1945

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Was würde JESUS wählen?

Was würde JESUS wählen?

Sonntag, 1.September 2013. Eifel. Ein wichtiger Tag. Er erinnert uns an den deutschen Überfall auf Polen – und daran, dass wir jetzt wählen dürfen, um ähnliche Entwicklungen zu verhindern. In drei Wochen ist es so weit: der Souverän entscheidet wieder, wo es langgeht. So jedenfalls sollte es sein, in Wirklichkeit darf der Souverän nur noch den Kellner wählen, der die Rechnung des Großkapitals präsentiert – aber solche Feinheiten wollen wir heute mal gar nicht ins Auge nehmen, dass ist zuviel für den heutigen Tag. Immerhin ist Sonntag, ein Tag der Erbauung, ein Tag für religiöse Übungen, für Gedanken, die über den trüben Alltag weit hinaus gehen, ein Tag, der wie geschaffen dafür ist, sich einmal mit den höchsten, je von Menschen gedachten Gedanken auseinanderzusetzen – und darüber, was sie wohl für die Wahl bedeuten. Nehmen wir zum Beispiel Jesus. Gott hatte ja einen Bund mit den Israeliten geschlossen, die haben mehrfach versagt – trotz Sintflut und Propheten, so dass er sich genötigt sah, seinen Sohn zu schicken, um persönlich klar zu machen, dass ihm der Lebensstil des römischen Imperiums überhaupt nicht zusagte. Nochmal Sintflut war ausgeschlossen (deshalb hängt ja der Regenbogen am Himmel), aber die Entwicklungen, die Gedanken, die Gesetze, die durch ein gigantisches Sklavenimperiums in die Welt kamen, konnten nicht übersehen werden.  Radikale Maßnahmen waren notwendig. Also kam sein Sohn herunter, wanderte etwas herum und sorgte für Wunder und Hoffnung, bis sein Job getan war. 2000 Jahre später (ist nicht ganz korrekt, aber wir wollen heute nicht pingelig sein) ist Wahl in Deutschland – und wir wollen uns heute einmal die Frage stellen, was denn dieser Jesus hier und heute wählen würde. Wir schauen mal darüber hinweg, dass er „dem Kaiser geben würde, was dem Kaiser gehört“, weil „sein Reich nicht von dieser Welt ist“. Diese Ausflucht wollen wir ihm heute nicht gönnen, erhoffen wir uns von seinem Verhalten doch Hilfe dabei, wo wir das Kreuz machen würden.

Die Antwort schallt einem natürlich sofort entgegen: CDU/CSU. Natürlich wählt der Sohn Gottes christlich, meinen Priester, Lehrer und Philosophen. Nicht unwichtig, denn 48 Millionen Menschen in Deutschland gehören noch dieser Religion an.  Begleiten wir ihn erstmal auf seiner Reise zur CDU: „Deutschland ist stark und soll es bleiben; Weil jeder zählt, das ganze im Blick„.  Nun – mit „Deutschland“ kann unser Jesus nicht viel anfangen – im Gegenteil, das Nationale bereitet ihm Magenschmerzen. Auch die Obdachlosen, an denen er auf dem Weg zur Wahlurne vorbeiging, irritieren ihn: offensichtlich sind sie nicht „jeder“ und zählen deshalb nicht.  Doch nicht das ist, was ihm Sorge bereitet.

Er hat ein wenig mehr gelernt, dort, wo sein Reich ist, und vermag nun (wie dereinst Franz Josef Strauß) Stimmen im Wind zu hören, die ihm ein Liedchen singen – und was er dort vernimmt, verstört ihn sehr. Lauschen wir auch diesem Winde:

1962 bilanzierte Ralf Dahrendorf als Soziologieprofessor in Tübingen:

„Die unbekannteste Führungsgruppe in der deutschen Gesellschaft der Bundesrepublik ist die, die ihr zugleich mindestens äußerlich das Gepräge gibt: die wirtschaftliche Oberschicht, die als Schöpfer und Nutznießer des Wirtschaftswunders die neue Gesellschaft vor allem kennzeichnet“

(Aus:  Die Elefantenmacher, Lambrecht/Müller, Eichborn 2010, Seite 43)

Diese Gruppe hatte die Geschicke Deutschlands schon lange im Voraus geplant – aus sicheren Positionen im NS-Staat heraus:

„Schon während des Krieges hatten Planungen für die Ordnung nach der totalen Niederlage begonnen. Ludwig Ehrhard hatte bereits im März 1944 eine Studie mit dem Titel Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung vorgelegt“. 

(Elefantenmacher, a.a.O., Seite 42).

Es war nur eine kleine Gruppe, 12 bis maximal 20 Wirtschaftsfunktionäre, Hitlers gute Helfer im Hintergrund, die ein neues Deutschland entwarfen – ein Deutschland, dass ihnen die unbegrenzte Macht der Vergangenheit erhalten sollte, ein starkes Deutschland, dass Hitlers Hinterbänklern die Macht geben sollte, die sich nach eigener Ansicht verdient hatten (siehe auch Grunenberg, zititiert bei Elefantenmacher, Seite 43).

Ihr Mittel dazu? Die CDU.

Gegen den Willen der Alliierten wurde von Hermann Josef Abs das Großbankensystem des Deutschen Reiches wieder aufgebaut – und wahrscheinlich wird Deutschland aufgrund dieser Entwicklung direkt nach dem Krieg heute noch von den USA als Feindland eingestuft … die Demokratie war nur dünne Tünche über einem ganz anderen Machtapparat.

Der Wind flüstert unserem Jesus noch viel mehr zu – es geht um „Parteienfinanzierung“ und einem enormen Ausmaß an krimineller Energie, dass sich dort bis hin zur Kanzlerschaft des Helmut Kohl zeigte, dessen Ziehkind Angela Merkel gerade das Land regiert.

Angeekelt wendet sich unser Jesus von diesem Sumpf an Betrug, Täuschung, Lüge und verlängerter Macht des Dritten Reiches ab. Was soll er auch anderes tun, gilt doch Adolf Hitler in weiten Kreisen sogar als „Antichrist“.

Entgegen der Meinung der Pfarrer, Lehrer und Philosophen wählt unser Jesus keine CDU. Wäre auch nie gegangen, wäre zu viel Lüge im Spiel – und Lüge ist eine Spähre Satans, das ist in Jesu´ Reich allen klar.

Im Rahmen der Parteispendenaffäre erfuhr unser Jesus nun von der SPD. Das Wort „sozial“ hat es ihm angetan. Doch sofort beginnt der Wind zu flüstern Er erfuhr von den Geldwaschanlagen der Sozialdemokratie (Elefantenmacher, Seite 54), die in Folge der Geldwaschanlagen der CDU und FDP geschaffen wurden, er sah Bilder von Kanzlern in feinsten Anzügen, die angeblich dem Schutz der Armen verpflichtet waren, lange Schlangen vor Geschäften mit vergammelter Ware und Menschen, die den Industrieabfall noch für gutes Geld vertilgen sollten, er sah staatlich gewollte Armut und Sanktionen, die den Tod bringen konnten und wandte sich angeekelt ab. Das war ja Rom in Reinkultur.

Aber es gab ja noch die FDP. Viel kleiner als die Großen. Doch was flüstert der Wind?

Anfang der fünfziger Jahre wandten sich die Konstrukteure Deutschlands mit ihren Geldsäcken der FDP zu, um den linken Flügel der CDU auszulöschen – die FDP griff gnadenlos zu, worauf hin Adenauer die gesamte hessische CDU zum Arbeitsamt schicken wollte (Elefantenmacher, a.a.O., Seite 54). In Folge waren CDU und FDP durch die gleichen Eliten gesteuert – und selbst heute noch fällt da mal eine Steuersenkung für Hoteliers auf … natürlich nur nach angemessener Parteispende.

Jesus ist ein nun ein wenig ernüchtert und hält das ganze für einen schlechten Scherz. Ihm hatte der Teufel die ganze Welt angeboten – und die Mächtigen der Republik springen schon für kleines Geld durch Feuerreifen? Das nennt sich „christlich“? „Sozial“?“Frei“?.

Nun – unser Christus steht etwas irritiert im Park herum. Fast hält der die Veranstaltung für einen großen Ulk. Räuber, wohin das Auge blickt. Er zeigt sich gewillt, die irdischen Spähren wieder zu verlassen, „heulen und wehklagen“ herrschen immer noch hernieden. Doch sein Gang zur Urne blieb nicht unentdeckt. 48,4 Millionen deutsche Christen stehen hinter ihm, schauen zu ihm auf und warten auf  sein Urteil.

Also macht sich der Heiland auf den Weg, weitere Parteien in Augenschein zu nehmen. Noch ist die Hoffnung nicht gestorben – es gibt ja noch Grüne. Bilder von blühenden Landschaften erscheinen vor dem geistigen Auge, in dem friedliche Schafe ein behütetes Leben führen. Unserem Jesus gefallen diese Bilder – doch wieder kommt der Wind und flüstert ein Lied – und bombenbeladene Düsenjäger donnern über den Himmel, erschrecken das Vieh, verpesten die Luft und bringen Tod und Leid über fremde Völker. Wie der Wind weiter flüstert, war das kein Versehen, siehe Spiegel:

Cohn-Bendit: Eine Strafaktion ohne politische Strategie wäre falsch. Aber der Westen muss militärisch mobilmachen. Als Voraussetzung – entweder für einen Militärschlag oder um einen Waffenstillstand zu erzwingen und das Blutvergießen zu beenden.

Ja, die Bundesregierung müsste sich zusammen mit anderen EU-Ländern an der Vorbereitung einer militärischen Aktion beteiligen.

Jesus erschaudert. So dachte die Welt, bevor er kam. Wollen Grüne Frieden nur für Tiere, doch der Mensch darf geschlachtet werden? Lüge, Täuschung, Betrug – der alte Geruch weht ihm um die Nase – und leise flüstert der Wind noch ein Wort, das schmeckt wie blutige Erde: „Hartz IV“ heißt es – so grün kann Leben sein.

Warum nur nehmen sich alle ein Beispiel an Judas – aber keiner an ihm?

Doch diese Frage wollen wir ihm nicht gestatten. Es ist Wahl in Deutschland – und irgendwo muss das Kreuzchen hin. Darum haben wie ihn ja eingeladen, dass er uns hilft, unser Kreuz zu tragen – seins hat er schon hinter sich.

Doch uns gehen langsam die Vorschläge aus. Mehr als zwei Dutzend Kleinparteien wollen wir ihm nicht vorlegen, noch mehr Lüge, Täuschung und Verrat nur in kleinerem Formen – das wollen wir keinem zumuten.

Aber es gibt ja noch die Piraten. Sie haben kein Profil, aber gute Sprüche. Schauen wir doch mal hin, was die so treiben.

„Polizeischikane auf Schalke“ ist dort Thema. „Was machen die mit Armen?“ will unser Jesus auf einmal wissen. Das Bunte dort gefällt ihm, auch tragen viel weniger diese „Krawatten“, die ihm – zuvor völlig unbekannt – langsam als Ankerband des Satans erscheinen: wo immer Lug und Trug, Täuschung und Betrug ihr Unwesen treiben, da sind sie zu finden. Wir folgen der Seite und stoßen auf „Gesellschaftliche Teilhabe“ … wo uns zuerst die Forderung nach mehr Rechten für „Gamer“ ins Auge fällt. Nur eine Spaßpartei?

Doch bevor wir unseren Jesus zu einem Urteil bewegen können, noch bevor der Wind ein wenig über Johannes Ponader erzählen können – und dem Umgang der Partei mit einem Armen – eilt der Heiland fort. Ein Plakat ist ihm ins Auge gefallen.

„100% sozial“ steht da drauf.

„Umfairteilen“ … so heißt es da. „Gehe hin, verkaufe alles was du hast und gib es den Armen“ … so murmelt er vor sich hin, während er weiter liest:

„Nein zum Krieg“.

Das gefällt ihm. Der Wind flüstert unheimliche Dinge über ein „Ministerium für Staatssicherheit“, über „SED-Vermögen“ und Arbeitslose, die in der Partei schikaniert wurden, er erzählt von Kommunismus, Karl Marx und seinem aussortierten Lumpenproletariat … den Ärmsten der Armen, von Mauerschützen und Terroristen, doch der Herr antwortet: „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“ … und es wird auf einmal ruhig in den Reihen der CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen.

Während es dies spricht, zeigt auf nochmal auf das Schild: „100% sozial“ und spricht dabei: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst„.

Dann verläßt er diese Welt, um sich weiter auf seine große, endgültige Rückkehr zu besinnen.

Die Christen bleiben verwirrt zurück. Kann das denn sein: der Herr würde die Linke wählen? Ja, weiß er denn nicht, dass die die Kirchen abschaffen wollten, die Priester nicht mögen und Religion als Droge ansehen, die es zu verbieten gilt? Doch vom Himmel herab fällt ein kleines Blatt Papier, dass der Herr in seiner unermesslichen Güte der Würdigung wert fand. Es stammt gerade von jenen „Linken“ – und es geht um Ostern:

Ja, Linke oder scheinbar Linke verhielten sich  in der Vergangenheit oft unsachlich und verletzend gegenüber Gläubigen und Kirchen, folgten Vereinfachungen, wonach religiöser Glaube nur Opium oder ein „Fremdkörper“ in der Gesellschaft sei. Die PDS erachtete es daher bereits im März 1990 für erforderlich, ihr Verhältnis zu Gläubigen, Religionen, Kirchen und Religionsgemeinschaften zu bestimmen. Sie bekannte sich zu ihrer Mitverantwortung an einer Politik, die tragische Schicksale, Benachteiligung, Verdächtigung und ohnmächtige Betroffenheit auslöste, und bat um Versöhnung.(1) In der Bundessatzung der LINKEN stehen bei den politischen Zielen Begriffe wie menschenwürdige Arbeit und soziale Gerechtigkeit, Frieden und Nachhaltigkeit. Die Partei, heißt es da, „… ist plural und offen für jede und jeden, die oder der gleiche Ziele mit demokratischen Mitteln erreichen will.“ Also: Die Mitgliedschaft in unserer Partei ist an keine Weltanschauung gebunden, in ihr haben Menschen einen Platz, die sich selbst als Sozialdemokraten oder Kommunisten, als demokratische Sozialisten oder Freidenker verstehen. Ganz selbstverständlich können Christen und Juden, Muslime und Hindus, können Gläubige verschiedener Couleur ihren Platz in unserer Partei finden und politisch aktiv sein.

Die Christen stehen dort … und staunen. Es gibt viel Gemurre unter ihnen – „Sozial ist auch die SPD“, „Christliche Union ist christlich, sonst nichts“, „CSU ist sozial“, „so ein wenig sozial sind wir alle, dass gibt doch nicht den Ausschlag“ … doch alles wird unterbrochen von einem enormen Getöse aus den himmlichen Gefilden, einem donnernden Abschiedsgruß und mit großen Lettern an den Himmel geschrieben erscheint noch einmal der Wunsch des Herrn:

„100 % sozial … EINHUNDERT PROZENT!!!“ –  und Wahrlich ich sage euch: Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.

Tja – so sprach der Herr – und lässt uns verwirrt zurück.

Gerne hätten wir noch mehr Parteien vorgestellt, doch der König der Sozialromantiker hatte gefunden, was er wollte – und wir trauten uns nicht, ihm zu widersprechen. Gerne hätten wir ihn auch auf die vielen Krawatten bei den Linken aufmerksam gemacht … aber was das Soziale angeht, da versteht der Herr keinen Spaß, da hat er einen klaren Kurs: 100 % sozial.

Alles andere … scheint nur Schall und Rauch in seinen Augen zu sein.

Man merkt aber langsam, warum das Christentum immer mehr an Boden verliert – so bald man seine Botschaft versteht, wird die Wahl alternativlos. Deshalb wählen wir lieber Judas als Christus. Den gibt es in vielen Farben.

 

Griechenland, Hartz IV, der böse Geist der Massenvernichtung unwerten Lebens und die neuen Nürnberger Prozesse

Ich habe eine wunderschöne Wohnküche. Bunt, lebendig, mit Schafen und Obstbäumen vor dem Fenster - beides zum Greifen nah. In dieser Küche hängt - unaufdringlich in einem Erker - ein Brief. Er ist handgeschrieben, vom 26.1.1946, mittags. Er stammt von einem Ehepaar, das in den Nachkriegswirren meinen Vater aufgenommen hatte, der von seiner eigenen Mutter vor die Tür gesetzt worden war - das Essen war knapp. Dieses Ehepaar hatte meinen Vater wie einen Sohn behandelt und ihm viel Halt gegeben. Wenige Tag, nachdem sie diesen Brief geschrieben hatten, sind sie einfach verhungert. Mein Vater hatte den Brief nie erhalten, er war versehentlich an seine Mutter gesendet worden, die ihn nicht weitergeleitet hatte: es durfte keine Mutter neben ihr geben. Er starb vor ihr, mich hat der Brief durch meine Mutter erreicht, die den Nachlass ihrer Schwiegermutter nicht verwalten wollte.  Der Brief vergilbte, schmucklose Brief (den ich wegen altdeutscher Schrift kaum lesen kann) hängt in meiner Wunderküche als Mahnung und Warnung, das der hässliche Hungertod jederzeit vor der Tür stehen kann - und  das Menschen zu unglaublichen Gemeinheiten fähig sein können. Lese ich über Griechenland - oder Hartz IV - dann weiß ich, das die Warnungen und Mahnungen dieses Dokumentes der Zeitgeschichte hochaktuell sind.

Ich habe eine wunderschöne Wohnküche. Bunt, lebendig, mit Schafen und Obstbäumen vor dem Fenster – beides zum Greifen nah. In dieser Küche hängt – unaufdringlich in einem Erker – ein Brief. Er ist handgeschrieben, vom 26.1.1946, mittags. Er stammt von einem Ehepaar, das in den Nachkriegswirren meinen Vater aufgenommen hatte, der von seiner eigenen Mutter vor die Tür gesetzt worden war – das Essen war knapp. Dieses Ehepaar hatte meinen Vater wie einen Sohn behandelt und ihm viel Halt gegeben. Wenige Tag, nachdem sie diesen Brief geschrieben hatten, sind sie einfach verhungert. Mein Vater hatte den Brief nie erhalten, er war versehentlich an seine Mutter gesendet worden, die ihn nicht weitergeleitet hatte: es durfte keine Mutter neben ihr geben. Er starb vor ihr, mich hat der Brief durch meine Mutter erreicht, die den Nachlass ihrer Schwiegermutter nicht verwalten wollte.  Der Brief vergilbte, schmucklose Brief (den ich wegen altdeutscher Schrift kaum lesen kann) hängt in meiner Wunderküche als Mahnung und Warnung, das der hässliche Hungertod jederzeit vor der Tür stehen kann – und  das Menschen zu unglaublichen Gemeinheiten fähig sein können. Lese ich über Griechenland – oder Hartz IV – dann weiß ich, das die Warnungen und Mahnungen dieses Dokumentes der Zeitgeschichte hochaktuell sind.

Über Hartz IV gibt es jetzt einen spannenden Selbstversuch. Ein normaler, geistig gesunder Mitbürger hat mal versucht, von diesem Regelsatz ein normales, dem Niveau eines zivilisierten Industriestaates angemessenes Leben davon zu leben. Er ist gescheitert (wie nicht anders zu erwarten), hat aber interessante Bekanntschaften gemacht:

Nachhaltig bleibt ihm das Gespräch mit einer Frau in Erinnerung, die meinte, mit den Hartz IV Empfängern habe man so eine Art Sündenböcke geschaffen, die für jene, die gesellschaftlich besser gestellt sind, ein gutes Feindbild abgeben. Das eigne sich zudem als Drohkulisse, um Lohndumping durchzusetzen. „Früher drohten die Kirchen mit dem Fegefeuer, heute haben wir es vor der Tür“, zitierte Pantel die Frau.

Wer den Hartz-Hungertod stirbt, wird es schon verdient haben, oder? Das ist die bequeme Ansicht jener, die noch jung, gesund und in Arbeit sind. Warum mir da immer dreissigjährige Studienräte mit Hornbrille, Kaschmirpulli und Karottenhose in den Sinn kommen, die als Hobby eine Modelleisenbahn betreiben, weiß ich auch nicht.

Natürlich muss man sein Gewissen beruhigen, angesichts des Elends, das der Staat über seine Bürger bringt. Natürlich glaubt man den Lügengeschichten der Pressesprecher gern (und interessiert sich nicht dafür, das die ihre Geschichten womöglich auf ihren gemeinsamen Pressesprecherkonferenzen auch abstimmen – zum eigenen Vorteil): wer Hartz IV erhält, ist faul, gemein, hinterhältig, ein Untermensch wahrscheinlich – vielleicht sogar JUDE.

Früher wäre er mit Sicherheit auch JUDE gewesen – oder Sympathisant von Juden. Die heutige Wirklichkeit erfährt unser Mann im Selbstversuch:

So hörte er von einem ehemaligen Unternehmer, dass er über 30 Jahre anderen Arbeit und Brot gab und sich heute als Faulenzer beschimpfen lassen muss. 

Vielleicht kommt mir deshalb der Studienrat in den Sinn, weil er als staatlich alimentierter Kostgänger niemals von der Vermarktung seiner Arbeitskraft leben muss und mit fünfzig Jahren in Frührente geht (wegen der Nerven), während der Normalbürger mit fünfzig Jahren bei der ARGE landet – nicht, weil er nichts mehr kann, sondern weil die geschlossene Front der Personalchefs Menschen schon ab vierzig nicht mehr als arbeitsfähig ansieht. Die könnten dann ja mal kaputt gehen, sind beliebt wie Gebrauchtwagen vom Libanesen nebenan.

Man muss neuerdings aufpassen, ob man solches Gesochse nicht auch in seiner Familie hat. Ist der Vater kein Beamter, droht Gefahr, denn: HARTZ-Schulden sind anders als Bankenschulen VERERBBAR.

Erben seien grundsätzlich verpflichtet, die dem Erblasser in den zehn Jahren vor dem Tod gewährten Sozialleistungen aus der Erbmasse zurückzuerstatten, befand das Gericht (Aktenzeichen: S 149 As 21300/08). Daher sei die Forderung des Job-Centers rechtens. Das Schonvermögen komme nur dem Betroffenen selbst zugute und nicht den Erben. Das teilt die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit.

Das ist wirklich schon schlimmer als Fegefeuer – und vor allem: anders als die Höllenphantasien der Kirchenmänner ist es real.

Nun – mit Armut kann man leben. Viele Kirchenmänner leben freiwillig arm, weil sie die Welt und ihren schönen Schein als teuflische Versuchung verstehen. Da sie aktiv und offensiv mit ihrer Armut umgehen, sind sie für die Hartz-Hölle nicht mehr erreichbar.  Nach dem letzten Weltkrieg waren viele Menschen arm – aber die Menschlichkeit an sich blühte in den Trümmern auf. Armut schweißt zusammen – und der Mensch an sich ist ein soziales Wesen.

Womit man jedoch nicht leben kann, ist die hemmungslose Ausbreitung eines bösen Geistes, eines Geistes, den man zurecht teuflisch nennen kann – manche Indianer Nordamerikas nennen ihn – ihrer Tradition entsprechend – den „Wendigo“ oder „Wertiko“ … sie waren mit die ersten, die mit ihm Bekanntschaft gemacht hatten.

Insofern haben es die Indianer und die Kirchenleute gut – sie verlieren nicht den Glauben an die Menschlichkeit und die Menschheit, wenn sie sehen, das hemmungslos ganze Volksschichten und ganze Völker der Vernichtung preisgegeben werden. Beide wissen auch – oder können es wissen – das es die finstersten Kräfte sind, die das Denken der Menschen je formuliert hat, die nun zu wirken beginnen. Sie halten es für böse Geister (Teufel und „böse Winde“), während wir es als Bestandteil der menschlichen Natur auffassen müssen – was unsere Meinung zum Thema „Mensch“ nachhaltig beeinflußt.

Es macht es aber auch gleichzeitig leichter, diese „Menschen“ der Vernichtung preiszugeben: wer KZ´s baut, gehört doch zweifellos von der Erdoberfläche getilgt, oder?

Da macht man sich dann auch keine Gedanken mehr über die Zusammenhänge von Arbeitslosigkeit und Tod – obwohl man die Zusammenhänge kennt, siehe Spiegel:

Britische Soziologen analysierten 2009 alle Wirtschaftskrisen, die zwischen 1970 und 2007 in 26 EU-Ländern aufgetreten waren. Das Ergebnis: Eine Steigerung der Arbeitslosigkeit erhöht die Suizid- und Mordraten. „Es besteht ein geradezu lineares Verhältnis zwischen der nationalen Suizidrate und dem Bruttoinlandsprodukt“, sagte auch der US-Soziologe Harvey Brenner 2009 dem „New York Magazine“.

In Griechenland ist die Suizidrate um 40% gestiegen.

Wenn ich um diese Zusammenhänge weiß … dann wissen das die EU-Politiker, die Banker und Anlagevernichter auch. Wenn sie um diese Zusammenhänge aber wissen und sie billigend in Kauf nehmen, dann … sind sie Mörder.

Massenmörder.

Hierzu eine Nachricht aus der Tagesschau:

Wenige Tage vor ihrem Urteil über die Spar- und Reformbemühungen Griechenland erhöht die Experten-Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) den Druck auf das hochverschuldete Land.

„Es ist offensichtlich, dass das Programm nicht aufgeht, wenn die Behörden nicht den Weg nehmen, der viel strengere Strukturreformen bedeutet als die, die wir bisher gesehen haben“, sagte Poul Mathias Thomsen, der Leiter der IWF-Delegation in Athen, der „Welt am Sonntag“. Das Land gehe „zwei Schritte vor und einen zurück“. 

Was hier mit vielen schönen Worten abstrakt beschrieben wird, heißt konkret: „Wir wollen mehr Leichen auf den Straßen Griechenlands sehen“ – jedenfalls heißt das so für jene, die die Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit und Suizidrate kennen, für jene Menschen, die sich noch daran erinnern, das ARMUT auch heißen kann, das man versehentlich VERHUNGERT – oder an Krankheiten stirbt:

Zwischen 2007 und 2009 haben 14 Prozent mehr Griechen ihre Gesundheit als «schlecht» oder «sehr schlecht» beurteilt. Zudem hat sich die Zahl der hospitalisierten Griechen von 2009 bis 2010 um 24 Prozent gesteigert. Im ersten Halbjahr 2011 wurden acht Prozent mehr Menschen ins Spital eingeliefert als noch im Jahr davor.

Wieder muss ich an den deutschen Studienrat denken. Das Anfangsgehalt eines Lehrers in Griechenland beträgt … 575 Euro. In Deutschland bekommt er das Fünffache – und mehr.  Dafür hat der Deutsche auch mehr Freizeit … in Griechenland gibt es Anwesenheitspflicht für Lehrer.

Man mag sich als deutscher Studienrat (verbeamtet, verheiratet, zwei Kinder) ruhig zurücklehnen, wenn man in den Nachrichten von den wirtschaftlichen Nöten der „Anderen“ erfährt … wobei sich nur diejenigen zurücklehnen können, die Informatik, Sport und Mathe oder Chemie und Physik unterrichten. Der Lehrkräfte für Geschichte, Soziologie und Wirtschaft können die Nachrichten noch verstehen.

100 Milliarden Euro brauchen unsere Banken momentan für den Fall, das wir den Griechen kein Geld mehr für die Zinszahlungen geben können. Sie werden das Geld dann auch bekommen – siehe Welt:

Sieben Mal betonte Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Sonntagabend im Bundeskanzleramt, mit Kanzlerin Angela Merkel „voll und ganz“ einig zu sein. Merkel selber war weniger auskunftswillig, betonte aber, Paris und Berlin seien „absolut entschlossen“, die Arbeitsfähigkeit der europäischen Banken sicherzustellen. 

Und die Banken sind „absolut entschlossen“, dies hemmungslos auszunutzen – zumal sogar eine Änderung des EU-Vertrages in Aussicht gestellt wurde. Schon jetzt drohen sie zu „Dauerpatienten“ zu werden – siehe Handelsblatt. Da macht es schon mal Sinn, nach den Ursachen der Krisen zu schauen – siehe Freitag:

Die Situation könnte paradoxer kaum sein. Die imposanten Haushaltsdefizite nahezu aller EU-Staaten sind vor allem auch den groß angelegten Bankenrettungen während der Weltfinanzkrise 2008/09 zu verdanken. 

Bei den Tätern hingegen herrscht Hochstimmung, wie die Mittelstandsnachrichten berichten:

Eine heute veröffentlichte Studie der eFinancialCareers zeigt, dass die Zahl der Wall Street Beschäftigten, die für dieses Jahr gleichbleibende oder steigenden Boni erwartet, immer noch enorm hoch ist: 62 Prozent der Befragten sagten, dass sie im Jahr 2011 einen gleich hohen oder höheren Bonus als 2010 bekommen werden. Der Optimismus ist ungebrochen – wenngleich die Euphorie nicht mehr ganz so groß zu sein scheint wie noch im Vorjahr. Da gingen noch 71 Prozent der Befragten davon aus, dass im nächsten Jahr ihre Bonusauszahlungen ansteigen werden bzw. gleich bleiben.

Mit soviel Geld ist natürlich auch die Motivation da, sich noch mehr krumme Geschäfte auszudenken, an deren Ende … der Hundertod für „Andere“ eintritt. Das man das in Deutschland akzeptiert, verdanken wir der gezielten Reklame für das „Hartz-IV-Untermenschenbild“. Da fällt es uns jetzt viel leichter, die krepierenden Griechen zu akzeptieren und den Blick von der Tatsache abzuwenden, das Athens Gegenwart Berlins Zukunft sein wird – mit allen Folgen für uns, die die Griechen jetzt durchleben.

Dank der Hartz-IV-Gesetzgebung hat der deutsche Staat auch die Möglichkeiten (und notwendigen Werkzeuge), dann umfassend auf Privatvermögen zuzugreifen … auch auf das des Studienrates, falls seine Kinder mal keine Anstellung bekommen oder seine Eltern mit der dann gekürzten Rente nicht auskommen. Ob er es dann schafft, das mit seinem gekürzten Lehrergehalt auszugleichen, wird fraglich sein.

Mit Informatik, Sport und Mathe als Ballast im Genick kann man allerdings nicht hinreichend verstehen, was Barroso  gesagt hat – hier zitiert im Handelsblatt:

Die deutschen Steuerzahler forderte Barroso zur Solidarität mit hoch verschuldeten Euro-Staaten auf. Bisher habe Deutschland in der Euro-Krise kein Geld verloren, weil die Bundesrepublik Kredite und Garantien gewährt, aber keine direkten Zahlungen geleistet habe. Jetzt könne es sein, dass Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas für andere Staaten einstehen müsse.    

Barroso sagte, Deutschland habe am meisten vom Euro profitiert. Mögliche Belastungen seien am Ende gut für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. „Das ist verkraftbar im Vergleich zu dem, was uns blühen würde, wenn der Euro auseinanderbricht“, sagte er.

Das hört sich sehr sehr … sehr teuer an. Und wir sind jetzt schon hochverschuldet.

Darf ich mal einen Griechen zu dem Thema zitieren? Hier mal … Mikis Theodorakis. Er scheint die Täter zu kennen:

All das Gerede über die europäische Solidarität war nur eine Nebelwand, die dazu diente, die Tatsache zu verheimlichen, dass dies eindeutig eine amerikanische Initiative gewesen ist, mit dem Ziel, uns in einer weitreichende, künstliche finanzielle Krise zu stürzen, so dass unser Volk in Angst leben, ärmer werden, wertvolle Errungenschaften verlieren und schließlich das Knie beugen und einer Herrschaft durch Ausländer zustimmen würde. Aber warum dies alles? Welche Pläne sollen durchgeführt, welche Ziele erreicht werden? 

Daher sollen wir als Volk abgeschafft werden und dies ist genau, was heute geschieht. Ich fordere die Ökonomen, Politiker und Analysten, auf, mir zu beweisen, dass ich falsch liege. Ich glaube, dass es keine andere plausible Erklärung gibt, als dass eine internationale Verschwörung, mit der Teilnahme von pro-amerikanischen Europäern wie Merkel, der Europäische Zentralbank und der internationalen reaktionären Presse, stattfindet, die sich im „großen Plan“ verschworen haben, eine freie Nation zu versklaven. Ich finde jedenfalls keine andere Erklärung.

Ich schon. Griechenland erlebt gerade, das es Hartz IV jetzt auch für Länder gibt – und wir Deutsche erleben, das wir die Erben Griechenlands sind.

Obwohl die Ära 1933 – 1945 eine schlimme Zeit für Deutschland war (und die Jahre danach ebenfalls), haben die Nürnberger Prozesse gezeigt, das man Unrecht nicht untätig dulden muss. „Occupy Wallstreet“ ist sicher ein erster und wichtiger Schritt – aber wir sollten uns jetzt schon Gedanken darüber machen, ob auch wir wie 1945 die Todesstrafe für alle jene aussprechen wollen, die an diesem bald größten Verbrechen der Menschheit mitgewirkt haben. Letztlich geht es nämlich wieder um die Massenvernichtung unwerten Lebens … nur will man jetzt auch das Geld für Gas und Lager sparen.

Die Langzeitarbeitslosen und Pleitegriechen sollen das gefälligst selbst regeln – dafür baut man ja den „Druck“ schließlich auf.

Oder … man streicht ihnen einfach die Regelsätze.

Immerhin brauchen die Banken ihre Boni.

 

 

 

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