Montag, 25. Juli 2016. Eifel. Ich hoffe, Sie sind noch auf dem Laufenden? So – anschlagstechnisch? 19.7., Würzburg: ein siebzehnjähriger Afghane greift Mitmenschen mit einer Axt an. München, 22.7.: ein 18-jähriger, deutsch-iranischer AfD-Fan erschießt wahllos Passanten, die meisten davon ohne arischer Bioherkunft. Zehn Menschen sterben, die bundesdeutsche Bevölkerung lernt zum wiederholten Male, dass die Sicherheit im öffentlichen Raum nicht mehr gegeben ist. Reutlingen, 24.7. – ein 21-jähriger Syrer tötet eine schwangere Frau (momentan kann eine Beziehungstat nicht ausgeschlossen werden, siehe Zeit, der Täter war zuvor schon als gewalttätig bekannt – siehe Spiegel), ebenfalls 24.7.: ein siebenundzwanzigjähriger Syrer sprengt sich in einer Menschenmenge in die Luft. Bislang keine Toten. Nur eine einzige Woche hat die Parole der Bundeskanzlerin („Deutschland geht es gut“) als Lüge entlarvt – falls einem das nicht schon zuvor klar war. Die Reaktionen auf diese Taten? Der Hass nimmt zu, überall, bei jedem.
Der Täter in Reutlingen wurde von einem BMW-Fahrer zur Strecke gebracht – er hat ihn einfach mit seinem Auto gerammt. So geht Lynchjustiz – aber diesen Aspekt nehmen wir kaum noch wahr, so selbstgefällig beurteilen wir unsere Taten. Flüchtlingshelfer bekommen ausufernde Hassmails, wer anstatt Flüchtlinge AfD hasst, hat ebenfalls genug Material, um „zurück zu schießen“.
Die Täter sind natürlich immer dieselben, das ist schon lange klar: das „Internet“ (für führende deutsche Spitzenpolitiker völlig unbekanntes Neuland und deshalb „schlecht“ – was mich daran erinnert, dass es einen Spruch gibt, der besagt, dass der Bauer nicht frißt, was er nicht kennt … woraus ich dann schließe, dass wir von dummen Bauern regiert werden…) und die „Ballerspiele“.
„Das Internet“ ist auch Schuld an Kinderpornografie, die nur so auf die Rechner von Bundestagsabgeordneten und Bischöfen kommen kann und diese ehrenwerten Herren so vom rechten Weg abbringt, „das Internet“ liefert außerdem Mordwaffen an Mörder (wie in München) und fördert zudem den Hass – vielleicht sollte man dieses Internet auch mal mit einem BMW rammen.
Außerdem gibt es da noch Ballerspiele – von Ballertypen immer gerne ins Gespräch gebracht. Ballerspiele? Nun – da schießen virtualisierte Menschen auf virtuelle Roboter (ich nenne die computergenerierten Feinde mal so, weil sie dem Urbild des Roboters entsprechen) – oder werden von diesen erschossen. Für manche der Horror schlechthin – jedenfalls für die gutbürgerliche Heuchlerkultur, die immer gerne eine Sau durchs Dorf treibt, gerne auch Juden (wenn deren Besitz interessant ist). Diese Ballerspiele erzeugen Amokläufer, da sind sich die bildungsfernen Schichten in Regierung und Parlament einig – und auch Wissenschaftler, die neue Fördertöpfe riechen. Wenn das Schießen mit virtuellen Waffen auf künstliche unkörperliche menschenähnliche Gestalten zum Amokläufer macht – was richtet dann nur die Bundeswehr an, die tausende junger Männer und Frauen an echten Waffen ausbildet, um damit auf echte Menschen zu schießen? Richtig, das fragen wir uns nie.
Nach jedem Anschlag wird das Netz überflutet von moralischen Sprüchen, die noch nicht mal bis zum Abend jenes Tages überleben, an dem sie ausgesprochen werden. Ich möchte Ihnen deshalb kurz ein wenig über die Gesellschaft erzählen, die von diesen Anschlägen getroffen wird – Sie werden sehen, der kleine Ausflug in unsere Realität lohnt sich.
Nehmen wir unsere Wirtschaft, unser Geld, unsere Arbeit – das, worauf wir im Prinzip zu Recht stolz sind. Ja – man darf auf Arbeit stolz sein, auch auf die Ergebnisse: wenn Sie auf einer einsamen Insel stranden und nach zwei Tagen einen regendichten Unterschlupf gebaut, ein Feuer entfacht, eine Wasserquelle gefunden und Nahrungsmittel gesammelt haben, werden Sie verstehen, was ich meine. Doch diese Art von Arbeit (man nennt sie: „selbstbestimmt“ – ein unbekanntes Fremdwort heutzutage) meine ich nicht. Unsere Art von Arbeit, unsere Art von Wirtschaft ist eine kannibalistische: fressen und gefressen werden. Wir sind stolz darauf: wie viele „Politiker“ haben sich öffentlich über „Sozialromantiker“ echauffiert, die in der Tat behaupteten, dass schwache Menschen so viel Wert sind wie „Leistungsträger“, deren größte Leistung darin besteht, immer höhere Preise für immer schlechtere Waren durchzusetzen – also zum Schaden des Wirtschaftsraumes zu arbeiten.
Am 11.9.1989 schrieb der Spiegel über den Stolz der deutschen Wirtschaft, unseren größten Umsatzfaktor – das Auto (siehe Spiegel):
„Allmählich erst erschließt sich Politikern und Umweltschützern, daß jedes Auto, genaugenommen, ein Stück Sondermüll auf Rädern ist. Zu gut einem Drittel bestehen Kraftfahrzeuge aus Umweltgiften oder anderen schwer zu entsorgenden Materialien.“
Hauptsächlich also verbringt der Deutsche seine Zeit damit, weltweit die Umwelt zu vernichten. Interessiert keinen Grünen, weil man ja im Porsche Cayenne zum Bioladen fährt und sich dort gutes Gewissen kauft, mit dem man dann guten Gewissens Bomben auf Zivilisten werfen kann – man hat ja heiliges Biofleisch im Bauch, wirft also gute Bomben.
Wir kriegen von den Folgen wenig mit – einmal abgesehen vom dramatischen Insektensterben – 70-80 Prozent beträgt der Schwund in den letzten Jahrzehnten (siehe Nabu) aber dafür interessieren sich noch nicht mal „Tierschützer“, die eine willkürliche Grenze im Tierreich ziehen zwischen jenen Tieren, die leicht vermenschlicht werden können (wie Kuh und Dackel, wenn man nur genug Disneyfilme gesehen hat) und jenen, die keine Sau interessieren (Hummel, Biene, Schmetterlinge), weil man mit deren Schutz nicht auf sich aufmerksam machen kann („ich esse keine Insekten“ hört man selten, auch von Veganern – obwohl man damit die Welternährungsorganisation ärgern könnte, die den Verzehr von Insekten empfiehlt (siehe SWR).
Mit Menschenschutz jedoch hat diese schizoide Kultur wenig am Hut, man will einen „Veggie-Day“ anordnen – ohne zu merken, dass man damit massiv in die Freiheitsrechte der Menschen eingreift – ignoriert aber gleichzeitig, wie vergiftet das soziale Gemeinwesen ist (siehe Zeit):
„Mehr Stress, mehr Arbeitsverdichtung: In Deutschland werden immer mehr Überstunden geleistet. Mehr als die Hälfte der 1,8 Milliarden Stunden Mehrarbeit sind unbezahlt.“
Das wären auch eine Menge Arbeitsplätze. Wir arbeiten umsonst an der Vermüllung unsere einzigen Ökosphäre – das ist der Deutsche. Als Dank dafür bekommen wir eine völlig sexualisierte Gesellschaft („sex sells“ – was sein einziger Sinn ist), während Arbeiten im Bereich der Sexualökonomie unterdrückt wenn nicht sogar verboten werden – es könnten ja glückliche, ausgegelichene Menschen entstehen. Die kaufen aber nichts, während dunklere, sinnentfremdetere Formen der Sexualausübung Aggression und Wahn (und eine faschistische Gesellschaft) zur Folge haben – aber trotzdem seit Jahrzehnten gepredigt werden.
Selbstverständlich – das haben inzwischen schon die Dümmsten begriffen – darf man niemals mehr „die Gesellschaft“ anklagen (was heute leichter ginge als je zuvor), „Schuld“ hat immer nur der Verbraucher. Er erfährt zwar immer erst Jahre später von den häßlichen Entartungen im Produktionsbetrieb, darf aber die volle Verantwortung für den gesamten Entscheidungsprozess übernehmen: mit dem Kauf einer billigen Bratwurst bei Aldi trifft in die volle Wucht der Verachtung jener, die diese Wurst produziert und an ihrer Produktion sehr gut verdient haben. Es gibt einen ganzen, schlichtweg völlig irrsinnigen und wahnhaften Kult des „positiven Denkens“, der die Verantwortung für die Terrorakte den Opfern zuschiebt: sie werden schon wissen, warum sie zu jenem Zeitpunkt an jenem Ort waren und warum sie diese Erfahrung machen wollten – dem Täter selbst sollte man dankbar sein (was konsequent ist, aber nur selten ausformuliert wird). Dieser irrationale Kult wird von führenden Unternehmensberatern gelehrt – weil er dem Chef einen großen Nutzen bringt: wer wenig verdient, ist selber Schuld.
„Gerechtigkeit“ ist ein Fremdwort, als verehrungswürdiges Gemeinziel vollkommen dem „Profit“ gewichen, der nur wenigen gegönnt ist, die aber gezielt mit „Statussymbolen“ ausgestattet werden (vor allem Automobile – wir sind ein Autoland) – die Zeiten, in denen jeder Schüler wusste, dass Statussymbole nur von armen Seelchen gebraucht werden und eine unverantwortliche Verschwendung von Ressourcen zur Überdeckung charakerlichen Mangels sind, sind lange vorbei (das hat der Autor selbst auf einer Schule gelernt, die Wirtschaftselite herausbilden wollte).
Eine beispiellose Enteignungswelle durchrollt mal wieder das Land – über sie wird kaum gesprochen, außer in Extremfällen, wo „Jobcenter“ einen erstmalig im Alter von 63 Jahren vorstellig gewordenen Trockenbauer dazu anhalten, seine eigene Mutter auf Herausgabe des Erbpflichtteils zu verklagen – was Zwangsversteigerung und enorme Verluste für die Mutter bedeuten würde – von der Zerrüttung der Familie mal ganz abgesehen (siehe Berlinjournal), Beispiel für eine ausufernde staatliche Asozialität im Dienste der „Besserverdiener“ und zum Schutz von Riesenvermögen, die rational gar nicht mehr begründet werden kann. Im gleichen Journal erfährt man auch, dass – wie selbstverständlich – die Motoren der asozialen Entwicklung mal wieder vom Sozialstaat gerettet werden wollen, weil das ganze Bankensystem mal wieder vor dem Zusammenbruch steht (siehe Berlinjournal): letztlich soll der alte, schwer kranke Trockenbauer deshalb dem Staat bei der Enteignung seiner eigenen Mutter helfen und wird deshalb vom Staat mit dem Hungertod bedroht. Andere werden vom Jobcenter in die Insolvenz getrieben, was sie für ewig aus den Kreisen der Normalbürger stößt (siehe Süddeutsche).
Häßlich, wenn man das so darstellt, oder? Sind wir guten Menschen doch so stolz auf unser gutes Land, dem es so gut geht – und verachten jeden, dem es nicht gut geht, weil er einfach nicht in dieses Land passt.
Wir aktzeptieren selbst wahnsinnigste Erscheinungen in unseren „westliche Werten“ als völlig normal (siehe der Westen):
„Sie ermittelten jahrelang erfolgreich gegen Steuerhinterzieher und durchsuchten am Finanzplatz Frankfurt Banken, die das Geld ihrer Kunden in großem Stil im Ausland versteckt hatten. Ihre Arbeit brachte dem Staat Millionen an Rückzahlungen und den Finanzinstituten zahlreiche Strafverfahren ein. Doch dann wurden die vier Steuerfahnder Rudolf Schmenger, Marco Wehner sowie das Fahnderehepaar Heiko und Tina Feser mit falschen Gutachten im Auftrag der Finanzverwaltung für geisteskrank erklärt und zwangspensioniert.“
Ich hoffe, Ihnen ist bewusst, was Sie da gerade gelesen haben: die Finanzverwaltung hat per falschem Gutachten vier erfolgreiche Steuerfahnder für geisteskrank erklären lassen – und so hunderte weitere Fahnder „diszipliniert“. Die Finanzverwaltung müsste sofort aufgelöst, alle Verwantwortlichen verhaftet und eingesperrt werden (inklusive der ärztlichen Gutachter), weil sie gemeingefährlich und staatsschädlich sind … doch ich denke, das wird nicht geschehen.
Nun – ich versprach Ihnen die Wahrheit hinter den Anschlägen zu beschreiben – Sie haben jetzt einen Ausblick auf das Umfeld, in dem die Täter leben mussten.
Blicken wir nun mal auf die Täter – und zwar erstmal auf den angeblichen Urvater des Münchener Anschlags, Anders Behren Breivig (siehe N-TV):
„Er ist in eine normale norwegische Familie hineingeboren, er ging in einen gewöhnlichen Kindergarten, eine normale Schule, er wurde Mitglied einer zugelassenen, für alle zugänglichen Partei. Er hatte die Möglichkeit, so zu werden wie alle anderen. Er ist nicht in einem Vakuum aufgewachsen, sondern unter uns. Die Frage könnte also auch lauten: Sind wir schuld an ihm? Haben wir etwas getan, das ihn zum Monster werden ließ?“
So erzählt es eine norwegische Journalistin. Kein Suchen nach Hassobjekten wie „Internet“ und „Ballerspiele“, „Flüchtlinge“ und „Nazis“, sondern eine nüchterne Bestandsaufnahme einer gesunden Kultur mit vorbildlichem Sozialstaat. Die hat aber nicht nur Fragen – die hat auch Antworten:
„Der Schlüssel zu seinen Taten ist Erniedrigung. Was auch immer er in seinem Leben versucht hat – er wurde zurückgewiesen, zurückgewiesen, zurückgewiesen. Überall. Und zu guter Letzt wurde er auch noch von den Rechtsextremen im Internet zurückgewiesen. Sie lasen nicht sein Manifest, sie beantworteten nicht seine E-Mails, sie fanden ihn langweilig. Als er diese Ablehnung erfuhr, begann er, Waffen zu kaufen.“
Damit es nicht zur Erniedrigung kommt, haben wir einen Artikel in unserem Grundgesetz – gleich den ersten: die Würde des Menschen ist unantastbar. Es sei denn, es müssen mal wieder größenwahnsinnige Banken mit Steuergeldern gerettet werden, um die Profite der riskanten Geschäfte zu schützen: dann ist die Würde des „kleinen Mannes“ der Allianz der „großen Statussymbolmänner“ egal, es gilt, die übergroße eigene Haut zu retten.
Schön zu sehen, dass es noch Länder gibt, die Weisheit dem Pauschalurteil vorziehen. Deutschland gehört leider nicht mehr dazu. Wir erklären solche Taten lieber nach Schema F anstatt nach den Ursachen zu fragen (siehe Spiegel):
„Ein sonderbarer Einzelgänger, psychisch auffällig, bestimmt von Wut und Hass – und von Rachegedanken. Und ohne brauchbare soziale Kontakte. „Diese Menschen steuern auf einen schwarzen Tunnel zu“, sagt Bannenberg.“
Dann noch „Ballerspiele“ und „Internet“ als Codeworte: der deutsche Wissenschaftler ist zufrieden – so zufrieden wir nach der Verurteilung kerngesunder Finanzfahnder. Dabei enthält der gleiche Artikel auch eine Antwort – die man jedoch nicht hören will:
„David besucht zunächst die Mittelschule in der Toni-Pfülf-Straße. Schon dort wird er gemobbt, heißt es. Er ist ein Einzelgänger, hat offenbar kaum Freunde. Laut Staatsanwalt kommt es 2012 zu einem Jugendverfahren, weil David auf dem Nachhauseweg von der Schule von drei Jugendlichen angegangen und gehänselt wird.“
Kein Wort über die verrohte Gesellschaft und ihre Opfer, dafür aber ein anklagendes Moment:
„David flüchtet sich mehr und mehr in die Welt der Computerspiele.“
„Zu diesem Zeitpunkt ist David längst in psychiatrischer Behandlung. Im Sommer 2015 verbringt er laut Staatsanwaltschaft zwei Monate in einer stationären Einrichtung. Auch danach wird er ambulant weiterbehandelt, bekommt Psychopharmaka verordnet. David leidet offenbar nicht nur unter Depressionen, sondern auch unter einer sozialen Phobie, Begegnungen mit Fremden versetzen ihn in Angstzustände.“
Man könnte auch formulieren: David reagiert ganz natürlich (und somit kerngesund) auf eine feindliche Umgebung (die wir – trotz Artensterben, Ausbeutung, asozialer Sozialpolitik und maximierter Umweltvernichtung „gut“ nennen), er entscheidet sich angesichts einer feindlichen Umwelt für Flucht … und dann für Angriff. Wir beschreiben das aber anders: David ist unwert, ist schwach – dass er erst Opfer war, bevor er Täter wurde, ist egal – wir haben in Deutschland ein ausgeprägtes Täterschutzprogramm laufen, während man die Fluchtwelten massiv angreift (heute: Internet und virtuelle Realitäten, früher: „eskapistische Literatur“).
Und „hart durchgreifen müssen“ ist das Credo der Mehrheit der Deutschen (jedenfalls der Mehrheit jener, die Möglichkeiten haben, sich mit Breitenwirkung artikulieren zu dürfen – weil sie eigene Zeitungen haben), Hartz IV ist das strategische Vorbild jedes Amokläufers … der in seinem eigenen Leben hart gegen „Parasiten und Schmarotzer vorgeht“ … also, was er dafür hält, ganz nach dem Motto: „gleiches Recht für alle“.
Wir sind jetzt nur bei David und München hängengeblieben, dabei gilt es noch andere Dimensionen zu berücksichtigen: sich der Wahrheit zu nähern, ist halt komplizierter als „Ballerspiele“, „Internet“ oder „Scheißausländer“ zu brüllen.
Es gibt nun ein Buch eines Philosophen, der schon angegriffen wird, weil er sich überhaupt mit dem Thema beschäftigt hat. Seine Schlussfolgerungen sind recht einfacht (siehe Süddeutsche):
„In unserer Welt regiert der Neo-Liberalismus, jeder steht mit jedem in Konkurrenz. Sie mit Ihren Kollegen, wir im Westen mit den Menschen im Osten. Dieser ständige Druck kann psychische Krankheiten auslösen. Man muss den Tätern kein Verständnis entgegenbringen, aber man muss einsehen: Das sind Monster, die wir mitgeschaffen haben.“
So weit reicht die Degeneration schon: die Täter zu verstehen wäre der erste Weg, zukünftige Anschläge zu verhindern – das ist der Sinn von „Verständnis“, doch selbst Philosophen, deren Kunst das Verstehen sein sollte, scheuen sich hier, sich zum „Verständnis“ zu bekennen. Wir müssten den Kurs einer zutiefst kranken Gesellschaft ändern, die beständig Monster gebiert (wie jene Aktienschummler, die sich superreich geschwindelt haben und als Krone der Menschheit gelten) – doch gerade an diesem kranken Kurs verdienen die Entscheidungsträger, die den Kurs ändern könnten. Und die gehen über Leichen, denn die Leichen sind seht nützlich, wie uns ein Psychologe erzählt (siehe Deutschlandradio):
„Denn durch Angst lässt das Denken sich fernsteuern. Angst beherrscht die Wahrnehmung und überlagert jede andere Emotion. Sie sucht sich Bestätigung und widersetzt sich besserem Wissen. Sie ignoriert Entwicklung und schleichende Prozesse, die zunehmende Neigung zur Gewalt, den Klimawandel und das Auseinanderbrechen der Gesellschaft. Dafür löst sie Panik aus, wo weitaus geringere Gefahr droht.“
Ja – unser Staatswesen löst sich gerade auf. Das merken wir alle. Staat wird Feind, wo er Diener sein sollte. Unsere Umwelt verabschiedet sich: man braucht keine Insektenentferungsmittel für Autoscheiben mehr, weil die Insekten fort sind – ihnen werden Blumen und Vögel folgen – und der Mensch, aber das interessiert nicht, weil wir wegen all dieser Gefahren ja SUV fahren und uns so für viel Geld die schäbige Illusion von Sicherheit kaufen – so wir wie auch die Illusion von „gut sein“ im Bioladen erwerben. Oder auf der Veganerparty.
Wer es übrigens merkt, sind die Entscheider. Sie denken weiter als man es dem Volk gestattet, sie predigen die Mär vom psychisch kranken Einzeltäter (der real nichts anderes macht als die kerngesunden angesehenen, wehrhaften Bundeswehrsoldaten, nur die Deutungsrahmen sind verschieden), ziehen aber selbst ganz andere Konsequenzen (siehe Zeit vom 9.7.2016):
„Ab sofort will die Bundeswehr für Einsätze in Deutschland üben. Soldaten müssten Polizisten im Falle von Terrorangriffen unterstützen können, betont die Koalition.“
Die Polizei hütet Recht und Ordnung im Inneren des Landes, die Armee schützt das Land vor seinen Feinden. Wird sie im Inneren des Landes eingesetzt, ist das eigene Volk zum Feind geworden. So einfach ist das. Das wird dann der größte Terrorakt und der nachhaltigste Amoklauf. Insofern ist es bezeichnend dass der oben genannte Philosoph trotz scheinbar kritischer Position genau diese Entwicklung stützt, in dem er – zu Recht, wie ich finde – Amoklauf und Terrorakt gleich setzt. „Religion“ kommt erst ganz ganz spät dazu, als Feigenblatt fürs eigene Gewissen.
Wir könnten dem nun eine menschliche, liebenswerte, glücksfördernde Gesellschaft entgegenhalten, in der es keine großen Verlierer mehr gibt und jeder einen Platz zum Leben hat, dass dies komplett kostenlos geschehen kann, ist lange bekannt. Das eine solche Gesellschaft schlecht auszubeuten ist und gar nicht in Kriege ziehen mag, auch.
Darum pflegen wir die Kultur der Angst, die uns unser Leben, unsere Demokratie, unser Glück, unsere Freiheit und unsere Würde raubt und uns auferlegt, dass alles auch noch als „gut“ zu empfinden, weil die Bundeskanzlerin es so angeordnet hat.
Und die Opfer dieser Kultur werden – weltweit – so reagieren wie die Regierungen des Westens: mit rücksichtsloser Härte gegen alles, was anders oder im Weg ist.
„Wie der Herr, so´s Gescherr“.
Für uns zivilisierte Westeuropäer ist die Schreckenstat von Norwegen nahezu unverständlich – jedenfalls vermute ich das, wenn ich die mediale Entsetztheit wahrnehme, die sich täglich weiter ausbreitet. Nicht, das Entsetztheit an und für sich etwas Schlechtes wäre … aber sie tritt halt in Deutschland und der westlichen Zivilisation nur in ganz bestimmten Momenten auf. Die Hungerkatastrophe in Afrika (eine von vielen) hat jetzt nicht dazu geführt, das wir in Schweigeminuten unsere Betroffenheit vorführen. Was ist mit den Irakern? Eine Million sind einem Angriffskrieg der USA und ihrer Verbündeten zum Opfer gefallen … wo sind die Kerzen, wo die Betroffenheit? Was ist mit Afghanistan? Da sterben noch jeden Tag Menschen – zum Teil auch durch unsere Soldaten? Gab es nach Kunduz Kerzen? Libyen – ein weiteres aktuelles Beispiel … Kerzen? Wo sind die Psychologen, die sich Gedanken über die Psyche der Killer machen … und über die Psyche der Entscheider?
„Menschen töten keine Menschen“ – erläutert mir heute ein Psychologe in der Welt. Es läge angeblich nicht in ihrer „Natur“.
Man wird mir nun entgegenhalten: „Moment, das eine ist ja eine Naturkatastrophe, das andere sind Kriege – das ist ja etwas ganz anderes.“
Ja, das erzählt man uns seit vielen Jahrhunderten, aber es gab mal eine Zeit, da durfte man offen aussprechen, was wahr ist: „Soldaten sind Mörder.“ Es liegt nämlich nicht in der Natur des Menschen, Menschen zu töten … und deshalb ändert die juristische Definition „Krieg“ nichts an der Tatsache, das es der menschlichen Natur widerspricht, so zu handeln. Wir hatten ja in Europa inzwischen auch eine lange Zeit des Friedens erlebt – ganz anders als in früheren Jahren. Was war der Unterschied zu früher? Wir haben gelernt, das „Frieden“ nicht vom Himmel fällt, das es Menschen gibt – ja, sogar ganze Parteien und gesellschaftliche Gruppen – die Krieg direkt anstreben.
Warum? Warum sollten Menschen, denen das Töten nicht im Blute liegt, so etwas anstreben?
Nun, zum einen gibt es eine Kaste, die nicht ausgestorben ist, aber die Kunst des Menschentötens über Jahrhunderte als Sport gepflegt hat: den Adel. Aus seinen Kreisen kommen die ersten, wenn „zu den Waffen gerufen wird“.
Dann gibt es jene, die durch Krieg gut verdienen: die Wirtschaft. Da gibt es einige interessante Positionen in den Versorgungsketten (je weiter hinten, umso spannender), die risikofreie Vermögen versprechen.
Und es gibt natürlich jene, die „unnormal“ sind, jene Minderheit, die gerne mal Menschenleben auslöscht. Aus ihnen kann man gute Soldaten machen – und hat man von ihnen zu wenig, so kann man es den anderen andressieren.
Weil wir das wissen und aus der Zeit von 1933 – 1945 viel gelernt haben (wenigstens dazu war sie gut), haben wir darauf geachtet, das die Rahmenbedingungen in Europa – das „Klima“ sozusagen – das Heranwachsen von Mördern nicht fördert. Wir nannten das „soziale Marktwirtschaft“. Seitdem wir anfangen, darauf zu verzichten, bekommen wir ein Problem mit Amokläufern.
Kommen wir nun nach Norwegen, zu jenem Attentat, das uns so sehr entsetzt, weil ein Einzeltäter fast die Regierung eleminiert und ein Jugendcamp ausgelöscht hat.
Tun wir mal so, als wäre es ein Einzeltäter – eine Sicht, die mir überhaupt nicht behagt, weil … der Mensch, der nicht dazu neigt, Menschen zu töten, ein gewisses Klima braucht, in dem seine Mordneigungen wachsen können. Dieses Klima wird aber seit einigen Jahren bewußt und gezielt gezüchtet – auch in Deutschland. Seitdem haben wir auch ein Problem mit Amokläufen … aber das verdrängen wir gern.
Wer das Klima sät?
Nun – in Deutschland all jene, die die Werte der alten Bundesrepublik nicht in sich tragen. Man kann sie leicht erkennen – meist sind es Juristen, die erstmal prüfen lassen, ob man nicht irgendwie durch raffinierte Tricks um diese Werte herumkommen kann – geht es nicht, wird das Grundgesetz gerne auch mal umgeschrieben. Es sind aber auch jene, die einfach mal so Bomben auf Serbien werfen, Arbeitslose verhungern lassen (natürlich nur, wenn die nicht gehorchen!), in Afghanistan einmarschieren oder jedwede andere Form von Ungerechtigkeit betreiben und so dem Volk vorleben: „Ungerecht sein ist ok, solange nur genug Gewinn übrig bleibt!“. Da pflegt man Freundschaften zu Vermögensabschneidern, nimmt Jobs von Konzernen an oder verpflichtet sich ihnen gegenüber durch „Ehrenwort“ zum Stillschweigen, macht ein bischen Stimmung gegen Ausländer
Wenn dies vorgelebt wird … so darf man sich über die Folgen nicht wundern. Man kann nicht einen Sarrazin zu jeder Talkshow einladen und medial auch sonst künstlich aufblasen, den Hass auf den bösen Türken an jeder Straßenecke fördern, gleichzeitig aber groß über „zu wenig Einwanderung“ klagen und dann glauben, das das gut geht. Dort, wo von oben Hass gepredigt und von Massenmedien in breiter Front vorgetragen wird, wird es irgendwann eine Entladung der Ängste geben – auch in Form von Gewalt.
Ist er ein Einzeltäter?
Nein. Einmal abgesehen von den Zeugenberichten … hat er zuvor für seine Gesinnung eine breite Unterstützung in den Medien gefunden: die gesamte Islamhasserei ist mit Schuld an solchen Taten, ebenso jene, die die Ausübung tödlicher Gewalt gegen Menschen verniedlichen, jene, die Kriege für ein normales politisches Instrument halten und das in der Öffentlichkeit so verkaufen und jene, die menschliches Leben als … unterschiedlich wertvoll darstellen.
Dort, wo der Arbeitslose, der Kranke, der Behinderte, der Alte, der Arme, der Ausländer oder der Dumme als weniger Wert betrachtet wird als der heilige Leistungsträger, muss man sich nicht wundern, wenn Obdachlose im Park mal mit Benzin überschüttet und verbrannt werden: es gibt da einen direkten Zusammenhang zwischen menschlicher Bestialität und der Förderung von Werten in der Kultur, in der sie leben.
Was unterscheidet seinen persönlichen „Krieg“ eigentlich von einem „richtigen Krieg“ … unseren „richtigen“ Kriegen, die wir immer häufiger zu führen pflegen?
Im richtigen Krieg tötet man geplant und überlegt.
Das hat er getan.
Im richtigen Krieg bereitet man sich gründlich vor.
Das hat er getan.
Im richtigen Krieg tötet man keine Unschuldigen.
Das hat er auch nicht getan … in seinem Weltbild waren die alle schuldig.
Im richtigen Krieg trägt man eine Uniform
Das hat er getan.
Im richtigen Krieg schickt man vorher eine Kriegserklärung.
Das hat er getan.
Im richtigen Krieg gehen die Befehlshaber kein persönliches Risiko ein.
Das allerdings … ging er ein. Warum die Polizei ihn nicht erschossen hat, ist mir jetzt noch ein Rätsel. Warum sein „Manifest“ eine solche Verbreitung findet, ebenfalls. Es war doch sein Wunsch, das seine Form von „Mein Kampf“ durch seine Tat Beachtung findet … und wessen Wunsch war es, den Täter und Polizistenmörder lebend zu fassen? War da vielleicht … der Wunsch eines Förderers im Spiel? Möchte man nicht die Option auf einen zukünftigen Helden verspielen?
Auf keinen Fall war Anders B. Breivik ein Einzeltäter. Er war ausführendes Organ der Stammtischprediger, Hassblogger und Leitartikelschreiber, deren beständiges Predigen gegen Arbeitslose, Zigeuner, Juden, Türken und Moslems ja nur ein Ziel hat: das es denen „mal jemand richtig zeigt!“
Das hat er dann einfach mal getan … und sich auch ganz bewusst als ein solches ausführendes Organ verstanden.
Die Frage ist, ob gewissen Paralellen in Worten und Phantasiebildern den Verdacht erhärten können, das hier ein Wahnsinniger gezielt instrumentalisiert worden ist … und wozu eine solche Tat denn überhaupt dienlich sein sollte.
Nun, die Frage nach „cui bono“ – wem würde es nützen – kann man nicht stellen, wenn man es mit wahnhaften Menschen zu tun hat, die Erlöser züchten wollen. Darum weise ich immer gerne mal darauf hin, das das Denken dieser Menschen nicht immer den Vorstellungen der Aufklärung folgt (und in Wirtschaft und Naturwissenschaft direkt in einer erzkatholische Götzenanbeterei samt Priesterschaft mündete) und sich auch nicht immer mit westlichen Wertvorstellungen deckt.
Manche wollen einfach nur Opfer bringen, weil ihr religiöses System das so verlangt.
Andere finden es cool, wenn sie jemanden dazu motivieren können, dafür zu sorgen, das einfach mal so ein paar dreckige Linke und Nigger ins Gras beißen.
Wieder andere finden es ziemlich geil, Napalm auf Kinder zu werfen … oder Luftminen zu erfinden, die nach Kinderspielzeug aussehen.
Ich bin mir sicher, das es schon jetzt Stammtische gibt, die den norwegischen Massenmörder feiern. Insgeheim, verstohlen, verborgen … aber voller Zufriedenheit, weil „der“ es „denen“ mal „richtig gezeigt hat“ – so wie ein Hitler es „denen“ „auch mal richtig gezeigt hat“.
Das ist krank, wahnhaft, verrückt … aber dadurch nicht irreal und es gibt konkrete Kreise, die das auch fördern – in unterschiedlichem Ausmass, manche nur mit Geld, manche nur mit Worten, andere … mit mehr. Wir verdrängen das gerne, wie wir auch die Tatsache der eigenen Sterblichkeit verdrängen – wohl der Hauptgrund dafür, das der erschossene Europäer im Nachbarland für soviel mehr Entsetzen sorgt als der erschossene Afghane. Es erinnert uns daran, das auch wir sterben werden – und das uns dieses Attentat in unserem Verdrängen stört, macht uns noch wütender.
Wir verdrängen die beständig fortschreitende Verrohung unserer Kultur.
Wir verdrängen den beständigen Verfall westlicher Werte.
Wir verdrängen die Folgen des gezielten Schaffens neuer „Untermenschen“.
Und jetzt hat jemand dafür gesorgt, das wir im Gesicht des Attentäters … eigentlich unser eigenes Gesicht erkennen. Fein rasiert, gut angezogen, höflich und nett … kaufen wir doch auch jeden Mist, an dem Kinderblut klebt – wenn nur der Preis stimmt, oder?
Nein, Anders B. Breivik ist kein Einzeltäter. Er ist das voraussagbare Ergebnis einer degnerierenden Kultur.
Und es soll mir keiner klar machen, das damit nicht zu rechnen gewesen wäre. Die Tagesschau zumindest hätte es wissen können:
Wie andere rechtspopulistische Parteien im Norden hetzen auch die Protagonisten der norwegischen Fortschrittspartei gegen die traditionell liberalen Gesellschaften Skandinaviens, sehen sich in einer Art „Endkampf“ um den vermeintlichen Untergang der abendländischen Kultur. Wer mit solchen Parolen antritt, schafft ein politisches Klima, das im Extremfall auch Menschen wie den mutmaßlichen Attentäter zu ihren Taten antreiben kann.
Sag ich doch. Und im Extremfall kann man auch nach einzelnen wahnhaften Individuen Ausschau halten, die bereit zur Tat sind … und nur noch einen kleinen Schubs brauchen. Man hält doch nicht umsonst umfangreich Ausschau nach „High Potentials“.
Hat bei Hitler doch auch geklappt.
Und ebenso wie damals … haben heute alle von allem nichts gewusst – mal abgesehen von der Tagesschau.