Altenheime

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Wie uns die Gesellschaft in den Selbstmord treiben will

Sonntag, 10.6.2012. Eifel. Heute wäre ich gerne woanders, meine Mutter wird 78 - aber leidlich bekannte Krankheitsgründe zwingen mich wie üblich an den Bildschirm - dort findet der geplagte Rücken etwas Ruhe ... und der gelangweilte Geist etwas zu tun. Immerhin: wie es aussieht, drohen uns turbulente Zeiten: Kanzlerin Merkel hat laut <a href="http://www.welt.de/politik/deutschland/article106483507/Merkel-hat-20-Tage-um-die-Welt-zu-veraendern.html">Welt</a> noch zwanzig Tage, den Euro zu retten. Die Wirtschaft - wie immer treu, selbstlos und nur dem Wohl des Kunden verpflichtet - gibt schon mal indirekt ihr Votum bezüglich Merkels Chancen auf Erfolg ab: sie bereitet sich - ebenfalls laut <a href="http://www.welt.de/wirtschaft/article106484085/Deutsche-Wirtschaft-bereitet-sich-auf-den-Euro-Crash-vor.html">Welt</a> - gezielt auf den Eurocrash vor. Können die es sich bei soviel Vorbereitung eigentlich noch leisten, das der Crash nicht kommt? Es gibt noch zwei weitere Nachrichten, die zum Thema passen.

Sonntag, 10.6.2012. Eifel. Heute wäre ich gerne woanders, meine Mutter wird 78 – aber leidlich bekannte Krankheitsgründe zwingen mich wie üblich an den Bildschirm – dort findet der geplagte Rücken etwas Ruhe … und der gelangweilte Geist etwas zu tun. Immerhin: wie es aussieht, drohen uns turbulente Zeiten: Kanzlerin Merkel hat laut Welt noch zwanzig Tage, den Euro zu retten. Die Wirtschaft – wie immer treu, selbstlos und nur dem Wohl des Kunden verpflichtet – gibt schon mal indirekt ihr Votum bezüglich Merkels Chancen auf Erfolg ab: sie bereitet sich – ebenfalls laut Welt – gezielt auf den Eurocrash vor. Können die es sich bei soviel Vorbereitung eigentlich noch leisten, das der Crash nicht kommt? Es gibt noch zwei weitere Nachrichten, die zum Thema passen.

Eine davon kommt aus den USA, unserer wirtschaftlichen Führungsnation, deren Wirtschaftsphilosophie die rot-grüne Koalition erfolgreich in Deutschland einführt – es lohnt sich deshalb, mal zu bemerken, wie erfolgreich diese Wirtschaftsphilosophie wirklich ist. Wieder einmal ist es die Welt, die uns darüber informiert: fast fünfzig Millionen US-Amerikaner sind mitlerweile auf Essensmarken angewiesen, die Zahl der Suppenküchen in New York, der Hauptstadt des Reichtums, sind im das 45-fache gestiegen, der volkswirtschaftliche Schaden wird auf 170 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt.

Es sind Verhältnisse, die an die große Depression in den dreissiger Jahren erinnern … allerdings nennen unsere Medien das  nicht so. Wir feiern tolle Leistungen beim Fussball … und schauen dort weg, wo das Elend sich langsam über den europäischen Kontinent verbreitet. Aktuell werden wieder 100 Milliarden für die Folgen von Luxuskonsum und Leistungsträgerfixierung ausgegeben – obwohl man laut Spiegel noch nicht genau weiß, unter welchen Umständen diese Hilfe zustandegekommen ist. Während man im Handelsblatt noch das neue Kapitel der endlosen Eurorettung feiert, rechnet die Welt schon einmal vor, das sie inzwischen völlig alternativlos ist: Bürger, Firmen und Staat riskieren mit einer neuen D-Mark die Pleite.

Nur … wenn das so alternativlos ist, wie man uns da vorrechnet – wieso bereitet sich dann die Wirtschaft schon mal auf genau diesen Zustand vor? Wissen die etwas, was wir nicht wissen?

Auf jeden Fall.

Zum Beispiel, wie man 1,5 Milliarden bei einem Superdeal spart – siehe Manager-Magazin.  Solche Schlupflöcher würden sich auch Arbeitslose wünschen … würden die aber welche finden, wäre sofort die gesamte deutsche Presse samt online- und TV-Medien parat, um den Vorgang massiv abzustrafen, während man den Konzernen für solche Betrügereien Hochachtung zollt. Konzerne bieten „guten“ Berichterstattern eben Arbeitsplätze, Arbeitslose nicht. Die Arbeiter von VW bekommen auch erstmal was von dem Deal ab: sie erhalten 4,3 % mehr Lohn.

Damit muss man heutzutage leben:  auf der einen Seite stehen Großkonzerne, Politiker und Arbeitnehmer, auf der anderen Seite der Steuerzahler, der die Ansprüche der erstgenannten mit immer mehr Schulden bezahlen muss. Als Dank dafür droht im beständig Hartz IV und ganz sicher die Altersarmut.

Nun – wie wollen ja unsere Gesellschaft loben.  Politik, Wissenschaft und Wirtschaft haben es geschafft, das der frühe Kindstod abgenommen hat. Zwar wurden Wolf und Bär, Giftschlange und Winter durch den Straßenverkehr und die Haushaltsgeräte ersetzt, aber die schaffen nicht die Ablebequoten, die früher üblich waren.

Die Entwicklung ähnelt jedoch leider jener, die wir gerade bei der Wirtschaft beobachten: ein jahrzehntelanges Wachstum, tolle Steigerungsraten, Rekordgewinne und Absatzwunder führen zu …. Armut, Arbeitslosigkeit und unvorstellbarem Leid.

Wo die Ähnlichkeiten sind?

Nun – das „moderne“ Leben führt heutzutage direkt zu einem Siechtum der besonderen Art: der Pflegebedürftigkeit im Alter.

Das ist auch ein Ergebnis unserer Gesellschaft: Wolf, Bär, Giftschlange und Winter sorgen rund um die Uhr dafür, das alte Menschen einen schnellen Tod haben.  Wir haben diesen schnellen Tod durch ein langsames Siechtum ersetzt, einen Prozess, den wir nur deshalb als Sieg feiern, weil wir den Tod als natürlichen Bestandteil des Lebens ablehnen, ihn zum Feind erklären und damit im Prinzip jenen Autoimmunerkrankungen ähneln, die den Körper als solchen ablehen und ihn als Gefahr begreifen, die eleminiert gehört.

Auf dieses Siechtum in unseren chronisch unterfinanzierten Altersheimen sind wir sehr stolz: es stellt den Gipfel unserer zivilisatorischen Leistung dar. Gelegentlich darf ich mal einen Blick auf jene lebenden Leichen werfen, die in der obersten Etage eines Altenheimes vergessen und allen still vor sich hin wimmern. Manche sind sogar so reich, das sie diesen  Zustand privat finanzieren, manchen wurde alles genommen, was sie ihren Enkeln als Erbe hinterlassen wollten, damit sie diesen tollen Zustand erleben dürfen.

Auch hierüber liest man nur selten in den Medien, dabei bedroht dieser Zustand uns alle – unabhängig von den finanziellen Mitteln, die wir während unseres Lebens ergaunert haben.

Doch auch hier sind wir gewappnet … die Lösung kommt wieder aus der Welt, aus der gleichen Ausgabe, aus der ich oben schon zitiert habe. „Assistierter Suizid“ heißt das Zauberwort. Ich möchte den interviewten Mediziner an dieser Stelle mal zitieren:

Physische Schmerzen fürchten vor allem die Gesunden. Am Ende des Lebens spielen sie nur eine untergeordnete Rolle bei den Ursachen für Wünsche nach Lebensverkürzung, das zeigen viele Untersuchungen.

Es sind vielmehr die psychosozialen Leiden, die den Menschen zusetzen, vor allem der Verlust des Lebenssinns. Oder der subjektive Verlust der Würde. Das Gefühl, anderen zur Last zu fallen. Die Menschen leiden also vor allem an der eigenen Existenz, und das manchmal fürchterlich.

Interessante Untersuchungen, oder?  Warum werden diese Ergebnisse nicht auf das Problem „Arbeitslosigkeit“ angewendet, wo ebenfalls Menschen an dem Gefühl leiden, anderen zur Last zu fallen – oder an dem Verlust der Würde?

So gesehen … ist Hartz IV das gigantischste Suizidprogramm, das dieses Land in den letzten hundert Jahren hervorgebracht hat – und das will bei diesem Land etwas heißen.

Ebenso bekommen wir einen Ausblick auf unsere ganze Zivilisation: die Entwürdigung des Alters (die die meisten medizinisch angeblich noch „jungen“ Fünfzigjährigen schon beim Arbeitsamt erleben dürfen) betrifft jeden … und angesichts der laufenden wirtschaftlichen Turbulenzen wird sich der Trend noch deutlich früher zeigen.

Das ist die Krone unserer modernen Zivilisation: am Ende bleibt uns nur der Suizid … bald schon ab vierzig.

So erbärmlich war noch keine Kultur – auch wenn viele den Suizid differenziert betrachteten.

Noch kein Leben hat sowenig Sinn gemacht, wie das Leben der Moderne, das mit viel Glitzer und Glimmer die Jugend betört (die sich massiv verschulden muss, um sich diese „Glasperlen“ überhaupt leisten zu können), hinter dieser Dauerspaßmaske allerdings eine ziemlich verrottete Wirklichkeit versteckt: wir werden zu einer Kultur, die für den Menschen (für „Kosten auf zwei Beinen“) nur noch sehr bedingt Platz hat … und uns notfalls zum „sozialverträglichen Frühableben“ anleitet.

Ob es wirklich ein Gewinn ist, nach langem Siechtum vergessen von Kindern und Enkeln (die mit ihren „geilen“ Glasperlen den ganzen Tag beschäftigt sind) sich selbst das Leben zu nehmen?

Gelegentlich … hört man im Bereich der Nahtodeserfahrungen davon, das jene, die selbst aus dem Leben scheiden, ein ebenso dunkles Schicksal erleiden wie jene, die absichtlich Leben vernichten. Nun – daran zu glauben oder nicht, sei jedem selbst überlassen.

Im Rahmen eines „Nachdenkmagazins“ sei es aber mal erlaubt, kurz darüber nachzudenken, wie denn eine Kultur zu bewerten ist, die Seele in großem Maßstab in dunkle Jenseitswelten verbannen will.

So etwas Finsteres hätten wir dann noch nie gehabt.

Aber die systematische Vernichtung von Würde und Lebenssinn ist auch so schon schlimm genug – ohne metaphysische Implikationen. Nur gut, das momentan noch wenige Menschen zu diesem Ausweg neigen.

Aber Politik, Wirtschaft und Medizin arbeiten mit Hochdruck daran, das es sich ändert.

 

 

 

 

 

 

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