer hat sich eigentlich dieses Konstrukt ausgedacht? Verkauft wird als es großer Triumph der Emanzipation – aber wäre der nicht noch größer, wenn anstatt nur Papa nur Mama arbeiten geht – fürs gleiche Gehalt, und ein Elternteil sich allein um die Kinder kümmert, damit diese nicht ganz und gar sich selbst überlassen sind? Seltsam, dass nach so vielen Jahrzehnten „Emanzipation“ vor allem eins übrig blieb: die Frau als willige Füllmasse für den Niedriglohnsektor, an dem sich klasse verdienen läßt … ganz am Ende der Geldkette, versteht, sich: dort, wo auch Geld für feine Partys mit Politpromis und Parteispenden übrig bleibt.

Was noch übrig bleibt: tyrannische Kinder. Ja – es ist die Nähe, die Kinder pflegeleicht macht, die starke emotionale Bindung, die aus kleinen Haustyrannen konstruktive Mitglieder der Familie werden läßt (siehe Deutschlandfunk): undenkbar für die meisten Familien, die mit Mühe und Not den ständig steigenden Anforderungen von Staat und Wirtschaft hinterher rennen müssen, Anforderungen, die nicht nur im finanziellen Bereich gestellt werden (steigende Preise bei sinkenden Löhnen) sondern eben auch im Bereich der Arbeitszeit mit dem beständigen Wunsch (bzw. der Verpflichtung) nach noch mehr Überstunden … und der impliziten Forderung des Staates, die beständigen Minderleistungen im Unterricht durch elterliche Nachhilfe (persönlich oder finanziell) auszugleichen. Hier … wird auch die leistungswilligste Familie im Laufe der Jahre völlig verschlissen.

Hierzu sprechen Zahlen eine deutliche Sprache: nach einem Anstieg um 80 Prozent gegenüber 1996 litten schon 2011 13 Millionen Menschen am Burn-Out-Syndrom (siehe Münchener Institut), bei gleichbleibenden rasanten Steigerungsraten wird auch die Familie ein zusätzlicher Belastungsfaktor (siehe Welt).

Und die Lösung, die Politik und Wirtschaft zu diesem Problem einfällt?

Erschrecken einfach: wir vernichten weitere Familien – weltweit (siehe Spiegel):

„Deutschlands Arbeitsmarkt ist auf Zuwanderung angewiesen – da sind sich Politik und Wirtschaft schon länger weitgehend einig.“

Schon unheimlich, wie hier „Politik“ und „Wirtschaft“ als gemeinschaftlich wirkende Akteure dargestellt werden (wer verbirgt sich eigentlich hinter diesen Füllwörtern von „der Politik“ und „der Wirtschaft“, wann haben die sich wo getroffen, um sich abzusprechen? Und welche realen Menschen stecken dahinter?) – aber das sei nur mal so nebenbei erwähnt.

Warum unterstelle ich nun eine „gezielte Vernichtung“? Weil ich Politik und Wirtschaft nicht aus der Verantwortung entlassen möchte, als Steuerzahler, Arbeiter und Kunden statten wir diese gesellschaftlichen Akteure mir so viel Geld aus, dass sie jederzeit Wissen genug einkaufen können, um sich den Folgen ihrer Taten bewusst werden zu können – hier darf ein höheres Maß an Verantwortung angelegt werden: ganz entsprechend der Finanzmacht der Akteure.

Das betrifft aber nicht nur Deutschland, es ist ein Trend in der gesamten „westlichen Kultur“, die ihre Familien in Massen verschleißt – und sich neue Bürger einfach aus anderen Ländern importiert, vorzugsweise aus jenen, deren Infrastruktur man vorher zusammen gebombt hat, so dass ein friedliches Leben da nicht mehr möglich ist.

Folgen wir Brandmeyer, erleben wir gerade das Aussterben des weltweit erfolgreichsten und stabilsten Modells von sozialen Gemeinschaften, die Basis für alle größeren Gemeinschaften war. Und Frank Schirrmacher erläutert uns, wo das enden wird: im Kampf aller gegen alle, der nur durch eins gebändigt werden kann … durch den absolutistischen Alleinherrscher, den allmächtigen König. Kann man verstehen, wenn man Hobbes´Leviathan gelesen hat.

Und Anwärter für diesen Job findet man wohl bei „der Politik“ und „der Wirtschaft“ genug. Konsequenterweise üben ja Bundeswehr und Polizei schon einträchtig zusammen, um diesen Herrscher mit der nötigen Macht im Inneren auszustatten (siehe Spiegel), auch wenn diese besondere Art der Übung eher das Bevorstehen einer islamistischen Anschlagswelle suggerien: eine Weltsicht, die man sonst eher nur Rechtsradikalen zutraut.

 

 

 

 

 

Über multiresistente Keime, Kulturtod und emotionale Vulkanausbrüche in neoliberaler Gletscherlandschaft – und Enten, die an Nacktschnecken ersticken

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Foto: Nacktschneckenpaarung CC-BY-SA-3.0 BY rupp.de/wikimedia commons (Quellenlink)   

Jedes Jahr infizieren sich in Deutschland rund eine Million Menschen mit multiresistenten Krankenhaus-Keimen / MRSA, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft (siehe ARD-Doku „Operation gelungen – Patient tot“). Nach Schätzung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene sterben daran ca. 40.000 Patienten. Falls wir Antibiotika in der Tier- und Menschenmast weiterhin so unbedarft einsetzen wie bisher, werden laut neuesten Berechnungen  demnächst mehr Menschen an multiresistenten Keimen sterben als an Krebs (siehe Spiegel). Laut dem „Review on Antimicrobial Resistance“ könnten bis 2050 weltweit zehn Millionen Menschen pro Jahr an nicht mehr behandelbaren Infektionen sterben. „Wenn wir das Problem nicht lösen, steuern wir auf Zeiten wie im Mittelalter zu. Viele Menschen werden sterben“, warnt der Ökonom Jim O’Neill, der die Recherchen zu dem Bericht leitete, gegenüber der BBC (siehe Bericht). Sogar die eisern in neoliberalen Traumgefilden schlafende CDU-Fraktion schlägt inzwischen Alarm.

Als ob diese Art von Infektionen noch nicht schrecklich genug wäre, naht sich uns eine noch viel abgründigere, wenngleich unsichtbare und daher wenig thematisierte Gefahr: Die innere Vermorschung bzw. der geistige Tod. Wenn man die derzeitige Sachlage einige Jahre in die Zukunft extrapoliert, dann wird diese Art des Todes wohl weitaus mehr Menschen dahinraffen als MRSA und die Pest im Mittelalter zusammen.

Eine Vorstufe zum geistigen Tod ist der soziale Tod, wenngleich, wie wir sogleich ausführen werden, der soziale Tod gleichzeitig eine große Chance ist, dem geistigen Tod zu entrinnen –insofern kann das Hartzer-Schicksal bei aller bekämpfenswerten Dramatik womöglich eine großartige Chance darstellen, um der endgültigen Auslöschung seines Menschseins zu entgehen.

Aber alles schön der Reihe nach. Im jüngsten Artikel des Eifelphilosophen (Der soziale Tod – Triumph der Elite, Wille der Regierung, Ende der Gerechtigkeit) wird bereits das drohende Schicksal des fernsehenden Reihenhaus-Sparschweinbürgers skizziert: der soziale Tod. Indem sich bei stagnierenden Haushaltseinkommen und gleichzeitig rasant steigenden Wohnungs- und Lebenshaltungskosten immer weniger Menschen, nicht nur Hartzer,  den Eintritt in eine Theater-, Konzert- oder Sporthalle leisten können – oft sprengt schon der Cafe- und Eissalonbesuch das Familienbudget -, verlieren sie den Anschluss an Kultur und Gesellschaft.

Ohne Zweifel ist das Herausdrängen aus der Kulturteilhabe bzw. die Gefahr des sozialen Tods etwas ungemein Schmerzvolles und zeugt von einem Totalversagen unseres Polit- und Wirtschaftssystems. Das soll jetzt nicht zynisch klingen, aber: Diejenigen, die sich Kulturteilhabe noch leisten können und aus dem Vollen schöpfen, befinden sich ohne dass sie es wissen, in noch viel größerer Gefahr – der Gefahr, dem geistigen Tod bzw. einer Art innerer Vermorschung entgegenzugehen. Denn war die Teilhabe an der herrschenden Kultur in früheren Zeitepochen i.d.R. der Garant und Wegweiser für eine angemessene menschliche Entwicklung, so ist es heute andersrum: Kultur muss individuell begründet werden. Schwimmt man nur mit dem mit, was einem von außen als „Kulturleben“ zugefüttert wird, dann wird man von einem Vakuum angesaugt, geht man langsam aber sicher unter und erleidet eine Art inneren Erfrierungstod (heute salopp als „Burn-out“ bezeichnet – was zunächst flammend und heldenhaft klingt, aber schon bei wörtlicher Interpretation zeigt, dass dieser Zustand gar nichts Flammendes oder Wärmehaftes mehr in sich hat, sondern eben: „Flamme-aus“, also: Kälte).

Die Sache ist leider umso tückischer als diesem geistigen Erfrierungstod jede Menge feuriger Eruptionen und Emotionsfeuerwerke vorangehen, die den Eindruck von wohliger Wärme und Vitalität erwecken. Da diese jedoch den Menschen in Wirklichkeit leer ausgehen lassen, muss die Dosis ständig gesteigert und noch mehr Treibstoff verbrannt werden. Der Designer Ken Garland bringt es auf den Punkt: „Unsere Überflussgesellschaft hat einen Punkt der Sättigung erreicht, an dem der schrille Schrei der Konsumpropaganda nichts weiter ist als bloßer Lärm.“  

Auch wenn das unmittelbare Schicksal hart erscheint: Wer in die Einkaufs- und Wellnesstempel dieser Überflussgesellschaft nicht mehr eintreten kann, sondern notgedrungen daheimbleiben und sich mit karger, aber substanzieller und vitaminreicher Diät in Form von klassischer Philosophie zufriedengeben muss – Marc Aurel, Seneca und Goethe gibt’s beim Trödler schon ab € 1.-, also zum Gegenwert einer Vanilleeiskugel, und der Kenner kann ein ganzes Jahr von einem einzigen solchen Büchlein zehren -, der hat die Chance, die heranrollende kulturelle Pestepidemie zu überstehen und geistig gesund zu bleiben (sofern er auch das Ernährungs- und Heizungsproblem löst, ich weiß).

Ein Hartzer in der Eifel oder im Schwarzwald hat also womöglich weitaus bessere Überlebenschancen, um die kommende geistige Pandemie zu überstehen als ein urbaner Karrierist im SUV. Man nehme nur den Eifelphilosophen: Wäre er nicht geharzt worden, dann triebe er weiterhin in wortmächtiger und überzeugungskräftiger Weise für einen Pharmakonzern sein Unwesen, der aktuell mit Monsanto fusionieren will (demnächst vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt / siehe Netzfauen.org). So aber nutzt er seine Wortmacht und Intelligenz nun dazu, um gerade denjenigen aufgeblasenen Gummikrokodilen einen Stich zu verpassen, denen er früher gedient hat – und hilft damit unzähligen Menschen, in einer zunehmend vergletscherten Gesellschaft nicht an sich zu zweifeln, sondern dem zur Normalität erklärten Wahnsinn die Stirn zu bieten (Hallo Eifel, möchte deinen guten Namen hier nicht verhunzen, aber du bist da einfach ein Paradebeispiel).

Viktor Frankl denkt die aktuelle Situation zu Ende und spricht vom „existenziellen Vakuum“ als größter Herausforderung unserer Zeit:

„Fragen wir uns doch nur, was das Resultat wäre, wenn ein menschliches Wesen sämtliche Bedürfnisse, die es im Zeitquerschnitt haben mag, voll befriedigen vermöchte – was wäre das Resultat: das Erlebnis der Erfüllung? Oder vielmehr das Gegenteil, nämlich die Erfahrung einer abgründigen Langeweile – einer bodenlosen Leere – eben des existenziellen Vakuums? Mit diesem Vakuum werden wir Neurologen ja alltäglich und sprechstündlich konfrontiert …“

Gleichzeitig weist Frankl auch auf den goldenen Mittelweg hin, der gelungenes Leben ermöglicht (und den er zwischen den beiden ebenfalls in uns immanenten Tendenzen nach bloßer Macht und nach bloßer Lust lokalisiert): die Ergründung – und schließlich das aktive Schaffen – von immer mehr Sinn.

 „Aber der ‚Mensch auf der Suche nach Sinn‘ wird unter den gesellschaftlichen Bedingungen von heute eigentlich nur frustriert! Und das rührt daher, dass die Wohlstandsgesellschaft bzw. der Wohlfahrtsstaat praktisch alle Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen imstande ist, ja, einzelne Bedürfnisse werden von der Konsumgesellschaft überhaupt erst erzeugt. Nur ein Bedürfnis geht leer aus, und das ist das Sinnbedürfnis des Menschen – das ist sein „Wille zum Sinn“, wie ich ihn nenne, das heißt, das dem Menschen zutiefst innewohnende Bedürfnis, in seinem Leben oder vielleicht besser gesagt in jeder einzelnen Lebenssituation einen Sinn zu finden – und hinzugehen und ihn zu erfüllen.“

Wird der Sinn des Lebens und des Menschseins geleugnet und werden Mensch und Welt nur als geistlose, kommerziell verwertbare Kohlenstoffhaufen angesehen, so wie dies derzeit in Schulen und Universitäten de facto gelehrt wird, dann gerät der Mensch in innere Verzweiflung.

Aktuell konstatiert Regisseur David Schalko „Perversion als letzten Ausdruck der inneren Verzweiflung“. Plattformen und Übertragungsstätten der inneren Verzweiflung sind nicht nur unsere urbanen Kulturstätten, Arbeitsplätze und Medien, sondern zunehmend auch unsere Bildungsseinrichtungen und Universitäten. In einem jüngsten Interview beklagt der Jenaer Soziologie-Professor Hartmut  Rosa unter Verweis auf die stark zunehmenden Burn-out-Raten und Angsterkrankungen schon unter Studenten, dass die Universität immer mehr zu einer „Entfremdungszone“ werde.  Jede Nacht wachten in unserer beschleunigten, spätkapitalistischen westlichen Welt mehr Menschen schweißgebadet auf als in totalitären Regimen (Quelle: Zeit).

Natürlich wäre es nun keine Lösung, sich von allen diesen entfremdeten Orten gesellschaftlichen Geschehens fernzuhalten. Im Gegenteil, es geht darum, mutig und gut gerüstet mit Humor in diese Räume einzutreten und sie wieder in menschengerechte Lebensumfelder zu verwandeln.

Zurück aber zu unserem eigentlichen Thema, dem drohenden geistigen Tod. Um an die Wurzeln des Virus zu gelangen, der zu dieser Art Tod führt, müssten wir weiter ausholen. Da das Hamsterrad, in dem ich selbst laufe, mir dazu gerade nicht genug Atem lässt, müssen wir ein andernmal darauf zurückkommen. Die nachfolgenden Streiflichter sind in Wirklichkeit vollkommen unwichtige Randerscheinungen, eigentlich gar nicht wert, sie zu erwähnen. Niemand möge sich daher an den Beispielen festbeißen. Sie sind nur oberflächliche Symptome und womöglich sogar autoimmune Heilungsversuche und Rettungsschreie eines zutiefst kranken und daher fiebernden menschlichen Organismus. Wem die Beispiele dekadent vorkommen, dem sei gesagt: Das ist noch gar nichts. Gegen das, was noch auf uns zukommt, sind das nur humoreske Kinkerlitzchen, quasi nur das Wetterleuchten eines Hurrikans, der sich noch hinter dem Horizont verbirgt. So ähnlich wie eine tödliche Infektion sich zunächst als leichte Kopfschmerzen oder Magenkrämpfe äußern kann. Trotz ihres Seifenblasen-Charakters können besagte Symptome aber als erste Annäherung an den eigentlichen Leviathan dienen, der unsere Gesellschaft derzeit durchlöchert wie ein Bandwurm einen Schweizer Käse.

Nachdem Politik und Wissenschaft sich bisher als vollkommen unfähig erwiesen haben, diesen aalglatten und obendrein unsichtbaren Bandwurm zu erfassen, bleibt uns als Barometer des Zeitgeschehens wieder einmal nur die Kunst. Noch der griechische Mensch fühlte sich nur deshalb gesund, weil er regelmäßig durch Kunst und Drama eine Katharsis, eine innere Reinigung erfuhr und sich ihm während des Schauspiels die Perspektive auf begeisternde menschliche Ideale eröffnete. Obwohl sich unsere Kunstszene längst von diesen ihren eigentlichen Möglichkeiten verabschiedet hat (bereits 1972 konstatierte der Nobelpreisträger Oktavio Paz das „Ende der Kunst“), so ist die Funktion der Kunst heute zumindest die eines präzisen Spiegels des herrschenden Zeitgeistes.

Was spiegelt uns also aktuell die Kunst? Auf der Documenta in Kassel, der weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst, erfährt man etwa von der früheren künstlerischen Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev (vom Magazin „ArtReview“ zur einflussreichsten Person im internationalen Kunstbetrieb gewählt): „Ich habe kein Konzept.“ – setzt jedoch nach, dass die Documenta immerhin eine „Choreographie“ habe: „Sie ist unharmonisch und frenetisch“; außerdem: „Ich halte Verwirrung für eine sehr gesunde Position.“

Vor einigen Jahren habe ich aus dem Kulturteil einer Tageszeitung folgenden Artikel der Kunstjournalistin Andrea Heinz herausgerissen, weil ich ihn als Kunstliebhaber so ungemein treffend fand:  „Überhaupt scheinen es in dieser zeitgenössischen ‚Crossover-Kunst‘ Selbstbezogenheit und der Rückzug auf das Ich zu sein, die aus der Auseinandersetzung mit der Umwelt resultieren. Die klassische Dreieinigkeit vom Schönen-Wahren-Guten ist ohnehin passe, es geht jetzt maximal um individuelle Wahrheiten. […]  es ist, wenn man so will, die Kunst der Krise. Es sind Kunst-Fluchten, die sich die hochqualifizierte und -gezüchtete Kunstelite von morgen erschafft.“

Der Artikel stammt aus 2011. Inzwischen ist wieder einiges Wasser den Bach hinuntergeflossen und der Kessel, in dem wir sitzen, um ein paar weitere Grad Celsius erhitzt worden. Als ich vorgestern das Programm einer der international anerkanntesten, seit 1927 etablierten Kunstveranstaltungen, der „Wiener Festwochen“ las, wehte mir bereits ein ganz anderer Wind entgegen. Folgender Bericht findet sich dazu als oberster  Leitartikel der Tagesnachrichten im österreichischen Rundfunk ORF (Anliegen der Wiener Festwochen ist es lt. Wikipedia, „Kulturereignisse selbst zu schaffen oder mitzugestalten, die höchstes künstlerisches Niveau mit gesellschaftsrelevanten Inhalten und Zielen verbinden“. Sie verstehen sich als „Angebot zur Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Welten“; ebenso besitzt der ORF einen gesetzlich verankerten Bildungsauftrag). Highlight der Festwochen  ist diesmal eine Inszenierung des Regisseurs Jan Fabre „Mount Olympus“ (siehe Volltext mit Bildern auf orf.at):

„…Diese Akkuratesse braucht es auch, wenn auf der Bühne gekotzt wird, wenn Frauen stehend in Glasgefäße urinieren, Pornoszenen nachgestellt werden und 20 Personen wild um sich schlagen, kreischen und schluchzen, wenn rohes Fleisch und Eingeweide geworfen werden, wenn echtes menschliches Blut fließt … Denn 24 Stunden Chaos – das würde rasch langweilig. Es braucht also eine strenge Dramaturgie – und höchste Konzentration.

… 24 Stunden, in denen Fabre sein Publikum gemeinsam mit den Darstellern immer weiter bergab führt in die Untiefen des Unbewussten, wo Tagesreste, Ängste, Begierden und Traumfetzen einen wabernden Morast bilden.

… Dem Zuschauer wird gleich zu Beginn empfohlen, sich auf das Geschehen einzulassen und dabei nicht rational zu denken. Den körperlichen Einstieg macht Regisseur Fabre leicht: Während einer Drum-and-Bass-Nummer mit halbnackt twerkenden Darstellern fahren einem die Beats in alle Glieder. Ein überdrehter Dionysos schüttelt als „Master of Ceremony“ die üppig vorhandenen Speckfalten und verspricht, den ganzen Saal in den Wahnsinn zu treiben.

… Im Laufe der Nacht stellte sich, wie geplant, kollektive Trance ein, die sich im Lauf des Sonntags noch steigerte. Langsame, behutsame Bewegungen im Zuschauerraum, eine eingeschworene Community bildete sich hinter, auf und vor der Bühne. Es breitete sich ein wohliges Gefühl der Verbundenheit aus. Ein Erfahrungsraum war geöffnet, in dem nichts obszön wirkte oder flach. Jetzt hatte Fabre das Publikum dort, wo er es wollte, und konnte sein Bestiarium in all seiner Brutalität, Geilheit, Verzweiflung und Lächerlichkeit vorführen.

… Das Publikum dankte dem Regisseur und den Darstellern für diese intensiven Erfahrungen mit einem intensiven 15-minütigen Applaus.

… Fabre teilt seine körperliche Interpretation dessen, was dem menschlichen Handeln zugrunde liegt: Status wollen. Bestimmen wollen. Und gleichzeitig: alle Zügel fahren lassen wollen, mit jedem ficken wollen, vor Schmerz losschreien wollen, jemandem die Gedärme herausreißen wollen, mit dem man eine Rechnung offen hat. Er zeigt das ganze Spektrum des Scheiterns und Reüssierens in einer Welt, die nur vermeintlich auf Vernunft aufgebaut ist.“

Fabre drückt durch seine Kunst in Wirklichkeit exakt das Gleiche aus, was heute auch von streng wissenschaftlicher Seite konstatiert wird: Dass der Mensch nur ein geistloser, nervendurchzuckter Kohlenstoffhaufen, ergo alles Wurst und daher nach Willkür des Geschäftstüchtigen verwertbar ist. Laut neuester Erkenntnis der Biotechnologen (unwiderlegbar ersichtlich im Rasterelektronenmikroskop) ist der Mensch nur eine Art Ratte (siehe Nachrichtenspiegel: Rat Race and Rape Culure Club Köln). Mit einem Wort: Die humanistische und grundgesetzlich verankerte Auffassung, dass der Mensch eine Würde und damit ein Schutzbedürfnis besitzt, befindet sich in akuter Erosion. Der entsprechende Paragraph des Grundgesetzes wird im Falle einer vollendeten Durchsetzung des technokratisch-naturwissenschaftlichen Weltbildes womöglich nicht mehr lange haltbar sein. Und während wir heute nur Ratte spielen und uns auf Festspielen am Rattenleben ergötzen, so werden die Kinder, denen wir beibringen, dass der Mensch nur eine etwas raffiniertere Ratte ist, schon bald beginnen, mit dieser Weltanschauung Ernst zu machen und auch ihr gemäß zu leben.

Um sich auf diese neue Realität einzustimmen, bedarf es einer fachmännischen Konditionierung und Taktung des Bürgers. Regisseur Fabre macht uns den Gefallen, dass er in einem Interview ausspricht, wie diese Konditionierung abläuft (im täglichen Fernsehprogramm, mit dem der Bürger allabendlich abgefüllt wird, läuft übrigens exakt dieselbe Konditionierung ab, ohne dass es ausdrücklich erklärt wird; womit auch selbstredend klar ist, dass diejenigen Ausgebooteten und Harzer, die ihre Ausgrenzung von der kulturellen Teilhabe nicht für die Lektüre von Marc Aurel & Co. nutzen, sondern für „Fernsehen“, in keiner Weise vor der kommenden Pandemie bzw. dem geistigen Tod geschützt sind):

>> In „Mount Olympus“ will er … eine Art programmierter Überforderung erzeugen, das betrifft sowohl Publikum als auch Ensemble. „Es ist sehr, sehr fordernd für alle Beteiligten. Nach jeder Vorstellung sind wir für ungefähr eine Woche völlig aus dem Takt. Die biologische Uhr ist völlig durcheinander.“ Er habe schon oft von Zuschauern gehört, dass sich im Laufe der Performance die Perspektiven verschieben: Wenn man zwischendurch hinausgeht und zurückkommt, empfinde man die Vorstellung als Realität.<<

Ich blättere weiter im Kulturteil der Nachrichten und stoße auf ein Megakonzert, das letzten Donnerstag trotz miserablem Wetter 50.000 Menschen in ein Fußballstadion der Festspielstadt lockte: Die Rockband AC/DC gab ein Stelldichein. Da man heute gesteinigt wird, wenn man gegenüber Rockheiligenikonen wie Angus Young & Co. nicht bedingungslose Wertschätzung bezeugt, vorneweg mein Disclaimer: Es geht mir überhaupt nicht um AC/DC oder sonst irgendeine bestimmte Band,  die AC/DC Leute haben sich für ihre Verdienste als Bahnbrecher des Heavy Metal nach ihrem Ableben  wohl zweifellos den Eintritt in den siebenten Hardrockhimmel gesichert. Auch die Motive der unzähligen Fans, die in solche Konzerte strömen, kann ich vollständig nachvollziehen. In einer Arbeits- und Alltagswelt, die inzwischen trotz Dauerbespaßung weitgehend unlustig geworden ist, sind Gelegenheiten, sich den Dynamoeffekt und die 100.000 Volt Hochspannung eines Konzertkessels zunutze zu machen um die vergletscherte Kruste des schnöden technokratischen Alltagsfaschismus zumindest kurzfristig zu sprengen, natürlich sehr willkommen.

Der Name der stadionfüllenden Band sei an dieser Stelle also vollkommen egal, es gibt deren unzählige für jeden Geschmack. Es soll damit nur ein weiteres, in Wirklichkeit vollkommen nebensächliches Kultur-Streiflicht angeführt sein, man könnte sicher dasselbe Szenario anhand eines Konzertes von Madonna, den Stones oder Bushido berichten. Auch in einem Bierzelt mit Heino, den Original Fidelen Uasprung Spatzen Brunnzer Buahm oder sonstigen Globetrottern  könnte man im Prinzip genau dasselbe gespiegelt finden wie beim jüngsten AC/DC Konzert. Ein Ausschnitt dazu aus dem Konzertbericht des öffentlichen Rundfunks (siehe orf.at):

„Teufelshörner dominierten nicht nur die bombastische Bühne mit den zwei Videowalls. Man möchte jene Person sein, die den Gewinn des Verkaufs von Plastikteufelshörnchen an diesem Abend einstreifen durfte. Das ganze fast restlos gefüllte Stadion blinkte und leuchtete rot. (…)

„If You Want Blood You’ve Got It“ („Highway to Hell“, 1979) – die Bühne wurde rot beleuchtet, das Blut war allerorten in Wallung, vor allem bei Angus Young. Er schüttelte seine letzten Locken und war in seiner Angus-Young-Trance, der Mund beim Gitarrespielen weit offen. Rose und er interagierten auf der Bühne nicht wirklich. Hier war jeder in seinem eigenen Film der Hauptdarsteller. Die Bühne war groß. Da war Platz für zwei Egos, selbst von dieser Dimension (…)

Das Publikum war bester Laune und jubelte frenetisch mit (…) „I gonna take ya to hell“ – und jeder wollte sich allzu gerne mitnehmen lassen. Angus Young führte die Pilgerschar Richtung Hölle im Trippelschritt an (…)

Angus Young stellte seine Ohren auf und bekam, was er wollte: ein lautes Liebesgrölen von 50.000 Menschen, die sich gerade sehr wild und sehr böse fühlten und jede Menge Spaß dabei hatten.

Auch der FM4-Redakteur Boris Jordan war live dabei. Am Ende seines im Wesentlichen gleichlautenden Konzertberichts zieht er sein persönliches Resümee: „Irgendwie hat das dann etwas von einer selbstvergrößernden, lebenströstenden Macht, einem unernsten Stück Scheißegal-Zuversicht, das man nicht ohne weiteres überall bekommt.“

So wie im Leben nie etwas umsonst ist und man überall etwas Nützliches lernen kann, hatte ich spätestens hier ein Aha-Erlebnis. Vielleicht ist ja gerade das das missing link, das uns Philosophen fehlt, damit wir nicht zu sauertöpfisch werden: ein unernstes Stück Scheißegal-Zuversicht. Angesichts der momentanen Weltlage gehört diese Ingredienz eigentlich in jeden Wanderrucksack, oder noch besser: als App aufs Smartphone.  Auch unseren Kindern würde solch ein unernstes Stück Scheißegal-Zuversicht womöglich nicht schaden, man könnte z.B. den unnützen Bastelunterricht streichen und stattdessen eine Stunde Hardrock mit Headbangen einführen.

So, genug für heute, es ist schon dunkel. Höchste Zeit, dass ich meine Enten einsperre, bevor der Marder kommt. Überhaupt werde ich auf meine Enten dieses Jahr gut aufpassen und ihnen reichlich frisches Wasser bereitstellen müssen. Die alljährliche Nacktschneckeninvasion beginnt wieder. Letztes Jahr habe ich im Sommer die Hälfte meiner Jungenten verloren. Die Tiere hatten einen solch unbändigen Appetit auf Nacktschnecken, dass sie den Hals nicht voll davon kriegen konnten. Sie sind an den schleimigen Kriechtieren elend erstickt.

 

Bullshitjobs – Bullshitleben. Vernichtung durch Arbeit.

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Freitag, 13.3.2015. Eifel. Geben Sie zu: Sie freuen sich. Woher ich das weiß? Nun – es ist Freitag. Und obwohl Freitag der 13. ein traditioneller Unglückstag ist, freuen Sie sich, denn: es ist Freitag. Im angelsächsischen Sprachraum Grund für eine Party: die „thank-god-it´s-fryday-party“.  Im Geschäftsknigge für Angestellte sind an dem Tag sogar Lockerungen in der Kleidungsordnung erlaubt – welch´ Sensation. Es wurde sogar von einzelnen Fällen berichtet, in denen auf die Krawatte verzichtet werden durfte – unglaublich, eigentlich.

Es zeugt von einem erstaunlichen Mut, sich mit einer solchen Einstellung in der Öffentlichkeit zu zeigen, sich vor aller Augen darüber zu freuen, dass Freitag ist – obwohl man damit nur ein kleines Teilchen einer großen, weltumspannenden Bewegung ist. Immerhin: jeder, der sich über das Ende der Arbeitswoche öffentliche freut, riskiert, von einem gewieften Anwalt wegen mangelnder Motivation aus der Firma geschmissen zu werden: der neue deutsche Arbeitnehmer geht gern zur Arbeit (das suggeriert uns die Werbung für Kaffee, Autos und die „richtige“ Krawatte ganz nebenbei, neben der Produktbewerbung wird für das richtige Hintergrundrauschen gesorgt), er gibt alles für seinen Chef, den er heiß und innig liebt, verehrt, bewundert und ehrfürchtig zu ihm aufschaut. Er gibt alles für die Firma, die ihm Mutter, Vater und Gott geworden ist – und nimmt es deshalb mit der Bezahlung nicht mehr so genau: die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens steht im Vordergrund – und wenn der Markt es befiehlt, dürfen es auch schon mal sechzig Stunden die Woche sein.

Freitag ist immer der Tag, an dem schon ein Blick in die U-Bahn reicht, um die neoliberalen Lügenmärchen über das glückliche Arbeitsleben ins Reich der Mythen und Legenden zu verbannen: die absolute Mehrheit der arbeitenden Menschen findet ihre „Jobs“ beschissen. Ist das nicht seltsam?

Nun – die Sprache selbst teilt uns das ja schon mit. Früher hatten wir „Berufe“ – also eine Arbeit,  zu der notfalls sogar Gott selbst uns berufen hatte. Ja – da gab es noch begnadete Dachdecker, Maurer, Schreiner, da konnte Handwerk noch Kunst sein, die allgemein bewundert wurde. Ersetzt haben wir den sinnerfüllenden Beruf durch den „Job“ … einen Begriff, dessen Herkunft unbekannt ist. Nur bei Wikipedia finden wir einen kleinen Verweis auf „Ijob“ … zu deutsch: Hiob, einer der führenden Leidgestalten des alten Testamentes, Sinnbild für unermessliches Leid (Verlust von Vermögen, Gesundheit, Frau, Kindern) … und folgender Belohnung. Wären wir frech und rebellisch, könnten wir montag morgens aufbrechen, um „den Hiob zu machen“ … und womöglich entstand dieses Wort genaus so.

Ja – der Montag. Für all´ jene, die ihren Chef heiß und innig lieben (was auch Pflicht ist, um nicht als Nörgler aus der Firma zu fliegen), die in ihrer Tätigkeit als Aktienanalyst, Call-Center-Agent oder Unternehmensberater den großen Sinn ihres Lebens gefunden haben, eigentlich ein Tag, der mehr gefeiert werden sollte als der Freitag … jedoch fehlt von dieser überschießenden Freude montag morgens jede Spur.

Es ist nichts Neues, worüber wir hier reden: die Süddeutsche widmet dem Problem seit Jahren immer wieder ihre Aufmerksamkeit – ohne jeden Erfolg, ohne jede Resultate oder Gegenmaßnahmen. Aktuell wird wieder gestöhnt: angeblich haben 15 Prozent der Deutschen „innerlich gekündigt“ (siehe Süddeutsche) … das wären bei 41 Millionen arbeitenden Menschen immerhin sechs Millionen. Glaubt man nicht, oder? Jedenfalls nicht nach einem Blick in die Autos, die montagmorgens in die Städte strömen. Anders schon die Zahl von 85 Prozent, die ihren Hiob nur noch nach Vorschrift erledigen … Dienst nach Vorschrift leisten. Diese Zahl glaubt sofort jeder, der in unserer Dienstleistungsgesellschaft mal eine Dienstleistung benötigte – z.B. von der Telekom.

Ich persönlich würde eher einschätzen, dass Mitarbeiter, die Dienst nach Vorschrift machen, genauso innerlich gekündigt haben, wie die anderen 15 %. Schon 2012 stellt die Süddeutsche Zeitung fest, dass jeder zweite Arbeitnehmer gerne seinen Hiob woanders verrichten würde (siehe Süddeutsche). Das ist nur nicht mehr so einfach – dafür hat der Gesetzgeber gesorgt. Er hat auch dafür gesorgt, dass der Lohn fürs Hiob-machen immer geringer wird, ja, dass es geradezu Pflicht wird, den Hiob zu mimen, ohne dafür Lohn zu verlangen. Ja – während viele Führungskräfte über Motivation diskutieren, hat der Staat mit der Agenda 2010 – im Prinzip von Kapitalisten sehr verpönter Art und Weise – in den Markt eingegriffen und mit Staatsgewalt drakonische Strafen für mangelnden Arbeitseinsatz verhängt: Obdachlosigkeit, Hunger, früher Tod inklusive.

Wer seinen  Hiob nicht macht, wird vogelfrei – auch eine Form der Motivation. Man findet sie sonst nur in Schützengräben, Arbeitslagern oder in sektenähnlichen Strukturen – aber darüber redet man in Deutschland nicht gern. Wo der Staat so durchgreift, braucht der Chef sich um Motivation keine Sorgen zu machen: ein Foto vom örtlichen Jobcenter über seinem Schreibtisch reicht als Argumentationshilfe – auch bei Verhandlungen über Beförderung und Lohnsteigerungen – völlig aus, für den Rest sorgen staatliche Exekutoren – willkommen zurück im stalinistischen Gulag.

Was unterscheidet den Hiob vom Beruf? Nur eins: den Beruf macht man sein Leben lang, den Hiob nur kurze Zeit. Der Lohn für den Hiob wird allerdings immer geringer, dank massiven Einsatzes der Staatsgewalt ist es deutschen Unternehmen gelungen, ganz neue Formen der Beschäftigung zu finden, über die sich die Süddeutsche ebenfalls gerne aufregt (siehe http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zeitarbeit-lohndumping-burn-out-wir-ausgebeuteten-1.2376298#5):

Jeden Monat komme ich der Insolvenz einen Schritt näher. Ich bin Psychotherapeutin in Ausbildung (PiA), noch ziemlich am Anfang. Ich arbeite im Schnitt 50 Stunden pro Woche: neben der theoretischen Ausbildung arbeite ich in der Klinik und in einem Nebenjob. Mit dem habe ich im Februar gut 650 Euro verdient, das reicht gerade, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Ich schreibe an drei bis vier Tagen die Woche Berichte für die Kostenübernahme von Therapien für die Krankenkassen. Pro Bericht bekomme ich bis zu 80 Euro – wenn einer aufwändiger ist und ich länger brauche, ist es mein Problem.

Erstaunlich, dass das auch Psychotherapeuten trifft – jene Menschen, die uns von den Folgen unserer Hioberei kurieren sollten. Geht wohl kaum unter diesen Bedingungen:

Ich sitze allein im Büro und empfange stündlich Patienten – wenn ich einen Arzt hinzuziehe, gerät der Zeitplan durcheinander. Deswegen muss ich eigenständig entscheiden, ob beispielsweise Suizidgefahr bei jemandem besteht. Bezahlt werde ich in Essensmarken.

Ja – im Lande des Hartz-Gulags gilt eine Essensmarke schon als Lohn genug. Wer da noch Geld will, gilt schnell als unverschämt.

Die Süddeutsche hat viele Fälle in ihrer Artikelserie aufgelistet, die uns einen gewissen Einblick in den Alltag Hiobs geben: beständige Unsicherheit, kaum Lohn, beständige Übergriffe auf die Freizeit, Arbeitszeiten weit über die natürliche Belastungsgrenzen hinaus … man versteht, warum der Freitag gefeiert wird. Das Wochenende: ein kurzer Moment der Erlösung, ein kurzer Einblick in echtes, selbst bestimmtes Leben, in dem man seiner Berufung nachgehen kann, bevor der Montag wieder kommt … der Tag des Hiob.

Ja – was ist aus uns geworden, aus den Abenteurern, die fremde Kontinente erforschten, aus den mutigen Kaufleuten und Seefahrern, die Handelsrouten erschlossen, die ganz Landstriche belebten, aus den mutigen Rittern, die für Witwen und Waisen stritten, den Dichtern und Denkern, die Zukunft formten und den Alltag schmückten: all jene „Helden der Arbeit“ sind zu Ameisen degeneriert, die wie kleine Maschinen im Getriebe funktionieren müssen. Der Mensch wurde mechanisiert, die Arbeit – einst im Paradies als „Mitschöpfertum“ göttlicher Auftrag der liebevollen, künstlerisch aktiven Mitgestaltung der Welt – wird zur Pflichterfüllung durch Roboter .. jene Wesen, die wir noch eine Weile ersetzen müssen, bis sie uns ersetzen.

Aus der Krone der Schöpfung ist das Schmierfett das Kapitalismus geworden – das spüren die Ameisen jeden Wochenanfang aufs Neue. Und der Kapitalismus arbeitet beständig daran, dass dieses Fett durch ständig billigere Angebot ersetzt wird, benutzt seine Gewinne zunehmend, um Personalabbau zu finanzieren (Ebay: 2400 Kündigungen nach einer Gewinnsteigerung von ZEHN PROZENT; American Express: 4000 Kündigungen nach einer Gewinnsteigerun von ELF PROZENT … siehe FAZ; oder Siemens: 9000 Kündigungen … siehe Heise … nach einem Gewinnzuwachs von FÜNFUNDZWANZIG PROZENT … siehe Spiegel).

Für solche einen Stumpfsinn ist der Mensch nicht geschaffen – doch wir zwingen ihn mit Staatsgewalt, den Stumpfsinn auch noch mit großer Begeisterung zu leben. Ja – es gibt eine arbeitsrechtlich abgesicherte Pflicht zur Freundlichkeit (siehe z.B. experto oder – aktueller – jurablogs). Dass die Simulation nicht vorhandener Gefühle eine Gewaltanwendung – Ver-ge-waltigung – der eigenen Persönlichkeit darstellt: darüber wollen wir im Gulag gar nicht erst reden, sonst zeigt der Chef uns wieder das Bild vom Jobcenter. Wir reden auch nicht über die tiefgehenden Eingriffe in unsere Persönlichkeit durch „business codes“ in der Kleiderordnung, welcher wir in vielen Unternehmen durch den Einsatz eigener Kapitalmittel gerecht werden müssen.

Gibt es nicht ganze Fernsehserien, die den Horror des normalen Büroalltags detalliert beschreiben … und alle erkennen sich darin wieder?

Auf jeden Fall gibt es einen Begriff, der derweil nur am avantgardistischen Rande unserer Gesellschaft auftaucht: den Begriff der „Bullshitjobs“ … womit im Prinzip eigentlich alle Tätigkeiten zu beschreiben wären, bei denen wir „den Hiob machen“ müssen, aber im Besonderen eine Art von „Beschäftigung“ gemeint ist, der viele aktuell noch nachgehen (siehe 20.Min.ch):

Dieser bezeichnet Tätigkeiten, bei denen am Ende des Tages kein Produkt sichtbar ist und deshalb der Sinn für den Arbeiter nicht ersichtlich ist, als «Bullshit-Jobs». Als Beispiele nennt er Arbeiten im Personalwesen, in der Verwaltung oder im Telemarketing, bei denen die Angestellten nur damit beschäftigt seien, «andere Arbeitnehmer zu kontrollieren oder Eigentum zu bewachen». Wirtschaftlich gesehen seien diese Tätigkeiten reine Verschwendung, so Graeber.

Ja – die Herren der Arbeit, die Fürsten der Jobs … haben selber einen Bullshitjob, der wirtschaftlich gesehen reine Verschwendung ist. Das dürfte auch für die 100 000 Jobs in der Arbeitslosenarmutsüberwachung der Bundesagentur für Armut – äh, Arbeit – gelten. In einer Gesellschaft, in der immer weniger Arbeit vorhanden ist, kommen immer mehr nur dadurch über die Runden, dass sie die wenigen, die was zu tun haben, überwachen – oder eben die überwachen, die nichts mehr zu tun haben.

Sprach ich nicht schon vom Gulag?

Was nur keiner aussprechen möchte: Bullshitjobs führen zu Bullshitleben. Und sorgen auch dafür, dass andere – die Armee der Kontrollierten – ebenso ein Bullshitleben führen. Wer hat sie nicht schon mal erlebt, die Heerscharen der Unternehmensberater – junge, völlig lebensunerfahrene und zumeist lebensuntüchtige Menschen – die mit der Stoppuhr in der Hand die Bewegungsgeschwindigkeit von Malergesellen, Krankenschwestern und Grundschullehrerinnen maßen, um für flottere Bewegungsabläufe zu sorgen.

Flott – sind wir alle geworden: und durch die Bullshittypen mit ihren selbstbeweihräuchernden „Maximierungstrategien“ sind auch die letzten funktionierenden Berufe zu „Jobs“ geworden, zu quälender Hioberei anstatt zu schöpferisch-kreativem Gestalten. Zeiten, wo wir den Hang zur „Maximierung“ noch als Sucht zur „Ausbeutung“ beschreiben durften, sind auch per Gesetz vorbei: wer kommunistisch denkt (also: Systemalternativen aufzeigen möchte), erhält Berufsverbot. Die Bullshitjobs der Bullshittypen verwandeln unser ganzes Leben in Bullshit … und das erklärt hinreichend unsere Beobachtungen zu dem seltsamen Verhalten der Großstädter am Freitag und am Montag.

Und doch – möchte ich noch einen Schritt weitergehen, ja, muss noch einen Schritt weitergehen: das durch Bullshitjobs gemaßregelte Bullshitleben – das uns Zwänge auferlegt wie Strafgefangenen (Kleidung, Frisur, Auftreten, Erreichbarkeit) – ist Vernichtung durch Arbeit, wie es totalitäre Systeme vorleben: noch nicht in dem Ausmaß, wie es in Spitzenzeiten solcher Gesellschaftsordnungen erreicht wird, aber schon mit demselben Kurs.

Das ist auch kein Geheimnis, noch esoterisches Wissen kommunistisch angehauchter Kreise – sondern rein medizinische Folge unserer Arbeitsorganisation (siehe standard.at):

Wir haben die Kontrolle und Reglementierung der Lebendigkeit auf die Spitze getrieben. Burnout-Patienten sind Vorreiter eines Systemcrashs, doch wir sehen die Warnung nicht“

Unser ganzes gesellschaftliches System ist in Gefahr – und das kann man am „Freitag-Hype“ gut erkennen.

Betroffene flüchten sich in aufputschende Mittel, verdrängen das Problem und leben von einem Wochenende zum nächsten. Erst schleichend kommt es zu Symptomen wie Desorientierung, Sinnverlust und Antriebslosigkeit. In weiterer Folge werden einem zuerst die anderen Menschen, dann auch man sich selbst fremd. Schließlich werden alle lebenswichtigen Körperfunktionen, Antrieb und Motivation auf ein Minimum heruntergefahren.

Kaffee übrigens ist ein Aufputschmittel. Können Sie sich Ihren Alltag noch ohne Kaffee vorstellen?

Leben Sie auch schon nur noch von Wochenende zu Wochenende? Haben Sie auch schon festgestellt, dass Sie immer mehr Zeit vor dem Fernseher verbringen und künstliches Konservenleben visuell konsumieren, weil Sie kein Eigenleben mehr haben? Und immer weniger Kraft, was anderes zu tun, als sich passiv von den Experten des Telemarketings berieseln zu lassen?

Vernichtung durch Arbeit … da verseht man den Horror vor Montag umso besser – aber der Freude auf den Freitag bekommt einen schalen Beigeschmack: je größer die Freude auf den Freitag, umso höher die Chance, auf einen Burnout zuzusteuern.

Auch ein Kündigungsgrund.

Also: Lieber Freitags jammern und Montags jubeln als umgekehrt.

Soviel Gewalt gegen sich selbst muss sein.

Kein Wunder, dass die Mehrheit der Deutschen überzeugt davon ist, dass Deutschland keine Demokratie mehr ist (siehe Handelsblatt). Vernichtung in welcher Form auch immer -und sei es nur die Vernichtung von selbstbestimmten Leben, Zukunftsperspektiven, Familien, Glück, Gesundheit, Antrieb, Motivation, Schaffensfreude, Lebenssinn – passt nicht zu einer Demokratie.

Und wo das Alltag ist, ist die politische Grundordnung eine andere.

Auch wenn man darüber nicht spricht.

Vielleicht haben die unbekannten Anarchisten in der Londoner U-Bahn ja recht (siehe Story-Filter):

«Es ist, als ob jemand da draussen sinnlose Arbeitsplätze erfindet, nur damit wir weiterarbeiten»

Und während wir so „beschäftigt“ sind ( – ach – noch gar nicht bemerkt, dass „Beschäftigung“ das Wort „Arbeit“ fast überall im amtlichen und politischen Sprachgebrauch ersetzt hat?), kommen wir gar nicht mehr dazu, über unser Leben, unsere Existenz, unseren Sinn nachzudenken: jene Qualität, die uns von Tieren unterscheidet, verschwindet aus dem Kosmos menschlichen Seins.

Und so werden wir nie merken, dass wir schon wieder auf ein System zusteuern, ja, es sogar schon leben, in dem Vernichtung durch Arbeit Standard ist.

Schön blöd, oder?

Übrigens: die Kosten für „innere Kündigung“ belaufen sich laut Welt auf 118 Milliarden Euro im Jahr (siehe Welt). Von dem Geld könnte man allen ausgebrannten Menschen Hartz IV zahlen – bei verdoppelten Regelsätzen – und hätte trotzdem noch einen Gewinn.

 

 

 

 

 

 

 

Vom Mittelstand ab nach Hartz IV: ein typisch deutsches Schicksal, von dem wir nie erfahren sollten

Vom Mittelstand ab nach Hartz IV: ein typisch deutsches Schicksal, von dem wir nie erfahren sollten

Donnerstag, 13.12.2012. Eifel. Ich möchte heute eine Geschichte vorstellen. Sie ähnelt ein wenig meiner eigenen, persönlichen Geschichte, in vielen Episoden habe ich mich wiedererkannt. Diese Geschichte verdient meines Erachtens eine möglichst weite Verbreitung. Sie wurde von einer Leserin als Kommentar bei uns abgegeben – und ich fürchte etwas, das sie dort untergeht. Diese Geschichte stammt von einer bewundernswürdigen Frau, einer starken, leistungswilligen, kreativen und sprachlich sehr begabten Frau. Es ist eine Geschichte, die es gar nicht geben darf – so jedenfalls sagen es uns die Medien, denn der Mittelstand, ja, der ist sicher vor Hartz IV. Kaum nur, ganz selten, fällt jemand durch die sozialen Netze, so heißt es: eine glatte Lüge. Es reicht schon, viele Kinder zu haben – oder überhaupt Kinder zu haben – und schon steht man auf der Abschussliste.

Eltern wissen, was ich meine. Man bekommt keine Mietwohnung, braucht Eigentum, die Schulen erwarten umfassende Hausaufgabenbetreuung und elterlichen Nachhilfeunterricht in großem Umfang. Ehrlich – ich habe noch (in meiner Privatsammlung: Dokumente des deutschen Schwachsinns) das Schreiben eines Lehrers an die gesamte Elternschaft, worin er die Eltern darum bat, den Schülern eine Reihe mathematischer Fertigkeiten beizubringen: ihm war es im Unterricht nicht gelungen. Nur ein Beispiel dafür, wie Arbeit in großem Umfang dank der Intervention der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft („Arbeitet Euch nicht kaputt, bezieht die Eltern mit ein!“) auf Eltern verlagert wird.

Die Geschichte ist eine schrecklich normale Geschichte, sie ergibt sich direkt aus dem Einfluss von McKinsey und Konsorten auf unseren Arbeitsalltag – aber das haben viele von euch leider nicht mitbekommen. Ich schon – ich war dabei, als diese Leute am offenen Herzen der Gesellschaft herumexperimentierten. Klingt ganz harmlos: „Führen mit Zielen“. Heißt aber nichts anderes, als das der Arbeitnehmer ausgequetscht wird bis an das absolute Ende seiner Leistungsfähigkeit. Die Zunahmen von „burn out“ konnte man schon in den neunziger Jahren prognostizieren: soll die Arbeitsleistung jedes Jahr um 10 % steigen, arbeiten wir in zehn Jahren doppelt soviel wie jetzt … bei altersbedingter nachlassender Leistungsfähigkeit. Anfang der neunziger wurde das eingeführt – jetzt kriegen die Krankenkassen die Rechnungen dafür präsentiert.

Will der Ackermann 25 % Rendite, dann müssen irgendwo im System 25% Leistungssteigerung erwirtschaftet werden – und das geht nur doch die komplette physische und psychische Ausbeutung.

Eine ganze Generation wird so verheizt – und die Renten- und Krankenkassen bis an die Grenze ihrer natürliche Belastungsfähigkeit in Anspruch genommen: zum Wohle der Rendite.

So ein Wahnsinn begegnet einem Menschen sonst nur noch in den düsteren Abgründen der finsteren Phantasien abgedrehter Autoren von unheimlichen Schauergeschichten – und doch bestimmt er unseren Arbeitsalltag. Und darum geht es primär in dieser Geschichte: um unseren Arbeitsalltag – und wie er uns kaputt macht.

Langsam, kaum merklich, schleichend – aber todsicher.

Betrifft Millionen und Abermillionen von Menschen – weshalb es mich nicht wundert, das aktuell von 42 Millionen Menschen Datensätze in den Computern der Jobcenter liegen. Irgendwann erwischt es jeden, der es nicht schafft, eine kleine Lücke im System zu finden, weil kein Mensch in der Lage ist, jedes Jahr 10 % mehr Leistung zu bringen.

Darum ist das Schicksal von Alexandra kein „bedauernswertes Einzelschicksal“ – wie einem die Presse so etwas gerne serviert – sondern ein typisch deutsches Schicksal im 21. Jahrhundert, das Schicksal eines normalen Deutschen mit Haus, Hund und Eigenheim: ein Paradies, das mit zunehmenden Jahren von immer mehr dunklen Kräften belagert wird, bis es zusammenbricht.

Doch hier erstmal … die Geschichte:

Die Vorgeschichte.

1987 geheiratet. 1988 Geburt der ersten Tochter, 1989 und 1991 nochmal zwei Mädels, 1994 Geburt meines Sohnes…

1991 Umzug ins Haus… schöne heile Mittelstandswelt – glaubt mancher noch heute…

1995 zog ich die Reißleine – wer mag, kann über Borderline-Persönlichkeiten nach lesen… es gibt Menschen, die mit Borderline-Persönlichkeiten (gut) leben können… ich schaffte es nicht, ich wurde in acht Ehejahren immer weniger.

Mit einer hochdramatischen Aktion endete die Ehe… ich blieb mit vier kleinen Kindern im Haus zurück. Keine Zeit für „Aufarbeitung“ – – – Ein Jahr verging wie in Watte gepackt, LEIDER bat ich in dieser Zeit die Rentenversicherungsanstalt um Auszahlung meiner bis dahin angesammelten Rentenanwartschaften… damals Not-wendig, jetzt einfach nur fatal…

Die furchtbaren Nachwehen seitens des Vaters meiner Kinder – habe ich pragmatisch weg gesteckt… keine Zeit für Aufarbeitung – ebenso fatal.
Aber wir lebten und langsam konnte ich wieder atmen.

1998 begann ich bei einem Bekannten einmal pro Woche „Raumpflegearbeiten“ – Kindergeld und Kindesunterhalt reichten einfach nicht…

2001 begann ich – durch Zufälle oder auch nicht – meine Zeit als Redaktionsmitarbeiterin, halbtags.
Eine wunderbare Zeit… unsere beste… ich arbeitete gern, weil mein Beruf eines meiner Hobbys war… aber in einer katholischen Tageszeitung geht die Pressefreiheit nicht so weit wie man glaubt…

Bei den Redakteuren war das alles kein Thema, aber die Leitung fand, dass wirtschaftliche Gründe es dringlich erforderlich machen würden, mir zu kündigen.

Mal eben so… ohne den Personallrat zu informieren, ohne Sozialplan…

2004 war das.
Schon lange hatte ich nebenbei und aus gegebenem Anlass (ich musste mir allen familiären Schreibkram den früher der Vater meiner Kinder erledigte inklusive allen möglichen Versicherungskram aneignen) gemeinsam mit dem Bekannten, dessen Büro ich geputzt hatte, viel über Versicherungen gelernt… und über schwarze Schafe der Branche…

DAS wollte ich machen… selbstständig werden und KEIN schwarzes Schaf sein…
Lautere Absichten.

Wo mir die einen halfen, in einem Männerberuf Fuß zu fassen, legten mir die anderen Steine in den Weg – ich wollte nicht mehr MIT einer Agentur zusammen arbeiten… ich wollte unabhängig von allem sein…

Laut EU-Richtlinen ging das nun ohne Schein nicht mehr…. eine Ausbildung also.
Anfang 2006 inzwischen…. und parallel dazu – machte mein Sohn Schwierigkeiten, vielmehr seine AD-Syndrom. Schon im Kindergarten war alles extrem schwierig geworden, aber nun eskalierten die Tage immer häufiger. Lehrer fragten MICH um Rat, Arztbesuche… eine andere Schule mit intensiverer Betreuung?! Suchen… Stunden nebenher – dazu Stunden… Hilfe beim Jugendamt gesucht und gefunden… dennoch: der Stress blieb ja. Zur genauen Diagnose, zur medikamentösen Einstellung – oder vielleicht doch nicht, stationäre Behandlung…
Nebenbei Arbeit, aber mir ging es schon schlecht…

NUR: wer sich richtig anstrengt, wer sich durch beißt und Knoten ins Kreuz macht… schafft das! Auch das: fatal!

Eine Einrichtung in Baden Württemberg für Gabriel gefunden… mit Pferden, Hühnern… nur für Jungs…
Eine Ausbildung für mich gefunden… ab August 2007. Jedes Wochenende, manchmal von Donnerstag bis Samstag… morgens nach Stuttgart, abends zurück…

Aber ich bin gern auf der Autobahn… ich fahre gern Auto… und wenn ich mich richtig anstrenge, dann werde ich das alles schaffen, im Winter die Prüfung machen und richtig durchstarten…

Die von einander unabhängigen Warnungen zweier Ärztinnen „Sie MÜSSEN jetzt etwas für sich tun!“ kann ich doch JETZT nicht beachten!

Die Story

Am Prüfungsmorgen im Dezember 2007 KANN ich nicht auf stehen. Ich kann nicht. Ich kann die Arme kaum heben. Und ein sonderbares Gefühl steckt in mir fest: es IST MIR EGAL. Das rein gesteckte Geld, diese Prüfung mit der ich doch durchstarten wollte…
Mein Kopf beschließt gegen 9 Uhr… okay, ich mache die Prüfung im Sommer mit der des nächsten Kurses nach. Ganz sicher. Auch eine Möglichkeit… und kann dann doch auf und nach unten.
Und arbeiten… im „Home-Office“ – später fahre ich in mein Büro in der Agentur (die Agentur brauche ich noch, solang ich keine Prüfung habe… um arbeiten zu können…)

Ich habe nicht bemerkt WARUM die beiden noch zu Hause lebenden Töchter so rebellieren.
Habe es nicht begriffen.
Über ein Jahr später erklärt mir meine Hausärztin schlüssig, dass es wohl Hilfeschreie auf mein „Nicht-mehr-Können“ hin waren.

Wieso? Ich kann doch… ich MUSS doch weiter.
Ja – seit einem Jahr ist meine älteste Tochter ausgezogen, in die Nähe ihres Gymnasiums wohnt sie zusammen mit ihrer Kusine in einer WG…
Die beiden anderen Mädchen – helfen mir nicht mehr im Haushalt. Müll wohin ich sehe… NICHT nur in ihren Zimmern… ich weiß an den Wochenenden oft nicht, wo sie sind… sie sagen sie wären beim Vater…
Das Jugendamt schalte ich selber ein… ich komme an beide nicht mehr ran…

Ich komme auch mit den mageren Einnahmen nicht mehr hin… kann immer weniger arbeiten. Dann steht fest, beide Mädchen wollen in eine eigene Wohnung ziehen – mit Betreuung durch die Jugendhilfe…
Was da genau abläuft… realisiere ich nicht. Fatal…

Aber: wenn nun alle weg sind und ich ohnehin das Haus – es müsste langsam mir Renovierungsarbeiten beginnen – zu teuer und zu groß ist… ich werde es verkaufen.
Werde weg ziehen, näher an die Argentur…
JA – ich werde hier ein break machen, weg gehen… und finde ein älteres kleines Häuschen mit Garten zur Miete! DAS wäre es, auch für die Hunde… und mit dem Auto zehn Minuten ins Argentur-Büro… okay: Haus verkaufen, weg ziehen, Prüfung nach machen… ALLES wird gut! Ich werde mich noch ein paar Monate viel mehr anstrengen müssen, bin euphorisch… fatal!

Frühjahr 2008 – Freunde helfen mir, für einen normalen Umzug habe ich kein Geld. Ich lasse einen Container kommen und schrumpfe über fünf Tage hinweg einen ehemals auf sechs Personen ausgerichteten Haushalt. Dass das auch psychische Schwerarbeit für mich ist… bemerke ich gar nicht.

Der neue Vermieter duldet Hunde… im Garten. Okay. Drei Interessenten wollen mein Haus kaufen. Was so einfach nicht ist, denn ich hatte in den Notjahren den Grund an eine Stiftung verkauft und dann darauf Erbpacht bestellt… so hatten wir Luft, alle Haus-Kredite abgelöst!
Aber ein Haus mit Erbpacht… verkauft sich so leicht nicht.
Eine kleine Familie will es aber kaufen… das ist im April. Perfekt. So ist selbst wenn ich den Vater meiner Kinder noch zu einem Teil auszahlen müsste, bis zum Sommer Miete und alles weitere gesichert.

Da erreicht mich eine Mail aus meiner Argentur: „Wenn ich weiterhin so große private Probleme hätte, sollte ich mir überlegen, mein Büro zu räumen“!

Nun bin ich dabei – eigens dorthin! zu ziehen… ich muss doch noch unter dem Dach der Argentur arbeiten… bis ich Prüfung machen werde… im Sommer!

Egal, wenn das Haus verkauft ist… wird es bis zum neuen Prüfungstermin auch so gehen. Und DANN bin ich alleine auch jemand. Habe von einem älteren Kollegen einen alten Kundenbestand übernommen… einen Teil davon. Und ich werde die Zeit bis zum Sommer nutzen um nach zu lernen und mich in der neuen Umgebung einzurichten… ALLES wird gut.

Am ersten Mai 2008 bin ich mit der Hilfe vieler Freunde umgezogen.
Der Vermieter zeigt sich hilfreich: klar, bis der Hausverkauf unter Dach und Fach ist, würde er auf die Miete auch warten…

Eine Woche später sagt mein Käufer ab.
Ich sehe nicht mehr, fühle nicht mehr… ich weiß nichts mehr… kein Geld, mein Plan im Eimer und ich bin so kraftlos…
Später geben sich Freunde von mir die Schuld: sie werden sagen „wir hätten deutlicher zu dir sein müssen. Hätten sagen müssen, dass das alles zu viel wird. Kräfte mäßig, finanziell….

Ich gehe nur noch mit den Hunden nach draussen. Leere den Postkasten nicht oder lege alle Post einfach auf den Schuhschrank… klassisch!
Meine Hausärztin will dass ich sofort! In eine Klinik gehe.

Ich raffe nochmals alles zusammen… beginne Saisonarbeit in der Lebkuchenfabrik. Verkaufe mein schönes Auto… um ein paar Mieten zahlen zu können… fahre mit dem Rad zur Spätschicht – – –
Alles nur vorübergehend… ich muss mich nur noch eine kleine Weile über Wasser halten und anstrengen – dass ich ohne Auto auch nicht mehr arbeiten kann… fällt mir überhaupt nicht auf.
Zur Saisonarbeit fahre ich über eine halbe Stunde mit dem Rad quer durch die Stadt in den nächsten Ort.

Dann stellt man mir Telefon und Internet ab. Danach den Strom. Es ist Sommer. Und ich arbeite von 15.30 bis 22 Uhr. Komme um 23 Uhr nach Hause… wenn ich weg gehe am Nachmittag, lege ich schon Feuerzeug und Teelichte bereit, dass ich nicht im Dunkeln tappe, wenn ich nach Hause komme.

Dann sind die Hunde meine Welt… meine Zuflucht, meine Hilfe zum Leben.

Der Vermieter fängt an übel zu fragen… aber nicht wegen der Miete zunächst, sondern wegen meiner Hunde. Ich gabe einen weiteren Hund für die Dauer ihres Urlaubs von einer Freundin für drei Wochen in Pflege…

Auf den AB spricht er mir. Ungehalten und „er habe Zeugen hier am Tisch gegen über, er kündige mir, denn er habe mir nur drei Hunde erlaubt.“
Ein Bekannter Rechtsanwalt erklärt mir , dass er DAS nicht könne.
Ist aber ohnehin relativ egal… er wird nun auch wegen der Miete ärgerlich. Und habe festgestellt, das ich keinen Strom mehr hätte.

Und mit Mietnomaden hielte er sich nun schon gar nicht auf.
Ich mache überhaupt keinen Erklärungsversuch… muss die Saisonarbeit vorzeitig beenden, habe mir einen Bandscheibenvorfall geholt.

Muss dringend sehen, wie ich es schaffe, eine Wohnung zu finden… Alg2 beantragen… ich kann kaum irgendetwas.
Noch heute kann ich nicht beschreiben, welcher Art DIESE Kraftlosigkeit ist. Sie IST in jedem Fall umfassend und kaum zu durchbrechen… weil man dazu ja wieder Kraft bräuchte…

Ein anderer Bekannter erinnert sich daran, dass die GBW in der Stadt einige Wohnungen hat… womöglich wäre dort etwas zu finden… Mein Vermieter hat mich raus geklagt… mit letzter Kraft erkläre ich, dass ich zwei Wochen über den Zwangsräumungs-Termin brauche… denn ich hätte eine Wohnung gefunden, aber könne erst Mitte Dezember einziehen…

Die Hausärztin ist nun riguros – Sie schickt mir die Einweisung in die Psychosomatische Klinik – Ende September soll ich einpassieren… Das geht nicht… ich ziehe gerade erst um… ich muss eine Menge Dinge erledigen bevor ich vier Wochen weg bin…

Sie lässt sich erweichen… 29. Oktober!

Wieder helfen – nur noch wenige – Freunde alles wieder in verschiedene Autos zu wuchten… mein Sohn hilft auch… damals gerade 14 hält er die Stellung allein in der neuen Wohnung, wenn sie mit den Kisten und Möbelteilen an rücken… Nachkriegswohnung. Drei Zimmerchen. Ein Bad mit Energie fressendem Heizgebläse… zwei Gasöfen. Einer Küche… so klein, dass nichts unterzubringen ist…

Wenigstens hat die ARGE die Kaution vor gestreckt.

Ich sitze mit dem Bekannten, der mir zur Wohnung verholfen hatte bei der ARGE.
Mein Sachbearbeiter erklärt, dass ich in einer zu großen Wohnung wohne.

Aber mein Sohn kommt doch immer am Wochenende – er braucht ein eigenes Zimmer!
Ausserdem wäre ich nun einige Wochen in der Klinik, und möche deshalb bitten, dass Miete und Energiezahlungen direkt von der ARGE an die GBW und den Energieversorger gehen….

Ein Gezerre, ich kann nicht mehr argumentieren, will aber zur Vorgesetzten…
Ohne Termin? Das ginge ja gar nicht. Mein Bekannter drängte darauf… ich würde ja nun bald in die Klinik gehen und hätte dann keine Zeit mehr.
Wir gehen einen Stock nach oben…
Mein Bekannter trägt mein Anliegen vor…
Okay – ich solle drei Abtretungserklärungen verfassen, sie herein reichen und somit würde sowohl die restliche Kaution, als auch Miete und Energie direkt jeden Monat überwiesen….

Ich bin ein schreibfreudiger Mensch. Nie um den Stil und die Worte verlegen gewesen…

Ich brauchte für jene Abtretungserklärungen fast vier Tage!

Und der Leser merke sich die Sache mit den Abtretungserklärungen!!!

Wer jemals zu einer Kur fahren durfte… weiß, was man dafür alles braucht. Und wie viel Stress es für einen Gesunden macht, diesen Kram zusammen zu packen.

Decken, Badezeug, Jogginganzug, feste Schuhe, Sportschuhe für drinnen, für draussen…
Die Hunde mussten untergebracht werden…
Ohne die Regelmäßigkeit die die Hunde mir aufzwangen… hätte ich nichts mehr geschafft.

Ich musste eine Bleibe für sie finden…

Nochmals zu Ärzten und ich hatte plötzlich Schmerzen in der Brust… und Panik…

Und Anfang Oktober war draussen im Treppenhaus Geräusch zu hören… dann war der Strom weg.
Wieder Panik… ich brach heulend im Bad zusammen… unfähig etwas zu unternehmen. Rief einen Freund an… jener, bei dem ich vor Jahren die Büroräume putzte…

Der Energieversorger war darauf gekommen, dass ich ja noch Schulden aus der alten Wohnung hätte… deshalb: Safte weg…

Der Freund – ohnehin aussendienstlich unterwegs… raffte provisorisch die 200 Euro vom Sparkonto seiner beiden Kinder – fuhr direkt vor Ort und bezahlte. Jaaaa – aber das Wiederanstellen? Das koste extra… und auf das Geld vom September warte man auch noch!

Ich hatte ja noch gar kein Geld von der ARGE überwiesen bekommen! Selbst wenn ich die Energiekosten selber überweisen würde… könnte ich nicht, ich hätte kein Geld! Dazu käme die Abtretungserklärungen, das hätte ich erst vor zwei Wochen – Mitte September – fest gemacht!

Mitte Oktober habe ich noch immer kein Geld von der ARGE.

Mit einem meiner drei Hundenasen mache ich mich auf – Mitte Oktober – und laufe die vierzig Minuten zur ARGE, um die Abtretungserklärungen selbst dort einzuwerfen.

Und GLAUBE, damit vorgesorgt zu haben, wenn ich während meiner Abwesenheit nicht alles selbe regeln könne.

EINE Woche vor meiner Abreise erhalte ich eine Vorladung der ARGE für den 29. Oktober…
Weil man bei dieser ARGE so gut wie NIE mit dem Telefon durch kommt… schreibe ich vor Verzweiflung heulend einen Brief: es wäre doch in den vergangen Wochen immer wieder davon die Rede gewesen, dass ich ab 29. Oktober in der Klinik wäre… ich müsste bis spätestens 13 Uhr da sein und könne unmöglich vorher noch kommen!

Herbstferien, 28. Oktober – mein Sohn und ich bringen zu Fuß die Hunde in eine Tierpension im Nachbarort… ich bin so am Ende, dass ich den gesamten Rückweg nur heule….
In der Tierpension musste ich ohnehin betteln… es stünde mein gesamtes Geld ab 28. August von der ARGE noch aus… in der Klinik bräuchte ich ja von dem Geld kaum etwas… so könne ich bezahlen sobald das Geld da wäre…

Mein Bekannter wird mich in die Klinik fahren…
Aus dem Postkasten ziehe ich eine EINLADUNG der ARGE! Für den 10. November.

Mein Bekannter verspricht mir, gleich anderntags selber bei der ARGE vorbei zu fahren und nochmals mit Nachdruck klar zu machen… ich WÄRE NUN WEG.

In der Klinik gehen die ersten zwei Wochen an mir vorüber – irgendwie dumpf und durch Watte.
Ich will ja spätestens nach vier Wochen wieder heim… und merke, dass daraus nichts werden kann.

Ich habe dort einen von unzähligen Terminen im Psycho-Sozialen Dienst… Glück im Unglück!
In der dritten Novemberwoche wage ich einen Gang in die Stadt und will zur Bank…
und meine Karte bleibt – – – im Automaten.

WARUM!!!
WAS ist nun wieder los… es muss doch Geld da sein.

Nach mehreren vergeblichen Versuchen durch die Sozialdienst-Mitarbeiterin, die ARGE telefonisch zu erreichen… erfahren wir dies:

Man habe doch die Miete für September, Oktober und November an mein Konto überwiesen!
Die regulären Zahlungen allerdings seien sanktioniert, da ich die Einladungen vom 29. Oktober und 10. November nicht wahrgenommen habe!

1. Auf diesem Konto – das früher mein Geschäftskonto gewesen war – waren noch etwa 2000 Euro Soll…
2. fiel der Sparkasse just in dem Moment als drei Monatsmieten und das bisschen Rest des Alg2 auf dem Konto eingingen… und auch nicht sofort abgehoben wurden – ein, dass man wohl bei meiner Lage nie wieder zu Geld kommen würde, füllte man das Soll damit auf und strick ratzfatz den Dispo…
3. wofür hatte ich nun die Abtretungserklärungen geschrieben?

Zeitgleich steckte zu Hause in meinen Postkasten – den mein Bekannter leerte – die Räumungsklage der GBW weil ja schon die dritte Monatsmiete fehlte…

Der Zähigkeit dieser Klinik-Sozialarbeiterin ist es zu verdanken, dass die Räumungsklage abgewandt werden konnte…

Nachdem eine Aufenthaltsbestätigung der Klinik auf unbestimmte Zeit per Einschreiben UND Fax an die ARGE ging… wurden die Sanktionen aufgehoben…

Aber nur auf dem Papier.
DENN: ich wäre ja nun in der Klinik und deshalb dürften werweißwieviel Euro einbehalten werden…

Nur um mal eben einen Schnitt zu machen und sich darüber klar zu werden:
eigentlich war ich in der Klinik um in Ruhe mit meinem Zusammenbruch, den oberflächlichen und tieferen Gründen die dazu geführt hatten, klar zu kommen.

Stattdessen lieferte mir der Klinikaufenthalt durch die tolle Mithilfe der ARGE stetig neue Aufreger!

Ja – es holte mich auch all die lange nicht geöffnete Post ein…
Schulden, die sich aufgehäuft hatten… aber all diese Dinge waren in der Klinik und mit Hilfe der Menschen dort verhältnismäßig leicht zu händeln im Gegensatz zu den Böcken, die die ARGE auf Lager hatte.

Laut mehreren Gerichtsurteilen allein in 2008 darf die ARGE die Alg2 Leistungen NICHT aufgrund eines Klinik-Aufenthaltes kürzen.
Was der ARGE wohl komplett durch die Lappen gegangen war.

Dies versuchte die Sozialdienst-Mitarbeiterin im Lauf des Dezembers mehrfach zu erklären… hatte aber bis Weihnachten nichts erreicht…

So musste ich mir von Mitpatienten leihen oder schenken lassen:
Geld für neue Socken,
etwas Weihnachts-Deko,
Briefmarken,
Toilettenartikel, Briefkuverts… Instant-Kaffee,
ein Wasserglas fürs Zimmer,
warme Strumpfhosen, ein Paar Feinstrumpfhosen – da Weihnachten…
Papiertaschentücher,

Von der Klinik erhielt ich aus einem Spendentopf noch 20 Euro…

Aufgrund meiner Diagnosen und des zu Ende gehenden Klinikaufenthaltes gegen Ende Januar – empfahl man mir, baldmöglichst für die aufgelaufenen Ämterangelegenheiten einen Betreuer zu bestellen…
was ich zugegebenermaßen nicht ganz frei dann auch entschied, zu tun.

Im Januar endlich gab die ARGE klein bei, die Kürzungen seien unrechtmäßig… Geld kam aber immer noch keines.

So wurde ich – mit Besorgnis seitens der Oberärztin, denn ich wurde nur entlassen, weil die Krankenkasse einen weiteren Aufenthalt nicht genehmigte – bereits mit einer Vorladung am ANDEREN TAG!!!! bei der ARGE – entlassen.

Vom Frühstücksbuffet nahm ich noch zwei Brötchen und etwas Butter mit… denn ich würde in einen leere Küche mit nur einem Rest Kaffeepulver kommen…. ohne Geld.

Wie sich ein Mensch, der nach knapp drei Monaten Psychosomatischer Klinik wieder zu Hause ankommt, fühlt – – – beschreibe ich hier nicht, dafür gibt es keine Pauschalbeschreibung! Kann ja nicht.
Wie sich ein Mensch fühlt, der dazu keinen Cent Geld aber keine Lebensmittel zu Hause hat, dafür aber am nächsten Tag bereits zur ARGE traben darf – – – mit tausend Ängsten im Gepäck – darf sich jeder selbst ausmalen…
Die angegebene Zimmernummer kenne ich nicht… ich laufe im Irrgarten ARGE hin und her… in der Anmeldung fragen darf ich nicht… dort ist „rot“ … endlich treffe ich zwei Personen im Flur und frage nach der Nummer… beide ARGE-Mitarbeiter gucken sich an … wissen nichts.

Derweilen bin ich zehn Minuten über der Zeit, was eine weitere Mitarbeiterin auch nicht mehr raus reißt, die dann weiß, in welchem Winkel ganz vorn leicht zurückgesetzt neben der Putzkammer DAS Büro ist…

Am Schreibtisch sitzt ein vernichtender Blick.

Ich sei zu spät! Ich sage nichts.
Ich müsse zur ämtsärztlichen Untersuchung wegen Arbeitsfähigkeit.
Dazu bekäme ich aber noch einen Brief.

Ich frage, warum ich noch immer kein Geld auf dem Konto hätte… ich hätte nach drei Monaten Klinik überhaupt nichts zu Essen zu Hause!

„dann gehe Se halt zur Dafel!“

Damit klappte das Visier runter… Keine Antwort mehr auf meinen Einwand, die Tafel habe ja nur zwei Tage in der Woche geöffnet und heute eben nicht!
Visier unten.

Dafür war ich 40 Minuten her gelaufen.

Ich bestelle einen Betreuer.
Bis April dauert das Verfahren… derweilen rät mir der (wirklich sehr nette!) Gerichtsvollzieher in meinem Fall unbedingt, Privatinsolvenz anzumelden. Erklärt mir, was zu tun sei. Wohlgemerkt im Frühjahr 2009!

Mein Betreuer „scheint“ fähig zu sein.

Ich habe eine Klage meines Häuschen-VErmieters am Hals „wg. Betrug“. Sachverhalt bekannt.
Ich habe Mahnungen am Hals wegen Zahlungsverzug der ersten drei Monatsmieten! Sachverhalt bekannt.

Ich soll das vorgestreckte Kautionsdarlehen zurückzahlen… heute weiß ich, dass ich das überhaupt nicht gemusst hätte (Az: L 6 AS 145/07- veröffentlicht am 13.09.07) MEIN Betreuer hat mich darauf NICHT hingewiesen…

Ich gehe wöchentlich zur Psychotherapie… soll mich damit abfinden, dass nun alles anders laufen wird.

Und es läuft anders… ich kann mich bis zum heutigen Tag nicht mehr auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren… nix mit Mulit-Tasking!

Kann kein Buch mehr lesen – bekomme grade so meinen Haushalt geregelt. Mein Körper reagiert auf Stress – mit Panikattacken: „Festplatte voll“

Mein Leben ist bis zum heutigen Tag sehr langsam geworden. Ich muss mir alles genau einteilen.

Große Termine nur einen am Tag… danach immer ein Tag mit nichts… Ist mein Sohn am Wochenende da – bin ich zu nichts außer den Hunderunden fähig…

Es kommt vor, dass ich einen Augenarzt-Termin zur Kontrolle mache und am nächsten Morten es nicht schaffe, hinzugehen….

Die Klinikwochen haben mich jede Menge Energie gekostet.
Anfang Februar kommt endlich das Geld…
Mein Betreuer verfasst eine Erklärung zum Betrugs-Klage… hilft nix. Rechtsanwalts-Post.

Ich will auch beim Sozialgericht klagen wegen den Mietrückständen die ich der ARGE wegen habe.
Um derartiges zu vermeiden, hatte ich schließlich die Abtretungserklärungen geschrieben!

Im Herbst 2009 schmettert das Sozialgericht meine Klage ab mit der Begründung, dass Abtretungserklärungen erst nach drei Monaten wirksam würden!

Ich wende ein, dass mir das niemand gesagt habe. Die Leiterin der ARGE (kaspert lustig immer mal wieder mit ihrer Anwältin) sagt, ja sie könne sich daran erinnern dass ich bei ihr im Büro gewesen sei. Schon deshalb,weil sie meine ACHTUNG! Geschichte SO BEEINDRUCKT HABE, ob auch über Abtretungserklärungen gesprochen worden sei, wisse sie nun nicht mehr zu sagen.

Ich wende ein, dass ich gar keine geschrieben hätte… hätte ich von der Dreimonatsfrist gewusst!

Die ARGE musste also nicht für die drei Monatsmieten auf kommen…
Ich konnte es aber nicht.

Dazu kam, dass ich nach den drei Monaten meine beiden Windhunde völlig abgemagert in der Tierpension vorfand, meine Mischlingshündin dagegen – – – dick.

Haltungsfehler… Unwissenheit bei Windhunden gibt es oft… nur zugeben müsste man es auch…
Den Sommer über brauchte ich, um sie einigermaßen wieder hinzubekommen.
Wurde allerdings in dieser Zeit beim Amtsveterinär angezeigt – – –

Vermutlich durch eine Mitarbeiterin der Orga, von der ich die Windhunde hatte.
Ich lud den AmtsTA sofort ein, hatte mir nichts vorzuwerfen… hatte allerdings im Januar nicht den Zustand der Windhunden dokumentiert.

Ich erklärte auch, wenn ich die Hunde schlecht halten würde, dann wäre ja die Mischlingshündin auch dünn…
Der Amts-Vet war trotz allem kooperativ… bei der Orga war ich allerdings weiter auf dem Schirm… was ich erst einige Monate später fest stellen konnte. Wir kamen überein, er würde mich im Januar 2010 nochmals besuchen…

Ich bitte meine Therapeutin um eine Einweisung in die Klinik für Januar 2010 – ich kann einfach nicht mehr. Habe auch das Gefühl, es wäre aus dem ersten Aufenthalt noch vieles offen, dass irgendwie „abgerundet“ werden müsse.

Sie gibt mir sofort Recht, macht mir einen Termin für den 10. Januar 2010 – weil aber die Schweinegrippe grassiert und ich erkältet bin, soll ich lieber nicht einpassieren…

So warte ich. Mit dem Rücken zur Wand… denn die GBW will nun ENDLICH den Mietrückstand aus 2008, den die ARGE verschuldete… mein Betreuer schrieb mir dazu nichts weiter, als dass ich halt Raten zahlen sollte.
Von Alg2. Inzwischen – seit Herbst 2009 – war mir endgültig das dritte Zimmer gestrichen worden… wenn ich in der Wohnung bleiben wolle, müsse ich es selber zahlen… das dritte Zimmer.

Also 220 Euro für mich. Jeden Monat.

Ich zahle ja schon die Kaution zurück… nochmals Raten davon weg?

Im Januar sitze ich mit Erkältung und Räumungsklage – wieder einmal – auf dem Sofa… jeden Tag. Und denke mir: wenn mich diese Gesellschaft so offensichtlich nicht haben möchte. Und so offensichtlich nicht gesund werdend und lebensfroh….
dann habe ich immer noch den Gashahn in der Wohnung!

Der Betreuer schafft es nicht, die Sache mit der GBW zu regeln… Statt Klinik wieder ne Gerichtsverhandlung. Ich gehe nicht hin, sage dass ich eigentlich in der Klinik wäre… denke, mein Betreuer geht stattdessen.

Tat er nicht.

Pfff – wozu hab ich den eigentlich?
Immerhin bestand er darauf mir das Geld für eine Ikea-Küche vorzustrecken… ganz wohl war mir bei der Sache nicht… aber ich hatte ja nichts in meiner Küche ausser deinem Gefrierschrank und einer Mikrowelle sowie zwei Herdplatten nebst Kaffeemaschine.

Ich wies in darauf hin, dass er meine Lage ja kenne und dass es lange dauern könne, bis er sein Geld wieder sehen würde…
HEUTE WEISS ICH, dass das verboten ist. Er hätte beim Amtsgericht anmelden müssen, mit mir einen Vertrag über die Gewährung eines Kredites zum Küchenkauf abzuschließen…

Meine Hunde sind inzwischen wieder so weit aufgefüttert. Der AmtsTA ist zufrieden. Ich sage, dass ich im März nun in die Klinik gehen werde… er will die Woche davor noch mal gucken, damit nicht wieder was schief geht…

Eine – wie ich glaubte!!!! Freundin aus früheren Tagen, Hundepsychologin, betrieb damals noch (man beachte!!!) seit kurzem ein Tierhotel in NRW, bot mir an alle drei bis Ende Mai für einen geringen Festpreis zu nehmen… .

Am 18. März 2010 kontrollierte wie vereinbart der Amtsveterinär meine Hunde… OHNE Beanstandung! Am selben Tag abends hatte ich Termin bei meiner TÄ zum impfen fürs Tierhotel, dort wurden auch alle drei Hunde gewogen und alles war bestens!
Ich sollte nur mit meinem Galgo-Rüden nach meiner Rückkehr zum Zahnstein entfernen kommen…

Am 21. März fuhr mir eine Hunde-Freundin meine drei nach NRW… meinen Galgo-Buben und die Greyhündin sollte ich nicht mehr wieder sehen…

Am 23. März kam ich in die Klinik und wurde in der zweiten Mai-Woche entlassen – die letzte Maiwoche sollte ich in Norwegen sein..
Meine älteste Tochter lebte 2010 gerade in Norwegen und sie lud mich für die Zeit nach der Klinik zu einer Woche Norwegen ein… und schenkte mir den Flug!
.
Frisch aus der Klinik ging ich zur Bank, meine monatlichen Überweisungen – auch die Futterbestellung für meine zwei in NRW – zu bezahlen… schwache 90 Euro auf meinem Konto… Hundefutter, Hundehalterhaftpflich und das Geld für die Fahrkarte zum Flughafen… kein Geld mehr für mich übrig… für Lebensmittel bis zum Abflug… ich hatte 50 Euro Geschenk für „Norwegen“ bekommen… um halt mal was zu kaufen, einen Kaffee zu trinken…. das ging nun erst mal für Lebensmittel drauf…

Hektische E-Mail an meinen Betreuer, was die ARGE nun schon wieder geleistet hätte….

Antwort:
Er sei enttäuscht von mir, ich habe seit Wochen nichts darüber verlauten lassen, wann ich das Geld – 800 Euro – für die Küche zurückzuzahlen zu gedenke…
Nun habe der Energieversorger eine Rückzahlung von 300 Euro an mich überweisen wollen… die habe er nun auf sein Konto umgeleitet!

Und die ARGE habe – anteilig!!! – wegen der Rückzahlung das Alg2 gekürzt!

Tja… soviel zum Roman-Klischee vom Betreuer…

Ich weise einfach mal noch darauf hin, dass ich seit meinem 12. Lebensjahr nicht mehr geflogen bin… dass ich trotz meiner Erkrankung nach langer Zeit wieder mal reisen werde…
Und dies nun OHNE Geld auf dem Weg zu bewerkstelligen habe… das heißt, ich muss mit allem meiner Tochter auf der Tasche liegen…

Bedrückt ja alles überhaupt nicht…

Im Sommer 2010 wechselte ich den Betreuer… dem Amtsgericht liegt der gesamte Sachverhalt vor… Original-E-Mails habe ich noch – – – der Betreuer arbeitet munter weiter und ist guter Dinge… einzig die fehlenden 500 Euro werden ihm nach meiner Lage wohl auch weiter fehlen…

Während ich in Norwegen bin, erfahre ich, dass am Sonntag für den die Rückholung meiner Hunde geplant war (ich würde am FREitag zurück kehren), der Abholer „nicht könne“…

Fieberhaft beginne ich – per Internet nach Menschen zu suchen, die mir aushelfen könnten. Aber Leute die ich gut kenne, haben entweder nur einen Hund und ein zu kleines Auto oder gar keinen Hund und wollen nicht drei in ihr Auto lassen oder wohnen zu weit weg…

Und ich bin nicht kräftig genug… und kann auch niemandem sagen: da haste 100 Euro dafür….
Ich maile meiner „Freundin“, dass ich nach Ersatz fürs Abholen suche… aber am Sonntag… das würde nicht klappen. Bis Mittwoch – bereits Juni dann – müssten sie noch aushalten… bitte.

Am Dienstag bekomme ich einen frostige E-Mail, sie habe meine Windhunde an den Verein zurückgegeben… die Mischlingshündin würde sie behalten.. mich würden ja sowieso immer nur die Windhunde interessieren…

Ich glaube an das Gute im Menschen.

Deshalb und weil ich auch schon für diesen Verein arbeitete, dachte ich… gut, dann frage ich dort nach, ob man mir eine Fahrkette bildet… die beiden herunter bringt und mir bitte auch die Mischlingshündin mit holt…

Was dann folgte, war an Schmerz und Verleumdung nicht zu überbieten… E-Mails habe ich alle noch!!!

Ich bin da wohl ein weiteres Mal zusammen gebrochen.
Wo meine beiden Windhunde seither leben – weiß ich nicht und Freunde die es für mich heraus finden wollten… haben aber auch was erlebt…

Meinen dritten Hund holte mir dann liebenswürdiger Weise jemand heim… allerdings erst im Juli 2010…

Im Winter 2010/11 strengte das AG eine ärztliche Beurteilung meines Gesundheitszustandes 2008! an… hm!

Obwohl es ja möglicherweise ausgeschlossen sein könnte, beinahe drei Jahre später noch auf meinen unbehandelten Gesundheitszustand schließen zu können, gab sich der Arzt viel Mühe und verwandte viel Zeit auf die Begutachtung und auf das Gutachten selbst.

Dennoch kam das AG zu dem Schluss, ich habe mit Abschluss des Mietvertrages für das Häuschen im Februar 2008 den Vermieter betrogen und hätte nun nach Kräften Wiedergutmachung zu leisten.

Zumindest eine Geldstrafe von soundsoviel Tagssätzen…

Das Argument meines Anwaltes, dass ja dann wieder das Geld fehlen würde und ich ja schon die Klage hätte, weil ich eben zahlungsunfähig gewesen wäre, griff das Gericht auf und verwies darauf, ich hätte mich in den kommenden Monaten zu melden und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen… die Kosten des Verfahrens…. blablabla… kann ja nicht…

Im November 2011 wurde man ungeduldig, weil ich zwar einen Brief an den Vermieter verfasst hatte… wie vom Gericht so erwartet… aber nun noch Taten sehen wollte.

Also wurde ich zu Arbeitsdienst – vier Stunden wöchentlich – verdonnert. Zu dieser Zeit ging ich wöchentlich einmal hier über die Straße ins AWO-Heim mit meiner Mischlingshündin zum Hundebesuch… dazu hatte ich mich aufgerafft… lange Anlauf genommen, aber dort auch erzählt, was mit mir los ist, warum ich nicht viel kann aber doch den Leuten diese Möglichkeit des Hundebesuchs geben möchte… so hilft diese Stunde mir nämlich auch, vor allem weil ich nur über die Straße muss.. und für mich ist sehr schlimm immer der WEG… das draussen sein, verletzbar sein… angesprochen zu werden…

Ich bot dem Gericht an, diesen Hundebesuch anzurechnen…
Nein, vier Stunden die Woche…

Ich nahm allen Mut zusammen, outete mich im Heim… und fragte, welche Möglichkeiten es da noch gäbe und man erbot sich, mir diese vier Stunden in der Wäscherei machen zu lassen… allerdings alle vier Stunden am Stück.

Im Dezember sollte ich den Einsatz beginnen – einen Tag davor ging es mir derart schlecht – ich fühlte mich so hilflos und fehl am Platz… so unverstanden auch.

Meine Ärzte bläuen mir regelrecht seit Monaten ein, ich müsste auf mich achten, ich könne nun mal nicht mehr das, was ich früher geleistet hätte…. und wahrscheinlich hätte ich das auch früher schon alles nicht leisten könne…. nur habe es keiner bemerkt…

Und nun entschied man hier einfach über mich hinweg…
Ich sagte ab, mit der Begründung, ich sei ja nicht ohne Grund nur unter drei Stunden arbeisfähig… und könne dies nun nicht…
Auf meine Beschwerde beim Landgericht im Frühjahr hierzu erhielt ich die Antwort, es wäre ohnehin nicht rechtens gewesen, die Auflage einfach so in einen Arbeitsdienst um zu deuten.

Worauf das Amtsgericht nun im Oktober acht Monatsraten zu 20 Euro ans Rote Kreuz zu zahlen, fest setzte…

IMMER wird in den Schreiben und Beschlüssen der Sachverhalt dahin gehend dargestellt, dass ich nicht „Willens“ oder „bereit“ sei, Wiedergutmachung zu leisten…

Was so nicht stimmt.
Ich bin seit Februar 2012 offiziell erwerbsunfähig mit Schwerbehindertenausweis.
Zur psychischen Erkrankung kommen noch kaputte Hüften, Knie und zwei Bandscheibenvorfälle… bin heilfroh, wenn ich meinen Haushalt schaffe, alles geht extrem langsam von statten. Ich kann keinen Arbeitsdienst leisten, zu dem ich weit gehen oder fahren müsste…

Und 20 Euro von meinen 220 Euro nach Miete und Energie… das kann nun auch nicht sein, das würde ja gesetzeswidrig meine Grundsicherung schmälern.

Denn EU-Rente bekomme ich ja nicht – – – mir fehlen die 1995 ausgezahlten Anwartschaften!

Das also wird meine Antwort diesbezüglich ans AG sein, denn auf meinen letzten Einwand, dass ich nicht nochmal 20 Euro abknapsen könne, kam vergangene Woche wieder ein Schrieb mit dem Vorwurf, ich wäre nicht Willens und man würde mich nun für den 2. Januar zur Anhörung vor laden!

Wohin ich nicht gehen werde, denn ich behalte mir vor, die Vorgehensweise jetzt mit meinem Anwalt zu besprechen, der hat aber vor Weihnachten keinen Termin mehr… und gegebenenfalls beim Sozialgericht zu klagen.

Das Jetzt

Ich bin nun fast 49 Jahre alt, erwerbsunfähig, soll im nächsten Sommer meine Hüfte operieren lassen… erhalte auf meinen Schwerbehindertenausweis kein G – muss alle Zusatzzahlungen zu Schuhzurichtungen, Massagen, Krankengymnastik usw. bezahlen.

Zahle das Zimmer für meinen Sohn immer noch selber… weil das Jugendamt es nicht schafft, eine Begründung als Rückzugsmöglichkeit für meinen Sohn beispielsweise – zu formulieren. Und dass der Vater meiner Kinder in seiner Eigentumswohnung!!! ja kein Zimmer für seine Kinder vorgesehen habe…

Soll für notwendigen Zahnersatz links 300 Euro bezahlen… und 300 Euro rechts… Dürfte dies auch auf Raten bezahlen… ABER die Raten sollen nicht unter 50 Euro liegen…

was also so schon gar nicht geht… Kein Zahnersatz – warum auch!

Ich habe keine Unterstützung für Fahrgeld – Mobilität kann ich mir nicht leisten…
Schwimmbad kann ich mir nicht leisten…
Wenn ich mich an manchen Tagen gut fühle – kann ich mich nicht mit einer Freundin in WÜ treffen… kostet 11,50 – und ich brauche das Geld für die zwei Fahrten zur Therapie in WÜ… (O-Ton Amt: „dann gehe se halt hier zur Derabie!“
Soviel zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und zur Freien Arztwahl!
Meine Privatinsolvenz liegt auf Eis, weil ich sobald der Antrag gestellt ist, keine Gläubiger mehr bedienen darf…
ABER dann dürfte ich auch der GBW die Mietschulden von 2008, von der ARGE verschuldet – wir erinnern uns – in 10 Euro-Raten nicht bezahlen… Die GBW signalisierte aber schon, dass sie mich dann raus wirft…

Wobei es meinem derzeitigen Betreuer nicht gelingt in Erfahrung zu bringen, ob das überhaupt ginge… denn ich bin ja schwerbehindert… das müsste ich nun wieder selber recherchieren….

Ich hätte so gern einen sauberen Schnitt!!!

Ich hätte liebend gern ein Auto. Das geht natürlich nicht… denn Menschen wie ich brauchen kein Auto.
Mir würde es so vieles erleichtern… grade auch wenn ich Mühe habe aus psychischen Gründen einen Weg zu nehmen… ins Auto gesetzt und „geschützt“ von A nach B kommen…

Von Einkäufen und anderen Erleichterungen, wenn die Hüften schmerzen… ganz abgesehen.

Die Tiere – ja ich habe wieder drei Hunde… es gibt noch Menschen mit Hirn und Herz – sind zwar wissenschafltich als hilfreich anerkannt… aber was stört das die Gesetzgebung!!!

Futterunterstützung von einer Frau aus der Nachbarschaft…

Ein Garten wäre ein Königreich für mich… Selber Gemüse und Obst haben… Sowas ist für eine wie mich nicht vorgesehen..

Es gibt Kulturen – – oder gab sie – die pfleg(t)en ihre Kranken! Und lassen oder ließen ihnen Fürsorge angedeihen…

Hier gilt nur: geh zur Tafel… hast Du keine Freunde die dir helfen?

Ich lebe in dieser Nachkriegswohnung mit zugigen Fenstern. Energietechnisch eine Katastrophe… was den Vermieter nicht stört, die Heizkosten fallen ja bei mir an… im letzten Frühjahr Nachzahlung…

Ich würde gern einfach Socken stricken… öfter mal. Wenn ich sonst schon ausgelaugt bin. Aber Sockenwolle ist teuer.

Ich kann „hund“ und ich würde gern mit meinem jüngsten Hund, den ich seit Januar habe Therapiehundarbeit machen. Ich muss Dinge tun, bei denen ich Sicherheit habe.

Aber eine Ausbildung für den Hund kann ich mir im ganzen Leben nicht leisten… so wie es grade aussieht.
Aber nur mit Ausbildung und Prüfung könnten wir dann einen Obulus für eine Stunde verlangen… so hätten wir bei einer Stunde die Woche im Monat vielleicht 50 Euro Taschengeld… wäre doch toll.

Ich bin es im Grunde müde, zu kämpfen für die Verwirklichung kleiner Träume…
Ich fand ein altes Häuschen mit Garten, der Mann der es vermieten wollte, meinte – er wäre froh, das Haus habe seiner Schwester gehört und er hätte so viel Last damit… wenn jemand im Garten ein bisschen was täte – und es mir Recht wäre, dass nur gestrichen wird aber nicht renoviert… aber die Miete hätte warm nochmal 50 Euro als die jetzige Miete gekostet… DAS darf ich nicht. Sagt das Amt.

Ich möchte niemanden erschrecken, aber nach wie vor ist für mich die Möglichkeit mein Leben zu beenden, wenn ich hier weiterhin nur reduziert auf ein bisschen Essen und Schlafen existieren darf, in einem reichen Land, das Armutsberichte schönt…, eine ganz nüchterne logische Handlungsweise.

Wenn mir diese Gesellschaft, diese Regierung mit ihren zweifelhaften Vertretern und Apparaten, ihrer Klüngelei und Wirtschafts-Hörigkeit nichts weiter zugesteht als Verachtung, sogar Mißachtung,
dann muss ich hier auch nicht leben. Wäre ich ja dumm… DAFÜR??? Um mir dauernd alles zu erkämpfen, zu erstreiten und zu erboxen, hinter allem herzurennen und ständig alles zu erbetteln? Dafür bin ich zu friedliebend, bin ich mir zu schade…

Noch geht es. Noch glimmt ein bisschen Rachelust… noch.

Der Autorin vielen Dank für diese Worte – und dem Leser vielen Dank für seine Geduld, bis hierher gefolgt zu sein.

Diese Geschichte ist kein Einzelfall – sie ist ein typisches Systemschicksal. Schon die geringste Schwäche führt heutzutage auf einen abschüssigen Weg, von dem es kein Entrinnen mehr gibt – soviel man auch strampeln mag. Immer wieder im Blick: die Ärzte, die verzweifelt versuchen, die Wunden zu heilen, die die Gesellschaft tagtäglich schlägt. Sie wissen, das das, was wir Arbeitsleben nennen, ein Programm zur Selbstverstümmelung ist – ein Programm, dem wir begeistert folgen, um bloß nicht in Hartz IV zu landen und von den Medienhyänen im Anschluss zerrissen zu werden.

Leider macht unsere Biologie dabei nicht mit. Wir werden schwächer im Alter – zu schwach für das Hamsterrad der Neoliberalen, die uns am Liebsten schon mit 35 aussortieren würden … uns aber gnädigerweise noch bis 40 durchfüttern, dann aber müssen wir endlich mal selbst sehen, wie wir über die Runden kommen.

Wie lange wird es dauern, bis wir verstehen, das nicht nur die Dritte Welt ausgebeutet wird? Das ein bisschen mehr Hartz IV oder ein Grundeinkommen nur noch an den Symptomen herumschrauben (und immer ganz vergessen, das erst nochmal 2 Billionen Euro an Schulden abbezahlt werden müssen, bevor das alternative System starten kann), während es aber dringend die Krankheit zu heilen gilt?

Besonders pervers: niemand kann Alexandra helfen – oder den Millionen anderer künstlich verarmter Menschen. Selbst wenn es jetzt einen Mäzen gäbe, der ihre kreative Ader zu schätzen weiß (ihre umfangreiche Webpräsenz befindet sich hier): alle Spenden gelten als Verdienst und versickern in dem Monster Hartz IV, denn DER STAAT WILL ARMUT.

Das sagt er uns nur nicht so deutlich – aber ohne die gewaltsam verursachte Armut rennen die Niedriglöhner nicht so schnell, wie es der Renditewunsch der Anleger verlangt.

„Sie müssen jetzt was für SICH tun“ … diese Warnung der Ärzte kenne ich selbst nur zu gut – und habe sie ignoriert, mit hässlichen Folgen. Ich kenne persönlich schon Dutzende, denen es so geht. Nicht alle landen beim Jobcenter, ältere kriegen  noch Renten, die heute im Sinne der Armutszüchtung abgeschafft wurden – aber jeder, der eine Familie ernähren muss und einen Vollzeitarbeitsplatz hat, weiß, das „für sich“ nie Zeit da ist.

Die gehört den Anlegern.

Menschen mit einem solchen Hintergrund, einem solchen Leben möchte ich im Bundestag sehen – keine weltfremden Juristen, Lehrer und Historiker, die Leben nur durch Buchstaben erfahren. Damit wären wir schon einen Schritt weiter.

Und desweiteren möchte ich Alexandras Schicksal einfach mal allen vor die Nase halten: für die Produktion solcher Schicksale, solcher Lebensumstände zahlen wir wirklich JEDEN ZWEITEN EURO unseres Staatshaushaltes? Für solche Ergebnisse der Arbeit von Vermittlern, Helfern, Richtern, Anwälten und Beratern würde eine normale Firma keinen Cent vom Kunden sehen … und „Staatskunden“ sind wir ja seit der Einführung von Hartz IV alle. Manche haben nur augenblicklich noch Geld genug, das sie das nicht merken brauchen. Wenn ein Mensch Hilfe braucht, sollte er die Hilfe auch bekommen – und (wichtige Notiz für die Zukunft) selbst bestimmen, ob die Helfer ihr Geld auch wert waren.

Was ich hier sehe (als Mensch, der auch mal Personalverantwortung hatte) ist eine willensstarke, leistungswillige, engagierte und couragierte Frau, die die ganze Hilfe unseres „Sozialstaates“ erhalten hat – aber anstatt als selbstständige Versicherungsmaklerin arbeiten zu können nun als verarmte Suizidkandidatin endet … trotz des Einsatzes von großen Mitteln seitens der Versicherungen.  Deutlicher  kann man die erbärmliche Ineffektivität unseres Sozialstaates kaum beschreiben – das Geld wäre als Grundeinkommen besser angelegt, würden wir nicht alle damit beglücken, könnten wir uns Regelsätze von 3000 Euro leisten – im Monat, solange, bis der Mensch wieder auf eigenen Beinen stehen kann.

Zuviel Geld? Nicht mit Kinder – pro Kind würde ich nochmal minimal 1000 Euro drauflegen: Nachhilfe, Hausaufgabenbetreuung, Krankennotdienst, Fahrten zu Ärzten, Freunden, Vereinen, Arbeitsgemeinschaften: einen Leistungsträger zu produzieren und seine ganzen Kräfte zu entfalten ist sehr sehr teuer – und allein kaum zu schaffen.

Wir sollten aus diesem Schicksal etwas lernen, damit das Leid nicht umsonst in die Welt gesetzt wurde. Vor allem sollten wir daraus lernen, das Armut künstlich produziert wird, weil man in Wirklichkeit keine Hilfe bekommt – sondern mit aller Macht in die wirtschaftliche Vernichtung gedrängt wird. Ich will da jetzt auch kein Gemaule hören „die Frau ist ja krank“ und deshalb nicht der Regelfall: das Gegenteil ist die Regel – die beständige Bedrohung der Person durch wirtschaftliche Zwänge macht auch den Körper krank – gerade Rücken und Gelenke protestieren dagegen … und da der Mensch in Wirklichkeit doch keine Maschine ist, reagiert auch die Psyche irgendwann und zieht den Saft aus der Batterie (vor allem, wenn der Mensch so einen Unfug macht wie „arbeiten gehen unter Zielvereinbarungen“).

Ärzte wissen das – darum raten sie erstaunlich früh zu einer Schonung, die uns Staat und Wirtschaft aber ums Verrecken nicht gönnen wollen: sie verheizen uns lieber.

Darum zahlt der Staat den Ärzten aber auch fürstliche Honorare, würden die den Eid des Hypokrates ernst nehmen, so hätten sie schon längst zur Revolution auffordern müssen: unser Arbeitsleben macht uns nur krank, unser Arbeitslosigkeit macht uns nur noch kränker und irgendwann können die Krankenkassen das nicht mehr bezahlen.

Das sind die Tatsachen, denen wir uns Auge sehen müssen, wenn wir dieses Programm zum großen volkswirtschaftlichen Suizid im Dienste der Rendite der kolumbianischen Drogengelder (um es mal deutlich zu sagen) stoppen wollen.

Wenn nicht – werden wir Alexandra folgen, auf die eine oder andere Art und Weise.

Übrigens: es ist jetzt Weihnachten. Alexandra hat Bücher geschrieben – vielleicht braucht noch jemand ein Weihnachtsgeschenk. Dies wäre sogar ein Geschenk mit einer ganz besonderen Hintergrundgeschichte, die es noch wertvoller macht – weil es ein ganz besonders wertvoller Mensch ist, der dahinter steckt.

 

 

 

 

Das Dschungelcamp: warum der Neoliberalismus das Konzentrationslager erfand – globaler Faschismus im Vormarsch

Sonntag, 15.1.2012.  Ein Tag der Ruhe, Entspannung und Besinnung. Jedenfalls ... wenn man nicht in die Zeitung geguckt hat. Tut man sich das an, ist es vorbei mit der Ruhe, der Entspannung oder der Besinnung. Schlimmer wird es, wenn man ins Fernsehen schaut: vor laufender Kamera werden dort Menschen gequält, erniedrigt und zu unmenschlichen Akten gezwungen - siehe <a href="http://www.welt.de/fernsehen/specials/dschungelcamp/article13814561/Erotischer-Frontalangriff-im-Wald-des-Ekels.html">Welt</a>:

<strong>Zuerst werden die beiden mit Mehlwürmern übergossen, bevor sie fetten, lebendigen Maden den Kopf abbeißen, sie aufessen und gequirltes Emu-Blut trinken müssen.</strong>

Sonntag, 15.1.2012.  Ein Tag der Ruhe, Entspannung und Besinnung. Jedenfalls … wenn man nicht in die Zeitung geguckt hat. Tut man sich das an, ist es vorbei mit der Ruhe, der Entspannung oder der Besinnung. Schlimmer wird es, wenn man ins Fernsehen schaut: vor laufender Kamera werden dort Menschen gequält, erniedrigt und zu unmenschlichen Akten gezwungen – siehe Welt:

Zuerst werden die beiden mit Mehlwürmern übergossen, bevor sie fetten, lebendigen Maden den Kopf abbeißen, sie aufessen und gequirltes Emu-Blut trinken müssen.

Man stelle sich vor, ein Entführer würde so etwas Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter antun. Hätten wir nicht Verständnis dafür, wenn man die Initiatoren der Veranstaltung nach einem gerechten Prozess standrechtlich erschießen würde? Immerhin – wer weiß, welche Degenerationen diese Entwicklung noch hervorruft, wenn man ihr kein Einhalt gebietet? Hier werden gerade die schlimmsten medialen Horrorphantasien der sechziger und siebziger Jahre Realität – doch niemand schon Anstoß daran zu nehmen. Trauen wir uns doch mal, einen Blick auf die Zusammenhänge zu nehmen – zum Beispiel bei anderen Horrorphantasien, die schon lange vorher Realität geworden sind.

Die ersten Konzentrationslager weltweit wurden von den Briten in Südafrika im sogenannten „Burenkrieg“ etabliert:

Da ein so operierender Gegner auf konventionelle Weise kaum zu fassen war, wandte Kitchener eine Strategie der „verbrannten Erde“ an: Die Farmen in den Guerillagebieten wurden zerstört und die Ernten vernichtet, um den Gegner auszuhungern. Rund 120.000 Farmbewohner, vor allem Frauen und Kinder, wurden in Konzentrationslagern interniert. Davon starben über 26.000 aufgrund katastrophaler Lebensbedingungen an Hunger und Krankheiten. Der Begriff „Konzentrationslager“ (englisch: Concentration Camp) wurde zum ersten Mal in diesem Krieg verwendet.

26000 Tote – vor allem Frauen und Kinder – der erste Massenmord in Konzentrationslagern geschah in Südafrika. Die Deutschen lernten schnell:

Als Konzentrationslager wurden, soweit heute bekannt, in Deutschland erstmals im März 1915 Internierungslager der zum Kruppkonzern gehörenden Friedrich-Albrecht-Hütte für polnische Arbeiter in Barmen und Elberfeld bezeichnet. Dem folgten zahlreiche Internierungslager und provisorische Gefängnisse für deportierte Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und politische „Schutzhäftlinge“ im Ersten Weltkrieg und in der frühen Nachkriegszeit.

Daraus wurde dann später ein richtiger Konzern – weil „Konzern“, jene unheimliche, machtvolle US-Konstruktion von Unternehmenszusammenballungen – gerade voll in Mode kam:

Die Konzentrationslager für Zivilpersonen (Abkürzung: KZ oder KL) wurden in der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten von Organisationen derNSDAP errichtet. Es waren schließlich mehrere Tausend Konzentrations- und Nebenlager und sieben Vernichtungslager. Sie dienten der Ermordung von Millionen Menschen, der Unterdrückung politischer Gegner, der Ausbeutung durch Zwangsarbeit, medizinischen Menschenversuchen und der Internierung von Kriegsgefangenen. Das Lagersystem stellte ein wesentliches Element der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft dar.

Durch die Konzentrationslager wurde ein uraltes verbrecherisches Element der Menschheitsgeschichte gesellschaftsfähig, das wir eigentlich für ausgestorben hielten: die Sklaverei – die skrupellose wirtschaftliche Ausbeutung von Menschen zum Zwecke der Gewinnmaximierung – inklusive ihrer anschließenden kostengünstigen Entsorgung im Falle einer chronischen krankheits- oder altersbedingten Leistungsminderung.  Merkt man langsam, wie kurz davor wir wieder sind, die ersten Lager zu bauen? Nun – wir bauen neue und andere Lager – erstmal. Zum Beispiel im Dschungel. Was Menschen dort angetan wird, kann man weiter oben lesen. Wie weit das früher ging, sieht kann man hier nachlesen:

An Inhaftierten wurden von Ärzten, wie Josef Mengele (Auschwitz), Robert Ritter (KZ Buchenwald) unter anderem medizinische Experimente vorgenommen, in deren Verlauf die Häftlinge meist qualvoll starben. Sie wurden beispielsweise mit Fleckfieber, Malaria- oder TBC-Erregern infiziert, um Impfstoffe zu testen, ihnen wurden Brandbombenverletzungen zugefügt und an ihnen erfolgten Salzwasserversuche. 

Da hätten viele Deutsche sicher gerne an den Bildschirmen gesessen und zugeschaut, oder? Machen sie ja heute auch wieder. Liest man Stéphane Hessels Schrift „Empört Euch“, so findet man gerade diesen Tatbestand ausgeführt – anlässlich einer Kundgebung zum 60. Jahrestag der Verkündigung des Programms des Nationalen Widerstandsrates, auf das ich kürzlich schon hinwies:

„Der Nazismus ist besiegt worden dank dem Opfer unserer Brüder und Schwestern in der Résistance und der im Kampf gegen die faschistische Barbarei verbündeten Nationen.  Doch die Bedrohung ist nicht vollständig gebannt, und unser Zorn über die Ungerechtigkeit nicht gewichen“. 

Nein, die Bedrohung ist nicht ganz gebannt. Und so rufen wir weiterhin auf zu einem „wirklich friedlichen Aufstand gegen die Massenkommunikationsmittel, die unserer Jugend keine andere Perspektive bieten als den Massenkonsum, die Verachtung der Schwächsten, den allgemeinen Gedächtnisschwund und die maßlose Konkurrenz aller gegen alle“. 

(Hessel, Empört Euch, Ullstein 2010, Seite 21)

Hessel weiß, wovon er spricht. Er ist in Buchenwald nur knapp der Vernichtung entkommen. Sicher – unsere Häftlinge sind freiwillig dort drin … noch. Das ist aber auch die neue Dimension des Horrors im 21. Jahrhundert: dank der allgegenwärtigen Massenkommunikationsmittel konnte eine großflächige Umerziehung der Bürger zu masochistischen Leidenssklaven erfolgen, die enormen Spaß am gequält werden haben.

Wir sind ja dazu erzogen worden, zu Glauben, das sei alles Zufall, Schicksal oder der unabwendbare Lauf der Dinge – übersehen aber dabei, das es eine hochintelligente, geschichtlich gebildete Gruppe mit unvorstellbarer Finanzkraft gibt, die über all die Erfahrungen aus historischen Gegebenheiten bewußt verfügt und deren Ergebnisse gezielt anwendet – so wie die US-Raumfahrt die Ergebnisse der KZ-Menschenversuche auch dankbar verwertet hatte. Niemand wäre wirklich auf die Idee gekommen, diese durch äußerste Unmenschlichkeit gewonnenen Daten zusammen mit ihren Opfern zu begraben. „Der Zweck heiligt die Mittel“ – das sagt uns „die Wissenschaft“ oft genug.

Gerade heute kann man die Täter bei der Arbeit beobachten.

„Finanztransaktionssteuer“ ist ja ein lang gehegter Wunsch von Attac, sollte ja jetzt in Frankreich mal eingeführt werden. Was machen die Täter, die sich gerne hinter dem neutralen Begriff „die Märkte“ verbergen – was in etwas sprachlich bzw. inhaltlich so korrekt ist, als würden wir die Bewohnern eines Landes als „die Mägen“ bezeichnen? Sie demontieren den französischen Präsidenten:

Frankreich ohne das dreifache A: Der Verlust der Bestnote durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s ist nicht nur ein weiterer Rückschlag für Europas zweitgrößte Volkswirtschaft: Die Horrornachricht aus London könnte auch für Staatschef Sarkozy wenige Monate vor der Wahl zum Verhängnis werden.

Erinnert in etwas an Deutschland Ende Anfang der dreissiger Jahre: wer den Führer kritisiert, bekommt Besuch von der SA – nur diesmal läuft das globaler. Wer nicht nur auf das Ekelcamp schaut (und sich insgeheim davor fürchtet, was er selbst für eine Figur machen würde, wenn man ihn dort hineinsteckte), hat mitbekommen, das die Schutzstaffel (SS) des Neoliberalismus (eine amerikanische Form des Nationalsozialismus, der Wohlstand, Freiheit und Sicherheit für alle … Millionäre … verspricht im Kampf gegen die böse kommunistische Welt, die es wagen würde, sogar Apple die Kinderarbeit zu verbieten, obwohl der Konzern doch so toll ist und man gerade an Kinderarbeit so fein verdienen kann) –die Ratingagenturen – auch die Merkel im Visier hat – und ganz Deutschland ebenso.

Kaum hat Angela Merkel gedroht, gegen den Ratingterror vorzugehen (ist wohl bald wieder Wahl im Lande), steht schon die SS vor der Tür:

Der Rundumschlag des Ratingriesen Standard & Poor’s setzt Europa unter Druck. Denn auch die Bestnote des bisherigen Schirms EFSF ist bedroht. Die Deutsche Bank stellt sich schon auf das Schlimmste ein.

Klassisches Dramadreieck: Angela Merkel, die böse Täterin, Standard & Poors – das arme Opfer, die Deutsche Bank: die Retterin in der Not. „Ein nicht zu überhörender Warnschuss für Deutschland“ zeigt uns, das wir uns mitten im Krieg befinden – und uns besser nicht einmischen. Diese Passivität, die uns eine gewaltige Mitschuld an der Zerstörung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage von Milliarden von Menschen gibt, wird uns nach Kräften versüßt: der Stubenhocker wird das neue Standardmodell. So wird Isolationshaft erträglich.

„Rating“ verpaßt Ländern eine Nummer. Das kennen wir schon.

Bei der Aufnahme in ein KZ wurde den Häftlingen nicht nur das Haar und die Privatkleidung genommen, sondern auch der Name. Sie erhielten eine in jedem „Transport“ fortlaufende Nummer, die in Auschwitz auch eintätowiert wurde. Damit zählten sie zum Bestand des KZ und konnten „verwaltet“ werden. Ab sofort waren sie im Lager nur noch eine Nummer:

„Wenn man es mit einem SS-Mann zu tun hatte, musste man als erstes die Mütze herunterreißen, und seine Nummer laut und deutlich, natürlich auf deutsch, angeben. Ich beginne zu begreifen, welches Glück im Unglück ich habe, fließend Deutsch zu sprechen. Die meisten griechischen und italienischen Juden verstehen keinen Befehl und können nicht einmal ihre Nummer aussprechen. Natürlich können sie auch keine deutschen Lieder singen, die wir, wie zum Hohn, beim Hin- und Rückmarsch von der Arbeit auch noch zum Besten geben müssen. Das ist ausreichend, um brutal geschlagen, manchmal auch totgeschlagen zu werden.“

Man merkt: im KZ war es lustig wie im Dschungelcamp. Die haben dort sogar freiwillig gesungen. Wir Deutschen haben jetzt auch schon alle unsere Nummern bekommen – dafür hat die Schufa gesorgt. Dazu haben wir noch Steuernummern und Telefonnummern – damit man auch immer weiß, was wir wann wo machen.

Merkt man, warum Buchenwaldhäftlinge sich vor Massenkommunikationsmitteln fürchten?

Im Hintergrund sehen wir den Nationalsozialismus der Neuzeit wirken: den Neoliberalismus der achtziger Jahre.

Der Linguist Noam Chomsky veröffentlichte 1998 Profit over People – Neoliberalism and Global Order. Er vertritt darin, der Neoliberalismus habe seit Ronald Reagan und Margaret Thatcher weltweite Hegemonie erlangt. Dies habe zur Privilegierung weniger Reicher auf Kosten der großen Mehrheit geführt. Große Konzerne und Kartelle beherrschten das politische Geschehen in den USA. Der freie Markt bringe somit nicht im geringsten eine Wettbewerbsordnung hervor. Durch den politischen Einfluss großer Unternehmen auf die US-amerikanischen Parteien werde dauerhaft die Demokratie untergraben. Die US-Regierungen hätten dazu durch Subventionen und Importzölle beigetragen. Ein typisches Beispiel der Unterstützung von Großkonzernen durch die Regierung sei die Welthandelsorganisation.

Da bringt uns das 21. Jahrhundert eine Neuauflage der nationalsozialistischen Weltanschauung (nur wird der Arier hier durch den Millionär ersetzt, der selbst dann noch heiliger Herrenmensch ist, wenn er sein Vermögen mit Menschenhandel, Drogen, Waffen, Prostitution und Kinderarbeit gemacht hat), es werden ganze Völker in Häftlinge verwandelt, die den neuen Herren ihre „Reformen“ liefern müssen wie dereinst die besetzten Länder die „Reformen“ der Nationalsozialisten durchsetzen mußten – und wir verkriechen uns ängstlich hinter dem Bildschirm.

Verständlich – bei den Aussichten.

In den USA fängt man übrigens jetzt gerade an, gegen die bezahlten Experten – „Ökonomen“ genannt – vorzugehen. Ihre Gutachten kann man kaufen wie Bier und Zigaretten. Leider weiß man nicht, wer alles gerade von wem gekauft wurde, man merkt nur, das da in der Tat etwas nicht ganz sauber lief – weshalb wir alle Gutachten und Meinungen der sogenannten „Wirtschaftsweisen“ erstmal auf dem Dachboden lagern sollten – sicherheitshalber.

Stattdessen sollten wir uns eher mit dem langsamen Umbau der westlichen Welt in ein gigantisches Arbeits- und Vernichtungslager beschäftigen. Findet ja eigentlich tagtäglich direkt vor unserer Nase statt – und wir nehmen es ganz bewußt wahr … wie die hoch geschätzte weise Frau Sybille:

Bestehen wir auf Heizung und Kleinwagen, müssen wir arbeiten, immer mehr, weil es gilt, sich gegen sieben Milliarden zu behaupten, die auch eine Heizung und einen Kleinwagen wollen. Und das macht krank, egal, wie wir es nennen, denn das Leben ist eine Demütigung, der man nur mit geisteskrankem Optimismus oder einer gepflegten Trauer begegnen kann. 

Und deshalb schauen wir uns gerne an, wie andere Maden fressen müssen: das erleichtert unser eigenes Elend … unser Burn Out, die vornehme Umschreibung von:

SCHNAUZE VOLL!

 


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