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Journalistischer Mindestabstand | Von Marcus Klöckner | KenFM.de
In Deutschland herrscht eine klebrige Nähe zwischen Medien und Politik, die unabhängige Berichterstattung unmöglicht macht.
Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!
Ein Standpunkt von Marcus Klöckner.
Die erste Macht im Lande sollte durch die vierte kontrolliert werden. Jedenfalls ist das in einem demokratisch verfassten Staat ursprünglich so vorgesehen. Doch anstatt ihre Wächterfunktion wahrzunehmen, macht sich die Presse mit denen gemein, vor denen eigentlich gewarnt werden müsste. Die Medien gehen auf Kuschelkurs und degradieren sich selbst eher zu Herolden obrigkeitlicher Verlautbarungen. Exklusive, diskrete Gespräche finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Chefredakteure und Büroleiter von Sendeanstalten werden auf einen bestimmten Kurs eingeschworen. All das ist in der Presselandschaft Deutschlands normal. Für die Machtkontrolle erweist es sich jedoch als fatal. Ein Kommentar von Marcus Klöckner, Autor des Buches „Zombie-Journalismus: Was kommt nach dem Tod der Meinungsfreiheit?“, dem sechsten Teil der Corona-Aufklärungsoffensive des Rubikon-Verlages, das am 24. August erscheint.
„Am Tag vor wichtigen Bund-Länder-Corona-Schalten wurde wiederholt einer zusammengerufenen Journalistengruppe die Sichtweise des Kanzleramts, dass strenge Lockdown-Maßnahmen nötig sind, so eindringlich dargestellt, dass es zum Gipfeltag in Zeitungen und Onlineportalen stand. Und Druck auf die Länder aufbaute.“
John Magufuli, promovierter Chemiker und Präsident Tansanias, war weltberümt geworden, als er Proben von einer Ziege, einem Schaf, einer Papaya und von Getriebeöl mit Daten tansanischer Menschen versah, die Teststäbchen in ein PCR Testlabor einschickte und von dort die Rückmeldung „Corona positiv“ bekam. Magufuli, ein charismatischer Politiker mit dem Spitznamen „Der Traktor“, dem die Einigung Afrikas zugetraut wurde, weigerte sich, die weltweiten Coronamaßnahmen mitzumachen und verzichtete auf Lockdowns in seinem Land. Er wurde daraufhin in vielen Medien westlicher Industriestaaten, auch von den selbsternannten Faktencheckern von ZDF und Correctiv, als unglaubwürdig dargestellt. Der promovierte Chemiker Magufuli mutierte in den Nachrichten zum Corona „Wegbeter“ und „Kräutertrunk“-Verabreicher, es sei sogar unklar, ob bei der Papaya-Affäre überhaupt Tests durchgeführt worden seien. Allerdings: Die COVID-19 Infiziertenrate in Tansania war und ist sehr gering, mit Stichtag 21. März werden auf dem Dashboard der Johns Hopkins Universität 509 Fälle aus Tansania gemeldet. Und der „Kräutertrunk“ wird mittlerweile an einem Max Planck Institut mit erstaunlichen Ergebnissen auf seine Wirksamkeit gegen SARS-COV-2 untersucht, auch die WHO will ihn jetzt wissenschaftlich evaluieren.
In diesem Interview, dass Dirk Pohlmann mit Ralph T. Niemeyer führt, der Magufuli als Öko Unternehmer im Oktober 2020 persönlich traf und das Land aus eigener Anschauung gut kennt, berichtet Niemeyer, dass der Präsident ihm im Gespräch gesagt habe, dass die globalen Pharma-Multis ihn wegen seiner Politik mit allen Mitteln „loswerden“ wollten. Politisch war das schwer möglich, Magufuli hatte gerade die Wiederwahl 2020 mit 85% der Stimmen gewonnen, nach seiner ersten Wahl 2015 zum Präsidenten, die er mit 58% gewann.
Magufuli hatte viele politische Gegner, die es mit der Wahrheit nicht genau nehmen. Die BBC und die Tagesschau verbreiteten nach Magufulis Tod die nur gerüchteweise umlaufende, aber schadenfrohe Fake-Nachricht, der Corona-Leugner Magufuli sei an Covid-19 verstorben. Tatsächlich lautet die bestätigte Todesursache auf eine chronische Herzerkrankung.
Die Berichterstattung zu Magufulis Tod ist in den afrikanischen Medien betont vorsichtig, weil der Fall politisch explosiv ist.
Wie Niemeyer berichtet, der Magufuli mit Hugo Chavez vergleicht, wird dessen Tod aber auf den Straßen in Tansania und Kenia anders besprochen als in den Medien und in afrikanischen Regierungskreisen. Bedeutende afrikanische Politiker, die keine Ambitionen auf eine Karriere mehr haben, zweifeln an der offiziellen Version eines Herztodes. Dirk Pohlmann lässt Ralph T. Niemeyer den Fall und seine Interessenlagen aus verschiedenen Blickwinkeln gründlich erörtern.
Die Spiegel-Demontage
Das aluhütige Murmeltier grüßt eigentlich schon seit unserer Gründung vor 6 Jahren täglich: RT will die deutsche Demokratie destabilisieren. Diesmal wartet der Spiegel mit einer jüngsten Denunziation auf. Das Magazin will an RT-Interna herangekommen sein. Diese sollen belegen, wie der Kreml RT quasi per Joystick steuert. Eins vorneweg: vom Kreml und externer Steuerung steht nichts drin.
Spiegel-Blamage | Denunzianten-Verband e.V. | Finanzblockade gegen RT
Was dem republikanischen Senator McCarthy einst die Kommunisten waren, das ist seinen Erben der Spuk einer russischen Desinformationskampagne. So vermutet der Spiegel in einer „Enthüllung“ über RT DE eine Steuerung durch den Kreml, der Sprecher eines Journalisten-Verbandes droht RT-Bewerbern mit einem Berufsverbot und die Commerzbank kündigt dem Sender die Konten.
ARD-aktuell überplätschert die US-Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof und die gewollte Erosion des Völkerrechts
Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
O wie wohl tönt dieser Merkel-Satz:
„Deutschlands wirtschaftliches und politisches Gewicht verpflichtet uns, … Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht zu verteidigen.“ (1)
Er könnte glatt den Aufmacher einer 20-Uhr-Tagesschau abgeben. Bei der Verteidigung des Völkerrechts tun sich allerdings weder die Merkel-Regierung noch die ARD-aktuell-Redaktion hervor. Im Gegenteil: Als Anfang September US-Präsident Trump führende Angehörige des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag mit Sanktionen überzog und Außenminister Pompeo das fundamentale Institut des internationalen Rechtssystems gar als „durch und durch kaputte und korrupte Organisation“ anrotzte (2), fühlte sich die Kanzlerin nicht zum Widerspruch aufgefordert. Und ARD-aktuell fragte auch nicht bei ihr nach.
Fatou Bensouda, Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, und Phaskiso Mochochoko, Abteilungsleiter für Justizbeziehungen und Zusammenarbeit des Gerichts, wurden mit Einreisesperren in die USA belegt. Ihr Eigentum, soweit die USA darauf Zugriff haben, wurde eingefroren. Pompeo erweiterte den Übergriff um die Drohung, wer den beiden Sanktionierten helfe, werde ebenfalls bestraft.
Seit Jahren versuchen die US-Regierungen, mit Einschüchterung und groben Pöbeleien zu verhindern, dass der Internationale Strafgerichtshof gegen US-Soldaten und CIA-Agenten sowie deren Auftraggeber ermittelt, die schwerer Kriegsverbrechen in Afghanistan verdächtig sind. Der IStGH antwortete sehr entschieden auf Washingtons Anspruch, US-amerikanische Staatsbürger stünden über dem Völkerrecht:
„Diese Zwangshandlungen, die sich gegen eine internationale Rechtsinstitution und ihre Beamten richten, sind beispiellos und stellen ernsthafte Angriffe gegen den Gerichtshof, das System der internationalen Strafgerichtsbarkeit nach dem Römischen Statut und die Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen dar.“ (3)
Klare Kante. Da konnte auch Bundesaußenminister Heiko Maas das Wässerle nicht mehr halten. Er musste sich als Völkerrechtswahrer in Szene setzen:
„Die Verhängung von Sanktionen gegen zwei hochrangige Mitarbeiter des IStGH … durch die Vereinigten Staaten … können wir nicht akzeptieren. … Auch aus unserer eigenen Geschichte wissen wir, dass es einer starken und unabhängigen internationalen Organisation zur gerichtlichen Aufarbeitung schwerer internationaler Verbrechen bedarf. Wir … halten es für einen ernsten Fehler, dass die USA sich zu diesem weiteren Schritt entschlossen haben. Wir … appellieren an die Vereinigten Staaten, die Maßnahmen zurückzunehmen.“ (4)
Das war´s denn aber auch schon aus Berlin. Dass dem US-Präsidenten ein so glattgebügeltes deutsches Presse-Statement am Arsch vorbeigeht, gesteht sich der Politclown Heiko Maas wohl nicht mal selber ein. Den US-Botschafter einzubestellen, ihn gründlich abzubürsten und mit einer gepfefferten Protestnote unterm Arm nach Washington zu schicken wagte er nicht. Derart mannhafte Aktionen nimmt sich der peinlich unfähige Wichtigtuer an der Spitze der deutschen Diplomatie nur gegenüber Russlands Botschafter und aus weit schlechteren Gründen heraus – des ungeachtet, dass die Russen ihn ebensowenig für voll nehmen wie die US-Amerikaner.
Der unverschämte Angriff der USA auf eine internationales, von 123 Ländern unterstütztes Rechtsinstitut fand aber auch beim bundesdeutschen Qualitätsjournalismus wenig Aufmerksamkeit. Auf tagesschau.de erschien ein dürftiger 08/15-Exzerp aus Agenturmeldungen – für die Minderheit der Leser, nicht für die Mehrheit der zahlenden Zuschauer. (5) Lediglich der deutsche Publizist Andreas Zumach nahm angemessen Stellung – auf einem Schweizer Forum. Er nannte Trumps und Pompeos Übergriffe eine „Straftat gegen die internationale Rechtspflege“. (6) Die IStGH-Vertragsstaaten und auch die Bundesregierung müssten darauf „deutlich und entschieden“ reagieren.
Fürbitte bei St. Nawalny
Sie müssten, haben aber nicht. Dem politisch-medialen Komplex des europäischen „Wertewestens“ war es wichtiger, die Nawalny-Posse in vielen Akten aufzuführen und anti-russische Feindbildpflege zu betreiben.
Sei bei uns, Nawalny! Steh uns bei gegen deine bösen Landsleute! Du Säulenheiliger, der du „Oppositionsführer“ gegen Putin bist und sogar einen Anschlag per Nowitschok-Wasserflasche wegschluckst wie nix, das tödlichste Nervengift aus dem finstereren Kreml! Du mutiger Vorkämpfer der Demokratie, der du nun sogar deine garantiert mit Nowitschok gestärkte Unterwäsche aus Sibirien wiederhaben willst, als du dort in die dümmste neuzeitliche Geschichte des Lügenbarons von Münchhausen eingestiegen bist! Hast doch gnädigst bemerkt, wie uns‘ Heiko sich für dich ins Zeug warf? Er hat sogar den russischen Botschafter Sergej Netschajew einbestellt!
Die Tagesschau jedenfalls hat das dankbar und vielmals bekundet. Wie surreal und missbräuchlich ihr Nachrichtenangebot inzwischen zugeschnitten ist, zeigt der Vergleich, wie oft in ihren Sendungen die Namen Bensouda und Nawalny jeweils auftauchen. Die Chefanklägerin des Den Haager Tribunals wurde in zwanzig Jahren 20mal erwähnt. Nawalny schaffte es in rund 200 Beiträge – in einem Monat.
Über die monströsen Verbrechen der Führungsnation des Westens schweigt die Tagesschau wie üblich. Darf man vor diesem Hintergrund Realsatire nennen, was auf der Website des Bundesaußenministeriums über das Verhältnis zu den USA zu lesen ist, zu unserem „Verbündeten“, mit dem wir immer noch „Wertegemeinschaft“ pflegen?:
„Die transatlantischen Beziehungen beruhen auf historischen Erfahrungen und gemeinsamen Werten wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. … Dabei setzt die deutsche Außenpolitik sich stets für ein enges, partnerschaftliches Verhältnis … mit den USA ein …“ (7)
Merkel und ihr gespenstisches Kabinett buckeln vor den „Freunden“ in Washington. Die USA sind jedoch kein Hort der Demokratie, wie unser Außenminister hier suggeriert. Sie erweisen sich vielmehr als grausame Imperialmacht und im Innern als ein von Oligarchen beherrschtes Konstrukt, in dem sich die Superreichen beinahe jede Abstimmung kaufen können und in dem Wahlen dermaßen manipulierbar sind, dass nicht einmal die Mehrheit der abgegebenen Stimmen bei der Vergabe des Präsidentenamtes den Ausschlag gibt.
Hinter der Fratze der Supermacht
Rechtsstaatlichkeit ist kein Merkmal der USA: Ihre Kriege, ihre extralegalen Hinrichtungen (u.a. per Drohne), ihr willkürliches Verfügen von Sanktionen gegen alle Missliebigen, ihr Bruch völkerrechtlich verbindlicher Verträge, ihre alltägliche Rassendiskriminierung, ihr häufiger Vollzug der Todesstrafe (an Delinquenten, die zuvor Jahrzehnte in der Todeszelle saßen) und auch ihr staatsterroristisches Vorgehen gegen Julian Assange zeigen, wie wenig den USA rechtsstaatliche Prinzipien und Normen gelten.
„Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann,“ schrieb Goethe vor 200 Jahren. Heute hätten wir dafür die Tagesschau. Doch ARD-aktuell sagt prinzipiell nichts Kritisches zur Realität der USA. Der devot transatlantische Kurs dieser Redaktion ist nichts anderes als das Eingeständnis ihrer journalistischen Feigheit.
Wenn diese Schreiberlinge überhaupt einmal ein bisschen gegen den Strich bürsten, dann allenfalls in Form von leicht abfälligen Schlenkern gegen die menschlichen und politischen Schwächen Präsident Trumps. Aber nur dann, wenn er harmloses dummes Zeug schwätzt, nicht jedoch, wenn er Syrien mit Raketen beschießen lässt, weil der böse Assad doch mit Fassbomben und Giftgas „das eigene Volk umbringt“. Die unterm US-Raketenhagel oder von US-Söldnern weltweit ermordeten Menschen erachtet ARD-aktuell unbesehen als „Terroristen“ oder sie zählen zu den bedauerlichen „Kollateralschäden. Trump gilt der Tagesschau dagegen als ein besonders Guter, wenn er z.B. einen „Nahost-Friedensplan“ vorstellt, worin die Rechte der Palästinenser mit Füßen getreten werden. (8)
Weg von der selektiven Rechtsprechung
Der IStGH hat die Lehren aus der Kritik gezogen, er praktiziere selektive Rechtsprechung und habe ausschließlich Afrikaner verurteilt. Inzwischen ermittelt er auch gegen Europäer und selbst gegen US-Amerikaner. (9) Dass dies erst seit Kurzem geschieht, ist als Folge der US-amerikanischen Obstruktionspolitik zu verstehen.
US-Präsident Clinton unterzeichnete zwar im Jahr 2000 das Statut des IStGH, ließ die Unterschrift aber kurz darauf annullieren und das Statut nicht vom Kongress ratifizieren. (10) Er konnte dennoch nicht verhindern, dass es völkerrechtliche Gültigkeit erlangte. Der Internationale Strafgerichtshof ist nun grundsätzlich auch für US-Verbrechen zuständig. Deshalb sind die USA lebhaft bemüht, mittels bilateraler Verträge mit IStGH-Mitgliedsstaaten die Überstellung von US-Bürgern an den Gerichtshof zu verhindern. (11) Sie sabotieren die Arbeit des IStGH unter Anwendung von erheblichem politischem und wirtschaftlichem Druck.
Aufgrund ihres globalen militärischen Engagements (12) haben hypothetisch alle USA-Mächtigen zu befürchten, dass sie selbst oder einige ihrer Soldaten vor den Internationalen Strafgerichtshof gezogen werden. Natürlich nur rein hypothetisch; seit 2002 ist das Pentagon per US-Gesetz befugt, mit Army, Navy oder Air Force in den Niederlanden zu intervenieren und dort befindliche US-Bürger zu „befreien“, falls gegen die in Den Haag wegen Kriegsverbrechen prozessiert wird. (13, 14) Noch Fragen?
Vor zwei Jahren griff der damalige US-Sicherheitsberater Bolton den IStGH in besonders ausfälliger Weise an und bezeichnete ihn als „geradezu gefährlich“. Die USA würden dieses Gericht nicht unterstützen, nicht mit ihm kooperieren und ihm nicht beitreten. Bolton fügte hinzu:
„Wir lassen den Internationalen Strafgerichtshof sterben.“ (15)
Diese fraglos wichtige Nachricht wurde dem Millionen-Publikum der Abendsendungen der ARD-aktuell allerdings vorenthalten. Andererseits bot die Tagesschau damals Pseudo-Informatives über Nawalny-Demonstranten in Russland und über den vorgeblichen Einsatz von „Fassbomben“ in Syrien. (16) Das war kein entschuldbares Versehen: Die transatlantischen Hamburger Einflussagenten im Journalistengewand maßen der Demo einiger hundert Unterstützer des russischen Berufsopponenten und Rassisten Nawalny bewusst höheren Nachrichtenwert bei als der US-Drohung, den Internationalen Strafgerichtshof in den Haag zu ruinieren.
Alle 12 Minuten eine Bombe
Am 15. März 2019 gab es auf tagesschau.de einen Bericht mit Seltenheitswert über Ermittlungen des IStGH:
„Begingen US-Soldaten Kriegsverbrechen in Afghanistan?“
lautete die scheinheilige Titelfrage. Im Text darunter dann softy-sauber dieses:
„Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter sollen einem Untersuchungsbericht des Gerichts zufolge Häftlinge in Afghanistan gefoltert und anderweitig unter Druck gesetzt haben“ (17)
Fragezeichen im Titel und ein abschwächendes „… sollen … haben“ im Text. Sprachliche Weichspüler der Tagesschau, dem Gebrauch zur Benennung von US-Kriegsverbrechern vorbehalten – als wäre nicht spätestens seit den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bekannt und erwiesen, dass US-Militärs und CIA-Gangster Menschen verschleppt und in ihren Geheimgefängnissen gefoltert haben. (18) Als hätten wir noch nie davon gehört, dass demokratische Musterregierungen wie die Litauens und Rumäniens – und nicht nur die! – das Folter- und Verschleppungsprogramm der CIA in den Jahren 2002 ff. aktiv unterstützten. Sie wurden zur Zahlung von Entschädigungen an die Gefolterten verurteilt. (19) Eines der klageführenden Folteropfer war sogar in ein CIA-Geheimgefängnis nach Thailand verschleppt und dort unter Verantwortung der Gefängnisleiterin und Folterexpertin Gina Haspel gequält worden. Haspel avancierte unter Trump zur Chefin der CIA. (ebd.)
Geheime US-Folterstätten gab es bekanntlich auch in Polen, Italien, und – wen wundert´s noch? – in Deutschland. (20)
Von sonstigem Kleinkram, der ebenfalls unter die Tagesschau-Bürotische fiel, soll hier keine große Rede mehr sein. Zum Beispiel nicht davon, dass US-Amerikaner in ihrem räumlich und zeitlich unbegrenzten und völkerrechtswidrigen „Krieg gegen den Terror“ mindestens eine halbe Million Mitmenschen umgebracht haben, Zivilisten zumeist, die nichts, absolut nichts mit dem Terrorismus zu tun hatten. (21)
Wie viele Zivilisten haben die US-Militärs gar seit Gründung der UNO und Geltung des Völkerrechts gemäß UN-Charta vor 75 Jahren umgebracht? Die Schätzungen reichen je nach Datenbasis von 8 bis 30 Millionen. (22)
In der Ära des US-Präsidenten George Dabbeljuh Bush warf die Air Force auf fünf islamische Länder insgesamt 70 000 Bomben ab, ohne Kriegserklärung, ohne irgendeinen berechtigenden Grund. Friedensnobelpreisträger Barack Obama steigerte den Umfang des Massenmordens auf insgesamt rund 100 000 Bombenabwürfe.
Donald Trump hat mit 200 000 Bomben bereits in seiner ersten Amtszeit den Obama-„Rekord“ ums Doppelte übertroffen. Angesichts des mörderischen Eifers der Air Force kam die Rüstungsindustrie zeitweise mit der Bombenproduktion nicht mehr nach. Es mag durchaus sein, dass dieses Massenmorden nicht in Trumps Sinne ist, sondern den vom militärisch-industriellen Komplex geführten Staat kennzeichnet; manche Beobachter behaupten ja sogar, die reale Macht des US-Präsidenten reiche nicht mal über den Zaun um das Weiße Haus in Washington hinaus. Das befreit den US-Präsidenten dennoch nicht von seiner Verantwortung und Schuld.
Doch nicht mal unter schuldmindernden Aspekten berichtet ARD-aktuell über solche US-präsidentialen Schreckensstatistiken. Ihr Publikum kommt aufgrund überaus US-konformer Nachrichten gewiss nicht zu der Erkenntnis, dass die Fundamente des Wertewestens auf Leichenbergen ruhen. Die USA bringen stündlich, massenhaft und methodisch Menschen um. (23) Auch heute fallen im Schnitt weltweit wieder 121 US-Bomben, alle zwölf Minuten eine, rund um die Uhr. (24)
Die Tagesschau verfügt über reichlich Expertise im Unterschlagen bzw. Marginalisieren solch wesentlicher Informationen. Klassisches Beispiel dafür ist ihr Umgang mit der international sehr beachteten Dokumentation „Kosten des Krieges“ (25) der Brown-Universität in Rhode Island. In dieser Studie wird nachgewiesen, dass seit dem Anschlag auf die Zwillingstürme in New York aufgrund der weltweiten US-Militärinterventionen insgesamt 37 Millionen Menschen in die Flucht getrieben worden. (26) ARD-aktuell berichtete zwar über die Untersuchung, ließ dazu jedoch sogleich einen „opportunen Zeugen“ Nebelkerzen zünden: Ihr “Analyst und Syrien-Experte“ Charles Lister durfte die Ergebnisse der Brown-Universität aus dem hohlen Bauch anzweifeln. (27) Der Hinweis, dass „Analyst“ Lister nichts weniger als Experte, dafür umso mehr ein transatlantischer Wasserträger ist (28), wurde sorgfältig vermieden.
Öffentlich-rechtliche Narkotiseure
Wie kann, wie konnte es gelingen, die monströsen Verbrechen der US-Regierungen und ihre Angriffe auf Völkerrecht und internationale Rechtspflege aus unserem gesamtgesellschaftlichen Diskurs und gar aus unserem Bewusstsein herauszuhalten? Wie ist es möglich, dass in Deutschland niemand zur Mistgabel greift und zum Marsch auf Berlin aufruft, wenn unser transatlantisch abgerichtetes politisches Funktionspersonal von „westlichen Werten“ labert und die „Partnerschaft“, ja gar „Freundschaft“ mit den USA beschwört? Wie konnte es geschehen, dass wir den Lügengeschichten des Regierungssprechers und der Berliner Charité (29) über den Galgenvogel Nawalny auch nur eine Sekunde lang Aufmerksamkeit schenkten?
Tagesschau & Co. – hier seien ausdrücklich auch mal ZDF und DLF angesprochen – narkotisieren das politische Bewusstsein des Publikums. Sie organisieren eine Gemeinschaft von Abergläubischen. Sie erzeugen Trugbilder und geben sie als Realität aus. Regelmäßig geschieht das unter bedenkenloser Übernahme verlogener Politiker-Sprechblasenfüllungen („humanitäre Intervention,“ „Ich habe gelernt: Nie wieder Auschwitz“, „Fluchtursachen bekämpfen“, „die Bundeswehr dient der Friedenssicherung“), Es fällt eben schwer, die massenmedial „vermittelte Realität als Illusion zu entlarven.“ (s. Anm. 22)
Wie vermittelt ARD-aktuell den rechtsstaatsfeindlichen US-Exzeptionalismus? Erfüllt sie ihre gesetzliche Pflicht zu objektiver und umfassender Information, zur Förderung der Völkerfreundschaft? Keine Spur. Wo bleibt angesichts dieses Flaschenlagers der aufsichtführende NDR-Rundfunkrat? O Jammer, o Jauche: Dass dieser Honoratiorenclub gemäß Auftrag der Öffentlichkeit das Programmangebot kritisch begleitet und kontrolliert, ist nirgends bemerkbar. Er hat noch nie eine öffentliche Rüge wegen des Missbrauchs der Tagesschau für antirussische Propaganda ausgesprochen.
Der Leberkäs, diese kastenförmige Brühwurst, enthält bekanntlich weder Leber noch Käse. Und in den Tagesschau-Sendungen stecken ebenfalls viele unappetitliche Ingredienzen. Informationen über geopolitische Grundfragen unserer Zeit liefert ARD-aktuell nur transatlantisch aufgewärmt, vorgekaut und mit Senf aus Berlin. Ohne Speikübel, versteht sich.
Mahlzeit.
Quellen und Anmerkungen:
(2) https://home.treasury.gov/policy-issues/financial-sanctions/recent-actions/20200902
(3) https://www.icc-cpi.int/Pages/item.aspx?name=pr1535
(4) https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-us-saktionen-istgh/2381376
(5) https://www.tagesschau.de/ausland/sanktionen-usa-bensouda-101.html
(6) https://www.infosperber.ch/Politik/Kritik-an-US-Sanktionen-gegen-Internationalen-Strafgerichtshof
(8) https://www.tagesschau.de/ausland/nahost-273.html
(9) https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/istgh-ermittlungen-kriegsverbrechen-afghanistan-usa-cia/
(12) https://www.nachdenkseiten.de/?p=37010
(13) https://de.wikipedia.org/wiki/American_Service-Members’_Protection_Act
(14) https://www.nachdenkseiten.de/?p=44684
(16) https://www.tagesschau.de/archiv/sendungsarchiv100~_date-20180909.html
(17) https://www.tagesschau.de/ausland/strafgerichtshof-vorwuerfe-us-truppen-101.html
(18) EuGM, Aktenzeichen 46454/11 und 33234/12
(22) https://www.westendverlag.de/buch/warum-schweigen-die-laemmer/
(23) https://www.nachdenkseiten.de/?p=44684
(25) https://watson.brown.edu/costsofwar/
(27) https://www.tagesschau.de/ausland/usa-krieg-gegen-terror-flucht-101.html
Das Autoren-Team:
Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.
Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1992 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehrauftrag an der Fu-Jen-Universität in Taipeh.
Anmerkung der Autoren:
Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog
Foto:
Werner Menne
Verzerrte Realität
Im Rubikon-Exklusivinterview erläutert der Professor für Kommunikationswissenschaften Dr. Michael Meyen die Mechanismen der Massenmedien und legt dar, wie es zu einer Verschmelzung von Politik und Medien kommen kann.
Autor Matthew Alford im Gespräch
Matthew Alford ist ein britischer Journalist und Dokumentarfilmemacher. 2008 publizierte er sein erstes Buch, welches auf seine Dissertation beruhte, mit dem Titel: „Reel Power: Hollywood Cinema and American Supremacy“. Alford beschreibt die Verquickungen zwischen der Filmbranche und staatlichen Akteuren, anhand von großen Hollywood-Produktionen wie Black Hawk Down, Terminator Salvation und Transformers. 2017 schrieb er mit Tom Secker eine Art Folgebuch, nachdem sie Zugang zu Archiven erlangten, die zuvor verschlossen waren. Das Buch „National Security Cinema“ (2017) geht näher auf die Rolle es US-Militärs und der CIA ein. Schlussendlich sagt Alford, dass es kaum eine große Hollywood- oder TV-Produktion gibt, in der staatliche Akteure nicht involviert sind.
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Die SCHWEIGENDE MEHRHEIT meldet sich zu Wort:
„Jawohl, wir übernehmen die Verantwortung!“
Jahrzehntelang haben wir geschwiegen, weil wir wissen: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.
Jetzt aber können wir nicht länger schweigend zusehen: überall – ja, selbst an diesem Ort – ergreifen selbsternannte „kritische Bürger“, „Wutbürger“ und Möchtegern- Journalisten das Wort. Sie schrecken vor keiner Verunglimpfung und keiner Polemik zurück. Als scheinheilige Verfechter der Tugend oder gar Retter der Menschheit treten sie auf und bestreiten sowohl die moralische Integrität als auch die Legitimität unserer ordentlich gewählten Volksvertreter. Einige behaupten sogar, s i e seien das Volk. Damit muß nun endgültig Schluß sein!
Daher stellen wir hier und jetzt ein für alle Mal klar:
WIR, die SCHWEIGENDE MEHRHEIT, sind das Volk!
WIR sind die rechtmäßigen Herrscher, denn „alle Staatsgewalt geht vom Volk aus.“ So steht es im Grundgesetz Art 20 Absatz 2. Und wir haben diese Regierung gewählt, weil sie unseren Willen umsetzt.
Immer wieder wird behauptet, die Politiker würden sich ihre Ämter nur mithilfe von Wahlverspechen erschleichen, um sie anschließend zu brechen. Entgegen ihrem Amtseid würden sie nicht dem „Wohl des deutschen Volkes“ dienen, sondern nur sich selbst, ihrer Partei und ihren Sponsoren aus der Wirtschaft.
Um diesen infamen Unterstellungen endgültig ein Ende zu bereiten, und um die Ehre der gewählten Volksvertreter wiederherzustellen, verkünden wir hier mit aller Entschiedenheit:
Ja, wir übernehmen die volle Verantwortung für die aktuelle Politik in unserem Land!
Und wir distanzieren uns entschieden von denen, die hinter vorgehaltener Hand, am Stammtisch oder gar in der Öffentlichkeit unseren Volksvertretern ihre Legitimation streitig machen wollen.
Wir widersprechen den sogenannten Meinungsforschern, die immer wieder behaupten, daß es für die aktuelle Politik keine Mehrheit in der Bevölkerung gäbe. Ihnen sagen wir hiermit ganz entschieden: Das kann gar nicht sein.
Denn 1. hätte sie ja dann keiner gewählt und 2. haben wir als SCHWEIGENDE MEHRHEIT ja bisher immer geschwiegen – von uns können sie´s also nicht erfahren haben!
Da solche Gerüchte aber selbst im Staatsfernsehen immer wieder verbreitet werden, brechen wir, die SCHWEIGENDE MEHRHEIT, heute ganz ausnahmsweise unser Schweigen, und erklären hierzu ausdrücklich:
Ja, wir wollen diese Politik!
Insbesondere wollen wir auch , daß…
Ja, ein für alle Mal: damit endlich wieder Ruhe herrschen kann: all dies wollen wir so!
Und auch wenn dies bedeutet, daß wir gar nicht mehr in einer Demokratie, sondern in einer Oligarchie (Herrschaft der Reichen) leben, und somit gar nichts zu sagen haben: auch egal. Es geht uns doch gut! Stopft diesen Kommunisten und Spassbremsen doch endlich das Maul!
Was? Meinungsfreiheit? Wozu braucht man die denn? Steht in der Verfassung? Na gut, aber als SCHWEIGENDE MEHRHEIT bestehen wir auch weiterhin darauf, daß im Staatsfernsehen über solche lästigen Dinge nur ausnahmsweise und nicht vor 21 Uhr berichtet wird.
Stattdessen sollen von unseren Fernsehgebühren auch weiterhin überwiegend Seifenopern, schleimige Volksmusikorgien, Sportberichte, Glücksspiele und Hofberichterstattung der Regierungsparteien produziert werden, damit uns bei unseren durchschnittlich fast 6 Stunden täglich vor der Glotze nicht die schöne Wellness abhanden kommt.
Schließlich mußten viele von uns bereits im Krieg viel Elend ertragen. Da kann man uns doch nicht heute schon wieder mit dem Elend der Welt belästigen.
Und mit dieser ständigen Geheimnis- Ausplauderei im Internet muß auch mal langsam Schluß sein – schadet schließlich unserem guten Ansehen.
Und bei der Gelegenheit kann man auch mal gleich die völlig ungezügelte Berichterstattung in den Medien allgemein etwas regulieren. Die fortschrittlichen Italiener – und neuerdings noch schamloser die Ungarn – machen es uns ja schon vor. Sollen wir als Weltmeister und Papst da etwa zurückbleiben?
Falls jetzt noch Fragen offen geblieben sein sollten, wenden Sie sich bitte an unser inoffizielles Verlautbarungsorgan, die Blöd-Zeitung. Wir müssen jetzt nämlich dringend weiter schweigen.
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Der Souverän