Freitag, 8.9.2017. Eifel. Ja – jetzt werden Sie wieder gescholten: die Nichtwähler. Sie sind persönlich verantwortlich für den Untergang Deutschlands, ja für den Untergang der Welt. Nur wegen Ihnen haben wir so viele unglückliche ausgebrannte Menschen, nur wegen ihnen dreht das Klima durch, nur wegen Ihnen ist es fraglich, ob die Menschheit das sechste große Artensterben überhaupt überleben wird (siehe nationalgeographic), Sie tragen die Schuld an den hohen Staatsschulden, dem drohenden (und folgenden) Abbau von 18 Millionen Arbeitsplätzen durch fortlaufende Automatisierung, dem grassierenden Artensterben in Deutschland, dem widerwärtigen Niedriglohnsektor, der Aufrüstung der Bundeswehr, der Autobahnmaut, der wahnwitzigen Privatisierungsorgie des Bürgervermögens durch gewählte Politiker und der horrenden Verschwendung der Steuergelder, Sie tragen die Schuld an der Einführung des autokratischen Fraktionszwangs im Deutschen Bundestag, an der erschreckenden Tatsache, dass nur noch Reiche im Bundestag sitzen (und wer versehentlich zu wenig geerbt hat, wird eben durch Diäten, Beraterhonorare und Spenden hochgepäppelt), daran, dass die Elbphilharmonie direkt nach der Ferstigstellung gleich erstmal wegen Schimmelbildung saniert werden muss (siehe FAZ). Waldsterben, Ozonloch, Klimakatastrophe: alles Schuld des Nichtwählers, Preisexplosionen bei Butter (siehe Spiegel), Einführung von alles verpestenden Verbrennungsmotoren, Überflutung des Himmels mit Abgasen durch Vielflieger oder der historische Umschwung der Ängste der Deutschen … aktuell Terror, Extremismus, ungeplante Einwanderung (siehe Welt): auch. Das jeder zweite nur einen unbefristeten Job bekommt – was vor allem die 30-39 jährigen betrifft (siehe Spiegel), dass die KFZ-Steuer bewusst zweckentfremdet wird (auch für größenwahnsinnige Rüstungsprojekte) (siehe Autohaus Waigl) während bei uns Straßen, Brücken, Schulen und Krankenhäuser verfallen: ohne den Nichtwähler undenkbar. Womöglich wird ihm bald auch noch angelastet. dass der neue EU-Superheld Macron locker 20000 Euro für Make-up ausgibt (siehe Spiegel wahrlich ein Mann des Volkes, direkt geliefert von führenden Investmentbanken) oder schon mal hintenrum anfängt, die „Zeit der Volkssouveränität“ für beendet zu erklären (siehe Voltaire.net).
Ja – alles wäre so schön, gäbe es den Nichtwähler nicht.
Können Sie sich eigentlich noch daran erinnern, wie es 1972 war? Da hatten die Nichtwähler noch 8,9 Prozent (anstelle der 28,5 Prozent 2013, siehe Statista). Haben Sie sich mal gefragt, warum sich das so schrecklich anders entwickelt hat? Oder … was damals anders war? Nun – wir hatten die ´68er, wir hatten eine breite politische Diskussion in den Familien, in den Betrieben, auf der Straße – und es gab einen Bundeskanzler, der glaubhaft darstellte, dass er „mehr Demokratie wagen wollte“ – also die Rückkehr zur Volkssouveränität. Dann kam Helmut Kohl … und es war vorbei. Wenn man es mal ganz kurz fassen möchte. Ich kann es auch anders formulieren: damals gab es Aufbruchstimmung, seit 1990 nur noch Abbruchstimmung. Was war denn da geschehen? Nun – es gab mehrere Ereignisse, die alle eins zeigten: die politische Welt hatte sich von den Bürgern abgekoppelt, war inzwischen verfilzt genug, um jede Abweichung vom CDU-Mainstream wieder ausgleichen zu können und eigene Projekte widerstandslos durchzupauken, vor allem hatte es Dauerkanzler Kohl geschafft, dem Bürger völlig klar zu machen, dass die Demokratie vorbei war: Spendenaffäre (wobei aktuell gar nicht klar ist, ob es „schwarze Kassen“ der CDU waren anstelle von anonymen Spendern – siehe Handelsblatt), die Leunaaffäre oder die Bundeslöschtage machten klar, dass unmoralische Mächte und Gewalten die Republik erobert hatten, verflochten und verfilzt in unzählige Netzwerke und Seilschaften, die alle nur eins im Sinn hatten: die persönliche Bereicherung auf Kosten des Wählers und Steuerzahlers.
Und dann kam der ganz große Coup: die rotgrüne Regierung unter Schröder/Fischer (inzwischen beide recht reich) ging offen gegen elementare moralische Grundsätze der Bundesrepublik Deutschland vor: es kam zu den ersten Kampfeinsätzen der Bundeswehr im Ausland (bezeichnenderweise in einem der Länder, in dem sich schon die Bomber der Wehrmacht ausgetobt hatten), gleichzeitig ging man – in ähnlichem, altem Geist – gegen die eigene Bevölkerung vor: der Arbeitslose selbst wurde persönlich verantwortlich und haftbar gemacht für alle Globalisierungsfolgen, die die Manager der Großkonzerne eingefädelt hatten. Schaffte er es nicht aus eigener Kraft, sich Alternativen zur Abwanderung seines Arbeitsplatzes nach China, Indien oder Amerika zu suchen, wurde er … verstoßen, geächtet, enteignet. Eine hemmungslos verrohte Presse wiegelte die Bevölkerung auf, Arbeistlose zu verfolgen und sozial auszuschließen, gleichzeitig wurden die Finanzheuschrecken auf die Bundesrepublik losgelassen und durften völlig ungestört herumwüten … was uns ein bislang beispielloses Bankenrettungsprogramm bescherte, dessen Ende noch nicht abzusehen ist, da die „Märkte“ wieder zocken ohne Ende. Der Arbeitslose jedoch … wird erstmal komplett enteignet, wenn in seinem Leben etwas schief gegangen ist – während die gescheiterten Finanzjongleure ihre Millionen behalten dürfen und sich vor lauter Sportwagen in der villeneigenen Tiefgarage gar nicht mehr retten können.
Das ist die strategische Großwetterlage eines gebildeten Nichtwählers, der sich sagt: warum soll ich noch Zeit und Geld aufwenden, das „System“ (näheres zu dem gleichnamigen Werk von Hans Herbert von Arnim siehe Perlentaucher) auch noch mit einer pseudodemokratischen Scheinlegitimation auszustatten? So ein Gang zur Urne ist doch eine Farce – und entwürdigend. Und die Würde ist in diesem Land noch unantastbar.
Selbst aber wenn man nur als Konsument denkt, also als jemand, der nüchtern und kritisch das wählbare Angebot analysiert, wird man nicht gerade zur Wahl motiviert: es gibt aktuell nur noch CDU in verschiedenen Geschmacksrichtungen, wir sind schon längst inoffizieller Einparteienstaat geworden.
Wollen wir das mal durchgehen? Nein, nicht das verlogene Programmgetöse: Großkanzlerin Merkel selbst hat uns ja dereinst offenbart, dass es ganz normal ist, dass nach den Wahlen andere Maßstäbe anzusetzen sind als vor den Wahlen – weshalb wir uns ja die Hohlsprüche der Pappfratzen an den Straßenrändern alle sparen können.
Fangen wir an mit dem Original: der CDU. Für Menschen mit Anstand, Gerechtigkeitsgefühl, Wertebewusstsein einfach unwählbar – siehe oben. Die „geistig-moralische Wende“ hat die gute, alte, lebendige, kreative Bundesrepublik in einen verkommenen, verrottenden Räuberstaat verwandelt, in dem normale humanistische Aussprägungen demokratischen Selbstverständnisses offiziel als „Sozialromantik“ geächtet werden durften, während jede Form hochkriminellen Anlagebetruges als „Leistung“ hochgejubelt und mit irrsinnigen Steuermilliarden subventioniert werden. Ja – wie sagte schon Kohl selbst: wichtig ist, was hinten rauskommt (oder so – siehe Welt). Zudem eine Partei, die ihre Wähler verraten hat … ginge man doch einst zur CDU, um mal kräftig „Ausländer raus“ zu wählen (siehe hagalil) … und hat jetzt eine Kanzlerin, die Ausländer in Massen hereinholt – ohne Recht zu wissen, was sie mit ihnen anfangen soll.
Dann mal zur SPD, die seit Schröder (wenn nicht sogar schon seit Helmut Schmidt … aber darüber müsste mal ein andermal reden) eine CDU in rot ist. Außen rot, innen schwarz. Muss ich deren Wählerverrat nochmal näher erläutern? Er läuft ja auch noch immer weiter, Jahr für Jahr. Die Weichen für das stärkste Millionärswachstum in Europa (siehe Tagesspiegel) wurden von rotgrün gestellt , auch die Zahl der Milliardäre wächst ständig – wie auch ihr Vermögen, parallel dazu wachsen Alters- und Kinderarmut (siehe jungewelt).
Es gibt die CDU auch in grün – und sie nennen sich dann auch so. Als kleine Spaßkasperle der beiden Großparteien dürfen die auch mal richtig lustige Dinge fordern – wie einen „Veggieday“. Ihr Spitzenkandidat Özdemir sitzt neben den anderen „Großen“ der Politik in transatlantischen Föderkreisen, deren Existenz und Einfluss so gut wie gar nicht mehr öffentlich diskutiert wird – selbst dann nicht, wenn es so fragwürdige Erscheinungen sind wie das „Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert“, das offen Weltherrschaftsträume propagiert. Aktuell haben sie ja wirklich wieder ein Projekt mit dem sie laut Furore machen: den abgasfreien Verkehr (siehe FAZ): Traum eines jeden radfahrenden Musikstudenten in den urbanen Zentren. Niemand macht sich Gedanken, wie diese Ballungszentren denn dann mit Nahrungsmitteln versorgt werden sollen (das dürfte auch nicht mit „Stadtgärtnern“ gehen – was genau betrachtet eine wunderbare Idee ist, aber auch eine Rückkehr zu der kleinstparzelligen und unergiebigen Landwirtschaft des Mittelalters bedeutet) … und dass der gigantische Stromverbrauch durch Elektromobilität letztlich nur durch Kernkraft garantiert werden kann, ist ja dann auch das Problem zukünftiger Generationen. Aber man kann ja auch einfach mal Dinge fordern, die sich einfach gut anhören – im vollen Bewusstsein, dass wir sie nie erfüllen können … und dass deren Konsequenzen für die Armen unbezahlbar werden.
Noch irgendein Wort zur FDP nötig? CDU in gelb, voll Wirtschaft, ohne christlich. Haben aktuell die Erfolge der Piratenpartei erfolgreich analysiert und effektiv umgesetzt, werden mit Sicherheit wieder in den Bundestag zurückkehren um der Muttermerkelpartei hilfreich zur Seite stehen zu können und ein paar Vorteile für ihre edelsten Spender herausholen – gegen bar, versteht sich. Ja – es ist immer noch die alte Mövenpick-Partei (siehe Spiegel).
Jetzt warten wahrscheinlich schon viele auf „Die Linke“, jene Retter des kleinen Mannes und der kleinen Frau, jener Partei, aus der die Klagen über Nichtwähler am Häufigsten kommen … weil man sich der irren Illusion hingibt, dass die Nichtwähler alle frustrierte „Linke“ sind … oder überzeugte CDU-Wähler im Falle der Arbeitslosigkeit automatisch links werden. „Die Linke“ ist ein originaler SPD-Klon und im Herzen auch so links wie das Original – und das beweisen sie immer wieder, wenn es hart auf hart kommt wie jetzt bei der Autobahnmaut. Ja, sicher: ich kenne die Diagramme, die zeigen, dass die Linke aktuell die einzige Partei ist, die nicht dem autokratisch-rechtem Spektrum zuzuordnen ist … aber ich kenne auch hinreichend viele Interna dieser Partei, die mir deutlich zeigen: da herrscht originaler SPD-Kadergeist. Das beweisen die auch immer wieder. Nehmen wir mal als Beispiel diese unsägliche Autobahnmaut, die – via Betreiberfirma – wieder ein paar superbezahlte Chefposten liefern wird, dafür aber Millionen wieder tiefer in die Armut stößt. Gut – die Linke war dagegen (siehe linksfraktion). In Thüringen jedoch (ja, da regiert die Linke) scherte der Ministerpräsident Ramelow aus der Reihe der mautkritischen Bundesländer überraschend aus … die Gründe kann man sich selbst durchlesen (siehe HAZ). In Berlin billigte die Linke den Verkauf von öffentlichem Wohneigentum an „Investoren“ – die Pläne, die Wohnungen jetzt zurück zu kaufen (siehe Neues Deutschland) machen die Erfahrung auch nicht besser: wenn es hart auf hart kommt, wird „die Linke“ zur SPD.
Und die AfD? Auch Hoffnung des kleinen Mannes? Das ist der analoge Clon der CDU. So wie die SPD die Linke ausgeworfen hat, speite die Union die Afd aus. Einfach mal auf die Parteikarrieren schauen. Und CDU und AfD arbeiten ja jetzt schon schon fleißig zusammen, bzw. in die selbe Richtung, man schaue nach Sachsen-Anhalt (siehe Neues Deutschland), Hamburg (siehe Hamburger Abendblatt), Rheinland-Pfalz (siehe Focus). Da wächst zusammen, was zusammen gehört.
Soweit zu den wählbaren Angeboten, die nicht von vorn herein durch die fünf-Prozent-Hürde von jeder Teilnahme ausgeschlossen wurden.
Und was sitzt hinter der allgegenwärtigen CDU?
Da haben wir noch gar kein Wort für. Wir könnten eins haben, wenn wir statt Unterhaltung (die eigentlich – präzise benannt – eine „unten Haltung“ ist) wieder mal Bildung (also: eine „oben Haltung“, die den wählenden Souverän auch in die Lage versetzt, differenzierte Entscheidungen zu treffen, anstatt flotten Propagandasprüchen hinterherstolpern zu müssen) in die Medien bringen würden, doch schon allein der Begriff Bildung ist (wie viele andere Kampfbegriffe) kaum noch zu gebrauchen, weil er nur noch für jene Inhalte benutzt wird, die die Parolen des „Systems“ verbreiten, während dann – passenderweise – jene, die diese Parolen hinterfragen und nicht klaglos schlucken wollen „bildungsferne Schichten“ genannt werden. Dieses Wort könnte „Ego“ heißen, gemäß den Erkenntnissen des gleichnamigen Werkes von Frank Schirrmacher, es würde viel besser als „Wirtschaft“, „Lobbyismus“, „Finanzfaschismus“ beschreiben, warum diese Gesellschaft so weitgehend verrottet – und warum wir eine tiefgreifende Reform, eine umfassende „geistig-moralische“ Wende bräuchten, die gar nicht neu erfunden werden müsste, weil ihr Geist in dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schon längst enthalten ist. Wir haben ein tiefsitzendes Personalproblem, doch wer es mal plakativ in einfachen Worten gründlich beschreibt wie Karen Duve in ihrem Buch „Warum die Sache schiefgeht“, erhält von den Meinungsbildnern der Republik ein qualitativ hochwertiges Echo (siehe Spiegel):
„Das Buch hat den Erkenntnisgewinn einer Anleitung für Mundspülung.“
Ja – das ist die Form, wie jene Medien mit diesen Gedanken umgehen, die Frau Duve selbst mangelnde Sachlichkeit vorwerfen (siehe FAZ). Andererseits lebt man prächtig davon, jede Sachlichkeit gründlich zu vermeiden, in dem man „Wunderwaffen aus dem Berliner Führerbunker einsetzt“ (siehe Journalistenwatch) … wie ich höre, die diese Wunderwaffe ein bekanntes Model für den Konzern LIDL … oder ganze Scharen von zumeist völlig unbekannten „Promis“ völlig nichtssagenden Nonsens von sich geben läßt, um die Heiligkeit der Großkanzlerin zu preisen (siehe unterstütztmerkel). Promis? Gestalten, denen aus den Führungsetagen das Prädikat „besonders lebenswerte Existenzen“ verliehen wurde … aus den gleichen Etagen, die Arbeitslosen und Niedriglöhnern gerne mit dem Entzug des Lebensberechigungsscheins drohen. Menschen, deren erste Qualität es ist, dass sie Frontkämpfer in der Unterhaltung (sprich: unten Haltung) sind.
Und das soll ich jetzt alles durch Abgabe meiner Stimme legitimieren? Schon mal überlegt, was man da wirklich abgibt? Das haben andere treffend formuliert (siehe Heise):
„Es ist ja auch – nüchtern betrachtet – ein echter Hammer, was Parteien bei der Bundestagswahl von uns fordern: nämlich Prokura, die volle Vertretungsmacht für uns in allen erdenklichen Lebenslagen. Anders als bei der Patientenverfügung, bei der es nur um den kleinen Lebensabschnitt des Sterbens geht, müssen wir hier nicht alle Eventualitäten explizit regeln, damit andere uns in dem von uns gewünschten Sinne vertreten können – bei Parteien genügt ein einziges Kreuz auf dem Stimmzettel.“
Und was machen diese Parteien dann – außer hemmungsloser Selbstbereicherung? Sie sorgen dafür, dass „der Staat sich aus der Fläche zurück zieht“ – mit schauerlichen Folgen für jene Menschen, um deren Stimme man gerade mit erbärmlichster unsachlicher Einfalt buhlt (siehe NDR):
„Sie haben gekämpft gegen die Schließung der Kinder- und Geburtsstation ihres Krankenhauses. Sie haben alles versucht, um mit den Politikern ins Gespräch zu kommen, mit ihnen zu diskutieren, warum sie diese Stationen brauchen. Aber keiner hat ihnen zugehört. Es hat ihnen auch keiner zugehört, als die Kreisgebietsreform kam: viele Ämter, aber auch das Amtsgericht wurden geschlossen. Jetzt müssen die Menschen sehr weite Strecken zurücklegen, um Gerichtstermine wahrzunehmen oder zum Finanzamt zu gehen. Sie fühlen von der Politik verlassen. Auch auf Usedom verliert die Demokratie. Der Staat zieht sich tatsächlich aus der Fläche zurück.“
Kurzum: die Verwaltung dieses Landes kassiert nur noch – aber liefert nicht, führt sich aber dafür auf, als wären sie die neuen Könige der Welt. Neue Methoden statten sie ja auch mit dem Potential dazu aus (siehe Deutschlandfunkkultur):
„Wirksam regieren“ heißt eine Arbeitsgruppe, die die Bundesregierung seit einem Jahr dabei berät, wie sie das Volk psychologisch richtig lenken kann. Eine problematische Methode, findet der Philosoph Robert Lepenies, denn sie wirke vor allem „im Dunkeln“.
So … wird der Wähler zum strunzdummen Schaf, dass in Massen durch die Gegend getrieben wird, während man ihm die Illusion vorhält, es sei der Souverän. Und wenn die Medien mal wirklich wild werden, dann wird hart durchgegriffen (siehe Spiegel):
„Wenn es einen Journalisten gibt, dem man vorwerfen kann, dem Ansehen des Journalismus Schaden zugefügt zu haben, dann ist es der Chefredakteur des ZDF, Peter Frey. Über mehrere Stunden verhandelten die Abgesandten der Kanzlerin im Hauptstadtstudios des ZDF über den Ablauf des Duells. Zähneknirschend habe man sich den Wünschen aus dem Kanzleramt gefügt, hieß es anschließend aus den Sendeanstalten, da Merkels Leute damit gedroht hätten, dass die Kanzlerin andernfalls nicht teilnehmen werde.“
Und weiter: „Wer spitz nachfragt, gilt mitlerweile als gefährlicher Ruhestörer“.
Und da will man mir wirklich erzählen, dass der Nichtwähler eine große Gefahr ist? Da erdreistet man sich wirklich, Nichtwähler als Abschaum der Demokratie zu beschreiben, Terroristen und Staatsfeinden nahe?
Die Mehrzahl der Nichtwähler sind übrigens nur „Wähler auf Urlaub“ – und „keinesfalls nur lethargische, desinteressierte und Privatfernsehen konsumierende Couchpotatos, sondern sie haben politische Gründe für ihre Wahlenthaltung“ (siehe Taz) – also eher Menschen, denen „Scheiße in verschiedenen Geschmacksrichtungen“ nicht gefällt (Volker Pispers, siehe rp-online) – auch dann nicht, wenn man sie farblich fröhlicher garniert. Und Menschen, die sich durch nichtssagende Parolen auch nicht nötigen lassen wollen – weil Nötigung in einer Demokratie überhaupt nichts zu suchen hat.
„Nichtwählen“ – kann eine aus einer hohen moralischen Verantwortung resultierende Entscheidung sein – eine Gewissensentscheidung, die nicht unbedingt leicht fällt. Und ich denke, das kann auch jeder verstehen: würden Sie im örtlichen Supermarkt unbedingt ungenießbare, vergiftete Lebensmittel kaufen – einfach, weil Ihnen jemand sagt, dass Konsum total wichtig ist?
Manche verzichten dann einfach aufs madenverseuchte Essen … und warten bescheiden und geduldig auf genießbare Angebote. Und die … brauchen wir dringend, wie der ehemalige Mercedeschef Edzard Reuter beschreibt (siehe Süddeutsche):
„Umso mehr müssen wir nachsteuern, wenn wir nicht wollen, dass es auch hier in Europa bald selbstverständlich wird, dass wie in den USA unter der Brücke arme Schlucker hausen und oben Millionäre drüberflanieren.“
Und:
„Immer mehr Menschen mit Zeitarbeitsverträgen stehen Managern gegenüber, die Bezüge im zweistelligen Millionenbereich bekommen“, sagt Reuter. Es werde leider „knallen, wenn wir nicht endlich aufwachen“.
Und zum Aufwachen kann auch gehören, dem „System“ einfach mal die Legitimation komplett zu entziehen. Erstmal – damit es völlig bloßgestellt wird … und der dringend notwendige radikale Umbau der Wirtschaft – ganz auf dem Boden des Grundgesetzes – beginnen kann. Und endlich mal eine positive geistig-moralische Wende zum Besseren beginnt … und das künstlich hochgeputschte „Ego“(= ich) durch ein „Nobis“ (= wir) ersetzen.
Da hätten wir ja auch gleich den Namen für eine Partei, in denen sich die anderen sammeln können, eine Partei für die „Guten, Friedfertigen, Empathischen, Verantwortungsvollen, Sozialen“ (auch: FAZ).
Die schlechten, kriegerischen, gefühl- und verantwortungslosen Asozialen haben ja schon Parteien genug.