Dienstag, 26.2.2013. Eifel. Gestern erfuhr ich durch Zufall von Mißständen in meiner Wahlheimat. Ich darf aber nicht über sie berichten. Wie überall in Deutschland macht sich auch hier die Angst breit, was „DIE“ alles noch tun könnten. Einmal geht es um eine arbeitslose alleinerziehende Mutter, der man etwas ganz besonderes nahegelegt hat: sie solle doch mit Hinsicht auf ihre Wettbewerbsfähigkeit ihre beiden kleinen Kinder in Pflegefamilien abgeben uns selber erstmal ihre Wohnung kündigen – ihre Zukunft würde sich schon (ganz magisch) ganz von allein neu formieren. Wer das empfohlen hat, bleibt geheim – aber das ist auch erstmal egal. Schon allein die Tatsache, das Menschen wieder so denken – das absolute Primat der eigenen Vermarktbarkeit vor Vernunft, Mutterschaft und Kinderliebe – lässt einen erschauern, weil es einen Ausblick gibt auf die Tiefe der Degeneration deutschen Denkens. Die nächste Horrorstory kommt aus einem Kindergarten ganz in der Nähe. Dort hat die schwarze Pädagogik Einzug gefeiert, ohne dass sich die Öffentlichkeit zu wehren weiß. Die Kinder müssen morgens absolut still am Frühstückstisch sitzen, wer das Kinn auf seinem Arm abstützt, dem wird der Arm mit Gewalt auf den Tisch geknallt. Weint ein Kind, weil es sich nicht von der Mutter trennen kann, so stellt sich die Leiterin davor, äfft es nach und macht es vor der ganzen Gruppe lächerlich. Macht es dann immer noch Zicken, kann den Mund nicht halten oder macht sonst keinen devoten Eindruck – gibt es eben kein Frühstück. Deutschland 2013 – der Horror erreicht die letzten heilen Winkel des Landes und schreitet weiter fort. Wohin? Das kann man bei der FDP erfahren – doch davon später.
Angesichts einer Talkshow zu dem Buch „Ego“ von Frank Schirrmacher berichtet die Autorin Julia Friedrich über ihre Erfahrungen, siehe Spiegel:
Wie es in dieser neuen, nur noch von Konkurrenz und Effizienz und Vorteilsstreben geprägten Welt konkret zugeht, darüber wusste die junge Autorin Julia Friedrich zu berichten. Sie sprach von einem „Wettrüsten“ auf dem Bildungsmarkt, das bereits bei Kleinkindern einsetze, über das Fehlen aller Moral in den Kreisen etlicher Mitwirkender im großen Spiel, die sie bei den Recherchen für ihr Buch „Ideale“ getroffen hat. Da gab es diese jungen, klugen, netten Männer auf den Cayman Islands mit ihren dubiosen Geschäften, die sie nach solchen Dingen wie Verantwortung und Gewissen befragt hat. Anschließend habe sie „den Club der leeren Augen“ vor sich gehabt.
Dieser Club der leeren Augen wird auch in der ansonsten eher rückständigen und unmodernen Eifel herangezüchtet. Auch hier hat das Wettrüsten auf dem Bildungsmarkt unglaubliche Auswüchse erreicht, die auch mich als Vater und Philosophen vor unlösbare Probleme stellen: die optimale Anpassung an das System (eigentlich Aufgabe eines Vaters) kollidiert frontal mit der Tatsache, das sie nur unter völliger Vernichtung vieler wertvoller Charakterzüge (Nächstenliebe, Toleranz, Mitleid, Selbstverwirklichung, Empfindungsfähigkeit, Verantwortungsgefühl, Gemeinschaftssinn – um nur einige zu nennen) möglich ist. Der Vater verliert in diesem Spiel immer, weil die Reduktion von Empfindungsfähigkeit in breiter Front eine signifikante Abnahme der Lebensqualität bedeutet und deshalb für liebende Eltern unmöglich zu tolerieren ist – es sei denn, man fühlt sich wohl dabei, einen „Robota“ in die Welt gesetzt zu haben – slawisch für „Frondienst“ und „Zwangsarbeiter“.
In dieser Talkshow kam aber noch jemand anders zu Wort – die FDP, die sich an die positiven Seiten ihrer liberalen Tradition erinnert:
Fast wie ein Linker klang derweil der Altliberale Gerhart Baum, der die zunehmende Unbarmherzigkeit und Kälte beklagte und befand: „Die Fixierung auf die Märkte hat uns in die Katastrophe geführt.“ Schirrmachers Buch sei ein „Augenöffner“ für den Blick auf das neue Zeitalter, das ihn fasziniere, aber auch erschrecke. Es drohe angesichts der nicht nur kommerziellen, sondern auch staatlichen Datensammlungen ein „Weltpolizeistaat“.
Ein „Augenöffner“, der auf den vielen politischen Blogs in diesem Land schon längst Alltag ist. Der Marsch in einen globalen Polizeitstaat unter US-Führung ist unaufhaltsam – seit dem 11.9.2001. Nicht umsonst ist vielen dieser „Zufall“ zu zufällig, zumal schon ganz offen der Wunsch nach einem neuen „Pearl Harbour“ geäußert wurde.
So etwas kann in einer ganz normalen deutschen Talkshow inzwischen geäußert werden. Da wir aber hier inzwischen mehr so dieses Sozialarbeiterkuschelfeeling etabliert haben („gut, das wir mal drüber geredet haben„) erschöpft sich der Widerstand gegen diese Entwicklung in Worthülsen. Dabei steht der Untergang der gesamten abendländischen Tradition auf dem Spiel, unser aller Wohlstand und erst recht der Frieden. Wir hätten allen Grund, gleich morgen zum Generalstreik aufzubrechen. Das tun wir aber nicht. Streik für die Demokratie? Undenkbar. Für mehr Geld – immer. Aber für eine gerechtere Welt? Da bleiben wohl nur die Arbeitslosen als letzte Hoffnung – und die sind in Deutschland in breiter Front entrechtet worden, damit die ihre Freizeit nicht in politische Arbeit investieren.
Hören wir doch einfach mal den DGB-Chef Sommer zur globalen politischen Lage – hier in einem Interview im Stern vom 21.8.2004 zum Thema Hartz IV:
Was einige noch nicht kapiert haben, ist, dass es eine informelle, eine ganz große Koalition in Deutschland gibt.
Diese ganz große Koalition reicht von FDP, SPD über die Union und die Grünen zur PDS, wenn sie in Regierungen sitzt. Und sie reicht vor allem weit in die Medien hinein.
Ja, es herrscht eine bemerkenswerte Einfallslosigkeit, ein verblüffender Gleichklang. Es gibt doch in den großen deutschen Blättern kaum noch einen Wirtschaftskommentator, der über Umverteilung, einen modernen Keynesianismus schreibt und ernsthaft über Alternativen nachdenkt. Die neue Heilslehre heißt unisono Neoliberalismus – und niemand wagt, sie infrage zu stellen! Stattdessen wird rituell die Entfesselung des Marktes verlangt, und die Rettung aus der Krise heißt: Sozialabbau. Den Arbeitgebern ist es mit Initiativen wie der „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“gelungen, den Sozialstaatsgedanken systematisch zu stigmatisieren.
In der Tat: zwei Monate nach dem Interview veröffentlichte der Stern einen Artikel von Arno Luik, den ich für den bedeutendsten Artikel in Deutschland halte, der damals geschrieben wurde – in der Einführung hat sich der Chefredakteur auch für den Artikel entschuldigt. Immerhin können die Jungs vom Stern aber jetzt sagen: wir haben es gesagt, hier noch lesbar bei Tacheles:
Verteidigen also die CDU/
SPD/CSU/FDP/Grünen-Politiker ihre
Reformphilosophie deshalb so vehement, weil sie wissen, dass sie einen
Putsch von ganz oben machen? Einen
Putsch? Ja, die Agenda 2010 und Hartz
IV sind Chiffren für den konzertierten
Angriff von ganz oben auf den Sozialstaat. Sie nennen es „Umbau“ – doch die
Wortwahl kaschiert nur den qualitativen
Sprung in ein anderes Gemeinwesen.
Die Berliner Republik steht für den Abschied von der Solidargemeinschaft.
Und nichts wird von den grundgesetzlich festgeschriebenen Idealen bleiben –
außer auf dem Papier und gelegentlich
noch in schönen Reden.
Und so herrscht nun eine fast hysterische Zerstörungslust. Strukturen, die
über Jahrzehnte mühsam aufgebaut
wurden, werden demontiert, sämtliche
sozialen Sicherungen werden abgebaut;
nahezu alles, was politische Bewegungen in mehr als 100 Jahren
(Kündigungsschutz, Ausbildungs- und
Mitbestimmungsgesetze usw.) für die
Staatsbürger erkämpft haben, wird nun
verteufelt.
Ein Putsch von oben – ganz offen durchgeführt. Der DGB weiß es, Journalisten wissen es – aber die gesamte Gesellschaft schweigt, weil man weiß, das „DIE“ sehr mächtig sind. Übermächtig. Darüber kann auch offen gesprochen werden, wie zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung, in der viele Stimmen die Radikalisierung des öffentlichen Rundfunks fordern:
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss vom Einfluss der politischen Parteien befreit werden. In seinen Gremien sollten Vertreter gesellschaftlicher Gruppen sitzen, keine Regierungsmitglieder oder Abgeordneten. Nur so ist sichergestellt, dass Kritik an Politikern, Parteien und politischen Entscheidungen möglich ist. Dann würden keine Landtagsabgeordneten mehr „Vorschläge“ zu Programminhalten unterbreiten, und es würden nicht mehr die immerselben Abgeordneten in den Talkshows sitzen. Dann wäre es auch nicht mehr möglich, dass Verträge politisch unliebsamer Journalisten nicht verlängert werden, wie es dem ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender erging.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss nicht nur staatsfrei sein, damit er nicht zum Propagandainstrument verkommen kann, sondern er muss auch dem Parteienproporz entzogen werden, weil nur dann die Freiheit der Meinungsäußerung geschützt ist.
Das meint Professor Joachim Wieland. Darf ich aus diesen Forderungen eine Beschreibung des „Ist-Zustandes“ ableiten? Das würde ungefähr so lauten:
Öffentliche Medien in Deutschland werden von einer kleinen Gruppe von Parteifunktionären vollständig kontrolliert, Widerstand gegen die Kontrolle wird durch Entzug des Arbeitsplatzes bestraft, Fernsehen ist zum Propagandainstrument verkommen.
Das merken Journalisten, Gewerkschafter und Professoren, aber das Ergebnis dieser Erkenntnis ist gleich Null, weil in Deutschland schon längst ein System totaler Kontrolle aufgebaut wurde. Die meisten Deutschen haben (von McKinsey und Konsorten ausgebildete) „Unternehmer“ und ihre Büttel als Vorgesetzte – und wer das nicht hat, bekommt vom Staat einen Fallmanager gestellt. So ist sichergestellt, das man jeden, der aus der Reihe tanzt, wirtschaftlich sanktionieren kann – bis hin zu Obdachlosigkeit und zum Tod durch Hunger und Kälte.
Immer mehr Menschen stolpern zielgerichtet in die Hartz-Falle, in der man ihnen nebenbei einige zentrale Menschenrechte aberkennt, ohne das die Medien ihre Wächterfunktion wahrnehmen. Wie auch – Propagandainstrumente haben keine Wächterfunktion mehr … mal abgesehen von gelegentlichen Feigenblätter, die dazu dienen, die Rundfunkgebühren und die eigene Existenz zu legitimieren. Deutschland wird zum Dritte-Welt-Land umgebaut, siehe Spiegel:
Weil ihr Arbeitslosengeld zum Leben allein nicht ausreicht, sind inzwischen etwa ein Zehntel der kurzzeitig Erwerbslosen einem Zeitungsbericht zufolge zusätzlich auf Hartz IV angewiesen. So gab es im Oktober bundesweit 83.118 Menschen, die zusätzlich zu ihrem Arbeitslosengeld I auch noch Hartz IV beziehen mussten. Ein Jahr zuvor lag diese Zahl bei nur 73.178 – ein Anstieg um 14 Prozent, berichtet die „Saarbrücker Zeitung“ unter Berufung auf aktuelle Zahlen derBundesagentur für Arbeit (BA).
Die Bundesanstalt für Arbeit zahlt währenddessen Spitzengehälter, baut luxuriöse Verwaltungspaläste und erwirtschaftet aus dem Einsparen von Versicherungsleistungen Gewinne für die Bundesregierung, mit denen die dann erfolglose Neureiche subventionieren kann.
Wer sich nun fragt, ob das ganze Gesamtbild nicht fatal an eine Verschwörung erinnert, wird schnell merken, das der Propagandafunk gerade diese Frage mit einem großen Tabu belegt hat – ganz einfach, weil hinter der Entwicklung ein gezielter und gewollter Putsch steht, der umso länger und erfolgreicher durchgeführt wird, je weniger sich die Bürger darüber bewußt werden.
Wir sind uns auch der Folgen dieses Putsches deutlich bewusst: es geht nicht nur um Hartz IV. Die gesamte deutsche Ökonomie ist Ziel des Angriffs, siehe Klartext:
Der ausufernde Niedriglohnsektor verändert auch den Einzelhandel. Minderwertige und billige Produkte, weder nachhaltig noch nach Prinzipien menschenwürdiger Arbeit produziert, werden von immer mehr Discountern angeboten. Deutsche Unternehmen mit hochwertigen und dadurch teuren Produkten geraten so unter Druck. Werden Niedriglohnpolitik und Ramschökonomie die neuen Exportschlager „Made in Germany“?
Die wachsende Armutszone spaltet auch den deutschen Einzelhandel. Die Gutverdiener können sich hochwertige Güter und Bio-Produkte leisten. Doch die Abgehängten sind meist auf Ein-Euro-Shops und Discounter für Textilien und Lebensmittel angewiesen. Allmählich entsteht ein Markt für minderwertige und billige Produkte, eine Ramschökonomie, die weder nachhaltig noch mit Prinzipien menschenwürdiger Arbeit zu vereinbaren ist. Die Ramschökonomie fordert auch die deutschen Unternehmen mit ihren hochwertigen, technologieintensiven, aber teuren Produkten heraus. Denn Innovationen, komplexe und nachhaltige Produkte werden immer weniger rentabel, wenn die Nachfrage schleichend schwindet.
Das bedeutet aber auch schlichtweg des Ende der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Eigentlich historische Zeiten – Arbeiter, Unternehmer, Arbeitslose, ja sogar die Kirche murren über die Zustände, siehe Bischoff Zollitsch bei Wikipedia:
Auf Distanz ging er im gleichen Interview zur CDU, sie habe sich „stärker neoliberalen Thesen angenähert“ und stehe dabei „in der Gefahr, die soziale Marktwirtschaft oder das Soziale nicht mehr genügend im Blick zu haben.“ Die Nähe zwischen CDU und katholischer Kirche sei „deshalb geringer geworden“ und andere Parteien wie SPD und Grüne nähmen „Dinge, die uns wichtig sind, stärker auf als früher“.
Wer so die historische Allianz zwischen Kirche und Kapital in Deutschland in Frage stellt, muss sich nicht wundern, wenn er auf einmal als Kinderschänder öffentlich an den Pranger gestellt wird, während andere Kinderschänder ungestraft davonkommen.
Dabei ist das eins der Elemente, das „DIE“ zusammenhält: das Versprechen, das in der Neuen Weltordnung alle Gelüste der Reichen sofort und ohne jegliche moralische Bremse erfüllt werden. Der BBC-Skandal um den Kinderschänder Jimmy Savile (siehe FAZ) fördert schon wieder Netzwerke von Kinderschändern zutage, Popstars, Komödianten und Publizisten geraten zunehmend ins Visier der Ermittler – und man kann schon jetzt vermuten, das die Ermittlungen wie im Fall der portugiesischen oder belgischen Kinderschänder ganz schnell ein Ende finden … obwohl es hinreichend Anzeichen für eine internationale Pädophilenkaste im Bereich der Mächtigen gibt, die systematischen Missbrauch betreiben.
Vielleicht auch ein Grund dafür, das man Frauen empfiehlt, ihre Kinder in „Pflege“ zu geben, damit sie besser arbeiten können.
Ich wäre ja geneigt, das Gerede um groß angelegte Verschwörungen in den Bereich hysterischer Reaktionen auf Krisen zu verbannen, gäbe es nicht mehr als hinreichende Beobachtungen zu ganz konkreten, öffentlich weit bekannten „Steuerungsinstrumenten“ : Atlantikbrücke , Bilderbergertreffen oder die trilaterale Kommission, die nur in erstklassigen (aber inzwischen leider eingestellten) Politkblogs der Öffentlichkeit präsentiert wird, siehe TheIntelligence:
Noch seltener als die Bilderberg-Gruppe findet die Trilaterale Kommission in der Öffentlichkeit Erwähnung, obwohl sie durch Namen wie Rockefeller, Kissinger, Sutherland oder auch Klaus-Dieter Frankenberger von der FAZ glänzt. Wer findet sich noch in der Liste der ständigen Mitglieder? Lucas Papademos, der neue Chef der Regierung Griechenlands. Und wer führt den Vorsitz? Mario Monti, der nach Berlusconis Rücktritt nun mit der Bildung einer neuen Regierung in Italien betraut wurde. Die Trilaterale Kommission ist eine private Vereinigung, in der sich eben „zufällig“ 300 weltweit überaus einflussreiche Menschen zusammen finden. Wer würde sich dafür schon interessieren?
Nebenbei gibt es aber auch noch eine Flut von informellen Netzwerken, die Deutschland nach und nach zersetzen.
Und wo finden wir aktuell die Putschisten wieder?
Einerseits in der Befürwortung der großen transatlantischen Freihandelszone, die den mit niedrigen Energiekosten bevorteilten US-Unternehmen freien Zugang zu den europäischen Märkten garantiert.
Andererseits in der Wahlberichterstattung über die Wahl in Italien. Der Wähler hatte dort die Nase voll – und wählte interessante Alternativen, siehe Spiegel:
Sie wettern gegen Wasserprivatisierung, wollen die enormen Diäten der Abgeordneten halbieren und das Volk über einen Euro-Austritt abstimmen lassen. Aber vor allem wollen sie die „korrupten Politiker“ überwachen.
Hinter der Bewegung steht ein TV-Star, der die Macht der Politik in den Medien deutlich zu spüren bekam, siehe Wikipedia:
Der Gründer der Bewegung Beppe Grillo zählte in den 1980er Jahren zu den bekanntesten TV-Entertainern Italiens. Seine Auftritte hatten mitunter politische Züge bis hin zur Satire, wobei er italienische Politiker direkt angriff. Auf deren Betreiben erhielt Grillo ein faktisches Auftrittsverbot im italienischen Fernsehen.
Außerdem verspricht die Bewegung Geld für alle, ebenfalls Spiegel:
Grillo lobte 1000 Euro im Monat als Grundeinkommen für jeden Italiener aus. Doch vor allem wollen sie „korrupte Politiker“ kontrollieren. Sie sind gegen das System, gegen die Massenmedien, gegen die Feinde, die überall lauern. Der Zorn der Straße sitzt nun im Parlament.
Und wie reagiert der deutsche Propagandafunk? Nun – wie die Süddeutsche:
Nun regieren wieder der Populismus, das Geschrei und die Lüge. Fast schon muss man dankbar sein, dass die längst überfällige Wahlrechtsreform nicht umgesetzt wurde. Sie hätte vielleicht die Kräfteverhältnisse auch im Abgeordnetenhaus zugunsten der Populisten Grillo und Berlusconi verschoben.
„Populismus“ – ein Synonym für Demokratie, die in Deutschland selbst immer verpönter wird. Immer, wenn das Volk anders wählt, als die Bundesregierung wünscht (siehe FAZ) droht die „große Instabilität“ (siehe Manager-Magazin), das ganze italienische Wahlsystem wird als „Schweinerei“ bezeichnet (siehe Spiegel). Italien wählt das Chaos (siehe Handelsblatt) und der DAX (eigentlich nur interessant für einige wenige Großanleger) bestraft auch das deutsche Land durch Talfahrt (ebenfalls: Handelsblatt).
Die Putschisten sitzen in Deutschlands Medien immer noch fest im Sattel und üben über den wirtschaftlichen Hebel totalitäre Macht aus.
In Italien gelang es einem Komiker, mithilfe von Blogs eine starke gesellschaftliche Kraft zu etablieren, die vor allem eins zum Ausdruck bringt: den absoluten Willen, den Putsch, der in Deutschland die Demokratie und den Sozialstaatsgedanken ausgelöscht hat, in Italien zum Stehen zu bringen.
Wäre das in Deutschland auch nur denkbar?
Eher nicht. Uns ist die Rolle des neoliberalen Musterländles zugeteilt worden – und wieder soll „am deutschen Wesen die Welt genesen“. Zumindest die europäische Welt.
Am Ende steht ein verharzter Kontinent, beherrscht durch ein paar vernetzte Lakaien des Superkapitals, die via Medienmacht jede gesellschaftliche Bewegung im Keim ersticken – wie es ein Johannes Ponader beim Millionär Günter Jauch erleben durfte.
Wollen wir das wirklich?
Nein.
Aber wir finden keine Format der bürgerlichen Gegenwehr.
Uns fehlen dazu die Komiker.
Mitte der siebziger Jahre las ich eine interessante Studie über Krankenhäuser. Demnach wäre die sterile Klinikatmosphäre samt weißer Farbe ganz schlecht für die Genesung. Man hatte darauf reagiert, es kam Farbe in die Kliniken. Doch was lese ich heute, vierzig Jahre später in der Welt?
Lange, graue Krankenhausflure und ein beißender Desinfektionsmittelgeruch setzen Kranken zu: Architekturpsychologen plädieren für schönere Krankenhäuser.
Was war in den letzten vierzig Jahren geschehen? Was war denn mit der Legende vom „Fortschritt“, jener Legende, die Grundlage unserer Kultur sein soll? „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ – so hieß es doch. Wieso stehen wir drei Jahre nach der größten Wirtschaftskatastrophe der Nachkriegszeit vor einer neuen großen Wirtschaftskatastrophe?
Der Grund für diese Entwicklung ist einfach – und der gleiche, warum Krankenhäuser krank machen anstatt gesund: Wissen wird ignoriert.
In den siebziger Jahren lernten wir auch im Wirtschaftsunterricht, dass die Börse nur ein Teil der Finanzwirtschaft ist – und der DAX wiederum nur ein Teil der Börse. Wir lernten, das die Börse mit Vorsicht zu genießen sei, weil sie völlig irrational ist und die größte Geldvernichtungsmaschine der Menschheit. Wir als junge Unternehmer täten gut daran, die Börse zu meiden – eine kleine Irritation in der Psyche der Anleger … und schon ist die Firma dahin. Sinkt der Börsenwert, sinkt die Kreditwürdigkeit und je nach Rechenmodus der Bank kann man auf einmal Pleite sein, obwohl das Geschäft toll blüht.
Dann kamen die achtziger Jahre und irgendwer entschied, die Börse zu GOTT zu machen. Ein Gott des Wahnsinns, der über Kinderleichen geht, wenn es nur der Rendite nützt. Auf einmal kamen in jeder Nachrichtensendung Nachrichten vom DAX – die anderen Finanzmärkte wurden unterschlagen. Die Deutschen – eigentlich ein Volk von Aktienmuffeln – wurden „umerzogen“. Das „Umerziehung“ geht, hatte man schon mal bewiesen – warum also das Ganze nicht nochmal anstellen, diesmal für einen ganz anderen Zweck? Immerhin waren private Fernsehanstalten auf einmal – per Entscheidung – möglich und man konnte die dümmsten Inhalte über das Volk ausschütten ohne dafür ins Gefängnis zu kommen.
„Ob das mal gut geht“ meinte meine Ex-Frau zu mir. Sie hatte Angst vor Zuständen wie 1933.
„Klar geht das gut“ meinte ich, „es gibt so viele Sicherheitsmechanismen, die uns vor der Weltwirtschaftskrise schützen, da kann gar nichts schiefgehen“. Ich war mir da ganz sicher, weil ich mir sicher war, das die Menschheit nicht so blöd sein konnte, zumal Karl Marx den Pleiteautomatismus des Kapitalismus ja schon hundert Jahre zuvor detalliert beschrieben hatte.
Dann kam rot-grün und baute erstmal die Sicherheitsmechanismen ab … wie auch die anderen Regierungen weltweit.
Wer hat denen das angeraten? Wer hat seine Lobbyisten weltweit ausgeschickt, um diese Überzeugungsarbeit zu leisten? Solche drastischen Entscheidungen mit lebensbedrohlichen Konsequenzen fällt doch kein klar denkender Mensch – jedenfalls nicht ohne ausreichend Bestechungsgeld in der Tasche.
Kurze Zeit später hatten wir die erste Wirtschaftskrise, jetzt folgt die zweite: die USA verlieren ihre Top-Bonität … obwohl sie nicht zahlungsunfähig geworden sind.
Sie sollten – ich hoffe, man erinnert sich noch an die Nachrichten drei Wochen zuvor? – die Topbonität verlieren, wenn sie zahlungsunfähig geworden sind.
Jetzt können sie zahlen – verlieren aber trotzdem ihre Bonität.
Man fragt sich: warum lese ich diesen ganzen Dreck eigentlich noch?
Lieber … mache ich mir meine eigenen Gedanken., denn mit „Fortschritt“ hat das alles nichts mehr zu tun. Vorbei die Hoffnung, das wir aus der ersten Weltwirtschaftskrise (plus KZ und Weltkrieg) genug gelernt haben … also, „wir“ vielleicht, aber „die“ nicht.
Ja, genau, jene „die“, über die immer so gerne gespottet wird. Jene „die“, die man in Wirtschaftskreisen gerne knapp und einfach „Entscheider“ nennt. Wer in der Wirtschaft tätig ist, der kennt sie … und er weiß, das „Entscheider“ mit „Demokratie“ nichts am Hut haben, sie sind „Macher“ und keine „Diskutierer“. Es sind Menschen, die konkrete Entscheidungen gefällt haben – und immer laut „Verschwörungstheorie“ brüllen, wenn man ihnen zu nahe kommt.
Die Entscheidungsprozesse auf oberster Konzernebene bekommen wir nicht mit, ebensowenig die strategischen Pläne und die Finanzierungen. Wir bekommen nur mit, das das gelbe M von McDonalds auf einmal bundesweit die Nacht erhellt, obwohl uns niemand gefragt hat, ob wir das überhaupt wollen. Da hat jemand entschieden, die deutsche Pommesbude „platt zu machen“, jemand anderes hat dafür das Geld gegeben, damit der Konzern überhaupt erst in der Lage ist, den Markt aufzurollen.
Ohne Kredite wäre da nichts gelaufen …. ohne Kredite und weiteren Entscheidern, die den Blick des Volkes auf den DAX richten und die Medien dazu verpflichten, auf jeden Fall Rücksicht auf die Psyche der Anleger zu nehmen: das verteilen von Beruhigungspillen war angesagt („Aufschwung“, „keine Arbeitslosigkeit“, „Rekordgewinne“ hießen in den letzten zwei Jahren einige) – und diese Pillen gehen laut „Welt“ jetzt zur Neige, weshalb der DAX die schlimmsten Verluste seit der Lehmannpleite hinnehmen mußte.
Diese Entwicklung kommt nicht aus dem Nichts – es gibt konkrete Täter, die die Wirtschaft in Gefahr bringen. Man braucht auch nicht lange suchen, um sie zu finden. Im Manager Magazin redet man offen über sie:
Die Attacken kommen eindeutig aus London und New York. Es sind große Hedgefonds, die ihre Spekulationsmacht einsetzen.
Sie haben auch die Macht, die „Presse“ zu kaufen – zur Not kaufen sie ganze Sender, um ihre Meinungen unter das Volk zu streuen und den DAX als GOTT in jedes Wohnzimmer zu bringen.
So etwas nennt man gemeinhin „Verschwörung“.
Wir brauchen nicht diskutieren, ob es Verschwörungen gibt oder nicht – es ginge höchstens darum, ob die zusätzlich zu allem Elend auch noch „nine-eleven“ selbst verursacht haben. Menschen, die in Afghanistan Frauen und Kinder mit Bomben ausrotten, würde ich das allerdings zutrauen. Das so etwas geschieht, zeigt, welches moralische Niveau die „Entscheider“ haben … und weil das sehr niedrig und menschenfeindlich ist, dürfen wir vierzig Jahre nach der Erkenntnis, das weiße sterile Krankenhausflure krank machen, uns wieder über die Erkenntnis freuen, das weiße sterile Krankenhausflure krank machen: „Entscheidern“ ist es vollkommen egal, wo sie den menschlichen Abschaum zwischenlagern. Man darf mal drüber diskutieren, was schön wäre, aber entschieden wird anders – so lautet ja im Prinzip auch das ganze Parteiprogramm der modernen SPD, der Grünen und der CDU-FDP-Regierung.
Das der Crash 2011 kommen wird, war oft genug nachzulesen – auch an diesem Ort. Die Menschen wissen das auch … es spiegelt sich wieder in ihren Entscheidungen, ein Kind zu bekommen, siehe Welt:
Frage man junge Leute, welche Bedingungen erfüllt sein müssten, bevor sie ein Kind bekommen, würden in Deutschland viel mehr Kriterien genannt als in Frankreich. Abgeschlossene Ausbildung, ein sicherer Job, ein ausreichendes Einkommen mindestens eines Partners sollten nach Ansicht der meisten vorhanden sein.
Und da eine wirtschaftlich sichere Zukunft völlig illusorisch ist in einem Land, in dem Konzerne politisch unbequeme Entscheidungen mit Massenentlassungen abstrafen dürfen, bekommen nur noch Idioten, Idealisten oder Betrunkene Kinder.
Der Rest wartet erstmal den totalen Zusammenbruch der Versorgungssysteme ab und möchte „in so eine Welt keine Kinder setzen“.
Wie bitte? Die Welt war 1945 schlimmer dran, als alles in Trümmern lag?
Nein. Damals nämlich … ging es bergauf. Das macht Hoffnung.
Für uns geht es jetzt bergab … und wir werden sehen, ob überhaupt etwas übrig bleibt, was aufzubauen ist.
Was wir unseren wenigen überlebenden Kindern mitteilen sollten, ist: „Das waren Entscheider – und keine unberechenbaren Naturkatastrophen“.
Mit etwas Mühe könnte man sogar ihre Namen herausfinden, die ansonsten vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten werden. Es sind sie, die den „Entscheidern“ die Jobs geben – oder dachte man bislang etwa, Chef von Goldman-Sachs oder Standard & Poors wird man per Lotterielos? Da gibt es strenge Auswahlverfahren wie bei jedem Job oder bei den Aufnahmen im Bohemian Grove oder bei den Bilderbergen – nur erfahren wir die Kriterien nicht. Die kennen nur „die“.
Natürlich kann man daran glauben, das alle Entscheider nur rein zufällig in die gleiche Richtung entschieden haben. Des Menschen Glauben ist sein Himmelreich.
Aber wie Hartz IV ist die momentane Krise kein Zufall. Arno Luik sprach in einem Stern-Artikel aus dem Jahre 2004 von einem Putsch von ganz Oben – und seitdem gibt ihm die politische Entwicklung recht – nicht nur in Deutschland.
Ich denke nur – die Entscheidungen wurden früher getroffen. Das ist der Grund, warum wir keinen „Fortschritt“ mehr haben … und vielleicht mit ein Grund, warum „Natur“ anfängt, verrückt zu spielen, siehe Welt:
Wie in Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ fallen hunderte Kolkraben bei Türkheim im Unterallgäu immer wieder über die Lämmer und Schafe von Bioschäfer Franz Rehle her. Seit November seien bereits 40 Lämmer und 5 Mutterschafe getötet worden
Ob es helfen würde, davon zu träumen, das die Vögel vielleicht für uns die Entscheider ausfindig machen, damit die Welt endlich wieder einem natürlichen Gang folgt?
Wenn alles so weiter geht, werden wir bald beten müssen, das es außer dem DAX noch einen anderen Gott gibt, der auch die Vögel im Zaum halten kann, denn GOTT DAX ist ungnädig … und vor allem: unfähig, der Menschheit zu dienen.
Er dient nur den Entscheidern, die jetzt gerade mal wieder ganz billig Realwirtschaft für wenig Geld erwerben können – erst recht, wenn die Kurse noch so richtig schön nach unten sausen.