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Von einem der auszog in die SPD einzutreten: ein Livebericht aus der real existierenden Demokratie


Samstag, 10.2.2018. Eifel. Ja – was für turbulente Zeiten. Als ich gestern nebenbei die ganze Aufregung über den Außenminister Schulz las, wusste ich schon, dass er gar nicht Außenminister werden wird: da hat er seine Kritiker ganz schön veräppelt. Die waren noch völlig im Aufregermodus – er war schon im Abgang. Ja – Groko. Erst ausgeschlossen, jetzt ist sie wieder da. Schon irre: beide Parteien haben die schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte eingefahren, sind vom Wähler massiv abgestraft worden … und entschließen sich begeistert für ein „weiter so“! Wahnsinn, oder? Menschen lernen aus Fehlern, sagt man. Haue ich mir mit einem Hammer auf die Hand, habe ich eine wichtige Lernerfahrung – das mache ich nach Möglichkeit nicht nochmal. Anders die Groko: die hauen mit voller Wucht noch mal drauf. Anstatt mal mehr Demokratie zu wagen: lieber weiter Obrigkeitsstaat, diesem sogar mir einer ganz besonderen Note, die man im Protokoll der Sondierungsgespräche findet (siehe Tagesschau):

„Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“

Steht ganz am Ende des Sondierungspapieres. Soviel zur Freiheit des Gewissens der Abgeordneten: wir schicken nur noch Stimmvieh nach Berlin. Wahlvieh wählt Stimmvieh für … eine winzig kleine Minderheit der Akteure, die fest in Netzwerken stecken, über die wir nicht mehr reden dürfen, weil wir sonst Verschwörungsnazis sind. Lesen Sie den Satz mal ganz genau – also: den zweiten. Die müssen jetzt alle für Merkel stimmen (deren Kanzlerbonus bleibt ja unangetastet, weiterhin liegt die Richtlinienkompetenz bei ihr), auch bei den Punkten, die nie Gegenstand der Verhandlungen waren! Ja: das ist real existierende Demokratie in Deutschland. Kennen Sie den Begriff noch? Ja, als das Volk der DDR merkte, dass ihr Staatsapparat so gar nichts mit dem sozialistischen Ideal von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu tun hatte und das aus den Revolutionswirren nur eine neue Feudalgesellschaft – diesmal aus Parteiselektion anstatt aus Ahnenvergötterung resultierend – entstanden war, gab es einen neuen Begriff für´s Ganze: den real existierenden Sozialismus. Auf deutsch: heißt neu, ist aber alt. Soviel Sozialismus, wie die neuen Typen an den unveränderten Machthebeln eben an Sozialismus erlauben. Und: und wir haben eben real existierende Demokratie: soviel Demokratie eben, wie die aktuellen Machthaber uns gerade erlauben.

Das ärgert natürlich immer mehr Menschen. Manche sogar maßlos, dass sie zum Äußersten bereit sind. Ich habe zufällig nebenbei mal überlegt, ob es eigentlich noch irgendetwas Markantes über die SPD zu sagen gibt, irgendetwas, für das die wirklich steht: mir fiel absolut nichts ein. Die Partei steht inzwischen für ein absolutes Garnichts – und ist überflüssig wie ein Kropf. Keine Zukunft, keine Visionen, keine markanten Persönlichkeiten … eine Partei für gut besoldetet Staatsbedienstete aus dem Biedermeierzeitalter, die mal so was richtig wildes, mutiges tun wollen – die rebellisch bis zum Äußersten sind und sich wie Che Guevarra, Fidel Castro und Christus in einer Person fühlen, wenn sie mal … ihr Kreuz bei der SPD machen anstatt da, wo es angesagt ist. Doch … da habe ich mich geirrt. Eins hat die SPD immer noch: sie fragt ihre Mitglieder. Ja: das muss man ihnen lassen: die fragen nach. Und handeln sich dafür Riesenärger ein (siehe Tagessspiegel):

„Und es ist auch überhaupt nicht einzusehen, warum den SPD-Mitgliedern, die nur 0,7 Prozent der Wahlberechtigten insgesamt ausmachen, das Privileg eingeräumt wird, in einer Art zweitem Wahlgang über die Bildung einer neuen Regierung abzustimmen. Insofern kann man auch nicht argumentieren, dass es sich dabei um eine rein innerparteiliche Angelegenheit handelt.

Die Vorgehensweise der SPD beschleunigt darüber hinaus die Entparlamentarisierung der politischen Entscheidungsprozesse und untergräbt den in der Verfassung verankerten Grundsatz der repräsentativen Demokratie. Denn die Abgeordneten des Deutschen Bundestags sind nach Artikel 38 Grundgesetz „Vertreter des ganzen Volkes“ und nicht der SPD-Basis.“

Ja: und als Vertreter des ganzen Volkes sollen die gefälligst machen, was Merkel will – die eine, die unantastbare, die alternativlose Figur an der Spitze … und nicht, was die Parteimitglieder wollen. Wo kämen wir da hin, wenn der Pöbel mitreden darf! Die CDU ist da deutlich Führerorientierter, die wissen, dass Deutschland einen braucht, der sagt, wo es langgeht – und Frau Klöckner erzählt uns gern, wie das in der CDU gesehen wird (siehe Spiegel):

„Wir haben eine klare Führungsbeschreibung bei uns. Wir delegieren unsere Verantwortung nicht einfach an Mitglieder, denn das wäre auch nicht ganz fair, denn wir haben ja tagelang verhandelt, sind in die Details reingegangen, und würden dann einem Mitglied zumuten, einmal Daumen hoch, einmal Daumen runter, ohne all diese Informationen, die wir ja hatten.“

Ja, unsere real existierende Demokratie … was für ein schwacher Abglanz dessen, was die Vertreter des Grundgesetzes als Vision einer freien, offenen Gesellschaft hatten. Nun – das hatten denen ja auch andere vorgegeben. Allerdings … gab es einige Bürger, die sich sagten: so, wir machen jetzt mal mit bei der Demokratie. Wenn man über die Groko – die ja vor der Wahl ausgeschlossen wurde – innerhalb der SPD nochmal abstimmen kann, dann treten wir da ein und machen das einfach! Zack! Dachten die sich.

Einen von den mutigen Gesellen kenne ich seit langer Zeit: Frank Schneider. Er wollte in der Tat in der SPD Demokratie wagen … und erlebte die real existierende Demokratie. Ein Intellektueller in der SPD – das wäre ja mal was gewesen. Aber: lesen Sie selbst, Frank hat freundlicherweise seine Erlebnisse aufgezeichnet und mir zur Veröffentlichung geschickt (ich habe aus Gründen der Lesbarkeit auf den üblichen Kursivsatz bei Zitaten verzichtet):


 

„Von einem, der auszog Genosse zu sein und zum Terrier wurde

Diese Geschichte begann damit, dass ich aus einer Laune heraus dem Aufruf der NoGroko-Bewegung auf Facebook folgte und online in die SPD eintrat. Die Rückbestätigung der Bundeszentrale kam auch prompt, alles Weitere passiere dann auf Regionalebene. Danach tat sich jedoch erstmal lange nichts, bis schließlich eine Mail eintrudelte, die einer Absage sehr nahe kam. Also habe ich bei der SPD-Geschäftsstelle Würzburg angerufen. Eine freundliche Dame am anderen Ende der Leitung, das muss ich schon sagen. Natürlich fragte ich, an welcher Stelle es denn Bedenken gebe, ob ich zu den SPD-Wertevorstellungen passe. Ja, meint sie, man habe auf Facebook recherchiert und außerdem bestehe die Furcht vor AfD-Leuten, die jetzt in die Partei kommen wollen. Ich so: „Aber ich habe die Deutsche Mitte angegeben und diese Angabe war außerdem freiwillig?“ Ja, auf deren Seite habe man eine Faust entdeckt. Natürlich bin ich nach dem Telefonat wenigstens mal auf die Bundesseite von denen gegangen – von einer Faust war weit und breit nichts zu sehen. Wir plauderten weiter und dann erzählte sie mir, dass es wohl zeitnah keine Treffen meines Ortsverbandes geben würde. Aber in der Email stand ja „Der Ortsverein würde es begrüßen, Sie bei einer SPD-Ortsvereinssitzung bzw. Stammtisch persönlich kennen zu lernen.“ Ich brummte in den Hörer und die Dame bot mir an, ich könne ja am 23.2.18 zu einem Treffen für Neumitglieder kommen. Ich: „Aber bis dahin bin ich ja womöglich noch gar nicht Mitglied.“ „Naja, was Neumitgliedschaften angeht, hat der Ortsverein die Hoheit“, erklärte sie mir. Und fügte hinzu, dass sei mir wahrscheinlich zu spät wegen dem 8. Februar, oder? Milde erklärte ich ihr, dass die Teilnahmefrist auf den sechsten Februar festgelegt worden sei. Ach, ah ja, stimmt. Nun – sie hat mir versprochen den Ortsvorsitzenden, auf dem Handy anzurufen, vielleicht ginge ja doch etwas Zeitnahes.

WTF? So sieht Realsatire aus …

Abends, kurz vor acht, ich rufe den Ortsvorsitzenden an. Ich erkläre ihm die Sachlage und was tut er? Er lädt mich fröhlich auf den nächsten SPD-Stammtisch am 22.2. ein. Grmpf. Also mache ich ihm klar, dass ich natürlich vorher als Mitglied der Partei anerkannt sein möchte, weil ich über die Groko abstimmen will. Oha, also sie haben da drüber im Ortsverband gesprochen, meint er und sind zu dem Schluss gekommen, gerade jetzt erstmal keine neuen Mitglieder aufzunehmen. „Klar, ist ja auch Fasching und viel los“ komme ich nicht umhin zu antworten. Nein, nein – das wäre eher eine Situation, die ja mit dem Schulz-Zug vor einem Jahr vergleichbar sei. Jedenfalls habe die Kassiererin des Ortsverbandes, die dann bei der SPD-Geschäftsstelle Würzburg angerufen hatte, ein klares „Nein“ zu meiner Person im Gepäck gehabt. Wow! Denke ich. So hat die Mail aus der Geschäftsstelle aber gar nicht geklungen? Weiter geht es, ich bohre in seinen Waden, das Bild eines Terriers im Kopf, ob es denn nicht doch eine Möglichkeit gäbe, das vor dem ultimativen Stichtag am 6.2. zu klären? Die Wade scheint zu bluten, das tut sie auch bei „Guten“. Jedenfalls rutschen ihm gleich zwei Dinge raus: Nämlich erstens, dass das mit den Neumitgliedern eigentlich nie ein Problem gewesen sei. Wenn deren Antrag bei der Parteizentrale aktenkundig war, sei eigentlich immer alles geritzt gewesen. Man hat den Neuen dann halt mal auf die jeweiligen Ortsveranstaltungen eingeladen. Oha, denke ich mir. Also muss es eine Kommunikation von der Parteispitze bis hinunter zu den Ortsvereinen gegeben haben – wie auch immer die aussah. Vermutliche Message: Bremst sie aus? Ja und zweitens, und das lässt mich hoffnungsvoll fiebernd in die Zukunft blicken: Übermorgen, also am 2.2. findet im Schützenhaus ein Senioren-Event statt. Mit Kaffee und Brotzeit, da seien auch etliche SPD-Honoratioren vor Ort. Ab 13 Uhr gehe es los, dann in den Abend hinein. „Also am Nachmittag könnte ich vorbeischauen“, werfe ich eilfertig ein. „Aber abends habe ich schon was vor“. Ach, das ist kein Problem, meint er. Da komme sowieso „Fasnacht in Franken“ im Fernsehen, da gehen die alle heim. Karnevalsverein! Wispert mein Großhirn böse, aber ich sage nix. Gebe ihm stattdessen meine Handynummer und er gelobt, mich am Freitagfrüh anzurufen. Dann wird er mir mitteilen, ob ich im Schützenhaus vorsprechen darf. PENG! Fortsetzung folgt …

Update: Der Vorstand vom Ortsverband wollte mich heute „am Vormittag“ anrufen und mir Bescheid sagen, wie es nun weiter geht. Holla! Das hat er nicht getan. Jetzt habe ich ihn angerufen (Terrier), aber da ging wieder nur der Anrufbeantworter ran. Fast haben sie mich so weit zu resignieren, aber mal schauen. Vielleicht gehe ich ja auch ohne Einladung mal rüber ins Schützenhaus zu dieser Seniorenveranstaltung? Oder ich kontaktiere die Dame von den Jusos hier im Ort? Schau mer mal – ich halte euch auf dem Laufenden.

Terrier können auch nett sein – oh Trüffelschweine!

Okay, also ich gestehe, dass ich zunächst feige war und dachte, ich spanne mir die Juso-Frau vor den Karren. Aber die heißt leider (Name ist der Redaktion bekannt), wohnt wohl noch bei ihren Eltern und hat vermutlich nur Handy und kein Festnetz. Auf die Schnelle – bei 11 (Name ist der Redaktion bekannt) im Ort – also unauffindbar. Okay, dann hinein in die Höhle des Löwen, auf geht’s zum Schützenhaus! Ich gestehe noch etwas: Nicht wissend, in welche Situation ich dort kommen würde, habe ich meine Billardweste über den Boss-Pullover gezogen. Zwei Vorteile: Womöglich mögen die Sozen Boss nicht und die Weste überdeckt das Logo. Viel wichtiger: Die praktischen kleinen Taschen an der Weste, mit deren Hilfe ich mit eingeschalteter Diktiergerät-App am Handy den womöglich feindlich gesonnen Rückraum des Ortsvorstandes betreten kann. Erster Raum: Circa 30 Senioren, teilweise faschingsmäßig verkleidet, essen Kuchen an langen Tischreihen. Nichts auffälliges, also weiter in die Küche, zur Kuchentheke. Mittelalte Damen stehen dahinter, mustern mich fragenden Auges. Ah! Die Küche hat noch einen Rückraum! Ein kurzer Blick hinein und da steht tatsächlich ein Mann um die 60 mit einem Sweatshirt, auf dem das magische Logo prangt: SPD! Also hänge ich meine Jacke auf (in der Furcht, dass das Handy in meiner Weste sonst nicht ordentlich aufzeichnet) und trete in den Rückraum. „Sie sind von der SPD?“ frage ich fröhlich und deute auf sein Sweatshirt. Das kann er nicht wirklich leugnen und ich verweise auf den Ortsvorsitzenden, mit dem ich telefoniert habe. Wie aus dem Nichts huscht dieser auch herbei. Hat er sich vorher hinter die Kuchentheke geduckt? Man weiß es nicht. Ich begrüße ihn und erwähne in leicht traurigem Tonfall, dass er mich doch am Freitagvormittag anrufen wollte? „Äh nein, ich wollte sie am Nachmittag anrufen, wenn wir hier miteinander gesprochen haben“ bringt er raus, ohne rot zu werden. Leider habe ich das Telefonat vom Mittwoch nicht mitgeschnitten. Das ist eine glatte Lüge. Aber Terrier können auch nett sein. Also sage ich: „Oh, dann haben wir uns wohl falsch verstanden“. Und ich erkläre nochmals, warum ich in die SPD eingetreten bin, inzwischen habe ich fünf Zuhörer, mindestens drei davon aus dem Ortsvorstand (ich hatte mir vorab die Gesichter gemerkt – danke an die Homepage). Meine Erklärung fällt – für meine Verhältnisse – relativ wortkarg aus: Groko bedeutet politischer Selbstmord, Verweis auf die Wahlkatastrophe der Sozialisten in Frankreich, den Erfolg von Corbyn in Großbritannien lasse ich unerwähnt. Scheint trotzdem zu viel zu sein, die Truppe schaut verschreckt. Dann geht es ans sachliche: Es sei doch nie so gewesen, dass der Ortsverband da wichtig war? Doch, und ich zitiere die Antwort der NoGroko-Bewegung aus Facebook, dass erst der Ortsverband sein Okay an den Kreisverband geben muss. Und erst wenn dieser sein Häkchen gesetzt hat, ist das Neumitglied stimmberechtigt (zum Glück hatte ich die noch mal angefragt, sonst wäre ich an dieser Stelle ins Schwimmen gekommen). Dann hat SPD-Sweatshirt eine Idee: Morgen sei doch ohnehin Delegiertenversammlung (das hatte bislang keiner erwähnt) und da könne man das doch noch mal abklären. Erleichterung allerorten, delegieren auf die Delegiertenversammlung? Das scheint fürs Trüffelschwein ein Traum zu sein, denke ich mir und lenke ein. Jaja, sie klären das morgen und am Montag habe ich dann auch Antwort. Die Frau Kassenwart schreibt sich auch noch mal extra meine Mailadresse auf. Hängepartie: Am Montag geht es weiter …

Montag – Showdown? Weit gefehlt …

Nach zwei Tagen Pause vom Triathlon (bewerben, bequatschen – beschmusen) zwecks abstimmungsfähiger Aufnahme in die SPD brauche ich am Montagmorgen erst mal eine Weile, um den Terrier aus seiner Hundehütte raus zu locken. Er gähnt, will erst mal ein Leckerli in Form einer weiteren Tasse Kaffee, aber danach sind seine Sinne geschärft: Frau Kassenwart und ihres Zeichens eine Weile lang geschäftsführende Bürgermeisterin der Gemeinde wollte mir ja am Montag eine Email schreiben und mir dann mitteilen, was man denn nun so bei der Delegiertenversammlung am Samstag habe herausfinden können. Mail-Check am Morgen – nüscht. Mailcheck am Mittag: Wieder nix. Die wollen mich aussitzen? Der Terrier kläfft und gemeinsam schreiben wir eine Email. Blöd bloß, dass die Mailadresse der Frau Kassenwart im Netz nicht hinterlegt ist, ah, ja doch, Mutterspion Google scheint zu helfen. Hier der Text und Betreff der Mail:

„Warte auf eine Rückmeldung bezüglich Rückbestätigung SPD-Mitgliedschaft

Liebe Frau X,

Sie hatten sich am Freitag ja meine Mailadresse aufgeschrieben und mir zugesagt, dass ich am Montag von Ihnen eine Rückmeldung bezüglich Rückbestätigung SPD-Mitgliedschaft (die muss ja offenbar beim Kreisverband erfolgen) erhalte. Da die Zeit ja drängt – am morgigen Dienstag ist der letztmögliche Termin – möchte ich Sie nochmals bitten, in dieser Sache tätig zu werden.

Beste Grüße!“

Halb vier am Montagnachmittag, mir fällt die SPD wieder ein und ich checke meine Mailsoftware. Ups, da hat Google gepatzt, die Mail konnte an die eingegebene Mailadresse nicht versendet werden. Dann doch aufgeben? Nö – es gibt ja noch die – nette, aber wegen ihrer Bürozeiten relativ wehrlose – Frau von der Kreisverwaltung. Also anrufen, der Terrier wählt, ich fletsche vorsorglich die Zähne. Also erkläre ich mein Anliegen und sie ist voll im Bilde. War ja auch dabei am Samstag, an dem mutmaßlich über meine Zukunft als „Genosse“ in meiner Abwesenheit beraten wurde. Aber bei den eigentlichen Gesprächen sei sie nicht dabei gewesen, beeilt sie sich zu versichern. Es sei wohl eine Entscheidung gefallen. Der anwesende Ortsvorstand habe den „Unterbezirksvorsitzenden“ (ich wusste nicht mal, dass es dieses Wort gibt, beim Scrabble hätte ich das nicht ohne Konsultation des Dudens durch gehen lassen) konsultiert. Der Ortsvorstand habe sich bedrängt gefühlt, genaueres wisse sie nicht. Der Terrier hat Schaum vorm Mund und denkt im Stillen: Warum fühlen die sich überhaupt bedrängt? Habe ich zu laut gekläfft?“ sinniert der Terrier und sein Gedankenschaum tropft ölig zu Boden. Also übernehme ich wieder und frage nach, wieso sich der Ortsvorstand bedrängt gefühlt hat? „Ja, die kennen das so nicht“ lautet die Antwort der tapferen Dame und es rutscht ihr auch noch raus, dass sie „vom Bundesvorstand gewarnt worden sind“. Unfassbar! Der Terrier macht ein Auge auf und grollt. Aber da kommt schon ein Angebot: „Eigentlich hält die Frau Kassenwart ihre Versprechen ein“, flötet es am anderen Ende der Leitung. Und wir einigen uns darauf, dass ich ihr die Mail an Frau X schicke und sie diese dann noch vor Feierabend an jene weiter leitet. Die Mailadresse könne sie nicht herausgeben, da habe die Dame schlechte Erfahrungen gemacht. Wie geht es weiter? Ich weiß es nicht. Führe den Terrier heute Abend erst mal Gassi – sonst kann ich für nichts garantieren …

Wie es endete

Nun – mit diesem Schreiben, das ich noch am selben Abend erhielt. Der Terrier jault und hat sich zum Trauern in sein Körbchen zurückgezogen.

Sehr geehrter Herr Schneider,

eine Mitgliedschaft in der SPD setzt tatsächlich auch eine Zugehörigkeit zu einem SPD-Ortsverein voraus. Deshalb haben die Mitglieder des Ortsvereins am 25.01.2018, nach Maßgabe der SPD-Geschäftsstelle, kurzfristig über Ihre Aufnahme in unseren Ortsverein abgestimmt. Nach den uns zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Informationen, wurde hierbei beschlossen, Sie nicht in unserem OV aufzunehmen. Ein kurzfristig angesetztes Treffen mit dem Großteil unserer Mitglieder kam und kommt nach Rücksprache nicht mehr zustande. Es tut mir leid für Sie, dass Sie nun nicht als Mitglied über k/eine GroKo abstimmen dürfen. Sollten Sie dennoch den Wunsch haben, Parteimitglied zu werden, bieten wir Ihnen erneut an, am 22.02.2018 um 19:30 Uhr in die Gaststätte Syrtaki zu unserem nächsten Treffen zu kommen und sich dann bei unseren Mitgliedern vorzustellen. Dies wäre auch die übliche Vorgehensweise zum Kennenlernen und zur eventuellen Aufnahme in den Ortsverein.
mit solidarischen Grüße

1. Vorsitzender“


Damit endet die Geschichte. Vielen Dank an den mutigen Journalisten Frank Schneider, der selbst dann nicht zurückschreckte, als es um den Besuch eines Seniorennachmittages ging. Abstimmen durfte er nicht, Mitglied werden auch nicht. Horror, oder?  Da wird „recherchiert“ – und der Bundesvorstand erteilt Weisungen? Nein: „Warnungen“. Wüsste gerne, wie die ausgesehen haben. „Achtung: da will ein Intellektueller in die SPD, der sich eigene Gedanken macht und womöglich nicht für Merkel ist?“

Nun – damit ist die SPD endgültig der Wurmfortsatz der Kanzlerin geworden. Schätze mal: 2021 landen die hinter AfD, Linken und Grünen – als absolut unwählbar. Was lernen wir nun daraus? Was spannendes: die SPD hat nur 432000 Mitglieder (und wird bald – wieder ein Minusrekord – von der CDU überholt). Zusammen mit der CDU haben die 1,4 Prozent der Einwohnerschaft Deutschlands – und regieren damit alternativlos. Ist also eigentlich einfach in Deutschland politische Macht zu bilden: einfach mal 500000 Menschen in einer Partei versammeln – schon gehört einem das Land … wenn man so ein geschlossener Kampfverband wie die SPD ist. Ja: so kann man über 78 Millionen politisch mäßig bis desinteressierte Egomanen im Opfermodus herrschen – wenn man nur genug innerparteiliches Stimm- und Wahlvieh heranzüchtet.

Noch Fragen, was es jetzt zu tun gibt?

Video des Monats – Steve Cutts uncut: „In This Cold Place“

Gerade frisch aus der Presse – das neueste Video von Steve Cutts. Wie gewohnt zeichnet er mit feiner Feder ein Plädoyer für das Modell der marktkonformen Demokratie und des transatlantischen Fracking-Prinzips („Put in poison, get out money“).

Aus dem Songtext-Refrain: „I’m tired … of feeling like it’s prison without walls …“

Video by Steve Cutts (siehe Galerie)

„Die Wirtschaft“ – Staatsfeind Nr.1

Digital StillCamera

Montag, 21.9.2015. Eifel. Ja – heute muss ich Ihnen mal wieder etwas zumuten. „Die Wirtschaft“ – Staatsfeind Nr.1 … da läuft es einem kalt den Rücken ´runter, weil – da könnte schnell der eigene Arbeitsplatz in Gefahr sein, wenn man sich zu deutlich äußert. Dank der Freiheit, die mir ein bedingungsloses Grundeinkommen gewährt, darf ich mir als einer der letzten zehntausend freien Schreiber Europas solche Freiheiten erlauben, brauche keine Rücksichten auf unsere Anzeigenkunden nehmen (wir haben und brauchen keine), keine Rücksichten auf meine Quellen aus Wirtschaft und Politik (wir haben kaum welche und brauchen keine) und keine Rücksichten auf die persönlichen Vorlieben meines Chefredakteurs nehmen (wir haben und brauchen keinen – das regeln wir im Kollektiv selber, völlig ohne Hierarchien und Streitereien, ganz demokratisch und kooperativ).

Wissen Sie eigentlich, was das ist, „Die Wirtschaft“? Nun – ich darf doch hier wohl eine Antwort erwarten, denn immerhin redet „Die Wirtschaft“ durch ihre Priester zu Ihnen wie der Gott des Alten Testament durch seine Propheten. Ja, wir sind so stolz darauf, ein weltlicher Staat zu sein – dabei huldigen wir primitivsten Kulten, nennen unseren Götzen „Die Wirtschaft“ (die sogar eine „unsichtbare Hand“ hat: ein Sonderspuk der Idiotenklasse) und hinterfragen überhaupt nicht mehr, vor wem wir da unseren Bückling machen.

Jeden Tag meldet sich „Die Wirtschaft“ zu Wort, aktuell warnt sie vor höheren Preisen (siehe Bild) oder bedrängt die Sphäre der Politik mit dem Ruf nach immer mehr Einwanderern (siehe Focus), fordert – mal wieder – Korrekturen am Arbeitsmarkt (siehe Stuttgarter Zeitung) oder fordert „Alphatiere“ als Führungspersonal (siehe Zeit), womit der „Herrenmensch“, das Urbild des von der Vorsehung zur Führung bestimmten SS-Mannes wieder Einzug hält in das Denken der Bevölkerung … bzw. in das Denken der journalistischen Funktionselite des Turbokapitalismus. Allerdings – so erklärt man uns weiter – sollte dieses Alphavieh mit seinen Statusgesten sparsam umgehen … man will nicht wieder die Guillotine herausforden – man hatte damit zu gewissen Zeiten schon mal schlechte Erfahrungen gemacht, weil die Menschheit der Meinung war, kein Viecherrudel zu sein, dass einen Leitwolf braucht.

Der Duden liefert uns eine Definition für „Die Wirtschaft“:

„Wirtschaft ist die Gesamtheit aller Einrichtungen wie Unternehmen, private und öffentliche Haushalte sowie die notwendigen Abläufe wie Käufe und Verkäufe, die mit der Herstellung und dem Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen verbunden sind.“

„Wirtschaften ist die planvolle Tätigkeit des Menschen, knappe Mittel oder wirtschaftliche Güter der bestmöglichen Nutzung zuzuführen.“

Wir brauchen nicht lange nachzudenken, um selbst zu merken: das ist etwas knapp. Private Haushalte waren an der Reform des Sozialstaates nicht beteiligt, noch an der Frage nach dem Facharbeitermangel, noch schreien Sie nach Führung durch Alphatiere oder fordern höhere Preise – hier stößt der offizielle Sprachgebrauch des Tarnbegriffes „Die Wirtschaft“ an seine Grenzen, weshalb Attack (dort findet man auch das Zitat aus dem Duden) eine andere Definition vorschlägt (siehe Attac):

„Wirtschaft umfasst alle Tätigkeiten, die einer persönlichen Gewinnmaximierung dienen.“

Auch diese Definition von „wirtschaften“ als hemmungslose Ausbreitung des persönlichen Egos ist mir ein wenig zu klein, würde sie doch auch ein „Recht auf Faulheit“ verlangen – für viele Künstler waren die kleinen Halbtagsjobs vor der Effizenzoffensive der in die Gesellschaft implementierten Unternehmensberatungen (beginnend Ende der siebziger Jahre auf Anweisung der US-Wirtschaft) überlebenswichtig zur Maximierung dessen, was sie unter einem erfüllten Leben verstanden … ich würde also vorschlagen, bei der neuen Definition von „Wirtschaft“ den Begriff „persönlichen“ zu streichen und durch „finanziellen“ zu erstetzen – beschreibt doch der Run nach möglichst viel Mammon das gesamte geistige Treiben des Abendlandes – vom Hartz-IV-Empfänger angefangen (dem „Omegatier“ – um in der griechischen Nomenklatur zu bleiben, also: dem wirklich allerletzten Ausschuss, den die Menschheit zu bieten hat) über den Bundestagsabgeordneten bis hin zum Halbgott an der Spitze der Unternehmen: ohne Rücksicht darauf, was Planet und Umwelt zu leisten und zu ertragen in der Lage sind das Streben nach hemmungsloser Anhäufung von Finanzwerten.

Es ist aber immer noch klar, dass „Die Wirtschaft“, wie sie sich in den Medien zu Wort meldet, nicht das Sprachrohr der Verbraucher, Rentner oder Arbeitlosen ist, noch dass der Studenten, Künstler, Hausfrauen, Schüler und Neugeborenen. Deshalb meine Definition

„Die Wirtschaft“ umfasst alle reichen global tätigen Entscheidungsträger, die der Gewinnmaximierung von Kapitalanlagen dienen.

Damit kommen wir erstmal besser hin – mussten allerdings noch das Wort „reich“ einführen, um den gemeinen Versicherungsvertreter und Anlageberater ausschließen zu können. Sie treffen sich auch – anders als jene, denen die Bedeutung der Treffen überhaupt nicht gewahr ist – gerne in Kreisen, die im Rahmen der globalisierten Welt eine neue Feudalstruktur erarbeiten – eine mit sparsamen Umgang mit Statusgesten aber unverkennbaren automobilen Statussymbolen: wie schon im Mittelalter erkennt man den Herrenmenschen an Kleidung und Gefährt – und am regelmäßigen Verbrauch diverser energieintensiven Luxusgüter, die sich das normale Beta- oder Gammatierchen niemals leisten könnte – und würde er auch noch so viel sparen. Das „global“ ist also ebenfalls ein wichtiger Begriff, um das zu beschreiben, was heute gesellschaftlich als „Forderer“ auftritt – aber niemals Forderungen unterworfen sein möchte. Sie arbeiten gezielt an einer Refeudalisierung der Gesellschaft (zur eigenen Gewinnmaximierung) und an der Privatisierung der Macht (zwecks Entmachtung des demokratischen Gemeinwesens) (siehe Deutschlandfunk).

Das geschieht auch ganz offen. So lehnt der Chef von Ryanair ganz offen Gewerkschaften ab (siehe Spiegel) – jene gesellschaftlichen Konstrukte, die dazu dienten, die Entstehung einer neuen Feudalklasse in Grenzen zu  halten, man entzieht Menschen („Mitarbeitern“) ganz offen die Existenzgrundlage, um die Politik zu strafen – wie z.B. bei Siemens (siehe Spiegel) und diszipliniert so die Vertreter des Volkes, die man lieber als Erfüllungsgehilfen eines Feudalstaates sehen würde. „Die Wirtschaft“ erweist sich als größte „schmarotzende“ Kraft, wie die Huffington-Post aktuell nochmal deutlich macht (sehe Huffington-Post): 100 Milliarden Euro „flüchten“ jährlich aus Deutschland ins Ausland … in nur zwanzig Jahren also die gesamte Staatsverschuldung. Ein Hartz IV-Satz von 800 Euro im Monat wäre problemlos möglich – und noch viel mehr – wenn nur „Die Wirtschaft“ wie jeder andere Bewohner Europas ihren Anteil leisten würde – anstatt nur Räuber an der Volkswirtschaft zu sein.

Stattdessen arbeitet „Die Wirtschaft“ mir Hochdruck an perfekten Überwachungssystemen (siehe Welt), die die Gier der NSA nach „Durchleuchtung“ bei weitem übertrifft, beeinflusst politische Entscheidungen durch massive Lobbyarbeit (siehe Spiegel), greift ungeniert nach der Monopolisierung allen Saatgutes (siehe Bioland), greift mit steuerlich absetzbaren Wahlkampfspenden sogar in den US-Wahlkampf ein (siehe Spiegel), besetzt ungeniert politische Machtpositionen in Krisenländern (siehe Koppverlag). Der Tag, an dem wir von „Die Wirtschaft“ regiert werden, scheint schon hinter uns zu liegen. Man schaue sich alleine den Einfluss des Bertelsmann-Konzerns an (siehe Heise):

„Aber wenn man weiß, dass jeder Bundesbürger über 14 Jahre durchschnittlich pro Tag eine Stunde mit der Nutzung von Bertelsmann-Produkten verbringt, und wenn man erfährt, dass in allen bedeutsamen sozial-, bildungs- und sicherheitspolitischen Gremien Europas die Gutachter der Bertelsmann-Stiftung sitzen und die meisten einschlägigen Entscheidungen ihre Handschrift erkennen lassen, gelangt man zu dem Schluss, dass Bertelsmann eine deutsche und europäische Großmacht ist“

Einmal ganz davon abgesehen, dass die so harmlos daherkommende Bertelsmannparty (siehe Nachrichtenspiegel) bewusst und gezielt Netzwerke zwischen Politik und Wirtschaft aufbaut, die mit keinen Demokratieverständnis vereinbar wären und an Zeiten erinnert, wo Netzwerke aus Politik und Militär den Staat beherrschten.

Das Zusammenspiel zwischen „Der Wirtschaft“ und der Politik funktioniert zum Schaden aller Bürger sehr gut, Deutschland ist so zur Steueroase geworden (siehe Spiegel) und wir sind – neben den Niederlanden – Europameister bei Zeitverträgen für junge Menschen (siehe Spiegel).

Es gibt aktuelle Studien, die den Erfolg „Der Wirtschaft“ deutlich beschreiben (siehe Oxfam).

„Armut und Ungleichheit haben in Europa massiv zugenommen. Politische Entscheidungen werden immer stärker durch reiche Eliten beeinflusst, welche Regeln zu ihrem Vorteil gestalten und so die demokratischen Institutionen untergraben. Austeritätspolitiken und ungerechte Steuersysteme dienen überall in Europa den Mächtigen.“

So etwas kann man in Deutschland inzwischen öffentlich lesen – ohne dass jedoch jemand dies zum Anlaß nimmt, die Schlussfolgerungen klar auszusprechen: „Die Wirtschaft“ ist zum Feind der Demokratie geworden, zum Feind der Bevölkerung – zum Staatsfeind Nr. 1.

Wie soll man darüber auch lesen können: „Die Wirtschaft“ und ihre Funktionselite besitzen 90 % der Werte in Deutschland, das Land ist im Jahre 2015 komplett ausgeplündert. Unsere Freiheit gleicht der Freiheit eines kleinen Farmers im Texas des vorletzten Jahrhunderts, der unterhalb der Quelle wohnt, die vom großen Viehzüchter und seinen Cowboys jederzeit blockiert werden kann. Unsere Fluss ist der Geldfluss, von dem jenseits der Regionen der Alphatierchen nur noch Tröpfchen auf die Konten der Omegaviecher landen. Der Staat – wacht nur noch darüber, dass die Farmer keinen Revolverhelden anheuern, der ihre Freiheit – also den freien Zugriff auch natürliche Ressourcen – wieder herstellt. Wilder Westen live in Germany.

„Die Wirtschaft“ sitzt inzwischen so fest im Sattel, dass man offen über „Dynastien, die Deutschland regieren“ schreiben kann (siehe Welt), Dynastien, die so mächtig sind, dass sie in elf von dreißig Dax-Konzernen „auf den Hauptversammlungen Mehrheiten durchsetzen können“ (siehe Der Westen), ohne dass sich in der politischen Ebene Widerstand regt – einer Ebene, der man das Szepter schon längst aus der Hand genommen hat.

Diese Entwicklung ist kein Zufall – sondern lang geplante politische Absicht: „Marktdemokratie“ ist hier der Kampfbegriff, der zuerst von Ronald Reagan geprägt wurde und dem Staat eine eindeutige Rolle zuweist:

„Die Privatisierung besorgt innerhalb des Nationalstaates des ideologische Geschäft einer globalen Marktwirtschaft, welche die Privatinteressen von Unternehmern und Banken vorranig bedient und das organisierte Gemeinwesen in Misskredit bringt. Der Staat wird tendenziell reduziert auf die Rolle eines Erfüllungsgehilfen des privaten Sektors, anstatt ein Forum für die Teilnahme der Menschen am öffentlichen Sektor zu sein. So zurechtgestutzt, dient der Staat nur noch als nützliches Werkzeug global operierender Firmen, Banken und Märkte, als Vertreter ihrer Interessen in internationalen Körperschaften wie der Welthandelsorganisation und dem internationalen Währungsfond, die auf dem Papier zwar demokratische Organisationen, betrieben von souveränen Staaten, sind, de fakto aber Diener globaler Wirtschaftsinteressen, die sich weder nationalen Souveränitäten noch demokratischen Instanzen unterordnen, sondern diese im Gegenteil unterminieren“. (Aus: Benjamin R. Barber, Imperium der Angst, DTV, Oktober 2007, Seite 175).

Man sollte diese Zeilen auswendig lernen, sie erklären, warum die Wirtschaft „Staatsfeind Nr. 1“ geworden ist – und einige der merkwürdigen Entwicklungen der letzten Jahre. Religion zum Beispiel ist ein konsumfeindlicher Bereich, der „Der Wirtschaft“ Konsumenten abschwatzt: je lebendiger die Religion, umso weniger Zeit steht für die täglichen Botschaften von Bertelsmann zur Verfügung. Der Islam als sehr lebendige Religion steht „Der Wirtschaft“ bei ihrer Machtentfaltung sehr im Wege – also muss er bekämpft werden. Ebenso der Sozialstaat, der Bürger dem Herrschaftsbereich „Der Wirtschaft“ entziehen kann (seit Gerhard Schröder haben endlich auch Arbeitslose einen „Chef“, der sie sanktionieren kann – nicht nur „Arbeitnehmer“, die ihren soziopathischen Alphatierchen nun völlig ausgeliefert sind, wenn sie der staatlichen Gängelung durch unqualifiziertes Personal entkommen wollen). Auch Putin ist „Der Wirtschaft“ ein Dorn im Auge: er repräsentiert den starken Staat, der es geschafft hat, sich gegen die Unterminierung erfolgreich zu wehren – das Resultat sind deutsche Kampfflugzeuge, die mit voller Bewaffnung in Litauen herumfliegen, jederzeit bereit zum Erstschlag. Natürlich ist „Die Wirtschaft“ auch für die Aufnahmen von Millionen von Zuwanderern in einem hoch verschuldeten Land: sie zahlen das nicht, gehören aber auf jeden Fall zu den Nutznießern … selbst wenn sie dieses neue Personal nur zu neuen Sicherheitsdiensten verarbeiten, die im Land ihre Interessen schützen und die weniger Solidarität mit den Opfern haben als aus Eingeborenen rekrutiertes Personal.

Benjam R. Barber ist nun auch nicht irgendwer, er gilt als einer der einflussreichsten Politiwissenschaftler der USA (siehe Wikipedia) … und findet erstaunlich viele Paralellen zwischen „Der Wirtschaft“ und dem inernationalen Terrorismus: wir stehen hier mit unserer Meinung also nicht weitab auf irgendwelchen völlig abwegigen politischen Positionen, sondern mitten drin in einer modernen Diskussion über die Disziplinierung „Der Wirtschaft“ durch die Demokratie, die – nach Barber – schon immer die Voraussetzung für die Entfaltung von Wirtschaft war – aber auch wichtiger Garant für deren Zähmung, der sie genauso bedarf, wie das Militär der Zähmung bedurfte: wer die Quelle nach Gutdünken abriegeln kann, hat so viel Macht über die Menschen wie der Mann mit dem Gewehr in der Hand.

Um diese Diskussion aber überhaupt erstmal in Deutschland und Europa führen zu können, müssen wir erstmal aufhören, uns mir falschen Begriffen täuschen und beruhigen zu lassen: „Die Wirtschaft“ ist eine bandenmäßig organisierte Kaste von Staatsfeinden, die den Staat als Erfüllungsgehilfen zur völligen Ausplünderung der Volkswirtschaft  und Aneignung sämtlicher Güter (inklusive Wasser, wie aktuell zu bemerken) missbrauchen will, eine Bande von unethischen und oft verbrecherischen Charakteren, die vor keiner Schandtat zurückschrecken, um an ihre Beute zu kommen. Ihr Wirken ist es, dass „den Westen“ für andere Kulturen als das „Reich des Bösen“ dastehen läßt und somit ursächlich für den Hass auf den Westen – und den Terrorismus – verantwortlich ist. „Die Wirtschaft“ ist es, die Arbeitsplätze vernichtet, in dem sie funktionierende Betriebe aufkauft und ausschlachtet, sie verwüstet fern der deutschen Grenzen die Umwelt und bereichert sich hemmungslos mit großer Freude durch Kinderarbeit in Asien.

Sie ist der Staatsfeind Nr. 1, eine Großmacht, deren Terror wir uns als Bürger eines demokratischen Rechtsstaates erwehren müssen so wie wir uns einst gegen den verschwendungssüchtigen Adel wehren mussten. 60 Prozent der Deutschen sind schon unserer Meinung (siehe Handelsblatt) und wissen, dass Wahlen inzwischen nur noch das Personal auswechseln, dass die Vorgaben „Der Wirtschaft“ umzusetzen hat – wie aktuell in Griechenland (siehe Spiegel), wo wieder mal „Linke“ gewonnen haben – aber trotzdem … alternativlos … „harte Zeiten“ auf die Bevölkerung warten.

Das ist ein weiter Weg … aber er lohnt sich.

 

Das künstliche Ende der westlichen Zivilisation als Gipfel menschlicher Blödheit

Lohnt es sich überhaupt noch, etwas zu schreiben? Oder sollte man sich jetzt nicht lieber schon mal den durchgeknallten Survivaltypen anschließen, die wurzelkauend im Staatsforst hocken? Nun ... letzteres möchte ich lieber nicht. Bricht dieses System zusammen, ist der "Survival-Isolationismus" das Letzte, was wir brauchen werden, irgendwo ist das ja auch das gleiche psychologische Prinzip, das Investmentbanker, Anlageberater und sonstige Systemverbrecher antreibt, oder? Ich jedenfalls kann mir diesen "Survival-Mist" nicht erlauben. Ich habe kleine Kinder zu versorgen - und alte Menschen. Für die ist "Survival" nichts, die brauchen eine gesunde menschliche Gemeinschaft. Andererseits nehme ich gerade Nachrichten zur Kenntnis, die erkennen lassen, das wir vielleicht bald recht schnell ganz ganz andere Probleme bewältigen müssen: das künstlich herbeigeführte Ende der westlichen Zivilisation.

Lohnt es sich überhaupt noch, etwas zu schreiben? Oder sollte man sich jetzt nicht lieber schon mal den durchgeknallten Survivaltypen anschließen, die wurzelkauend im Staatsforst hocken? Nun … letzteres möchte ich lieber nicht. Bricht dieses System zusammen, ist der „Survival-Egoismus“ das Letzte, was wir brauchen werden, irgendwo ist das ja auch das gleiche psychologische Prinzip, das Investmentbanker, Anlageberater und sonstige Systemverbrecher antreibt, oder? Ich jedenfalls kann mir diesen „Survival-Mist“ nicht erlauben. Ich habe kleine Kinder zu versorgen – und alte Menschen. Für die ist „Survival“ nichts, die brauchen eine gesunde menschliche Gemeinschaft. Andererseits nehme ich gerade Nachrichten zur Kenntnis, die erkennen lassen, das wir vielleicht bald recht schnell ganz ganz andere Probleme bewältigen müssen: das künstlich herbeigeführte Ende der westlichen Zivilisation.

Das wäre natürlich völliger Wahnsinn – in etwa wie der Wahn, 7 Millionen Hartz IV – Abhängige durch Androhung von Gewalt auf 800000 Arbeitsplätze zu verteilen, was in etwa dem Versuch entspricht, einen erwachsenen Menschen mit Gewalt in ein Computergehäuse zu pressen. Wir haben diesen Wahn aber als alternativlose Maßnahme akzeptiert, weil wir ja die Gesellschaft vor den faulen degenerierten Horden der Unterschicht schützen mussten. Das durch Hartz IV die afrikanische Armut nach Deutschland importiert wurde, haben wir übersehen – wie auch den Tatbestand, das gleichzeitig die volle Inanspruchnahme der Menschenrechte in Deutschland vom Einkommen abhängig wurde.

Nun folgt der nächste Schlag: diesmal in den USA. Obama droht damit, die Renten nicht mehr auszahlen zu können. Das der Mann es überhaupt wagt, an so etwas zu denken. „Ich lasse eure alten, kranken, ausgelaugten Menschen einfach mal verhungern!“ ist eine Drohung, die man einem Hitler gegenüber den jüdischen Mitbürgern zutrauen würde, das ein demokratischer Staatsführer überhaupt in solchen Kategorien denkt, zeigt, das „unwertes Leben“ – also das Denken in Hartz-Kategorien – inzwischen auch in den USA angekommen ist. Nur für Menschen, für die Geld mehr wert ist als Menschenleben ist diese Drohung normal und nicht weiter der Rede wert: wenn kein Geld mehr da ist, müssen Menschen eben verhungern … im reichsten Land der Welt.

Ist mir auch völlig logisch.

In diese Logik passt es dann auch, das der Anwalt des Ex-Präsidenten Clinton (das war der „gute, menschenfreundliche Demokrat“) jetzt Chef der Söldnerdivisionen von Blackwater wird. Die wird man auch brauchen. Schaut man sich die Liste der Streitkräfte der Welt an und ruft sich in Erinnerung, das Söldnerarmeen insgesamt über drei Millionen Mann Personal verfügen, dann merkt man, das China und die USA nicht mehr die stärksten Militärmächte sind: zahlenmässig sind sie von den Söldnerhorden übertrumpft worden:

Diese Mörderfirmen verfügen derzeit weltweit Uesseler zu Folge über 1,5 Millionen jederzeit einsatzbereiter Spezialisten und genauso vieler Söldner. Sie sind insgesamt in 160 Ländern, wie Kolumbien, Philippinen usw. unter anderem gegen Drogenhändler aber auch gegen Gewerkschafter im Einsatz. Sie sind mit modernsten Waffen wie dem B-2-Stealth-Bomber in Kriege verwickelt, wobei sie jährlich fast 200 Milliarden US-Dollar einnehmen.

Uesseler schlussfolgert, dass viele Regierungen die „Sicherheit – äußere wie innere – dem privatwirtschaftlichen Kalkül und Gewinnstreben privater Militärfirmen“(2) überlassen. Dies sei verfassungsrechtlich bedenklich. Darüber hinaus entgleiten diese Firmen längst der Kontrolle des Staates. Das wird von Uesseler als eindeutige Gefährdung der Demokratie eingestuft. In der deutschen Politik wird dies jedoch kaum zur Kenntnis genommen. Ob wohl deutsche Konzerne im Ausland ebenfalls private Söldner engagieren und die Bundeswehr längst Teile ihrer Aufgaben privatisiert hat; Dutzende ausländische Militärfirmen sind auf deutschem Boden aktiv. Daher ist es längst an der Zeit, wenn nicht Verbote, so doch völkerrechtliche Rahmenbedingungen für die Tätigkeit dieser Mörder-Firmen zu schaffen. 

Schon seltsam, das die Streitkräfte des Westens täglich weiter schrumpfen, während die Streitkräfte der Konzerne eine Stärke erreicht haben, die es ihnen theoretisch erlauben würde, es im nicht-nuklearen Krieg mit jeder Nation der Erde aufzunehmen.

Wenn man Mörderkonzerne auf seiner Seite hat, braucht man keine Rente mehr auszahlen – könnte man sagen. Dann kann man ganz andere Formen der Sozialpolitik fahren: Rentnervernichtungslager kommen in Reichweite.

Zu gruselig?

Also: wenn wir keine Renten mehr auszahlen, dann sterben die Rentner irgendwann weg. Kein Geld = kein Essen.

Wenn die sterben, dann liegen die aber überall herum, verwesen und verbreiten Krankheiten. So etwas sieht man doch täglich in Afrika. Also ist es doch geradezu alternativlos, die Rentner vorher einzusammeln, damit sie nicht überall das Land verpesten, oder? Sollen etwa noch Kinder und gesunde Leute sich an dem Siechtum der Rentner infizieren? Ist es das, was man will?

Nein.

Also: Lagerhaltung, bis die Rente wieder ausbezahlt wird.

So muss es natürlich nicht kommen. So kann es aber kommen: es war schon mal soweit. Das NS-System hat gezeigt, wie schnell man als zivilisiertes Kulturvolk in die absolute Bestialität rutschen kann, wenn nur die „Rahmenbedingungen“ stimmen: man braucht eine Ideologie („Neoliberalismus“ reicht da schon), ein Wertesystem, in dem Menschenleben nur sekundären Wert haben („Menschen sind Kosten auf zwei Beinen“) und eine SA, die ausserstaatlich für Ruhe im Dorf sorgt: schon läuft alles alternativlos ab.

Natürlich habe ich mit der Perspektive mal wieder den Teufel an die Wand gemalt, gebe aber zu bedenken, das

– nicht ich überlege, die Renten nicht auszuzahlen

– nicht ich den Staat und die Wirtschaft in eine Position manövriert habe, das dies überhaupt eine Option ist

– nicht ich nebenstaatliche Militärmächte aufgebaut habe, die an Stärke alle nationalen Streitkräfte übertreffen

– nicht ich so einen menschenfeindlichen Unfug wie Hartz IV akzeptiere

– nicht ich Parteispenden von Panzerproduzenten entgegennehme, die dicke Geschäfte mit religiösen Fundamentalisten machen:

Herstellerfirmen des Leopard-Panzers hätten von 2002 bis 2009 mehr als 600.000 Euro an Union, FDP und SPD gespendet, erklärte die Linke am Mittwoch. Sie berief sich auf die Rechenschaftsberichte der Parteien. CDU und CSU hätten in dem fraglichen Zeitraum 298.000 Euro von den Panzerherstellern bekommen, bei der FDP seien es 79.000 Euro gewesen. An die SPD seien 249.500 Euro gezahlt worden. 

Ich verkaufe auch keine Patroullienboote an Regime, die Homosexuelle ins Arbeitslager stecken. Wäre ja schlimm für unseren Westerwelle – da hülfe ja noch nichtmal davonschwimmen.

So schmeißen wir unsere Prinzipien in großem Umfang über Bord, weshalb es nicht zu weit hergeholt ist, sich die Frage zu stellen, wann wir denn damit aufhören – oder ob wir überhaupt damit aufhören. Werden aber noch mehr Prinzipien der guten alten Bundesrepublik eleminiert, dann kann man mit gutem Recht die Frage stellen, wann wir denn unsere Rentner in Lager sperren, damit sie nicht als Hungerleichen die Shoppingcenter verschandeln.

Ab wann verkaufen wir auch Nuklearwaffen und Stealthbomber an Söldnerfirmen?

Oder haben die das schon?

Oh … ich sehe gerade, die B-2 Bomber sind Stealth-Bomber. Die haben die also schon.

Und Atombomben? Die sind noch ganz  sicher nicht in Privathänden? Mal abgesehen von den Kofferbomben der alten Sowjetunion, über deren Verbleib es dunkle Gerüchte gibt. 

Was geschieht, wenn wir unsere Energieversorgung in Privathände legen, haben jetzt die Hannoveraner erlebt: da wird es dann ganz schnell ganz dunkel. Ebenso schnell wird es dunkel, wenn man es wagt, sich mit Ratingagenturen anzulegen: die stufen dann ganz schnell weiter ´runter.

Da darf man dann doch mal anmerken, das das ganze ziemlich übel nach „Ende der zivilisierten Welt“ riecht, oder?

Und zu dem möchte ich einfach nur anmerken: das ist reinweg künstlich herbeigeführt, da steckt keine Naturkatastrophe hinter, das sind alles menschliche Entscheidungen gewesen.

Wir verhungern aus Prinzip mitten im Kornspeicher und zahlen auch noch viel dafür, das das so bleibt.

Früher nannte man das „blöd“.

Heute nennt man das „alternativlos“.

 

 

 

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