Bahnprivatisierung

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Bahnchef Grube, die Konzerne und die Demokratie

Allzu selten verlieren die Kosmokraten, jene Herren der Globalisierung und des „Big Business“ mal ihre Fassung und sagen uns, wo es wirklich langgeht. Das Mitarbeiter (also Menschen) nur Kosten auf zwei Beinen sind und eine große Last ist nun schon eine altbekannte Klage. Und innerhalb des Betriebes merken wir auch sehr schnell, das wir demokratischen Boden verlassen haben.

Nun kommt der Chef der Bahn daher und will uns beibringen, das seine Gesetze auch außerhalb der beschränkten Konzernwirklichkeiten Bedeutung haben, siehe „Tagesschau“:

Bahnchef Rüdiger Grube hält den Widerstand der Gegner des Bahnprojekts „Stuttgart 21“ für nicht gerechtfertigt. „Ein Widerstandsrecht gegen einen Bahnhofsbau gibt es nicht“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Entscheidungen träfen in Deutschland die Parlamente und „niemand sonst“. Das Projekt sei demokratisch ausreichend legitimiert.

„Es gehört zum Kern einer Demokratie, dass solche Beschlüsse akzeptiert und dann auch umgesetzt werden“, so Grube weiter: „Sonst werden bei uns keine Brücke, keine Autobahn und kein Windkraftpark mehr gebaut.“

Da fragt man sich doch gleich: wer ist denn dieser Grube? Dazu müssen wir etwas ausholen.

Kommen wir zurück zu den Kosmokraten und ihrer Lebensform: der Korporatokratie, der Herrschaftsstruktur der Konzerne, einer ganz neuen politischen und gesellschaftlichen Lebensform. Der Konzern ersetzt in unseren Tagen zunehmend den Nationalstaat als Handlungseinheit, ist gegenüber staatlichen Strukturen zunehmend immun und autark … er hat nur noch ein kleines Problem: ein paar Menschen braucht er noch. Es sind bei weitem nicht mehr so viele wie zu seiner Geburt, dort mußte er zigtausende von ihren Feldern und Höfen weglocken, deren Arbeit er jetzt von Maschinen erledigen läßt – was zu großen Verwerfungen innerhalb der Gesellschaft führte.

Menschen, die einst gut aufgehoben waren, standen nun heimat- mittel- und landlos als Arbeitslose in der Gegend herum.  Noch nie hatte eine Sklavenhaltergesellschaft ihre Sklaven einfach so auf die Straße gesetzt um sie verhungern zu lassen, das war neu und ungewöhnt, noch nie waren so viele Menschen nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen – was unter anderem auch daran liegt, das an dem Apfel, den die Natur umsonst schenkt, ganz viele Hände verdienen wollen, bis er an seinem natürlichen Zielort gelandet ist.  Da werden Grundvoraussetzungen der menschlichen Existenz auf einmal unbezahlbar.

Um so ein System zu etablieren und lebendig und kreativ zu gestalten, braucht man einen ganz gewissen Menschenschlag. Das kann nicht jeder. Normale Menschen würden erkennen, das dieses System ein außerordentlich schädliches System für Volkswirtschaften ist, obwohl es betriebswirtschaftlich gut funktioniert – aber das tut Krebs auch … gut funktionieren, meine ich.

Konzerne verhalten sich ja auch zu gesunden Volkswirtschaften wie Krebs: sie setzen sich hinein in die Volkswirtschaft, leiten möglichst viel zu ihren eigenen „Zellen“ um während im umliegenden Gewebe eine massive Unterversorgung eintritt. Den Krebszellen selbst geht es deshalb immer ganz Klasse, aber nicht jeder ist geeignet, eine führende Zelle darzustellen. Solche Leute sind handverlesen … und sie werden gezielt gesucht. Da wirkt die Mär von Erfolg durch Leistung und Arbeit nicht mehr.

Bahnchef Grube zum Beispiel wäre nichts ohne … seine Chef, so der „Tagesspiegel“:

Grube ist ein Spätstarter. Nach einer Lehre als Metallflugzeugbauer wurde er Diplomingenieur für Fahrzeugbau und Flugzeugtechnik, anschließend studierte er Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Erst mit Ende 30 begann er seine Karriere. Seit 1996 arbeitete er bei Daimler, zuletzt war er Strategie-Vorstand und Chef des Verwaltungsrats beim Luftfahrtkonzern EADS.

1996 hieß Deutschlands Vorzeige-Autobauer noch Daimler- Benz, und Jürgen Schrempp, gerade Chef geworden, holte seinen Vertrauten Rüdiger Grube nach Stuttgart, in die „Bullshit Castle“ genannte Zentrale. Seitdem war Grube einer der treuesten Mitstreiter Schrempps. „Er hat den angehimmelt“, heißt es über ihr Verhältnis. Nur einmal, 1999, kehrte Grube ihm den Rücken, um Chef eines Mittelständlers zu werden – was misslang. Schrempp holte Grube zurück, er sollte Chrysler integrieren. Bis zuletzt stützte Grube die Vision von der „Welt-AG“. Doch es half nichts: 2005 musste Schrempp gehen.

Der so angehimmelte Chef hatte nutzlos in den Sand gesetzt – das war schon mal eine gute Voraussetzung für den Posten bei der Bahn. Auch dort setzt man gerne Milliarden in den Sand.

Es ist ein Kennzeichen von „Kosmokraten“, das sie von nichts eine Ahnung haben, weshalb sie problemlos heute ein „Auto- und Flugzeugmann“  und morgen Bahnchef sein können, ihr Job ist der Ausbau der Korporatokratie in allen Fronten, die ungehemmte Ausbreitung des Konzerns in der Gesellschaft inklusive der Vernichtung aller natürlich gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen, die den Konzerninteressen entgegenstehen.

Auch eine interessante Perspektive: 1999 – also nach nur drei Jahren bei dem „angehimmelten Meister“ – versucht Grube mal außerhalb eines Konzerns auf eigenen Beinen zu stehen … und versagt. Kosmokraten sind keine Unternehmer oder Arbeiter – sie sind Verwalter und Höflinge, die modernen Kardinäle, die hinter jedem Thron stehen. Man braucht einen bestimmten Menschentypus für diese Aufgabe, das kann längst nicht jeder. Kalt und skrupellos sollte man schon sein, Bildung ist extrem schädlich, Religiösität ebenfalls, schlichtweg alles, was der Ideologie und der Religion der grenzenlosen Gewinn- und Machtmaximierung des Konzerns im Wege stehen könnte. So erklären sich die zum Teil merkwürdigen Karrieren mancher „Konzernherren“ recht einfach … gleich und gleich gesellt sich gern.

Und aus dieser Perspektive heraus wird es auch verständlich, warum so ein Mensch wie Rüdiger Grube mit Demokratie nichts anfangen kann. Innerhalb der Konzerne gibt es keine, das sorgen Menschen wie Peter Hartz mit viel Geld und Edelnutten für die „richtige“ Stimmung im Betriebsrat, außerhalb des Konzernes sorgen tausende von Lobbyisten dafür, das nirgendwo im Netzwerk der Interessen jemand aus der Reihe tanzt. Aus seiner Perspektive heraus ist der Mann zurecht empört darüber, das das Volk seinen Bahnhof nicht will, denn immerhin hat er viel Geld dafür ausgegeben, das das Projekt ins Leben und durch die behördlichen Instanzen kommt  – er und viele seiner Vorgänger. Millionen und Abermillionen an Steuergeldern haben die Lobbyisten ausgegeben um wirklich mit jedem politischen Entscheidungsträger ins Bett bzw. zum Essen zu gehen – und wer weiß was da noch alles geflossen ist.

Und dann, wo endlich alles in trockenen Tüchern ist und das große Abkassieren endlich beginnen kann, kommt das Volk uns sagt: „Ihr habt sie doch nicht mehr alle!“

Das Volk denkt halt anders. Das Volk denkt wirtschaftlich. Es sieht einen Berg von Schulden, 1 700.000 Millionen Euro, und sagt dann einfach: das geht nicht. Wir müssen uns jetzt mal bremsen. Das Volk ist halt vernünftig und folgt einfachen Regeln der Vernunft. Grube und Konsorten sehen, wie viel Geld Konzerne durch diese Projekte machen, das Volk sieht, wer es bezahlen muß. Ist wie in einer Familie: die großen Kinder hätten gerne einen Porsche mit eingebautem Plasmabildschirm und Dolby-Sorroundanlage, aber Pappa will sich nicht weiter verschulden und kriegt sowieso schon Hartz IV. Natürlich hat Grube recht: würde man das Volk entscheiden lassen, so wäre das das Ende unwirtschaftlicher nutzloser Großprojekte – einfach, weil kein Geld mehr da ist. Es ist nicht nur für Arbeitslose kein Geld da … es ist für alle kein Geld da – auch nicht für die perversen Träume der Großkonzerne. Aber im Gegensatz zu Arbeitslosen haben Konzerne Lobbyisten, die den ganzen Tag nichts weiter tun als die Meinungen von Politikern mit allen Mitteln zu beeinflussen – und daran selbst sehr gut verdienen. 100000 Euro Minimum im Jahr – für die kleinen. Darum lassen wir mitlerweile locker Millionen Kinder hungern und verblöden (und das, obwohl Facharbeiter Mangelware werden), während auf der anderen Seite hirnlose Riesenprojekte Milliarden verschlingen.

So macht man in Deutschland Reichtümer, so wird man Millionär.

Der zuständige Justizminister Goll bringt es in der Financiel Times auf den Punkt:

Der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) warf den Gegnern des Projekts Bequemlichkeit vor. „Die Menschen sind in zunehmender Zahl sehr unduldsam und wohlstandsverwöhnt“, sagte Goll der Financial Times Deutschland. Das Land habe sich zu weit von den Werten des Wirtschaftswunders entfernt. „Man denkt nicht an die kommende Generation, sondern nur daran, dass einem nichts passiert, was einem selbst lästig ist.“

Nur meint er mit „den Menschen“ wohl nicht die, die in den Führungsetagen sitzen, wo „man“ sich ja gut kennt (siehe Tagesspiegel):

Die führenden Koalitionäre in Berlin sind so begeistert von Grube, dass jeder für sich reklamiert, ihn als Chef vorgeschlagen zu haben. Einer mahnt gleichwohl: „Grube muss kommunikativer sein als sein Vorgänger.“ Das dürfte ihm nicht schwer fallen. Er ist Diplomat, das hat er als Verwaltungsratschef des europäischen Luftfahrtkonzerns EADS bewiesen. Aus der Zeit kennt Grube wichtige Politiker, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy ebenso wie Angela Merkel. Mit Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee war er rasch per Du, die Gewerkschaften sind angetan. Trotzdem wird er in puncto Strategie keine neuen Pflöcke einschlagen können – kurz vor der Wahl ist Ruhe seine erste Pflicht. Was der Bund mit der Bahn vorhat, ob der Börsengang weiterhin ein Fernziel ist, wird Grube
erst vom neuen Bundeskanzler erfahren.

Dabei ist er eigentlich laut FAZ kein unbeschriebenes Blatt:

Der 54 Jahre alte Grube rückte vor kurzem ins Rampenlicht, weil die Staatsanwaltschaft nach dem Verdacht auf Insiderhandel mit Aktien im Zuge der Rücktrittserklärung von Konzernchef Jürgen Schrempp sein Büro und sein Haus durchsuchte.

Man findet im Blog „Politeia“ dann auch gleich noch mehr Merkwürdigkeiten zu der Person Grube, der selbst seltsam unbefleckt bleibt in einer Ecke, in der es von Datenschutzskandalen, Parteispenden und Bestechungen nur so wimmelt. Wenn er davon allerdings wirklich nichts gewußt hat – wäre es auch ein Grund, ein zu feuern. Wer so blind durchs Leben läuft, sollte keine Verantwortung tragen.

Auch die Bahn selbst tritt durch Methoden in Erscheinung, die man sonst nur aus Mafiafilmen kennt, hier zitiert aus Stuttgart 12 kartell.org

Manipuliert die DB AG wieder? Das die Bahn AG hinter solchen Aufträgen steckt, wäre nicht das erste Mal: 2007 wurde nach Angaben der Bahn ein Betrag von knapp 1,3 Mio. Euro für sogenannte “No badge”-Aktivitäten ausgegeben. Dazu zählen unter anderem Beiträge in Internet-Blogs, Leserbriefe, Meinungsäußerungen in Foren, Meinungsumfragen oder vorproduzierte Medienbeiträge, bei denen der Urheber beziehungsweise Auftraggeber nicht zu erkennen ist. (Quelle: Handelsblatt)

Auch das ist ein typischer Umgang von Konzernen mit Demokratie: sie wird verstanden als Tünche über der harten Wirklichkeit der Geschäftswelt, als Opium fürs Volk, als Beruhigungspille für den Kleinbürger – die ja auch sehr gut funktioniert.

Unduldsam und wohlstandsverwöhnt … das sind wohl wirklich zentrale Kritikpunkte. Aber bei den aktuellen Regelsätze für Globalisierungs- und Rationalisierungsopfer kann man wohl kaum noch von Wohlstand sprechen. Wer hier nicht an die Zukunft denkt, ist für 90 % der Bevölkerung klar ersichtlich – zum Beispiel der Duzfreund Grubes Wolfgang Tiefensee, hier laut Wikipedia:

Im Rahmen des geplanten Börsengangs der Deutschen Bahn wurden u.a. auch umstrittene Sondertantiemen vereinbart, die im Falle der Bahnprivatisierung an die Bahn-Vorstände geflossen wären. Tiefensee stritt Ende Oktober 2008 zunächst ab, von diesen Tantiemen gewusst zu haben und entließ seinen Staatssekretär Matthias von Randow mit der Begründung, dass dieser ihn nicht über die Zahlungen informiert hätte. Diese Begründung stellte sich später als falsch heraus, da schon Anfang September 2008 Information über die Sonderzahlungen an die Öffentlichkeit gekommen waren.[5]Am 2. November 2008 berichtete die Financial Times Deutschland, dass Tiefensee vom Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Müller sogar bereits Mitte August in einem persönlichen Telefonat informiert worden sei und in diesem Telefonat keinerlei Bedenken geäußert habe.[6]

Wer aber so denkt und solche Geschäfte einfädelt, der … sollte auch besonders geehrt werden – was einem wiederum zu Denken geben sollte.

Wolfgang Tiefensee ist seit 1999 als erster Deutscher Ehrenprofessor der Nanjing University of Technology (NUT). Im Jahre 2003 verlieh ihm die Französische Republik den Titel „Ritter der Ehrenlegion“.[8] Im selben Jahr erhielt er den Medienpreis „Goldene Henne“ in der Kategorie Wirtschaft.[9] Das in London erscheinende Foreign Direct Investment Magazine (fDi) wählte Wolfgang Tiefensee 2005 zu Europas „Personality of the Year“. 2004 erhielt er den Goldenen Rathausmann der Stadt Wien. Das politische Magazin Cicero wählte Wolfgang Tiefensee 2009 nach Bundeskanzlerin Angela Merkel zum wichtigsten Politiker der Neuen Bundesländer.

Das die beiden schnell per Du sind, ist verständlich. Bei der angedachten Bahnprivatisierung werden wieder einige wenige ganz dicke abräumen … so wie auch bei dem Bauvorhaben Stuttgart 21.

Ein Land mit aktuell 1,7 Billionen Euro Schulden sollte sich allerdings aus Gründen wirtschaftlicher Vernunft solche Experimente und Allüren nicht mehr leisten – noch solche „Manager“, die nur noch nach Turbodüsen suchen, mit deren Hilfe sie Staatsgelder in die private Tasche schaufeln können. Aber auch die unduldsamen und wohlstandsverwöhnten Manager (und Politiker) werden verstehen müssen, das man in Zeiten von Hartz IV keinen Porsche kaufen noch überbordende architektonische Phantasien verwirklichen kann.

Wirtschaftlich eigenverantwortliche Subjekte verstehen das, Menschen, die sich dran gewöhnt haben mit vollen Händen das Geld anderer Menschen auszugeben, , müssen das wohl noch lernen.


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