Dienstag, 11.10.2022. Eifel. Deutschland ist im Krieg. Das mag manche überraschen, weil wir andere Erfahrungen mit Kriegen haben – gerade in diesem Land – aber wer würde schon dem Gesundheitsminister Karl Lauterbach widersprechen wollen, wenn er offen feststellt, dass Deutschland im Krieg mit Russland ist. Nein, nicht im Krieg mit Russland – sondern im Krieg mit einer einzigen Person: Wladimir Putin (siehe msn):
„Mal ehrlich: Was sollen denn jetzt Kniefälle vor Putin bringen?“, fragte Lauterbach auf Twitter. „Wir sind im Krieg mit Putin und nicht seine Psychotherapeuten. Es muss weiter konsequent der Sieg in Form der Befreiung der Ukraine verfolgt werden. Ob das Putins Psyche verkraftet, ist egal.“
Mal ehrlich: was soll man von einem Gesundheitsminister halten, der eigenständig eine Kriegserklärung abgibt, ohne das zuvor mit Bundestag und Kabinett abgesprochen zu haben? Sicher: zu einem modernen, zivilisierten Krieg gehört, das ein Land offiziell einem anderen Land den Krieg erklärt: entsprechende Noten werden dann von den Botschaftern überbracht – so war es jedenfalls noch im Zweiten Weltkrieg. Heute macht man das anders: man nennt es nicht mehr Krieg, führt ihn aber. Das macht es später schwieriger, Entscheider zur Verantwortung zu ziehen, weil jeder sich sofort darauf berufen kann, dass ja eigentlich gar kein Krieg war, sondern nur ein Anti-Terror-Einsatz mit Kollateralschäden. Wenn natürlich nur ein einziger Minister den Krieg erklärt … nun ja, ich glaube, man müsste da mal Juristen fragen, ob das gilt. Und beten, dass die Russen nichts davon mitbekommen haben, dass ein deutscher Minister ihrem Präsidenten den Krieg erklärt: womöglich wären sie geneigt, zu seiner Verteidigung zu eilen.
Womöglich hat aber der Herr Lauterbach soviel Ahnung von Krieg wie von Pandemien: also keine, meint, es reicht, wenn er sagt, dass es so und so sei, ohne dass man großartig auf Wissenschaft und Sinn Wert legen müsste. Zwecks Fortbildung unseres eifrigen Ministers hier mal die Definition von Krieg der Bundeszentrale für politische Bildung (siehe Bpb):
„Krieg bezeichnet einen organisierten, mit Waffen gewaltsam ausgetragenen Konflikt zwischen Staaten bzw. zwischen sozialen Gruppen der Bevölkerung eines Staates (Bürger-K.).“
Was Herr Lauterbach noch nicht gemerkt hat: wir haben keinen Konflikt mit Putin, der gewaltsam mit Waffen ausgetragen wird. Jetzt wird man einwenden: Krieg kann man aber doch auch duch Belagerung führen – so sind viele Städte und Burgen in Antike und Mittelalter in die Knie gezwungen worden. Ja, das kann man sagen, das ist aber äußerst gefährlich, denn: es sind die Regierungen des Westens, die durch ihre Sanktionspolitik (also: Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Völker) die eigene Bevölkerung in eine nie dagewesene Not treibt: ergo könnte man den Verdacht haben, es würde in den Staaten des Westens – hier besonders Deutschland – ein Bürgerkrieg geführt, für den der „Krieg gegen Russland“ nur ein Vorwand ist: ein Bürgerkrieg von Reich gegen Arm, bei dem die Reichen endlich „tabula Rasa“ machen und den „Ballastexistenzen“ im Land ein Überleben unmöglich machen – zum Beispiel mit Gasrechnungen von 2048 Euro im Monat (siehe Tagesschau): sowas wollen wir uns doch nicht denken, oder?
Dürfen wir uns übrigens überhaupt in die Angelegenheiten anderer Länder einmischen? Generell nein – das sagen die internationalen Gepflogenheiten (siehe Bundestag von 2008):
„Dem Recht auf ungehinderte Ausgestaltung der „inneren Angelegenheiten“ als Ausdruck der Souveränität eines Staates korrespondiert eine völkerrechtliche Pflicht aller anderen Staaten, diese zuachten. Sie ist im sog.Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten auch Interventionsverbot genannt, niedergelegt. Das Interventionsverbot ist Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts, d.h. es ist nicht in rechtsverbindlicher Form schriftlich niedergelegt, sondern findet seinen Geltungsgrund in der von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung getragenen ständigen Staatenpraxis.“
Soweit klar, oder? Was Länder innerhalb ihrer Grenzen machen, geht uns arrogante Wessis nichts an! Auch nicht in Jugoslawien, Syrien, Afghanisten, Libyen, Irak, Mali, Korea, Vietnam, Panama, Grenada, Nicaragua, Iran, Chile, Argentinien – um nur ein paar Orte zu nennen, in denen die Führungsmacht des Wertewestens ein anderes Gewohnheitsrecht durchsetzt – mit Gewalt. Natürlich waren das alles keine richtigen Kriege, sondern militärische Sonderoperationen (manche auch einfach geheim die der Sturz demokratisch gewählter Politiker in Argentinien, Chila und dem Iran) wie jene, die Russland nun meint zum Schutze der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine zu führen, während wir das gewohnheitsmäßig Krieg nennen. Nun ja: Russland beruft sich da auf einen Grenzfall der internationalen Gepflogenheiten: Menschenrechtsverletzungen. Was ist, wenn ein Staat innerhalb seiner Grenzen massiv gegen die Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte verstößt? Das ist ein äußerst umstrittener Punkt im Völkerrecht, bis heute nicht eindeutig geregelt. Faustregel war bisher: wenn der Staat Atomwaffen hat – nun ja: dann kann man nichts machen. Oder doch: mit China ist Deutschland in einen Menschenrechtsdialog getreten – auf den Einsatz von Raketen hat man da bislang auch verzichtet. Sowas war früher üblich – heute debattieren wir nur über die Lieferung von Kampfpanzern – was eine deutliche Verrohung der bundesrepublikanischen Kultur und des Rechtsverständnisses der Bevölkerung hinweist und frappant an die Zeit zu Beginn des Ersten Weltkrieges erinnert, als die Menschen begeistert zu den Waffen eilten – als die merkten, dass das eine äußerst doofe Idee war, war es schon viel, sehr viel zu spät und sie verendeten elendig im Feuer moderner Artillerie, eingestampft in Gräben, die sie wegen Stacheldraht und MG-Feuer nicht mehr verlassen konnten.
Na ja: nachher ist man immer schlauer.
Schauen wir uns diesen Krieg in der Ukraine doch mal genauer an. Die beiden Länder – die bis 2003 noch in der Lage waren, kooperative Verträge abzuschließen – zum beiderseitigen Vorteil – haben eine 1975 Kilometer lange Landgrenze – doch an grob geschätzten ca. 1000 Kilometern dieser Grenze herrscht … Frieden. Weder schießen dort russische Truppen auf ukrainisches Gebiet, noch fallen Ukraine ein und nehmen Rache für die Operation im Donez-Becken. Die leben da einfach so nebeneinander – wie zuvor. Geht also. Und ist von der Definition von Krieg weit entfernt. Wie man Krieg führt – einen modernen Blitzkrieg – haben die USA im Irak gezeigt: massive Stöße von allen Seiten, massive Luftangriffe, breitflächige Zerstörung wo immer es geht, völlig Vernichtug aller irakischen Militärkollonnen und Nachschublinien – da sieht der Krieg in der Ukraine bisland anders aus. Beobachtbar – durch die Wogen der zum Teil äußerst billigen pro-ukrainischer Propaganda in Westmedien – ist: eine begrenzte russische Militäroperation mit gelegentlichen Schlägen gegen das Hinterland – wie aktuell als Vergeltung für Terrorakte gegen russische Zivilisten in Moskau (siehe Spiegel) oder die Sprengung von Brücken.
Doch schauen wir uns mal die dunklen Seiten moderner Kriege an: die Anzahl der toten Zivilisten. 5825 getötet Zivilisten wurden bis gestern in der Ukraine gemeldet (siehe Statista). Jeder Einzelne einer zuviel, das ist klar. Im Irakkrieg starben nach einer US-Studie 500 000 Zivilisten, andere gehen von 1 000 000 Million aus (siehe Süddeutsche). Allein die getöteten Zivilisten durch Luftangriffe sollen 22 000 betragen (siehe Tagesschau):
„Man muss berücksichtigen, das zivile Opfer fester Bestandteil von US-Luftangriffen sind. Das ist der Fall in Afghanistan und überall auf der Welt seit 20 Jahren – sowohl innerhalb, als auch außerhalb bewaffneter Konflikte“, sagte Annie Shiel von der Menschenrechtsorganisation Zentrum für Zivilisten in Konfliktgebieten (CIVIC).
Im „Bürgerkrieg in Syrien“ starben 350 000 Zivilisten – und da war die Nato nur mit der Luftwaffe dabei (siehe Zeit). Der Krieg in Afghanistan? 240 000 Tote – in 20 Jahren (siehe NZZ). Im Irak töteten die guten Ritter des Wertewestens auch schon mal schlafende Zivilisten (siehe NZZ): keine gute Grundlage für moralischen Hochmut, nur mal nebenbei bemerkt.
Wir stellen also fest: relativ wenig zivile Opfer für einen echten Krieg – die Opferzahlen deuten in der Tat – auch wenn die westliche Propaganda es anders suggerieren möchte – auf eine begrenzte Intervention zum Schutz der Menschenrechte der russischsprachigen Zivilbevölkerung hin – so jedenfalls sieht es Russland. Nur mal so als Vergleich: in den USA sind in dem Zeitraum mehr als 20 000 Zivilisten durch Schusswaffengebrauch gestorben (siehe Tagesspiegel, Stand 5.5.2022), über 40 000 sterben dort im Jahr in privaten Feuergefechten – und doch reden wir nicht vom Bürgerkrieg in den USA. Klar kann man Tote nicht gegenrechnen … aber die Zahlen illustrieren schon die Heftigkeit, mit denen der „Krieg in der Ukraine“ – in den sich Karl Lauterbach so gerne einmischt – geführt wird. Zudem gab es wohl nur eine Stadt, die viele Tote zu beklagen hatte – Mariupol (siehe Tagesschau):
„Während der wochenlangen Belagerung wurden ukrainischen Angaben zufolge Tausende Zivilisten getötet und ein Großteil der Stadt zerstört.“
Zieht mal also von den 5252 nochmal Tausende ab, scheint das ein recht ruhiger – ungewöhnlich ruhiger – Krieg in der Ukraine zu sein. Oder?
Mehr jedoch tobt dieser Krieg im deutschen Blätterwald: wie 1914 treffen wir auf eine kriegsgeile Journallie (eine abfällige Bemerkung über Presse, die ihren Job nicht mehr macht, geprägt 1902 von Karl Kraus, der im Februar 1936 von einem Radfahrer niedergestochen wurde), die sich mehr darin übt, bellizistische und militaristische Phrasen zu dreschen als für Verständigung, Kritik der Macht oder Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft einzutreten. Aber wer möchte schon im Schlaf von US-Soldaten erschossen werden? Dann lieber strammstehen! Oder wachsende Todeslisten erstellen – bzw. Listen von unerwünschten Personen wie der Spiegel in dem Artikel über „Putin-Lügen, die es in den Bundestag schaffen“ (siehe Spiegel) – obwohl diese Geschichte mit den Biowaffenlaboren der USA in der Ukraine andernorts bestätigt worden ist (von Viktoria „Fuck the EU“ Nuland, siehe Welt). Wenigstens die Wirtschaftspresse sucht noch nach Fakten … die jene über die Flucht der Russen vor der Mobilmachung nach Finnland, wo jedoch die leicht zugänglichen Kameras zur gähnende Leere fanden anstelle von langen Schlangen (siehe Wiwo).
Das ein ukrainischer Präsident – der sich regelmäßig als Generalfeldmarschall der Nato aufführt – offen für Nuklearschläge der Nato gegen Russland wirbt, „Präventivschläge“ genannt (siehe Berliner Zeitung) wird gerne übersehen: wie gut es seinen politischen Gegnern im Land geht, wenn er solche perversen Phantasien pflegt: darüber möchte man gar nicht nachdenken. Dass sogar Faktenchecker zugeben müssen, dass Zelensky keine Probleme damit hat, sich vor SS-Emblemen abbilden zu lassen, hat ebenfalls keinerlei Konsequenzen bei einer nüchterneren und faireren Einschätzung der Gesamtsitutation (siehe corrctiv), selbst wenn es dafür spräche, dass Putin mit seiner Einschätzung, dass man dort Nazis davon abhalten muss, wie in Odessa russischsprachige Bürger zu massakrieren, dadurch mehr Gewicht bekommt.
Im Rahmen der kriegsgeilen Hysterie im Land, die man nur noch krankhaft nennen kann, wird sowas übersehen, ebenfalls … dass wir eine andere Rechtskultur haben: bei uns bekommt jeder Angeklagter einen fairen Prozess, sogar Mörder, die andere im Schlaf ermorden. Auch ein Putin. Das ist die Grundsubstanz eines Rechtsstaates – und deshalb spreche ich von Journallie, die diesen Rechtsstaat gezielt und brutal zerstören hilft zugunsten eines Rechtsempfindens, das dem Volksgerichtshof der Nazis in nichts nachsteht … und das wäre das Ende unserer demokratischen Rechtsordnung, die Kern unserer Gesellschaft ist: und die vernichten wir gerade genauso, wie die unbedachte, willkürliche Sanktionshysterie vor allem die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft zerstört.
Am Ende wird die westliche Wertegemeinschaft ohne Werte dastehen und der Welt außer Panzer und Munition für saudi-arabische Bomber (siehe Tagesschau – Munition wird ausdrücklich erwähnt) nichts mehr bieten können. Tote Zivilisten im von Saudi-Arabien geführten Jemen-Krieg? Bislang 230 000 (siehe: evangelisch). Über die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien wollen wir gar nicht reden, da, wo Russland die Todesstafe ausgesetzt hat, feiern die noch richtige Massenhinrichtungsorgien: ein toller Partner – erst jetzt recht, wo die mitten in der Wüste – sicher ganz energiesparend – die asiatischen Winterspiele austragen wollen (siehe Tagesschau). Offenbar reichen unsere Klimaretterziele nicht weit, wenn es sich um „Partner“ handelt, die unliebsame Journalisen auch im Ausland in ihren Konsulaten ermorden läßt (siehe Tagesspiegel). Aber womöglich haben diese Gepflogenheiten auch dazu geführt, dass unsere Journalisten zu geistigen Blockwarten wie in der NS-Zeit verkommen sind: wer will schon gerne ins Konsulat eingeladen werden … oder dorthin verschleppt. Da schon eine Million Ukrainer in Deutschland weilen (siehe BR), auch schon Deutsche auf schwarzen Listen der Ukraine aufgetaucht sind (siehe Telepolis) werden wir wohl auch bald hier sehr vorsichtig werden müssen … bevor eine Autobombe Kritiker mundtot macht.
Oder sehe ich da wieder zu schwarz?
Ich fürchte halt … dass am Ende von Lauterbachs Krieg gegen Putin einfach nur jenes Land zerstört ist, in dem ich selbst zu wohnen gezwungen bin. Und das fände ich halt nicht schön.
Donnerstag, 7.7.2016. Eifel. Na – Sie Bürger? Alles fit? Fühlen Sie sich gut? Freuen Sie sich auf´s Endspiel? Ja – Fussball meine ich. Über das andere Endspiel möchte ich jetzt mit Ihnen reden. Den Dritten Weltkrieg. Interessiert Sie nicht, weil es Ihnen Angst macht? Interessiert Sie nicht, weil Sie wichtigeres vorhaben? Nun – damit habe ich gerechnet. Wir befinden uns in einer äußerst gefährlichen Situation – nicht, weil ein übermächtiger Feind uns bedroht, sondern weil wir den Krieg gar nicht mehr kennen noch wahrnehmen, wenn er sich ausbreitet in der Gesellschaft.
Das war schon mal so: 1914, nach vierzig Jahren Frieden. Der Krieg der danach kam, reduzierte alle vorherigen Kriege zu Kindertheater. Nach vierzig Jahren Frieden hielt man Krieg für unmöglich, für eine Legende aus alten Tagen, er hatte die Wertigkeit von Fußball – wie ein Spiel, bei dem man aus völlig irrationalen Gründen todernst mitfiebert. Gesungen und gelacht haben die jungen Leute, als sie auf die Schlachtfelder an der Somme, vor Sedan und Verdun zogen, verzogenen Kindern gleich, die Cowboy und Indianer mit echten Waffen spielen wollten, angefeuert von Stammtischstrategen, die sich noch dran erinnern konnten, wie Opa die Franzosen 1871 vor sich hergejagt hatte.
Auf einmal war man nicht mehr Sohn, Mann, Geliebter, Bauer, Handwerker, Taubenzüchter oder Vater, sondern: DEUTSCH. Ganz und gar DEUTSCH – als wäre man von einer ansteckenden Krankheit befallen, die jede Identität, jede Individualität, jeden vernünftigen Gedanken komplett auslöscht und … vernichtet. Übrig bleibt – wie auch beim Fußball: DEUTSCH. Sonst nichts. Und was nicht DEUTSCH ist – gehört bekämpft und bezwungen … wie auch beim Fußball. Hört man nicht gerne, ich weiß – aber sollte gelegentlich mal erwähnt werden.
Doch reden wir nicht über Fußball, reden wir über den Brexit. Ja, ich weiß: wir wollten über den Dritten Weltkrieg reden, der im August diesen Jahres beginnt, aber damit Sie verstehen, wo Sie stehen, müssen wir ein wenig ausholen. Brexit dürfte Ihnen doch geläufig sein, oder? Ein paar geltungssüchtige Profilneurotiker haben eine Bewegung zum Austritt Großbritanniens aus der EU ins Rollen gebracht. Gute Redner, professionelle Lügner, Männer mit besten Beziehungen zur Wirtschaft und Industrie. Alles wurde an einer Volksabstimmung festgemacht, es wurde argumentiert, als ginge es um das persönliche Überleben jedes einzelnen Briten – und dann geschah das Unglaubliche, etwas, das in unserer Spaßgesellschaft eigentlich verpönt ist, weil es die gute Dauerlaune verdirbt: aus Spaß wurde Ernst, eine knappe Mehrheit der Briten stimmte für den Austritt.
Die Folgen waren katastrophal. Das britische Pfund verliert seitdem ständig an Wert, der DAX sinkt ebenfalls. Börse – das ist nur Psychologie, da herrscht irrationaler Glaube, der uns seit Jahren in jeder Nachrichtensendung um die Ohren gehauen wird, obwohl die wenigsten Deutschen überhaupt Aktien besitzen. Schlimmer jedoch als die nicht abzuschätzenden Folgen (die – so oder so – hunderttausende Arbeitsplätze vernichten werden) war die Reaktion der Regierungen: niemand scheint damit gerechnet zu haben, dass es wirklich ernst wird. Niemand hatte einen Plan B – dabei könnte der Brexit eine seit acht Jahren an den Krisenfolgen darbende Wirtschaft einen gewaltigen Schubs nach unten verpassen.
„Ernst“ ist in einer Spaßgesellschaft unerwünscht. Man denkt positiv, rund um die Uhr auf allen Kanälen und manipuliert so erfolgreich die Wirklichkeit – jedenfalls träumt man davon solange, bis auch der hunderste Lottoschein trotz immens positiven Denkens keinen Gewinn gebracht hat. Jetzt steht „Ernst“ vor der Tür – und hat böse Folgen. Auch die Briten selbst scheinen überrascht: jedenfalls verschwinden die Führer der blindwütigen Aktion gerade schnell von der Bühne – wie so oft, wenn man einen Mob mit falschen Versprechungen aufgepeitscht hat und die Hexe brennt und schreit, man aber selber merkt, dass man sowas gar nicht gewollt hat.
Kommen wir zum Dritten Weltkrieg. Er steht dicht vor der Tür – und wir können nur von Glück reden (oder von Gottes Willen und dem geheimen Wirken der Engel), dass wir ihn noch nicht haben. Scheint purer Zufall zu sein, so oft, wie wir schon haarscharf an ihm vorbeigeschrammt sind.
1962 zum Beispiel. „Kuba-Krise“ dürfte Ihnen ein Begriff sein, denke ich? Damals geschah das Gleiche wie heute: eine Militärmacht stationierte Raketen unmittelbar an der Grenze ihrer „Mitbewerber“ um die Weltherrschaft – damals waren es russische Raketen, die auf Kuba stationiert wurden. Das war schon brisant genug – viel brisanter jedoch war der Vorfall, der nur am Rande erwähnt wurde. Eine kleine U-Boot-Flotte hatte Kurs auf Kuba genommen, US-Kriegsschiffe beschlossen, sie aus Spaß anzugreifen – mit Übungswasserbomben. Der russische U-Boot-Kapitän beschloss, sich dagegen zu wehren und wollte die versammelte US-Flotte mit einer Atombombe ausradieren (siehe Spiegel):
„Genau 13 Tage nach Heysers historischem Flug griff ein zweiter einfacher Offizier vor Kuba in die Weltgeschichte ein, diesmal ein Russe: Wassilij Archipow, Zweiter Kapitän auf dem sowjetischen U-Boot B-59. Er sperrte sich dagegen, einen atomar bestückten Torpedo auf einen US-Zerstörer abzufeuern, obwohl der Erste Kapitän und der Waffenoffizier bereits zugestimmt hatten. „Ein Kerl namens Archipow rettete die Welt“, vermutete vier Jahrzehnte später ein US-Historiker.“
Ja – es bedarf nur eines solchen Ereignisses, um die Maschinerie des Krieges in Gang zu setzen, jene Maschinerie, die aus Fremden Feinde macht, die ausgelöscht gehören – ohne dass man geschaut hätte, ob sie nicht zu Freunden taugen würden.
Ereignisse wir die um U B-59 hatten wir häufiger. Zum Beispiel am 26.9.1983, als die Dosenpfandpartei anfing, die Friedensbewegung zu zersetzen. Eine russische Radarstation meldete den Anflug einer feindlichen Rakete, wieder drohte die automatisierte Maschinerie des Krieges die Menschheit in einen Abgrund zu zerren, an dem sie durch das Erbe des Zweiten Weltkrieges steht. Wieder war es ein einzelner Russe, der die Maschinerie aufhielt – von US-Startbasen reflektiertes Sonnenlicht hatte den russischen Beobachtern den Start von Nuklearraketen vorgegaukelt (siehe Welt). Hätte der Mann sich anders entschieden, würden Sie diese Zeilen jetzt hier nicht lesen … und es gäbe auch nie wieder „Endspiele“.
Ich weiß: Sie werden ganztägig von vielen teueren Beratern zum positiven Denken erzogen, weil realistisches Denken ihre Zusammenarbeit mit der Weltvernichtungsmaschinerie in Frage stellen würde. Die Realität wird Sie dann treffen wie der Brexit die europäischen Märkte und Regierungen: völlig überraschend und unerwartet. Es hätte auch schon 1999 so weit sein können.
Ja – auch 1999 stand die Welt unbemerkt am Abgrund der nuklearen Vernichtung – und es war kein Russe in der Nähe, die aufzuhalten. Aber Angriffsziele waren sie, die Russen. Was war 1999? Das Jahr, in dem rot-grün für Deutschland und seine DEUTSCHEN Krieg mit einem fremden Land begann – wir mussten lernen, dass selbst friedensbewegte Grüne sich den Mächten und Gewalten dieser Welt nicht entziehen konnten und fleißig den ersten Krieg seit 1945 vom deutscnen Boden aus mitbefahlen (siehe Newsweek, zitiert bei WSWS):
„Am Ende des Krieges war Clark so versessen darauf, die Russen vom Flughafen von Pristina fernzuhalten, daß er Luftangriffe anordnete, um ihnen das Gebiet abzunehmen. General Michael Jackson, der britische Befehlshaber der Kosovo-Friedenstruppe, führte Clarks Befehle jedoch nicht aus. Daraufhin ersuchte ein frustrierter Clark Admiral James Ellis Jr., den amerikanischen Offizier, der für das NATO-Kommando Süd verantwortlich war, Hubschrauber auf den Landebahnen landen zu lassen, um die großen russischen Iljuschin-Transporter an ihrer Nutzung zu hindern. Ellis weigerte sich und meinte, Jackson wäre damit nicht einverstanden. Ich werde für Sie nicht den Dritten Weltkrieg anfangen‘, sagte Jackson später zu Clark. Jackson wie Clark riefen ihre politische Führung zu Hause an. Jackson erhielt Unterstützung, Clark nicht. Praktisch wurden seine Befehle als oberster Befehlshaber übergangen.“
Ja – da funktioniert ein Rädchen im Getriebe im Sinne der Weltvernichtungsmaschine, befiehlt den Krieg – und ein Brite verhindert den Weltenbrand. Nun – vielleicht waren es sogar zwei Briten, denn der Balladenbarde James Blunt brüstet sich auch damit, den Weltkrieg aufgehalten zu haben – durch pure Befehlsverweigerung (also, in Schuldeutsch: Mangel an Sekundärtugenden) (siehe Spiegel):
Als führender Offizier habe er damals den Befehl erhalten, den Flughafen in der Nähe der Stadt Pristina zu erobern. Der sei jedoch bereits von etwa 200 russischen Soldaten besetzt gewesen. Nato-Oberbefehlshaber US-General Wesley Clark habe über Funk das Kommando ausgegeben, „das Flugfeld zu erreichen und zu halten“, sagte Blunt in dem Radio-Interview.
Er habe Clark darauf hingewiesen, „dass uns bereits 200 schwerbewaffnete russische Soldaten gegenüberstehen“. Nichtsdestotrotz habe Clark darauf beharrt, die Russen anzugreifen. Dabei seien Worte gefallen wie „zerstören“ und „überwältigen“.
Dieses Szenario war seit den siebziger Jahren bekannt: der Dritte Weltkrieg entzündet sich in Jugoslawien. Fast wäre aus einem Roman Wirklichkeit geworden. Ja – in den siebziger Jahren hatte ein Gruppe um den britischen General Sir John Hacket einen Roman über den Dritten Weltkrieg geschrieben. Es lohnt sich heute noch, da hinein zu schauen (siehe Spiegel):
Großangelegte Manöver – wie „Anaconda“, das erst kürzlich dem Russen Angst machen sollte. Die Russen wissen, wie leicht man in Manövern Angriffstruppen verstecken kann … und sie wissen auch, wie schnell und ungewollt aus Spaß Ernst werden kann, erst Recht in diesen Zeiten, wo der westliche Militärmoloch ganz unerwartete Facetten zeigt (siehe Spiegel):
„Die Bombardierung der chinesischen Vertretung während des Kosovo-Krieges soll eine geplante Aktion der Nato gewesen sein, schreibt der britische „Observer“. Die Botschaft habe als Funkstation für die jugoslawische Armee gedient. US-Präsident Clinton habe anschließend die Parole ausgegeben, es sei ein Versehen gewesen.“
Gut, dass die kommunistischen Chinesen so friedlich gestimmt waren. Andere Länder hätten das als Kriegserklärung verstanden – zum Beispiel die Demokratien aus dem Westen.
Ja – die ganzen Kriege wären fast von „Demokratien“ aus dem Westen angezettelt worden – jene Demokratien, die jetzt zugeben müssen, dass sie von ihren Führern getäuscht und verraten wurden, weil die die Berichte über Massenvernichtungsmittel des Irak aufgebauscht hatten, um den völkerrechtswidrigen Krieg anzuzetteln (siehe Spiegel). Dabei hatten wir so gehofft, dass Demokratien uns Frieden bringen werden. Haben sie ja auch – jedenfalls so lange, bis sie von Mächten und Gewalten unterlaufen wurden, die anderes im Sinn haben. Normale Menschen kommen nicht auf die Idee, sich für andere Leute in fremden Ländern totschießen zu lassen – aber jene, die in sicheren Bunkern sitzen und Krieg nur als Bewegung von Fähnchen auf Landkarten kennen, mögen das anders sehen. Die bombadieren auch ganz bewusst die Botschaften von Nuklearmächten: ihre Bunker liegen weit weg von den Zielen des atomaren Holocaust, sie können zehn Jahre (oder mehr) unterirdisch mit allem Luxus leben, während oben das Massensterben seinen Lauf nimmt.
Schon im März haben US-„Experten“ so einen Dritten Weltkrieg durchgespielt (siehe Focus), allerdings berücksichtigten sie dabei nicht die Erfahrungen der letzten Jahre, die zeigten, dass der Faktor „Zufall“ eine große Rolle bei der Einleitung eines Weltkrieges spielen kann – man muss diesen Krieg gar nicht „beabsichtigen“ (wie man auch vom Ersten Weltkrieg sagte: eigentlich wollte ihn keiner. Aber die Maschinerie war nicht mehr aufzuhalten, nachdem sie einmal ins Rollen gekommen war). Die Experten meinen, das GPS-System oder die Handynetze wären der erste Angriffspunkt, den ein potentieller Feind ins Visier nehmen würde.
Was aber – wenn es andere Mechanismen sind?
Zufällig kreuzte erst kürzlich ein US-Kriegsschiff in der Ostsee vor Kaliningrad (ja – dem ehemaligen Königsberg, dass mal wieder eine Enklave in Feindgebiet ist – und leicht zum Funken eines Krieges werden kann, der – erstmal entzündet – durch Menschen nicht mehr aufzuhalten ist). Diese russische Enklave ist sehr verletzlich, liegt sie doch völlig im Natogebiet – die USS Donald Cook ist stark genug bewaffnet, um jeden Schiffsverkehr dort zu unterdrücken … und sie war dicht genug dran, um ihre Raketen zum Einsatz zu bringen. Was geschah? Die Maschinerie antwortete standesgemäß: russische Kampfbomber überflogen das Kriegsschiff in internationalen Gewässern in geringer Höhe, was der amerikanische Kommandant gleich als „agressiven Akt“ deutet (Beschreibung des Vorfalles siehe z.B. Süddeutsche).
Ein kleiner Fehler in den vollautomatisierten Geschützen der Donald Cook – und wir würden jetzt nicht mehr über Fußball reden. Die wichtigste Nebensache der Welt würde auf einmal – plötzlich und überraschend wie der Brexit – von Hauptsachen überrollt werden, obwohl wir darauf so richtig gar keine Lust haben. Ja – die Donald Cook ist ausgerüstet mit dem Phalanx CIWS-System, das schnell auf schnelle Bedrohungen reagiert, kleine Geschütze mit hoher Feuergeschwindigkeit (3000 Schuss in der Minute), die dicht am Schiff fliegende Objekte zerstören sollen – und schneller reagieren können, als es Menschen möglich ist.
Nun – vielleicht haben die „Russen“ auch einfach ihre „Wunderwaffe“ eingesetzt, die der Cook 2014 im Mittelmeer solche Angst gemacht haben soll (siehe Voltairnet) – oder die Geschichten über diese Wunderwaffen sind gezielt gestreut worden, um den „bösen Russen“ aufzubauschen, wie einst der böse Irak aufgebauscht wurde.
Nun – versprochen war: Krieg im August 2016.
Das ist nur ein Datum, das sie wachrütteln soll. Der Krieg kann schon beginnen, während sie diese Zeilen lesen – eigentlich läuft er schon. Je mehr Waffensysteme aufeinander gerichtet sind, um so höher ist die Chance, dass … wie beim „Brexit“ … einfach mal was schiefgeht – womit niemand ernsthaft rechnet, was aber trotzdem schnell unangenehme Wirklichkeit werden kann. Unseren Politikern ist bewusst, dass sie Verträge verletzen, die Kriege verhindern sollten (siehe Zeit):
„Wie die beiden Medien berichteten, könnte die Nato-Mission dem bisherigen Planungsstand zufolge aus rotierenden Truppen in den baltischen Staaten, Polen und Rumänien bestehen. Das Rotationsprinzip ist wichtig, weil bestehende Vereinbarungen mit Russland es nicht zulassen, dass die Nato dauerhaft Truppen an der Ostgrenze stationiert. Russland dürfte das Vorhaben dennoch als Provokation werten.“
Was uns (als NATO) völlig egal ist – so egal, wie die Reaktion des U-Bootes B-59 vor Kuba, so egal wie die Reaktionen Chinas auf Grund der Bombadierung ihrer Botschaft, so egal wie die Reaktion der Welt auf den Angriffskrieg gegen den Irak, die Reaktion der deutschen Friedensbewegung auf die Entscheidung der von ihnen entsandten Politiker oder die Reaktion Russlands auf die Einkreisung durch Nato-Militärbasen.
Schon während sie diesen Artikel lesen könnten Situationen in der Ostsee oder im Baltikum eskalieren – immerhin haben wir dorthin keine Diplomaten entsandt, sondern Killer, deren Job, Auftrag und Befähigung im professionellen Töten von Menschen besteht – worauf die auch sehr stolz sind. Es muss nur eine kleine Einheit deutscher Soldaten versehentlich auf russischem Gebiet in Gefechte verwickelt werden – schon haben Sie Ihren Einberufungsbefehl – und es ist endgültig Schluß mit Urlaub und Grillen am Wochenende. Wer Frieden will, riskiert so etwas nicht. Wer aber Angesichts dieser idiotischen Aufmärsche von „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ spricht, wird – zunächst verbal – sanktioniert (siehe Spiegel).
Militärisch machen die kleinen Verbände der Nato im Osten übrigens gar keinen Sinn. Das weiß man auch: das Baltikum wäre im Ernstfall schlichtweg nicht zu verteidigen, die deutschen Soldaten wären nach Beginn der Kampfhandlungen schneller tot als das man Särge produzieren kann. Aber zur Einleitung dieser Kampfhandlungen sind sie ideal – das Wüten deutscher Truppen im Osten, den Massenmord an ihren Landsleuten hat man da drüben nicht vergessen. Dort jetzt ihre Urenkel aufmarschieren zu lassen, hat schon etwa sehr … Verstörendes. Oder Gemeines.
Bereiten Sie sich also auf eine neue Realität vor: Beginn der Kampfhandlungen Ende August 2016, wenn die Europäer aus dem Sommerurlaub zurück sind.
Oder morgen … wenn wieder etwas schief geht und kein Russe in der Nähe ist, es aufzuhalten.
(ach ja: das Foto. Neue Steelen des russischen Soldatenfriedhofes in Simmerath-Rurberg. Keine Sorge – sowas wird es für Sie nicht geben. Dafür werden zu wenig überleben. Sie – werden einfach im Matsch verrotten. So wie ihre Kinder.)
Freitag, 21.2.2014. Eifel. Die Meldungen aus der Ukraine werden von Tag zu Tag dramatischer. Wir kennen sie schon aus Lybien, Ägypten und Syrien: „Scharfschützen auf den Dächern erschießen harmlose Demonstranten“. Wie auch in Lybien, Ägypten und Syrien sind die Demonstranten alles andere als harmlos, siehe Spiegel:
Das Hotel, in dem viele Journalisten wohnen, war auch von den Kämpfen betroffen. Es liegt an der Institutska-Straße, die ins Regierungsviertel führt. Mehrere Kugeln schlugen auch in Zimmern ein, in denen Reporter logieren. Männer vom Maidan bezogen in den oberen Etagen Position und feuerten auf Polizisten.
Im selben Artikel werden auch die Aktionen der Scharfschützen der Polizei beschrieben:
Vor dem Hotel steht Irina, 48, eine Frau aus Kiew. Ihr Sohn wurde am Morgen verletzt. Er wurde von einer Kugel an der Stirn getroffen, zum Glück war es nur ein Gummigeschoss.
Das hatten wir schon gestern gelesen: spricht man mit Demonstranten selbst, so erwähnen sie nur, von Gummigeschossen getroffen zu sein. Die martialisch ausgestatteten Demonstranten jedoch schießen mit scharfer Munition. Wo sie die wohl herhaben? Woher stammen die Helme, die Schutzschilde? Gestern war es der Pfarrer Haska, der uns direkt vom Ort des Geschehens berichtet hat, siehe Spiegel:
Die Maidan-Wache konnte nicht alle Steinwürfe verhindern. Es fiel aber schon auf, dass die Polizei sofort darauf geantwortet hat, mit massiver Gewalt. Da waren sofort Berkut-Scharfschützen auf den Dächern, die mit Gummigeschossen auf die Demonstranten geschossen haben.
Sicher – wir mögen diese Geschichten: gute Menschen stehen auf gegen den bösen Diktator, der mit brutaler Gewalt zurückschlägt. Ich mag diese Geschichten auch – bin mit Che Guevarra und Fidel Castro groß geworden – und weil wir sie so mögen, erzählt man sie uns auch … jedes mal. Wir sind dann jedesmal ganz gerührt und stehen sofort auf der Seite der Nato, die die Demonstranten massiv unterstützt.
Halten wir hier aber mal einen Moment inne – und lassen uns nicht von dem mit synthetischen Geschmacksstoffen versetzten Nachrichtenaufguss in einen Zustand gläubiger Extase versetzen.
Erinnern wir uns nochmal kurz daran, was geschehen war – und zitieren wieder ein seriöses Leitmedium des deutschen Journalismus, den Spiegel:
Wütende Anhänger der proeuropäischen Opposition setzten mehrere Einsatzfahrzeuge und Spezialtechnik in Brand. Die Ausschreitungen dauerten auch nach mehr als fünf Stunden an. Es gab mehrere Festnahmen.
Am Nachmittag und Abend standen sich Regierungsgegner und die Polizei gegenüber. Hunderte mit Holzknüppeln ausgerüstete und mit Masken vermummte Oppositionelle wollten eine Polizeiabsperrung durchbrechen und das Parlamentsgebäude stürmen. Gegen Ende der Kundgebungen warfen die Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz, dem Maidan, Steine und Molotow-Cocktails auf die Sicherheitskräfte. Sie versuchten, Polizeiabsperrungen zu durchbrechen und Einsatzbusse umzustoßen. Die Sicherheitskräfte setzten Blendgranaten und am späten Abend auch einen Wasserwerfer ein – bei etwa minus acht Grad Celsius.
Gummigeschosse … und erst ganz spät Wasserwerfer. Sehr sozial – angesichts der Temperaturen. In Deutschland haben wir die Wasserwerfer schneller auf der Straße – sie schießen auch schon mal Augen aus. Aber Deutschland ist „gut“, da darf so etwas schon mal passieren.
Was wäre, wenn 100 000 deutsche Demonstranten mehrere Einsatzfahrzeuge der Polizei in Deutschland anzünden würden, sich – gegen geltende Gesetze – vermummten und mit Knüppeln bewaffneten, um das Parlamentsgebäude zu stürmen? Wie würde die Polizei reagieren – wenn Beamte systematisch mit Molotowcoctails und selbstgemachten Flammenwerfern angegriffen werden? Würden sie auch mit Wasserwerfern oder Gummigeschossen antworten?
Ich denke nicht, da mir die Aussage eines Polizisten während der Blockupy-Demo in Frankfurt noch in Erinnerung ist, siehe Frankfurter Rundschau:
Ob der Polizist denn Angst vor ihm habe, will der junge Mann wissen. „Nein, wenn Sie mich angreifen, erschieße ich Sie“, blafft der Beamte. „Eine Kugel zwischen die Augen, und gut is‘.“
Der junge Mann hatte noch nicht mal einen Holzknüppel, geschweige denn einen Molotowcoctail. Molotowcoctails können schwerste Verbrennungen hervorrufen, die äußerst schmerzhaft sind. So barbarisch sind nur noch wenige Armeen, die ihre Flammenwerfer größtenteils verschrottet haben. Stellen Sie sich einfach mal vor, jemand würde Sie mit Benzin übergießen und sie dann anzünden – hätten sie da nicht gerne zuvor eine Schusswaffe zur Hand? Wie „friedlich“ sind eigentlich die Proteste, die mit solchen Waffen gezielt Menschen attackieren? Verlangen wir wirklich von unkrainischen Polizisten, das sie ruhig stehenbleiben, wenn Molotowcocktails auf sie zufliegen?
Offenbar ja. Führende deutsche Politiker haben kein Problem mit solchen Aktionen, wie z.B. Joschka Fischer – der Mann der Deutschland wieder zu Bombadierungen im Ausland verhalf. Dank der Zeitschrift Stern haben wir einen Livebericht über die Erfahrungen mit Molotowcocktails:
„Es war alles friedlich, keine Vorkommnisse, plötzlich blieb das Ende des Demonstrationszugs am Roßmarkt stehen. 40, 50 Leute drehten sich wie auf Befehl rum und warfen die ersten Molotowcocktails. Es ist nicht schön, diese Dinger auf dich zukommen zu sehen. Da kommt Panik auf. Die haben ganz gezielt geworfen. Es wurde massiv auf das Auto geworfen, als ich rauswollte, explodierte neben meiner Fahrertür ein Molotowcocktail. Da war plötzlich eine meterhohe Flammenwand, sie schlug über das Auto. Ich will deshalb also bei der Beifahrertür raus, verhake mich, da schlägt rechts oben am Holm ein Flasche ein, alles ergießt sich ins Auto, das Auto brennt, ich brenne, irgendwie komm ich raus und bin weggerannt. Meine Kollegen sind hinter mir her, haben mich umgeworfen und mich gelöscht. Ich schrie meine Kollegen an: ‚Erschießt mich! Erschießt mich!'“
60 Prozent seiner Haut waren zerstört, Oberkörper, Arme, Beine, alles, bis auf sein Gesicht, Jürgen Weber war einer der ersten Menschen, die eine solch massive Verbrennung überlebten. Und er sagt nochmals: „Fischer ist für mich der geistige Täter.“
Man fängt an, ein wenig Verständnis für jenen Frankfurter Polizisten zu entwickeln, der lieber zuerst schießen will – bevor er bei lebendigem Leibe verbrannt wird.
Und wie waren die Verhältnisse in der Ukraine noch einmal genau? Darf ich dazu die Tagesschau zitieren?
Wie immer die Krise in der Ukraine ausgeht, einige Männer im Hintergrund werden mitreden. Es sind reiche Geschäftsleute, die die Medien beherrschen und die Politik beeinflussen. Dieses Oligarchentum ist eine schwere Bürde – nicht nur für die Ukraine.
Nicht nur für die Ukraine? Schauen wir mal kurz bei der Bundeszentrale für politische Bildung vorbei – auch dort schaut man nach dem Oligarchentum in der westlichen Politik:
Dass der Elitenwettbewerb Kartellbildungen, Wettbewerbsverzerrungen und der Manipulation des Wählerwillens unterworfen ist, wurde zuletzt durch den britischen Soziologen Colin Crouch hervorgehoben. Für ihn steht fest, dass in vielen westlichen Ländern die demokratischen Institutionen nicht weiterentwickelt, sondern im Gegenteil an Substanz verlieren würden. Politik verkomme zum Medienspektakel, während wichtige Entscheidungen und Weichenstellungen unbeobachtet von der Öffentlichkeit im Inner Circle der Eliten aus Wirtschaft und Politik getroffen würden.
Auch in Deutschland lassen sich ähnliche Phänomene beobachten.
Ähnliche Phänomene? Zum Beispiel die seltsamen Konstellationen um den Fall Edathy?
Darf ich auch nochmal den Stern zitieren? Er klärt uns über ein paar Randerscheinungen zum Phänomen Joschka Fischer auf:
Bei einem Fest in Berlin dröhnte der damalige RWE-Boss Jürgen Großmann, mit dem Finger auf Fischer zeigend: „Den habe ich auch gekauft!“
Dabei haben die Ukraine und Deutschland neben ihren Oligarchen und dem Vermummungsverbot für Demonstranten (welches entsetzlich ist, wenn es die ukrainische Regierung bestimmt) noch mehr Gemeinsamkeiten: wie Deutschland wird die Ukraine langsam zu einem Weltbordell … so jedenfall berichtete der Spiegel noch im Jahre 2009:
Mit rabiaten Mitteln kämpft die Gruppe Femen gegen Sextourismus und Prostitution in Kiew. Die Studentinnen und Schülerinnen ziehen sich aus, warnen Ausländer, werfen mit Schlamm oder Torten. Ihr Schlachtruf: „Die Ukraine ist kein Bordell!“
Ja, die haben das gleiche Problem wie Deutschland: man wird als Land zum Bordell, das von im Hintergrund wirkenden mafiaähnlichen Paten regiert wird und von ausländischen Politikern „gefickt“ werden soll.
In der Ukraine gibt es dagegen Proteste – weil es mächtige Interessengruppen gibt, die dafür bezahlen. In Deutschland gibt es keine Proteste, weil die bürgerlichen Oppositionsparteien (nicht die Parteiausstülpungen des Oligarchenblocks) wie die 5-Sterne-Bewegung keinen Finanzier finden – und in Zeiten grassierender Armut und (gut versteckter) Massenarbeitslosigkeit auch nicht von Parteibeiträgen leben können.
Und was lernen wir daraus?
Das die Welt von Geldern und Gewalten regiert wird, die wir noch nicht mal im Ansatz erahnen können. Nur manchmal scheinen durch die Berichte der gleichgeschalteten Presse Informationen durch, die – anders als gewünscht verknüpft – einen Blick auf ein unglaubliches Puppentheater werfen.
Was lernen wir noch?
Wer die politischen Verhältnisse in Deutschland ändern will, braucht sehr viel Geld – nur so kann dem „Inner Circle“ die Macht entrissen und die Demokratie wiederbelebt werden.
Ein Blick auf Deutschlands Oligarchen?
Gern. So geheim sind die inneren Zirkel gar nicht, sind auch illustre Spaßvögel aus den Medien und dem Fussball darunter, siehe Manager Magazin über die „geheimen Machtzirkel“der Manager:
Die Runde ist derart diskret, dass die Beteiligten deren Existenz am liebsten mannhaft leugnen würden.
So zählen folgende Dax-Chefs dazu: Johannes Teyssen (51, Eon), Frank Appel (49, Post), Martin Blessing (47, Commerzbank), Kasper Rorsted (48, Henkel). So sind folgende Großkaliber dabei: Hartmut Ostrowski (52, Bertelsmann-Chef), Oliver Bäte (45, Vorstand Allianz), Günther Jauch (54, TV-Eminenz), Oliver Bierhoff (42, Fußballmanager). So rundet das Gremium folgender Unternehmsberater ab: der Kölner McKinsey-Direktor Klaus Behrenbeck (43).
Und die regieren, egal, wen man wählt.
Kehren wir zurück in die Ukraine, über die wir so genau Bescheid wissen, weil jeden Tag hundert Artikel die selbe Botschaft verbreiten, die auch Grüne gerne hören: arme, alte, kranke Menschen im Aufstand gegen ein kaputtes, korruptes, menschenfeindliches System, das von einer Hand voll Oligarchen von Hinterzimmern aus regiert wird. Begleiten wir nochmal einen Spiegelredakteur zu einem Interview, diesmal zu einem mit einer Vertrauten der Regierung. Wieder einmal konzentrieren wir uns darauf, was er selbst persönlich wahr nimmt … und nicht, was er meint, sehen zu müssen:
Das Treffen ist am Morgen geplant, der Waffenstillstand beginnt gerade zu bröckeln. Den unmittelbaren Ausbruch der Kämpfe habe ich nicht beobachtet. Auf dem Weg zum Interview mit Bondarenko stürmen plötzlich Männer der berüchtigten Berkut-Einheit an mir vorbei. Sie ziehen sich ungeordnet vom Maidan zurück, manche wirken panisch. Sie seien beschossen worden, sagt ein Kommandeur.
Wieder: Schüsse von Demonstranten auf die Polizei. Das Interview kann nicht wie geplant stattfinden: es droht Lebensgefahr:
Die Polizei räumt Hals über Kopf das Regierungsviertel. Jelena Bondarenko springt in ihren Jeep, „aus Angst, dass die Banditen jetzt kommen“. Damit meint sie die Demonstranten vom Maidan, die in Richtung Parlament vorrücken.
Man hat auch allen Grund, sich zu fürchten:
Auf dem Maidan stehen inzwischen ja nicht mehr friedliche Demonstranten. Das sind Vandalen, Brandstifter, bewaffnete Extremisten. Unsere Parteizentrale wurde in Brand gesetzt. Einer unserer Mitarbeiter wurde totgeschlagen, ein Elektriker, der die Glühbirnen im Büro austauschen wollte. Unsere Sicherheitskräfte reagieren nur auf Provokationen, auf Übergriffe der Radikalen.
So die Meinung der interviewten Politikerin. Natürlich ist sie böse – und der Journalist läßt keine Gelegenheit aus, auch darauf hinzuweisen. Und doch stellt Jelena Bondarenko eine Frage, auf die sie keine Antwort bekommen wird, weil – na, sie halt „böse“ ist und sagen kann, was sie will.
Es geht ihnen nicht um Reformen. Jetzt sitzen wir in meinem Wagen. Wir sind jetzt aus dem Regierungsviertel geflohen, weil der Maidan vorrückt. Würden deutsche Behörden zulassen, dass Abgeordnete des Bundestags aus dem Reichstag fliehen müssen?
Keinesfalls würden deutsche Behörden das zulassen – deren Vertreter haben in Frankfurt schon bewiesen, dass ihnen die Waffe viel lockerer am Halfter sitzt als ihren Kollegen in der Ukraine. Aber: wie auch in der Ukraine haben hier Oligarchen einen enormen Einfluss auf Medien, brüsten sich öffentlich damit, Minister kaufen zu können – und die grünen Minister freuen sich. Dank Madelaine Albright ist er auch gut im Geschäft – und sehr reich geworden, nochmal Stern:
Dass er so gut im Beratungsgeschäft ist, verdankt Fischer vor allem einer alten politischen Freundin: der Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright. Mit deren Consultingfirma arbeitet er, wie es auf seiner Firmen-Homepage heißt, „im Rahmen einer strategischen Partnerschaft“ eng zusammen, Albrights Name steht für ein unbezahlbares Netzwerk, ihr Name öffnet die Türen zu Wirtschafts- und Politikführern auf allen Kontinenten.
Ach ja – Frau Albright. Wenn wir über die Ukraine und Deutschland reden, sollten wir Menschen wie sie nicht vergessen – Menschen, die uns (wie Frau Nuland) in gewissen unkontrollierten Momenten einen tiefen Einblick in das Denken unserer Freunde jenseits des Atlantiks erlauben, siehe Fembio:
„Die zentrale außenpolitische Zielsetzung lautet, Politik und Handeln anderer Nationen so zu beeinflussen, dass damit den Interessen und Werten der eigenen Nation gedient ist. Die zur Verfügung stehenden Mittel reichen von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern.“
„Einige Amerikaner haben die UNO noch nie gemocht, weil es dort so viele Ausländer gibt.“
Und dann gibt es noch den häufig zitierten Satz:
die Sanktionen gegen den Irak seien den dafür gezahlten Preis wert – Tod von über einer halben Million Kinder.
Sollte Joschka Fischer wirklich der geistige Vater des Brandattentats sein, hätte er hier eine Schwester im Geiste gefunden.
Fünf Milliarden Dollar sollen die USA für den „Widerstand“ in der Ukraine ausgegeben haben – eine Geste guten Willen, bevor Marschflugkörper eine halbe Million Kinder ausradieren. Demokratisch gewählte Politiker flüchten in panischer Angst – doch in Deutschland erzählt man eine andere Geschichte.
Warum?
Weil sich die Verhältnisse in Deutschland möglicherweise gar nicht so sehr von denen in der Ukraine unterscheiden, weil nicht nur in der Ukraine dafür gesorgt wird, dass die Interessen der USA unter allen Umständen gewahrt bleiben – wir können das nur nicht sehen, weil unsere Oligarchen stramm an der Seite der Oligarchen der USA stehen – und nur über jene Dinge schreiben, die dazu dienen, die Interessen der USA zu wahren.
Als Dank für den strammen Gehorsam werden unsere Polizisten nicht mit Benzin übergossen, sind aber selbst schon bereit, jeden Widerstand gegen die Oligarchie mit einem Schuss zwischen die Augen zu beenden – oder sehe ich das falsch?
Es ist auch kein Geheimnis, wie der große Plan der Regisseure aussieht, siehe Spiegel:
Brzezinski drückt damit eine bis heute gültige amerikanische Strategie aus: Die USA wollen Russland auch in seiner unmittelbaren Nachbarschaft so weit wie möglich zurückdrängen. Spielen die Europäer dabei etwa in der Ukraine mit und verschlechtern sich deren Beziehungen zu den Russen, kann dies den USA nur recht sein.
Ohne die Ukraine – das weiß man in Washington und Moskau – ist Russland im Falle eines Angriffes kaum noch zu verteidigen. Hat Putin Albright ernst genommen, weiß er, dass er Angriff kommen wird – zur Not erstmal durch 100 000 Demonstranten. Das sind in Wirklichkeit gar nicht so viele Menschen. In der Ukraine liegen auch noch sowjetische Truppen, die Schwarzmeerflotte braucht die Häfen der Krim – kann also auch dort ganz schnell zu Eskalationen kommen.
Darf also Moskau die Vereinnahmung der Ukraine durch Vitali Klitschko einfach so hinnehmen … oder wird es – dank panischer Angst vor den nächsten Schritten – Truppen nach Kiew schicken?
Wann wird Merkel dann die Bundeswehr zur Rettung Klitschkos entsenden – und wann wird offiziell der nächste Weltkrieg erklärt, weil Russland um seine Sicherheit bangt?
Werden wir erst erfahren, wenn der Einberufungsbefehl im Briefkasten liegt – unsere Oligarchen narkotisieren uns mit dämlichen Shows, blödem Fussball und steigenden Preisen – das hält uns beschäftigt, selbst wenn wir arbeitslos sind.
Deutschland ist wie die Ukraine ein wichtiger Bauer im Spiegel Washington gegen Moskau – und die Ukraine soll nun auch Aufmarschgebiet für US-Truppen werden.
Spielchen, die an 1914 erinnern, dem Jahr, in dem das erste große Bürgerschlachten eingeläutet wurde.
Von Oligarchen.