Warum lese ich eigentlich noch Nachrichten? Ich kann mir die Frage im ersten Moment beantworten: weil ich nicht unvorbereitet in die Zukunft marschieren möchte. Ich bin da ziemlich deutsch, was heißt: das spontane Hineinleben in den Alltag, das die Konsumindustrie so gerne als Verhaltensstandard eines gelungenen Lebens propagiert, will mir nicht so recht schmecken. Ich liebe es, frei und selbstbestimmt über mein Leben entscheiden zu können und wenn meine Mitmenschen meinen: wir machen wieder DRITTES REICH in DEUTSCHLAND dann hätte ich gerne die Möglichkeit, das Land frühzeitig zu verlassen. So was will organisiert sein. Das Gleiche gilt für Kriege. Wenn hier wieder alle Lust auf Krieg mit Russland bekommen, möchte ich gerne eine – wenn auch minimale – Chance haben, dem zu entgehen. Um solche Gefahren abschätzen zu können und nicht im kindlichen Glauben verharren zu müssen („ich glaube nicht an den Krieg, ich glaube an den Aufschwung“), beobachte ich die Nachrichtenwelt um mich herum – und erschrecke mich.
Zum Beispiel bei diesen Nachrichten über den erneuten Tod von Osama bin Laden. Der ist ja jetzt schon wieder erschossen worden. Letztens starb er noch durch Bomben oder Nierenversagen, jetzt soll er aber endgültig erledigt worden sein – weil er Widerstand gegen seine Verhaftung geleistet hat.
Heute heißt es: er war unbewaffnet.
Wahrscheinlich hat er versucht zu beißen.
Voller Stolz auf die Errungenschaften der Technik wird berichtet, wie Obama beim Tod von Osama quasi live dabei war. Trotzdem sind die Nachrichten über dieses Ereignis … widersprüchlich. Man darf sie nicht ernst nehmen. Entweder lebt man in Vertrauen auf die menschenfreundlichen Absichten von Politik und Wirtschaft einfach konsequent in den Tag hinein, oder aber … man ist gezwungen, sich seine eigenen Gedanken zu machen – zum Beispiel über diese Schlagzeile im Stern:
Tötung von Briten durch Polizei bei G-20-Protest rechtswidrig
Im ersten Moment fragt man sich: wäre das Töten von Portugiesen und Spaniern rechtmässig? Zumindest das Töten von Muslimen scheint ja gerade schon völlig korrekt zu sein – siehe Libyen, Afghanistan, Irak, Pakistan, Jemen und wo sonst noch alles Drohnen mit Raketen morden.
Der Fall wird aber noch spannender:
Eine Jury urteilte am Dienstag, dass der Polizist „übermäßige und unangemessene“ Gewalt anwandte, als er den Zeitungsverkäufer mit einem Schlagstock schlug und zu Boden warf. Der 47-Jährige Ian Tomlinson, der versucht hatte, durch die Reihen von tausenden Demonstranten zu kommen, starb wenige Minuten später.
Das wird immer schlimmer, oder? Da erschlägt ein Polizist einen Bürger … und man muss erst noch untersuchen, ob das in Ordnung war oder nicht. Den Rest muss man sich denken. Wäre es in Ordnung gewesen, wenn man einen Demonstranten erschlagen hätte, der vielleicht sogar Grieche gewesen wäre?
Mit der Frage bleibt man allein – und das beunruhigt, denn die Proteste gegen den G-20 Gipfel berühren das soziale Herz des Landes – es geht ja nicht mehr und nicht weniger um die Frage, wieviel Volk sich die außer Rand und Band geratene Wirtschaft noch leisten möchte. Es geht um die Frage des Bestandes unserer demokratischen Grundordnung, die sich nicht nur in der Frage erschöpft, wer jetzt wen straflos umbringen darf. Es geht um die Art und Weise, wie Regierung und Volk miteinander umgehen … hier und im Ausland. Im Ausland töten wir immer hemmungsloser … und im Inland wird es auch täglich enger, wenn der Regelsatz gestrichen wird.
Töten ist geil, könnte man sagen.
Diese Entwicklung kommt nicht zufällig, auch wenn uns das die Menschen verkaufen wollen, die auch gerne möchten, das wir einfach so in den Tag hineinleben wie Italiener, Portugiesen oder Griechen. Gut – die haben auch wärmer als wir, die müssen nicht schauen, wie sie über den Winter kommen. Wir schon. Deshalb sind wir Deutschen anders drauf als die, planen wir vorausschauend und sollten auch eigentlich keine zwei Billionen Euro Staatsschulden haben. Haben wir aber, weil … Politik zunehmend über Hinterzimmer läuft, siehe European Circle:
Die Regierung Merkel hat in jüngster Zeit immer häufiger Entscheidungen in Hinterzimmern unter Hinzunahme von Wirtschaftsvertretern getroffen und eine offene Diskussion im Parlament zunächst vermieden. So kam auch der Atomdeal zustande, der die Grundlage für die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke bildet.
Der „Atomdeal“ brachte für viele Menschen viel Geld, für andere Menschen vielleicht den Tod. Letzteres werden wir nie erfahren, aber über den Gewinn des Atomdeals informiert uns Greenpeace:
Im Falle eines vorzeitigen Atomausstieges würden den EnergiekonzernenRWE, Eon, EnBW und Vattenfall enorme Gewinne verloren gehen. Dies zeigen Berechnungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Bei dem von Greenpeace geforderten Ausstieg aus der Atomkraft bis 2015 würden die Konzerne rund 75 Milliarden Euro gegenüber der beschlossenen Laufzeitverlängerung verlieren.
75 Milliarden Euro … da geht es jetzt sicher gerade richtig rund in den Hinterzimmern der großen Medien, den Rotarier- und Lionsclubs, den Golfclubs und Elitewandervereinen sowie auf diversen Opern- und Pressebällen. Dort fummeln Lobbyisten an jenen herum, die an den Hebeln der Macht sitzen. Das Atomkraft Menschenleben kosten kann, interessiert jene nicht, die auf Barbados wohnen. Die anderen rennen wie verrückt, um auch noch rechtzeitig dorthin zu kommen.
Natürlich könnte das Volk aufmucken. Immerhin – bei der Aufführung von „Töten ist geil“ sterben in der Regel unschuldige Menschen. Damit das Volk in Ruhe die Veränderung der Grundkonstanten des menschlichen Zusammenlebens hinnimmt, wurde ihm erstmal die wirtschaftliche Basis entzogen – ganz absichtlich und bewusst, siehe Nachdenkseiten:
Die von den Monetaristen geprägte Geld- und Zinspolitik war begleitet von einer massiven Agitation gegen Konjunkturprogramme und aktive Beschäftigungspolitik. Diese Agitation begann schon zu Zeiten der Regierung Schmidt gegen Ende der siebziger Jahre. Sie war massiv, und ihre Massivität ist nicht verständlich, wenn man das Motiv, die Erzeugung einer Reservearmee von Arbeitslosen, nicht beachtet.
Die bewusste Erzeugung von Arbeitslosenheeren (die man im Anschluss daran in Deutschland durch Hartz IV noch für ihre Arbeitslosigkeit bestrafte und zusätzlich mit dem Tode bedrohte, sollten sie ihren Zustand nicht aus eigener Kraft beenden können) ist vergleichbar mit der Vergiftung des Dorfbrunnens oder dem Verbrennen der Ente vor Wintereinbruch.
Man kann sich denken, wie man früher mit solchen Tätern umgegangen ist. Verbrennen bei lebendigem Leib, Rädern, Pfählen, Häuten … die waren da sehr erfinderisch. Die kannten auch noch die Folgen, die solche Taten nach sich zogen. Die fanden Töten gar nicht geil, und Arme, Kranke, Behinderte, Kinder und den ganzen Rest des Dorfes einem qualvollen Hungertod auszuliefern, war kein Kavaliersdelikt.
Heute schon.
Heute ist Töten geil wie Geiz.
Darum machen wir uns auch keine Gedanken mehr über Nachrichten wie diese in der FAZ:
Die kriegen das Geld auch, da bin ich ganz sicher – und nicht aus den gigantischen Gewinnen der Energiewirtschaft. Wozu gibt es immerhin die gute deutsche Hinterzimmerpolitik. 3000 Millionen Euro für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Da muss an anderer Stelle viel gespart werden – zum Beispiel bei den Arbeitslosen. Man nimmt ja gerne von den Schwächsten nach dem Motto: „Töten ist geil„.
Die Forderung nach Verschonung von Witwen und Waisen ist uns sehr fremd geworden. Wir schalten das System einfach mal von heute auf morgen um, beschlagnahmen die Versicherungsgelder und verkünden, das von heute an jeder selbst für sich verantwortlich ist. Das ist in etwas so, als wenn das Dorf einen Brunnen gebaut hat, in den dann irgendein Idiot aus purer Lust zur Zerstörung eine tote Kuh hineinwirft. Gut, wir kuppeln noch die Gewinnabschöpfung durch den Verkauf des zuvor abgeschöpften Brunnenwassers hinzu – aber im Prinzip ist es das Gleiche: wir vernichten die Lebensgrundlage der Menschen zum Zwecke der persönlichen Bereicherung – oder einfach nur, weil wir es können.
Darum ist die Agenda 2010 mit Hartz 1-4 auch keine Kleinigkeit. Es ist ein tödlicher Angriff auf den Souverän des Landes: den Bürger. Wenn der nicht pariert, wird ihm die Versorgung mit Nahrung, Heizung und Wasser gestrichen – und keiner macht sich Gedanken, welches abartige, degenerierte Prinzip hinter den schönen Worten „fördern und fordern“ verborgen ist.
„Töten ist geil“ … ansonsten würde die Motivation nicht funktionieren. Der Delinquent muss schon glauben, das sein Sachbearbeiter es ernst meint.
Darum ist es auch wichtig, regelmässig mal einen Bin Laden oder einen Demonstranten zu töten.
„Die da draussen“ müssen kapieren, das man es jetzt ernst meint.
Manche töten gerne direkt mit Knüppeln und Pistolen, andere weiden sich lieber an der Qual von Menschen, die mitten im Überfluss an Hunger, Durst oder Obdachlosigkeit und Kälte leiden.
Das Prinzip jedoch … ist dasselbe.
Warum lese ich darüber eigentlich nichts mehr in den Nachrichten? Wäre doch ein Riesenthema …
Osama bin Laden ist tot. Schon wieder. Der Topterrorist der USA, der jahrelang für das CIA gegen die Russen gekämpft hat, ist endlich mal wieder erlegt. Solche Meldungen braucht das Land hin und wieder. Darum bringt man sie ja auch in schöner Regelmäßigkeit. Momentan passt das auch ganz gut, man hat in Lybien eine Kinder ermordet, das mag man international ja eigentlich gar nicht. Die Welt berichtet heute davon:
Dabei handelt es sich um die zweijährige Carthage, die Tochter von Gaddafis Sohn Hannibal; die sechs Monate alte Mastura, Tochter von Gaddafis Tochter Aisha; sowie den 15 Monate alten Saif Mohammed, Sohn von Gaddafis Sohn Mohammed.
Zwei Jahre alt, fünfzehn und sechs Monate. Ermordet von sogenannten Demokratien. Wir machen so etwas eigentlich nicht, wir Demokratien. Wir sind da anders als andere Idioten. Wir achten die Menschenrechte. Bei uns bekommt jeder Verbrecher einen ordentlichen Prozess. So etwas macht Demokratien aus, das müssen die mitmachen und durchleben, dadurch unterscheiden die sich weltweit von allen despotischen Regierungsformen.
Wir machen das jetzt wieder. Das heißt natürlich auch, das das gesellschaftliche System in dem wir leben wahrscheinlich schon längst keine Demokratie mehr ist. In Demokratien macht man so etwas nicht. Jeder Mensch hat bei uns das Recht auf einen fairen Prozess.
Oder aber wir bringen ihn einfach mal so um.
Wie Osama bin Laden.
Dabei wäre es doch sehr spannend gewesen, diesen Mann gefangen zu nehmen. Was hätte der alles erzählen können! Vor allem über die Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst. Oder über die zum US-Geheimdienst. Oder über seine Funktion bei „Quaida“. Wie er ohne ortbare Telefone von einer Höhle in Afghanistan aus die Anschläge geplant hat – oder wie er als Dialysepatient überhaupt so lange unentdeckt durch die Welt eilen konnte.
Mich hätte das schon interessiert.
Euch nicht?
Es war ja auch ein klar erkennbares Ziel, was man dort im Visier hatte, siehe Spiegel:
Der Terrorchef hatte sich nach US-Angaben auf einem abgeschirmten Anwesen in Abbottabad verschanzt, rund 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt Islamabad. Lange Zeit war vermutet worden, Bin Laden verstecke sich in einer Höhle irgendwo im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet – aber ungemütlich hatte der Terrorchef es zuletzt nicht: Er lebte hinter meterhohen Mauern und Stacheldraht in einer großen Residenz in Abbottabad. Das große Gelände und das Haus sollen rund eine Million Dollar wert sein, sagte ein US-Regierungsvertreter.
Warum sollte er auch woanders wohnen? Pakistan hat dem Attentäter vom 11.9.2001 doch 100000 Dollar spendiert, klar das der Kopf der Truppe der nicht am Hungertuch nagen muss. Der man, der das Geld überwiesen hat, hatte auch den amerikanischen Journalisten Daniel Pearl geköpft, siehe Wikipedia:
Nach Angaben der Times of India hat Omar Said Sheikh außerdem im Auftrag des pakistanischen ISI-Chefs General Mahmoud Ahmad in den Wochen vor dem 11. September 2001 100.000 Dollar an den Attentäter Mohammed Atta der Terroranschläge am 11. September 2001 überwiesen.
Faszinierende Zusammenhänge, oder? Die werden jetzt nicht mehr so gut geklärt werden können. Dabei hätte man Bin Laden auch mitnehmen können, denke ich. Wenn ich mir so anhöre, was der Big Boss über seine Killer im Spiegel erzählt:
Heute, auf meine Anweisung, starteten die USA eine gezielte Operation gegen das Anwesen in Abbottabad, Pakistan. Ein kleines Team von Amerikanern führte die Operation mit außergewöhnlichem Mut und außergewöhnlicher Fähigkeit aus. Kein Amerikaner kam zu Schaden. Sie achteten darauf, zivile Opfer zu vermeiden. Nach einem Feuergefecht töteten sie Osama Bin Laden und nahmen seine Leiche in Gewahrsam.
In einem anderen Artikel gab es dann schon Opfer, jedenfalls berichtet Yahoo davon:
Das US-Team habe darauf geachtet, dass keine Unschuldigen getötet würden. Dem Vernehmen nach starben aber drei Männer, darunter ein Sohn des Terrorchefs, sowie eine Frau, die von einem Terroristen als „menschliches Schutzschild“ benutzt worden sein soll.
Diese menschlichen Schutzschilder sind aber auch zu dämlich. Ob Bin Laden auch eins war? Nein, den hat man mit einem Kopfschuss eleminiert. NACH dem Feuergefecht. Also war es eine Hinrichtung. Andere hat man – nach Tagesschau – gefangen genommen, Bin Laden nicht.
Die drei Ehefrauen des Top-Terroristen, sechs weitere Bin-Laden-Söhne sowie vier enge Mitstreiter wurden den Angaben zufolge festgenommen.
Bin Laden wurde anders entsorgt.
Nach einem Bericht des Senders CNN unter Berufung auf US-Regierungskreise wurde Bin Laden bereits im Meer bestattet. Ein amerikanischer Beamter hatte vor Journalisten erklärt, es werde sichergestellt, dass der Umgang mit der Leiche „im Einklang mit islamischen Praktiken und islamischer Tradition“ stehe.
Hört sich so an, als hätte man ihn einfach auf dem Rückflug ins Meer geschmissen. Der Rotarier und Busenfreund der US-Regierung General Augusto Pinochet hat das immer gerne mit seinen politischen Gegnern in Chile gemacht. Sollen auch amerikanische Bürgerrechtler drunter gewesen sein. Erst umbringen, dann ins Meer – ist eine gute alte Tradition. Da bleibt von der Leiche nichts übrig.
Warum hat man denn dann nicht einfach normale Raketen genommen hat, um Bin Laden zu töten? Die „menschlichen Schutzschilde“ (ein moderner Begriff, der langsam die älteren Begriffe „Zivilisten“ oder „Bürger“ ersetzt) haben doch – trotz ihrer Jugend – bei der Jagd auf Gaddafi auch nicht gestört, oder?
Warum macht man sich eigentlich die Mühe, den Mann persönlich aufzusuchen und seine Leiche „in Gewahrsam“ zu nehmen, wenn man ihn danach nicht sicherheitshalber nochmal der Presse präsentieren kann? Damit man auch Zeugen hat, die nicht auf der eigenen Lohnliste stehen.
Welcher Begriff den inzwischen ebenfalls etwas altbackenen Begriff „Demokratie“ ersetzen wird, weiß ich momentan noch nicht. „Plutokratie“ ist im Angebot, hat sich aber noch nicht durchgesetzt. Bis dahin erlauben wir uns noch, die alten Bürgerrechtsfassaden aufrecht zu erhalten – jedenfalls im Inland.
Im Ausland morden die Leuchtfeuer der Demokratie jetzt schon mal ganz offen und ganz hemmungslos herum, so als würden Menschenrechte international keinerlei Gültigkeit mehr haben. Da werden die Regelsätze gleich zusammen mit Atmung und Herzschlag gestrichen.
Ob das so richtig ist?
Ich glaube nicht.
Darum heute meine Eilmeldung: Osama bin Laden lebt – jedenfalls solange, bis man seine Leiche präsentieren kann. Nach dem, wie sich die Nato und die USA im arabischen Raum benehmen, ist es sowieso egal, ob die Meldung diesmal echt war oder ob man wieder nur irgendjemand anders ermordet hat. Nach der Ermordung von drei menschlichen Kleinkinderschutzschildern, unter denen sich der Sohn Gaddafis vor der einstürzende Zimmerdecke in Sicherheit bringen wollte, dürften tausend neue Osamas sich für den Einsatz bereit machen – jetzt in diesem Moment.
Da kommt es auf einen mehr oder weniger auch nicht an. Ausserdem braucht die US-Aussenpolitik ihre Bin Ladens. Die werden sich ganz schnell einen neuen einfallen lassen.