Montag, 9.9.2013. Eifel. Ein fieser Tag – wie jeder Montag. Seltsam, dass der Montag so einen Ruf hat, oder? Immerhin leben wir in einem Land, in dem Arbeit heilig ist, heilig zu sein hat. Arbeit – in christlichen Zeiten ein Fluch des Gottes und auch in außerchristlichen Bereichen wegen Schmerzen, Langeweile und Stumpfsinnigkeit nicht sehr geschätzt – ist Lebenssinn geworden. „Frieden ist Krieg“ – so tönen die Propagandatrompeten der Neuzeit, „Arbeit ist Lust“. Niemand würde es wagen, in der Öffentlichkeit zu behaupten, dass Arbeit Scheiße ist (äh, doch, ich. Aber das ist schon eine Weile her und ich bin dafür auch ordentlich geschimpft worden). Doch was sehe ich Montagmorgen? Oder schon den ganzen Sonntag? Lauter Leute, die jammern und klagen, dass die Tretmühle schon wieder losgeht – egal ob in Firma oder Behörde. Was für eine Beschisskultur – um es mal deutlich zu sagen. Feiern gigantische „thanks-god-it´s-friday-Partys“, aber finden Arbeit natürlich supercool, können sich eine andere Existenz als die des „workoholic“ gar nicht vorstellen – jedenfalls nicht offiziell. Wieso werden Arbeitslose eigentlich mit solchen hasserfüllten, niederträchtigen Schmähungen überzogen, wenn doch Arbeit ein so toller Wert ist? Mitleid müsste man mit ihnen haben, dürfen sie doch nicht teilhaben an einer solch´ tollen hocherotischen Arbeitswelt! Die Realität ist: Neid ist das hauptsächliche Gefühl, das Arbeitslose erzeugen. Die haben Zeit, sitzen den ganzen Tag mit Bier vor der Plasmaglotze und fühlen sich pudelwohl! Na, da muss ja nach Hitler gerufen werden, der endlich mal richtig aufräumt. Dabei muss man viel eher mit den eigenen Lebenslügen aufräumen – doch dafür ist man zu feige, zu ängstlich, würde das doch bedeuten, sich gegen die offiziell von Kreisen der Politik und Wirtschaft gewünschten Ansichten zu stellen.
Woher ich diese Gedanken habe? Von Sarah Wagenknecht – also, von meinem Eindruck von ihrem Auftritt. Sie sprach am Samstag in Aachen – und ich war da. War ein Fehler, mein Rücken erlaubt solche Experimente nicht. Aber ich habe etwas dazugelernt: so was rechtfertigt jeden Schmerz. Ich habe eine tolle Rede gehört, habe Zahlen gehört, die auch die SPD und CDU vor sich hertragen. Das hat mich schon mal verblüfft – hatte ich doch selber Zahlen ausgegraben, die die offiziellen Propagandazahlen Lügen strafen. Rechne ich nach strengen Maßstäben durch, dann komme ich locker auf eine Arbeitslosigkeit von über sechzig Prozent. Das korrespondiert auch mit den Datensätzen der Jobcenter: 42 Millionen Menschen sind dort schon registriert: bei 40,5 Millionen Menschen, die überhaupt irgendeine Form von Arbeit haben, fand ich das erschreckend viel. Warum erwähnt man das nicht bei den Linken?
Noch weiter verwundert hat mich der Gebrauch des Begriffes Arbeit. Was wurde da gejammert und geklagt über mangelnde Arbeit, über die vielen Menschen, die zu wenig an diesem kostbaren Gut teilhaben konnten. Ich schaute mich um, sah meine Mitmenschen an, sah ihre zerschlissenen Schuhe (da achten die wenigsten drauf – ist ja auch ziemlich weit unten und ziemlich weit weg vom Kopf), ihre selbst geschnittenen Frisuren (ja, das sieht man), ihre verfaulten Zähne (Praxisgebühr hatte halt doch Folgen – und den Eigenbeitrag für´s Porzellaninlay kann man von Billiggehältern nicht bezahlen) oder ihre Kleidung, die deutliche Zeichen des Verfalls trug: ich wusste sofort: die brauchen GELD, nicht ARBEIT. Arbeiten können die doch gar nicht mehr. Arbeit zu bekommen ist nicht Ergebnis intensiven Wunschdenkens, nicht Folge großer Gebete zum Universum oder Konsequenz eines ominösen „Secret“ (hierzu folgt an anderer Stelle mehr) sondern die Entscheidung eines Personalverantwortlichen! Erschreckend, oder? Ist bei den Jobcentern und Politikern kaum bekannt – aber für die Arbeitslosigkeit in Deutschland tragen Personalverantwortliche die Hauptverantwortung: NIEMAND ANDERS stellt in Deutschland Menschen ein. Ihre zumeist von der Fernsehwerbung verwöhnten Anschauungen, wie Mensch auszusehen hat, kann – dank Bundesregierung – KEIN ARBEITSLOSER GERECHT WERDEN!. Ist einfach viel zu teuer, dieser ganze Bluff.
„Ordentliche Kleidung“ kostet schon etwas. Ein guter Anzug, italienische Schuhe und Hemden, Socken aus Dänemark – da ist schnell ein gebrauchter Kleinwagen zusammen. Ja, ich war auch mal personalverantwortlich und weiß, worauf man achten muss. Habe ich mühsam gelernt. Da hat man Richtlinien zu erfüllen, sonst ist man selbst schnell draußen: Mitarbeiter sollten (und das wird gerne arbeitsvertraglich so festgehalten) so aussehen, dass sie ohne große Umkleidungsaktionen umgehend im Fernsehen auftreten können. An diesem Menschenbild arbeiten die Medien konzentriert mit (ja, auch Martin Sonneborn von der PARTEI).
Und wer hält sich alles daran?
Alle.
Einfach mal in die Einkaufszonen der Republik schauen – oder in den deutschen Bundestag. So uniformiert ist sonst nur die Bundeswehr oder andere Karnevalsvereine. Vergeblich sucht man die langhaarigen Männer in Jesuslatschen oder die vollbärtigen Marxjünger, der Bundestag sieht aus wie ein großer Verein in Firmenkleidung, man fühlt sich wie bei einem Besuch bei McDonalds – und kriegt auch ähnliche Qualität serviert. Denen soll ich abnehmen, dass sie unterschiedlicher Meinung sind, für unterschiedliche politische Entwürfe stehen? Sie demonstrieren doch ihre politische Richtung jeden Tag! Ja – Kleidung ist auch Kommunikation, ist auch Botschaft – soll ein Zusammengehörigkeitsgefühl ausdrücken.
Man kann das auch noch präzisieren: welche Botschaft drückt denn ein feiner Anzug aus?
„Ich mache mir die Hände nicht mehr schmutzig. Ich habe es geschafft, ich bin was Besseres!“.
„Was Besseres“ stellt man dann auch gerne ein, man erhofft sich davon, damit ein Stück des repräsentierten Erfolgs kaufen zu können.
Aber wie steht „was Besseres“ zum Thema Arbeit? Nun – in so einem Anzug kann man nur wenig mehr tun als repräsentieren. Kranke oder Alte pflegen, mit Kindern spielen, den Acker bestellen oder Nudeln verkaufen geht damit nur schlecht, wäre auch schade um den guten Stoff. Noch nicht mal im Büro taugt er zur Tat – eigentlich ist er das Signal: „ich kann nur auf Kosten anderer gut leben – und habe Spass wie Bolle dabei“.
Nun – Sarah Wagenknecht hatte keinen Anzug. Sie war außerordentlich mutig und trug ein Kostüm, mit dem sie auf einem Sektempfang in einem Nobelgeschäft der Düsseldorfer Köngisallee oder einer Tagung der deutschen Pharmaindustrie nicht sonderlich aufgefallen wäre. Den Mut hat die deutsche Bundeskanzlerin nicht, sie traut sich nicht aus ihrem Hosenanzug.
Politiker haben ja auch generell nicht viel mit Arbeit zu tun, darum nennt man sie ja auch „Abgeordnete“. Sie sind aus der normalen Arbeitsordnung entfernt worden, um die politischen Geschäfte einer Gemeinschaft zu erledigen. Dass könnte man natürlich auch tun, ohne sich mit den Statussymbolen einer bis ins Mark dekadenten Oberschicht zu schmücken – aber dies ist ein freies Land, weshalb sich unsere Abgeordnete anders entschieden haben und beim Tanz ums Goldene Kalb ganz besonders schräge Figuren auf dem Parkett zeichnen.
Das gilt leider auch für die „Linken“. Wir sollten trotzdem froh sein, dass es sie gibt, denn nach sechzig Jahren Filz, Netzwerken und Korruption hat auch der allerletzte Depp begriffen, dass man im Prinzip nur die Wahl für einen Flügel der großen deutschen Einheitspartei SCFUDDP (Sozialchristlichfreie Union der deutschen demokratischen Parteien) hat: entweder für Angela Merkel (Kanzlerin der großen Koalition) oder Peer Steinbrück (Finanzminister der großen Koalition), deren Programme sich noch am deutlichsten durch die Wahl der Papierqualität unterscheiden, auf denen sie gedruckt sind. Inhalte sind ja auch – siehe Wahlplakate – kein Thema.
Mag man die große Koalition der SCFUDDP nicht, wohnt man definitiv im falschen Land.
Klar, man kann die Linke wählen … aber wer moderierte den Auftritt von Sarah Wagenknecht? Eine „lustige Frau“, eine Komödiantin, gekleidet in der Uniform der deutschen Hausfrau der sechziger Jahre. Sollte wohl lustig sein (war es auch – stellenweise), doch dem politisch interessierten Bürger störte das sehr, war es doch gleichzeitig eine deutliche Verunglimpfung des einfachen Bürgers, der schon allein in seinem (perfekt imitierten) Aussehen unglaublich lächerlich wirkt im Vergleich zu dieser Ikone der Linken.
Nun – diese lächerliche Gestalt aus dem einfachen Volk war auch äußerst devot und demütig der großen Ikone der Linken gegenüber: wie es sich gehört, wenn Herrenvolk sich unter Urnenpöbel mischt.
Als Nachdenkmagazin blickt man natürlich auch gerne hinter die Kulissen – auch wenn man selbst nicht besser aussieht als das Publikum und sich schon denken kann, dass man mit der Kluft nicht sonderlich gut ankommt bei den oberen Zehntausend.
Hinter der Bühne wartete – neben dem üblichen Sicherheitspersonal und der Polizei – eine riesige schwarze Limousine mit Berliner Kennzeichen, die hinteren Scheiben so getönt, dass der Pöbel den Fahrgast nicht weiter wahrnehmen konnte. Hier stieg Sarah Wagenknecht ein – und verschwand.
Mit „Arbeit“ kann man eine solche Limousine nicht bezahlen. Ein seltsames Bild – und angesichts der Rede und des Umfeldes eine seltsame Botschaft. Ich fühle mich ein wenig wie im Kabarett – obwohl diese Wirkung natürlich nicht beabsichtigt war. In Wirklichkeit hatte sich niemand Gedanken gemacht, wie ein solches Bild wohl beim Volk ankommt – woraus die direkte Botschaft kommt, dass der Eindruck, den man beim Urnenpöbel macht, sowieso keine Rolle mehr spielt.
Nicht, das wir uns falsch verstehen. Sarah Wagenknecht ist kein sonderlich herzlicher Mensch – aber sie hat sich große Mühe gegeben, in Kontakt mit dem Publikum zu kommen. Sie hatte neben der Bühne Zeit für ein paar enthusiastische Fans und verteilte auch hinter der Bühne noch Autogrammkarten. Das ist für einen Kopfmenschen eine große Leistung, die andere nicht in diesem Ausmaß geleistet hätten.
Was mir aber nicht aus dem Kopf gehen wird, ist das Bild mit der Limousine … und der Umgang mit dem Wort „Arbeit“.
Wir brauchen keine Arbeit. Alle finden Arbeit lästig und ungut, weshalb sie auch immer häufiger von Maschinen gemacht wird, die Wissenschaftler und Ingenieure direkt im Auftrag der Konzernleitung entwickeln, um die lästige Abhängigkeit von Arbeitern los zu werden.
Es ist eine Lüge, dass Arbeit gut, edel und schön ist: und das demonstrieren mir die Deutschen jeden Montagmorgen. Da gibt es keine Freudenschreie, keine großen Partys, die schon um fünf Uhr stattfinden, weil man es gar nicht erwarten kann, um neun Uhr endlich im Büro zu sein. Freitagnachmittag … ja, da wird schon mal gefeiert. Manchmal sogar ziemlich lange. Aber Montag?
Einfach mal am Sonntagabend durch Facobook stöbern und sich die Klagen der Bürger über den Wochenanfang anhören … da weiß man schon genug.
Was man aber auch weiß (und dies hat Frau Wagenknecht auch deutlich beschrieben): das Volk ist schon zu sehr eingeschüchtert, um sich selbst die Wahrheit einzugestehen.
Einfach mal direkt auf Menschen zugehen und sie nach ihrer Meinung zum Thema Arbeit fragen: was kommen da nur für seltsame Verrenkungen. Alle finden es supertoll, dass es so etwas wie Arbeit überhaupt gibt, etwas Schöneres kann man sich im Leben gar nicht vorstellen.
Warum spielen dann immer mehr Leute Lotto? Warum dieses Theater um den Montag? Wobei genau wird da eigentlich gelogen?
Warum gelogen wird, kann ich sagen: man hat Angst vor dem Jobcenter. Man stelle sich mal vor, man würde arbeitslos und der Sachbearbeiter hätte Aussagen zum eigenen Verhältnis von „Arbeit“ vor sich liegen. Sofort könnte man sich eine Sanktion einhandeln, weil die eigene Einstellung einer erfolgreichen Arbeitsaufnahme im Wege steht: sofort reagiert der Staat mit dem Entzug der Lebensgrundlagen und droht so mit Gewalt, die den Tod billigend in Kauf nimmt.
Deshalb jubeln alle über Arbeit: öffentliche Jubelverweigerung kann ganz schnell zum Tode führen.
Die Menschen wissen das. Sie wissen auch, welche Macht dieses System Arbeitgebern in die Hände gibt: sie werden auf einmal mittelbar Herren über Leben und Tod, die Nähe zur Leibeigenschaft ist unverkennbar.
Hätte man darüber nicht auch mal reden müssen – als „Linke“?
Immerhin: ich rede ja auch darüber.
Worüber ich mich noch ein wenig wundere, ist, dass es den Sonntag überhaupt noch gibt. So hocherotisch wir Arbeit nun mal ist, müssten doch alle seine Abschaffung fordern.
Na, das wird sicher noch kommen.
Ich warte dann auf die Partys, die dann stattfinden werden, weil endlich noch ein lästiger, langweiliger, unproduktiver Tag der unbegrenzten Arbeitslust zur Verfügung gestellt würde: das gibt sicher spontane Massendemos auf den Straßen zum Lob der Regierung, die sich an diesen Tag endlich herangewagt hat und die jahrhundertelange Dominanz der Kirchen endlich überwunden hat.
Ich suche derweil mal nach einer Partei, die so ehrlich ist wie Volker Pispers, der mal zugab, dass er keine Arbeit braucht – er bräuchte nur Geld, meinte er, beschäftigen könne er sich selber.
Der Besuch bei den Linken hat mir auf jeden Fall ein ungutes Bauchgefühl beschert – trotz schönem Wortgeklingels.
Manchmal sitze ich hier und denke: „Du solltest mal was über Guttenberg schreiben.“ Das machen gerade alle. Über Guttenberg schreiben. Da vergeht die Zeit wie im Flug, das macht Spaß, das bringt gute Laune. Mir nicht. Ich hatte schon das Vergnügen – das hat gereicht. Inzwischen schwillt eine riesige Guttenbergwolke durch die Medienwelt und verstopft den Blick für reale Entwicklungen, die man im Dunstkreis dieser Asche leicht übersieht:
Der Aufruhrvirus geht um!
Aus Indien meldet rian Unruhen:
Bis zu 40.000 Menschen sind am Mittwoch in Neu Delhi auf die Straße gegangen, um gegen Korruption und wachsende Lebensmittelpreise zu protestieren. Die Demonstrationen legten den Straßenverkehr in der indischen Hauptstadt weitgehend lahm, wie ein RIA Novosti-Korrespondent berichtet.
Aus den USA berichtet der Hintergrund:
Angefangen hat alles in Wisconsin. „Im Mittleren Westen, wo einst die Wiege der amerikanischen Arbeiterbewegung stand, will der republikanische Gouverneur die Gewerkschaften zerstören – Hunderttausende protestieren“, berichtete der Nachrichtensender n-tv. (1)
Was war geschehen? Gouverneur Scott Walker hatte angekündigt, künftig Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Regierung im öffentlichen Dienst abzuschaffen. Daraufhin gingen am Wochenende aus Protest allein in Wisconsins Hauptstadt Madison bis zu 100.000 Menschen auf die Straße. Nach Medienberichten handelt es sich um die größte Demonstration, die dort seit dem Ende des Vietnamkriegs zu beobachten war. (2)
Zusätzlich angeheizt hatte Walker die gegen ihn gerichtete Stimmung mit der Drohung, „die Nationalgarde ins Spiel zu bringen, um die Demonstranten zu bändigen.“ (3)
Im selben Hintergrund Unruhen in Griechenland:
Zahlreiche Streiks gegen das harte Sparprogramm und die unpopulären Arbeitsmarkt-Reformen der griechischen Regierung haben am Mittwoch den öffentlichen Verkehr des Landes weitgehend lahmgelegt.
Busse in Athen sowie die Eisenbahn standen still, von Piräus liefen keine Fähren zu den Ägäis-Inseln aus. Am Mittag legten auch die Fluglotsen für vier Stunden die Arbeit nieder. Dutzende Flüge fielen aus.
Zudem wurden alle Behörden und Ministerien bestreikt. Auch die Lehrer und die Journalisten traten in den Ausstand, so dass es im Radio und Fernsehen keine Nachrichten gab. Viele kleine Geschäfte blieben geschlossen.
Die Menschen haben auch allen Grund zu klagen: was sie erleben, ist eine Entwicklung, die wir in Deutschland schon kennen: nach einer Phase beispielloser Deregulierung von Arbeits- und Finanzmärkten, die allen Wohlstand und Arbeit verschaffen sollten, haben wir nun eine Phase der Finanznot, die man kaum besser ausdrücken kann als es das statistische Bundesamt für uns macht:
Die öffentlichen Haushalte waren nach ersten vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) am 31. Dezember 2010 mit insgesamt 1 998,8 Milliarden Euro verschuldet. Dies entsprach rechnerisch einer Schuldenlast von 24 450 Euro pro Kopf. Gegenüber dem 31. Dezember 2009 hat sich der Schuldenstand um 18,0% beziehungsweise 304,4 Milliarden Euro erhöht. Dies war der höchste absolute Zuwachs des Schuldenstandes in einem Jahr seit Bestehen der Statistik. Die Ergebnisse umfassen die Kreditmarktschulden und Kassenkredite und beziehen sich auf die Kernhaushalte des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände und ihre jeweiligen Extrahaushalte.
ZWEITAUSEND MILLIARDEN EURO SCHULDEN: das kann man doch selbst mit Mathe-Leistungskurs gedanklich nicht mehr erfassen. Das sind zwei Millionen Millionen. Von dem Geld könnte man allen Hartz-Abhängigen ein Haus kaufen … jedem eins, damit wir uns richtig verstehen und nicht versehentlich der Regierung neue Flausen in den Kopf setzen.
Wir wissen, was uns letztlich die Bankenrettung kosten wird – veröffentlicht in Wall Street Online:
Erstmals liegt eine Schätzung über die zu erwartende Gesamtbelastung nach Abzug möglicher Erlöse durch die Bankenrettung in Deutschland vor. Im Ergebnis wird die Rettung derBanken infolge der Finanzkrise für die Steuerzahler teuer. „Alles in allem werden wir – Bund und Länder zusammengenommen – bei einem Verlust in Höhe einer mittleren zweistelligen Milliardensumme enden“, so Daniel Zimmer, Vorsitzender des von der Bundesregierung eingesetzten Expertengremiums zum Ausstieg des Staates aus den Bankenbeteiligungen gegenüber der Wochenzeitschrift „Die Zeit“.
Und das ist ja noch nicht alles. Es kommt ja noch dicker. Das kommt davon, wenn man sich von Leuten regieren läßt, die sich den Doktortitel erschleichen. So findet man heute unter anderem bei wiwo neue Kostenrisiken:
Die anhaltende Diskussion um die milliardenschweren Forderungen, die die Bundesbank seit Beginn der Finanzkrise gegenüber dem Euro-System aufgebaut hat, reißt nicht ab. Die Frankfurter Währungshüter sahen sich daher gestern zu einer Stellungnahme veranlasst, in der sie betonten, dass die Forderungen von 325,5 Milliarden Euro „kein eigenständiges Risiko“ darstellten.
Nachdem man uns die Rechnung für 2010 präsentiert hat, weiß ich nicht, ob wir diesen Dementis noch glauben dürfen. An Hartz IV hat die Rekordverschuldung jedenfalls nicht gelegen, die Arbeitslosen waren ja fast alle fort und ihre fünf Euro kriegen die erst dieses Jahr. Dabei wäre es für alle besser, die würden mehr bekommen, denn laut DIW bei shortnews sind es gerade die Arbeitslosen, die uns einen Superaufschwung jenseits allen Vorstellungsvermögens bescheren könnten, wenn ihnen die Reichen nicht immer das Geld wegnehmen würden:
Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung könnte die deutsche Wirtschaft noch stärker wachsen, wenn die Unterschiede zwischen Arm und Reich nicht immer größer werden würden. Diese Kluft bremse die deutsche Wirtschaft.
Reiche Haushalte legen ihr Geld lieber an, statt zu Konsumieren oder im Inland zu investieren. Haushalte mit geringem Einkommen brauchen fast ihr gesamtes Geld zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes.
Wir kennen also das Problem. Wir kennen auch die Täter. Junge Welt weist heute mal wieder drauf hin:
Teile und herrsche: Die Handelspolitik der Europäischen Union steht im Dienste von Konzerninteressen
Die Europäische Union interessiert nämlich nur eines: »Neue Instrumente suchen, um ökonomisch zu wachsen«, wie es Marianne Gumaelius von der Generaldirektion Handel ausdrückte. Und dafür macht sie in ihrer Handelspolitik BAYER & Co. den Weg frei, nicht nur in Kolumbien und Peru, sondern auch in Zentralamerika, Indien, Südkorea und auf dem afrikanischen Kontinent – koste es, was es wolle.
Sollte eigentlich langsam bekannt sein, wer die Macht im Staate in Händen hält. Direkt vor Ort in Deutschland ist es mitlerweile in der Berliner Republik so schlimm, das manche offen von einem Demokratiedefizit sprechen und zur Revolution in Deutschland aufrufen – hier allerdings aus der Schweiz in zeit-fragen:
Europa war und ist der Arroganz und Autorität der deutschen Machthaber hilflos ausgeliefert.
Was bei dieser Machtpolitik auffällt, ist die Tatsache, dass diese nur durch eine kleine Elite in Berlin betrieben wird. Das deutsche Volk ist dabei von jeder Mitwirkung oder Mitsprache ausgeschaltet. Ein Beispiel dieses Demokratiedefizits ist die Beteiligung Deutschlands am Krieg in Afghanistan. Während die deutsche Bevölkerung immer wieder den Abzug der deutschen Truppen aus dem unseligen Krieg fordert, stockt die Merkel-Regierung den Bestand ihrer Truppen schrittweise auf. Die Existenz einer deutschen Demokratie ist deshalb mit einem Fragezeichen zu versehen. Eine echte Demokratie könnte nur entstehen, wenn auch in Deutschland Verhältnisse, wie sie gegenwärtig in Ägypten herrschen, ausbrechen würden. Das deutsche Volk müsste sich geeint gegen seine Machthaber in Berlin erheben. Nach einem Jahrhundert von Kriegen und Diktaturen könnte in Deutschland endlich eine echte Demokratie eingeführt werden. Dies wäre auch die Voraussetzung für einen echten Frieden in Europa.
„Das deutsche Volk müßte sich geeint gegen seine Machthaber in Berlin erheben“ – so einen Satz 2011 wieder lesen zu müssen, ist eine Schande. Eine Schande für dieses Land, dieses Volk und für die Bonner Republik, aus der das Berliner Monstrum hervorgekrochen ist.
Wer nun meint „Ach, komm´, mir geht´s gut, mir kann nichts geschehen“ der sollte mal flugs seinen Blick nach Holland lenken, denn dort erprobt man gerade neue soziale Umgangsformen, für die sich der Aachener Bürgermeister laut NrhZ auch sehr interessiert:
Der Bürgermeister von Vaals, Reg van Loo, lässt unangemeldete Hausbesuche anordnen. Denunziantentum und staatlicher Willkür wurden im niederländischen Aachener Nachbarort Vaals Tür und Tor geöffnet. Kritische Stimmen werden strukturell und methodisch unterdrückt. Will Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU) diesem „Vorbild“ nun folgen?
Die (in Vaals bis zu 22 Personen starken)
„Flex-Teams“ werden zusammengestellt aus Angehörigen von Institutionen wie Polizei, Feuerwehr, Spezial Agenten (Innere Sicherheit), städtischen Beamten und sozialen Diensten.
Grundrechtlich verankert können offizielle Hausdurchsuchungen auch in den Niederlanden nur durchgeführt werden, wenn ein Verdacht auf kriminelle Machenschaften vorliegt und darauf ein Durchsuchungsbefehl ausgestellt wurde. Die Hausdurchsuchungen durch die „Flex-Teams“ finden laut der niederländischen Regierung auf freiwilliger Basis statt – ein unschuldiger Bürger habe ja nichts zu befürchten, und es mache ihm sicherlich nichts aus, dass seine Wohnung oder sein Haus durchsucht werde.
Das übliche Argument: wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts dagegen, wenn mal eben 22 Mann sein Haus auf den Kopf stellen, weil ein anonymer Anrufer irgendetwas „Verdächtiges“ dort gesehen zu haben meint:
Trotz Beschwerden von Bürgern und Bürgerbeauftragten in Den Haag und Rotterdam standen vor zwei Wochen erneut mehrere Miethäuser, einmal ein ganzer Straßenabschnitt, in Vaals „unter Verdacht“. Man habe angeblich den Brandschutz prüfen wollen, berichtete ein
erschrockener Anwohner. Es sei nicht erkennbar gewesen, inwiefern der offensichtlich vorhandene Brandschutz von Interesse war. Alle Wohnungen in diesen Häusern wurden von oben bis unten durchsucht. Darf Derartiges in einem demokratischen Rechtsstaat möglich sein?
In einem demokratischen Rechtsstaat natürlich nicht. Aber wir leben hier in Deutschland. Da orientiert man sich gerne an niederländischem Vorbild, nicht nur – wie schon erwähnt – in der Arbeitsmarktpolitik:
Nach zuverlässigen Informationen führte der Aachener Oberbürgermeister in der vergangenen Woche ein Gespräch mit dem Vaalser Bürgermeister zu den Erfahrungen mit den „Quasi-Überfall-Kommandos“.
Wer nach diesen Randdaten noch Fragen hat, warum Guttenberg schnell Ausländer in die Bundeswehr holen will, dem sei ein Blick nach Lybien gegönnt, den die Welt heute wagt. Dort kann man sehen, wie nützlich Ausländer in gewissen Situationen sein können:
Seit Tagen häufen sich Berichte, wonach das libysche Regime ausländische Söldner zur Niederschlagung des anhaltenden Volksaufstandes einsetzt. Libyens Machthaber Gaddafi, der geschworen hat „bis zum letzten Tropfen Blut“ gegen die Proteste kämpfen zu wollen, ersetzt die immer häufiger zu den Demonstranten überlaufenden Soldaten seiner Streitkräfte offenbar durch bezahlte Milizionäre aus anderen afrikanischen Staaten.
Da stellt auch keiner mehr unangenehme Fragen nach Plagiaten.
Jetzt habe ich doch noch über Guttenberg geschrieben und das gemacht, was man Blogs gemeinhin vorwirft: Angst gemacht.
Die kriege ich aber auch, wenn ich einfach mal nur einen schnellen Streifzug durch die Informationswelt mache und die Lotsenfunktion des Soldjournalismus missachte.
Vaals und Aachen sind nicht weit entfernt von hier. Eine unangekündigte Hausdurchsuchung durch einen Mitarbeiter des Jugendamtes Aachen aufgrund einer (bislang) anonymen Anzeige hatte ich letzte Woche. Seine Suche nach blutrünstigen Zombiefilmen, die ich mit meinen kleinen Kindern regelmäßig Sonntag abends schaue, blieb vergeblich. Schade – ich hätte mir gerne mal einen angeschaut. Ich finde moderne Mythen spannend, wie man weiß.
Schon ein anonymer Telefonanruf bei der niederländischen „Sichtstrippe” reicht aus. Die „Sichtstrippe” ist ein Bürgertelefon, bei dem man den Verdacht auf angebliche Straftaten melden kann. So genügt ein anonymer Anruf, um einen Verdacht auf Personen zu lenken und eine Hausdurchsuchung einzuleiten.
Die „Hausdurchsuchung“ war nicht so drastisch, wie das Wort sich anhört, die Wirkung auf meinen Sohn schon. Für mich war sie völlig unverständlich, völlig überrumpelt („weil ich ja nichts zu verbergen habe“) ließ ich sie auch zu … das Ganze ließ mich aber schon überlegen, ob ich vielleicht doch zu wenig anonym gewesen bin:
Die Frage lautet: Wer bekommt als Nächster ungebetenen Besuch? Kritische Bürger, die Missstände in der Kommunalpolitik beklagen? Demonstranten für eine bessere Politik? Missliebige investigative Journalisten?
Sollte ich also in den nächsten Wochen ganz still werden oder für immer verschwinden … dann kann man davon ausgehen, das ich in den letzten Jahren zu sehr an Dinge gerührt habe, die man lieber im Rahmen der Lotsenfunktion des Journalismus unterbinden möchte.
„Even the worsest case“ … immer den schlimmsten Fall annehmen, sollte man halt nicht nur für andere predigen.
Meine letzten Worte für den Fall? Ein kleines politisches Testament eines Menschen, der zwar unbequem aber nicht unangreifbar ist?
Es ist nur eine kleine Elite in Berlin. Eine kleine Plagiatselite.
Mehr nicht.