autoritäres Schweigen

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Die Merkeldämmerung: Wenn Oktoberfestlöwen ein Schwarzes Loch bezwingen wollen

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Foto: NASA „Supermassive black hole“ PD / Flickr-European People’s Party-CC BY 2.0)

Kommt der längst überfällige Merkelsturz?

„Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten“ – so Horst Seehofer laut WELT AM SONNTAG in CSU-internem Kreis über Angela Merkel (Quelle: welt.de). Entgegen dem Willen der Kanzlerin will er nun Grenzkontrollen anordnen. – Ein bloßes Ablenkungsmanöver im bayerischen Wahlkampf aufgrund der zunehmenden Bürgerwut über den Bamf-Skandal und Angela Merkels „Politik der offenen Grenzen“ oder steht ein ernst gemeinter Merkelsturz bevor?

„Sie wird untergehen“, titelt die Zeit, das Handelsblatt konstatiert „Das Ende der Alternativlosigkeit“, der Stern „das Ende von Merkels Flüchtlingspolitik“. Sogar bislang unbeirrte Merkel-Fans erklären ihre Beziehung zur Kanzlerin für zerrüttet und „machen Schluss“ (siehe welt.de).

Der fernsehende Spiegelbildbürger kann es kaum glauben: Soll die alternativlose Dauerkanzlerin, die nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Ulrich Mies mit ihren „fassadendemokratischen Schaustellern Demokratie, Anstand, faires Miteinander, Europa und den Frieden vor die Wand gefahren hat und deren marktradikaler Ungeist nun in alle Bereiche der Gesellschaft metastasiert“, nun tatsächlich von der Politbühne entfernt werden? Sollten Demokratie, Anstand, faires Miteinander, Europa und der Friede also tatsächlich wieder die Chance zum Aufblühen bekommen?

Die Patin und das System „M“

Schon 2016 war in den Leitmedien von einem Merkelsturz die Rede (siehe welt.de), dank Industrie 4.0-Pattex sitzt die Kanzlerin jedoch weiterhin fest im Sessel. Auch minutiös recherchierte Dokumentationen über die erosive Auswirkung der von Sloterdijk als „Hohlraumfigur“ bezeichneten Person Merkels auf Demokratie und Rechtsstaat konnten daran bislang nichts ändern. Bereits 2012 hat etwa Prof. Dr. Getrud Höhler, einstmals CDU-Urgestein und Beraterin von Bundeskanzler Kohl sowie des Deutsche-Bank-Chefs Herrhausen in ihrem Buch „Die Patin“ der Öffentlichkeit eine schonungslose Bestandsaufnahme von dem präsentiert, was sie als „System M“ bezeichnet:

Höhler spricht von nichts weniger als einem „Staatsstreich“, von einem Einbruch, wie wir ihn seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben (siehe auch Interview in phoenix via youtube). „Das System M etabliert eine leise Variante autoritärer Machtentfaltung, die Deutschland so noch nicht kannte.“ Merkels Amtsführung charakterisiert sie so: Es sei wie in einem Gemischtwarenladen. Produkte, die nicht gehen, würden aus dem Angebot genommen. Produkte der Konkurrenz, die besser laufen, würden kopiert. Die Kanzlerin sehe sich als Anbieterin in einem Meinungsmarkt, wo die Kundengunst über den Marktwert der Ware entscheide.

In einem jüngsten Vortrag aus März 2018 (Youtube-Konto mittlerweile gelöscht) spricht Höhler von einer Eigenschaft der Deutschen, die eine Regentschaft Merkel  überhaupt erst ermöglicht: die „Sehnsucht nach Aufschub und Nichtwissen“. Nach Jahrzehnten permanenter Konfrontation mit ihrer Schuld hätten die deutschen Bürger nun ihre Ohren auf Durchzug gestellt, wollten nichts mehr sehen und hören, sondern nur noch in Ruhe gelassen werden. Indem jeder nur noch irgendwie über die Runden kommen möchte, verfallen allerdings die Werte, die bisher die Basis unserer zivilisierten Gesellschaft gebildet haben, in atemberaubenden Tempo. In diesem Klima des Nihilismus billige man Merkel praktisch eine Allmacht zu, die sie unter anderen Umständen keinesfalls behaupten könnte. Höhler: „Worauf beruht denn eigentlich Merkels Deal mit den Wählern? Das kann doch nicht nur sein: Ja, wir wussten niemand anderen, die bleibt ja schon deshalb, weil kein anderer da ist (…) Ich sage: Darauf, dass sie ihre Ziele nicht nennt. Sie würde – ich weiß nicht, ob sie es im engsten Kreis tut – sagen: Wenn ich das verrate, bin ich nicht mehr dran! Das heißt, Merkel kann ihre Ziele gar nicht nennen, weil die Menschen dann nicht mitgehen würden.“

Die Knute unter der Tarnkappe: Autoritäres Schweigen

„In Wahrheit hat Merkel ein autokratisches System entwickelt, das von den Vorurteilen der Beobachter profitiert: Autoritäres Schweigen ist in diesen Vorurteilen nicht verzeichnet“ (Quelle: handelsblatt).

Prof. Höhler charakterisiert damit etwas an der Person Merkels, was in der Tat schwer greifbar ist und sich eines rationalen Erfassens weitgehend entzieht. Denn nach außen hin könnte man zunächst meinen, Merkel verkörpere eben in jeder Hinsicht den sanften Kompromiss, versucht es allen recht zu machen. Sie kämpft nicht, sondern assistiert mit zur Raute gefalteten Händen und emotionslos-erschlaffter Mine eben dem, was alternativlos oder gerade opportun ist.

Wollte man Angela Merkels Politik bzw. ihren vermeintlichen „Führungsstil“ charakterisieren, dann müsste man ihn paradoxerweise eigentlich durch eine Negativdefinition beschreiben: Durch eine vollendete Absenz von Eigenschaften, wie man sie von einer Politikerin in höchster Führungsposition eigentlich als conditio-sine-qua-non voraussetzen würde: Verantwortungsübernahme, Authentizität und Werte etwa.

Fleisch gewordenes Unglück

Eine spätere Generation wird über dieses Phänomen einmal staunend den Kopf schütteln: Indem Angela Merkel herumlaviert, es scheinbar allen recht zu machen versucht und sich aus jeder Verantwortung herausstiehlt, führt sie für das Land ein größeres Unglück herbei, als es jeder autokratische Despot vermochte. Das Unglück zeichnet sich auch bereits ab. Viele Menschen wollen sich zwar an der Illusion festkrallen, dass sie hier immer noch „gut und gerne leben“, obwohl uns sogar fortschrittsgläubige Pragmatiker wie Sigmar Gabriel bereits „am Abgrund“ sehen (Quelle: nzz). Nach nunmehr vier Merkel-Regierungen befinden sich nicht nur Gesellschaft, Sozialstaat, Grundrechte und die europäische Friedensordnung in akuter Erosion. Unsere Presse liegt mit Herz-/Nierenversagen in einem komatösen Zustand, die von Willy Brand & Co. geleistete Arbeit zur Ost-West-Entspannung und europäischen Friedensordnung wurde umstandslos an die Wand gefahren, vollkommen durchgeknallte Maasmännchen und harpienartige Bundeswehrchefinnen geifern nach einer Konfrontation mit dem atomar bestückten russischen Bären, während gerade die letzten Umwelt- und Humanressourcen ausgeschlachtet werden und die Menschen schon in den besten Jahren ihres Lebens mit Burnout zu kämpfen haben. Man muss sich regelrecht die Augen reiben, um es zu fassen: In einer Gesellschaft, die sich noch vor Kurzem zu den liberalsten und humanistischsten der Welt gezählt hat, herrschen nun Gleichschaltung der Medien, erbitterte Spaltung, Blockwart- und Gesinnungsterror und eine Hexenjagdstimmung wie zu Inquisitionszeiten im dunklen Mittelalter oder in der McCarthy-Ära.

Dabei wäre doch alles in Butter, wenn es in unserem unseligen Land nicht überall von „Rechten“ und „Nazis“ wimmeln würde – Attribute, mit denen heute per Merkel‘scher Definition nicht nur jeder Friedensaktivist und sozialkritische Straßenmusiker belegt wird, sondern auch jede x-beliebige Hausfrau und jeder Rentner, der mit der Regierungspolitik nicht einverstanden ist. Man denke sich nur einmal all die fiesen „Nazis“ weg: Unser Land wäre ein glücksstrahlendes Paradies voller Zukunftshoffnung, wo alle im Reigen des Gender Madstream der digitalen Transformation entgegentanzen. Da die Nazis aber einfach nicht wegzukriegen sind, sondern in der Zahl sogar rasant zunehmen  (dank der Merkel’schen Ächtungsdoktrin wurde das Kunststück zustande gebracht, dass das Wort ‚Nazi‘ mittlerweile jeden Schrecken verloren hat und sich sogar die biedersten Hausfrauen sagen: „Wenn das Nazi ist, gut, dann bin ich eben auch Nazi!“), ist Friede-Freude-Eierkuchen leider abgesagt.

Kollaps im Schlamerkelland

Kein Wunder also, dass angesichts des inflationären Nachwuchses an ‚Nazis‘ nun sogar unser  Rechtsstaat am Kollabieren ist, so man führenden Vertretern unseres Rechtsstaats Glauben schenkt. „Die deutsche Justiz steht kurz vor dem Kollaps“, titelte etwa die Wirtschaftswoche Ende Mai (siehe wiwo). In einem Focus-Report meint Oberstaatsanwalt Ralph Knispel im größten Strafgericht Europas: „Das sieht hier alles zwar hübsch aus. Aber in Wirklichkeit machen wir hier nur noch fröhlich Musik wie die Kapelle auf der Titanic.“ Der Oberstaatsanwalt stößt damit  ins gleiche Horn wie der Chef des Deutschen Richterbunds Jens Gnisa, der in seinem im Vorjahr veröffentlichten Buch „Das Ende der Gerechtigkeit“ feststellt, dass unsere Volksvertreter dabei seien, „eine der wichtigsten Säulen der Demokratie, die unabhängige Rechtsprechung einstürzen zu lassen. „Was wir erleben, ist ein Rückzug des Staates auf breiter Front“, meint auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt.

Obwohl Merkels Ressortchefs unter Beweis stellen, dass ihre jahrelange akademische Ausbildung nicht umsonst war und sie die Kunst des Erstellens von Excel-Tabellen beherrschen, in denen dem tagesschauguckenden Bürger in pastellrosa Farbe hinterlegte Kriminalstatistiken präsentiert werden, wonach alles im grünen Bereich ist, so erfährt man aus der Praxis anderes. Der Oberstaatsanwalt berichtet, dass in Berlin im Vorjahr laut Polizeilicher Kriminalstatistik gefährliche Körperverletzung auf Straßen und Plätzen um 16,7 Prozent, die Zahl der Sexualdelikte um 32,2 Prozent angestiegen ist. Auch in anderen Metropolen wie Frankfurt am Main und Hamburg nahmen Gewalt- und Sexualdelikte ähnlich stark zu (Quelle: focus). Mit Ermittlungsfällen überschwemmte Staatsanwälte verschafften sich Luft, indem sie massenhaft Verfahren einstellen. Polizisten könnten Straftaten an Brennpunkten längst nicht mehr ausreichend verfolgen, etliche Gefängnisse melden Überfüllung. „In einem Mordfall vom Februar 2018 haben wir bis jetzt noch nicht einmal eine ausgewertete DNA-Probe. Es kommt vor, dass eine DNA-Probe erst nach einem Jahr ausgewertet ist. Das ist absurd.“  Von 5,18 Millionen Verfahren hat die Staatsanwaltschaft mehr als die Hälfte – 2,9 Millionen – durch Einstellung mangels Tatverdachts, wegen Geringfügigkeit oder unter Auflagen erledigt. In gerade einmal 434.600 Fällen (=8,4 %) kam es zu einer Anklage. Auch die Verwaltungsgerichte drohen zu kollabieren, aktuell durch 230.000 Klagen gegen negative Asylbescheide.

Wie gestern in den Zeitungen verlautbart, hat der Europäische Gerichtshof nun entschieden, dass jeder vom Asylgericht rechtsgültig abgelehnte Migrant das Recht darauf hat, gegen seine Abschiebung zu klagen und in der Folge nicht abgeschoben werden darf (siehe zeit.de). Wie man sieht, ist die aktuelle mediale Empörung gegen Seehofers und Söders Ansinnen zur Ausweisung illegaler Migranten also vollkommen überflüssig – der EuGH hat dem Ansinnen der bayerischen Populisten bereits einen Riegel vorgeschoben und Merkels Politik der offenen Grenzen kann ungebremst weitergehen.

No-future-win-win Situation

Der Markt bzw. dessen unsichtbare Hand will es offensichtlich. „Wir brauchen jedes Jahr 400.000 Zuwanderer netto, um den Bedarf der Unternehmen zu decken“, sagt Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit in einem jüngsten Interview mit der Welt.

Dass dank der deutschen Grenzöffnung in weiten Teilen Nordafrikas mittlerweile eine vollendete No-Future-Stimmung herrscht: Wen interessiert’s schon? Soweit mir von Menschen vor Ort erzählt wurde, haben es dort die meisten jungen Menschen aufgegeben, sich in ihrem Land Ideen für die Zukunft zu machen, ihr einziges Trachten ist: „Wie schaffe ich es auch ins Schlamerkelland?“ Zurück bleiben in den Dörfern vorwiegend alte und kranke Menschen, die bei kaputten Wasserleitungen und mangelnder ärztlicher Versorgung hilflos dahinsiechen. In der Folge des brain drains der Jungen bricht dort gerade alles zusammen – ebenso wie demnächst womöglich auch bei uns. Nennt man im neoliberalen Neusprech dann wohl ‚win-win-situation‘.

Unser Arbeitsmarkt saugt die neu heranströmenden Billig-Arbeitskräfte jedenfalls begierig auf. Dass die Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten aufgrund ihrer mangelnden Bildung nicht in den europäischen Arbeitsmarkt integrierbar seien, ist offensichtlich nur ein Gerücht. Laut den neuesten Statistiken des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung  IAB hat bereits jeder vierte der seit 2015 nach Deutschland gekommenen Migranten Arbeit gefunden(Quelle: welt.de). „Wenn sich der Beschäftigungszuwachs so fortsetzt, hat nach fünf Jahren die Hälfte der Zuwanderer eine Arbeit“, so Herbert Brücker, Leiter des IAB-Forschungsbereichs Migration. Am häufigsten schafften es Pakistaner, im deutschen Arbeitsleben Fuß zu fassen. Laut Bundesagentur für Arbeit hätten im Februar 2018 bereits rund 40 Prozent der pakistanischen Zuwanderer eine Arbeit gehabt. Auch bei Migranten aus Nigeria und dem Iran sei die Quote hoch.

Abgesaugt im Wurmloch

Um zu einem Ende zu kommen – was ich sagen wollte: Der aktuelle Putschversuch gegen Angela Merkel wird mit großer Wahrscheinlichkeit wieder scheitern. Denn die bayerischen Oktoberfestlöwen glauben in ihrer Naivität allen Ernstes, dass es hier mit rechten Dingen zugeht und man Probleme regeln könne wie mit einem Handschlag auf der Wies’n bei Bier und Brezen. Sie realisieren nicht, mit was für einer transatlantisch-außerirdischen Dimension sie es mit der Person Merkel zu tun haben: In astronomischen Begriffen müsste man von einem schwarzen Loch sprechen – und ein schwarzes Loch verschlingt bekanntlich schlichtweg alles, was in seine Reichweite kommt. Sogar vorbeiziehende Lichtstrahlen werden von ihrer ursprünglichen Bahn abgebogen und auf Nimmerwiedersehen in einem schwarzen Wurmloch verschluckt. Egal ob Zustimmung oder Kritik, alles, was in die Richtung des schwarzen Lochs geht, wird erbarmungslos abgesaugt und sorgt nur für noch mehr Masseakkumulation.

Bereits ein einmaliger Kontakt mit einem solchen schwarzen Loch kann verheerend sein. Deutschland muss ihm nun schon seit 13 Jahren täglich ins Gesicht sehen, befindet sich daher mittlerweile in einem derartigen Stadium der Zersetzung und Apathie, dass eigentlich nur noch die äußere Fassade steht (die zugegebenermaßen glänzend poliert ist). Im betörenden „Brummen“ des Wirtschaftsmotors hört niemand das gellende Lachen des nackten Wahnsinns, der bereits das Messer zur Mahlzeit wetzt, während wir wie mit einem Senkblei am Bein Richtung Meeresgrund in die digitale Transformation gezogen werden.

Wenn in dieser Situation jetzt nicht alle Basistriebwerke gezündet werden, um doch noch eine Schubumkehr zu schaffen – dann war’s das wohl  … und wir sehen uns wieder im Omega-8-Quadranten, in dem wir ausgespuckt werden, nachdem wir über das schwarze Wurmloch abgesaugt wurden. Was vielen allerdings nicht so gut schmecken wird: Der Spaßfaktor in diesem digital transformierten Quadranten wird nicht einmal halb so groß sein wie sich das manche Nerds auf Bento derzeit noch ausmalen (siehe Bento: „Ich bin Generation Merkel – und das ist auch gut so!“).

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Nachsatz: Wie die Bild-Zeitung bereits in dicken Lettern verlautbart hat, scheint das ganze Aufhebens um einen vermeintlichen „Merkelsturz“ in der Tat entbehrlich gewesen zu sein:
Nach einer Sonder-Fraktionssitzung der CDU verkündet Merkel, wozu der Vorstoß Seehofers und Söders geführt hat: „Ich fühle mich gestärkt.“

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