§130

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Neoliberaler Zotenkönig wird Volksheld wegen Volksverhetzung: Bundesrepublik verwahrlost zusehends

eifelphilosoph_200

eifelphilosoph_200Mittwoch, 29.10.2014. Eifel. Na, da ist ja jetzt mal eine Aufregung im Land. Endlich endlich hat der verblödete Mob etwas gefunden, an dem er sich abarbeiten kann: den Moslem. Juden waren alle, arbeitslos war man selber: wie dankbar wird doch dieses neue Ziel aufgenommen, dass die deutsche Volksgemeinschaft endlich wieder vereint – wie damals, wie früher, als noch alles heil und gut war – so heil und gut, dass auch alle dauernd vor Begeisterung „Heil“ riefen. Alles war Heil, weil man endlich einen Bösen gefunden hatte, der an allem Schuld war: gerade in Deutschland ein gefundenes Fressen für alle.

Warum die Aufregung? Nun – ein Satiriker hat endlich mal die Wahrheit gesagt – und wurde dafür angezeigt. Was für ein Skandal! Ich habe da auch eine Reihe schöne Zitate gefunden, wegen denen ich den Mann auch angezeigt hätte:

„Gerechtigkeit wird ja bei uns häufig falsch verstanden. Viele Leute glauben ja, Gerechtigkeit ist, wenn die anderen auf keinen Fall mehr haben als ich. Und das ist ja erstmal so nicht richtig. Aber da sind eigentlich auch Besitzende und Nicht-Besitzende völlig gleich ignorant. Die Besitzenden sagen: muß man den immer alles auf einmal wollen? Wohnen und essen? Wobei die Nicht-Besitzenden manchmal gar nicht mehr merken, daß ihr gesamtes Leben von der Gemeinschaft bezahlt wird – und daß das ja auch ein schöner Vorgang ist; und in der Geschichte auch relativ einzigartig. Und das ist ja auch toll.
Wir haben in sofern einen gesunden Ausgleich: Alle sind beleidigt.“

Ja – so nebenbei alle Nichtmillionäre mal als Sozialschmarotzer dargestellt: man versteht, warum die Banken nur noch Kunden mit Barvermögen über 100 000 Euro wollen – die neoliberale Satire marschiert stramm vorne weg. Aber Satire darf ja alles.

Mehr nuhrselige Hetzreden gibt es bei der Neoliberalyse, sogar als ganzes Buch. Ja – manche Leute gebrauchen ihren Kopf noch häufiger als ihr Maul. Wird seltener – aber Hauptsache, es ist lustig.

Natürlich muss Satire alles dürfen müssen – auch wenn sie im Gleichschritt mit dem „Stürmer“marschiert. Merkt man heute mangels Geschichtsunterricht auch gar nicht mehr. Auch damals konnte man super Zoten über Juden reißen – gibt es heute noch als Judenwitze. Funktionieren genau wie Moslemwitze, haben auch oft den gleichen Inhalt und immer die gleiche entmenschlichende Zielrichtung. Ist aber auch kein Problem: Wenn man Zotenkönig von Deutschland werden will, darf man sich von sozialen und humanen Regungen nicht beeinflussen lassen – der Mob kauft nur Karten, wenn die Schwarte kracht und man grölen kann.

Geht man zu den Leuten mit mehr Hirn als Honoraren, wird es ja auch gleich wieder bedenklicher und weniger lustig (siehe Hamburger Abendblatt):

Nach den Worten des Direktors des Osnabrücker Instituts für Islamische Theologie, Bülent Ucar, arbeitet Nuhr mit Verallgemeinerungen und bedient Vorurteile gegen den Islam. Das falle zwar unter die Meinungs- und Kunstfreiheit. „Geschmacklose Zoten auf Kosten einer religiösen Gemeinschaft sind jedoch nicht mutig oder kritisch, sondern wohlfeil.“

Als ob der sich nur über Religion lustig machen würde. Schwiegermutters Liebling hat noch ganz andere lustige Pläne, die der „Westen“ mal für uns veröffentlicht hat:

„Es gibt zu viele Menschen auf der Welt. Ein paar müssen einfach weg. Wer, darüber gibt es von Kontinent zu Kontinent unterschiedliche Meinungen. Obwohl… im Moment könnte man sich vermutlich auf die Griechen einigen.“

Ha, was haben wir gelacht! Adolf Hitler hat auch solche Späße gemacht – was war das lustig!

Gut – aber jetzt geht es gegen Muslime. Das die nun wirklich ultraböse sind, ist ja der ganz neue Hit der westlichen Welt. Ja was denn … es gibt zu viele Menschen auf der Welt, ein paar müssen weg – einigen wir uns auf Moslems! Die wohnen in Ländern mit kleineren Streitkräften, haben kaum Luftwaffe, sind durch Streubomben leicht zu erledigen – nur noch ein paar kleine Zoten und alle klatschen dann auch, wenn es den Mustafa zerfetzt und den Omar verkohlt.

Was meint der Meister selbst dazu? Gegenüber der Augsburger Allgemeinen hat er sich mal geäußert:

Zum „Hassprediger“-Vorwurf von Salafistenseite meinte er: „Das ist so, als würden die Nazis für Meinungsfreiheit eintreten.“

Ja – das tun die Nazis übrigens auch – mit den gleichen Argumenten, mit denen Herr Nuhr seine Ausführungen verteidigt.

Nuhr hat kein Verständnis für die Zurückhaltung seiner Kollegen und dafür, „dass die bei uns lange erkämpfte Meinungsfreiheit nicht mehr ernst genommen wird, wenn sich jemand beleidigt zeigt“.

Man wird ja wohl nochmal sagen dürfen, dass … ja, nicht der reiche Jude die Welt regiert, aber dass der primitive Moslem bombadiert gehört.

Ja – die Meinungsfreiheit. Sie hat in der Tat Grenzen. Geht aber nicht ums „beleidigt sein“ – so was kann nur ein Schelm denken. Aber das ist er ja auch: ein Schelm.Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind klar beschrieben, sie liegen hier (siehe Gesetze im Internet):

Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Warum das schlimm ist, allgemein gegen eine Gruppe vorzugehen statt nur gegen die kriminellen Elemente in ihr?

Die Antwort ist leicht gegeben. Und nur gut, dass wir sie schon haben, dass könnte eine Wiederholung verhindern.

Sie lautet: Auschwitz.

Es gibt auch ganze wissenschaftliche Analysen darüber: Die Arbeit über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die nicht umsonst den Islam ausdrücklich nennt:

In einer neueren Analyse haben wir zwei weitere Merkmale zur Bestimmung des GMF-Syndroms geprüft und nachgewiesen. Erstens gehen wir davon aus, dass die zum Teil sehr unterschiedlichen Elemente des Syndroms – wie zum Beispiel die Abwertung von Behinderten und die Islamfeindlichkeit – dieselben Ursachen haben können. Wir zeigen, dass zum Beispiel das individuelle Gefühl, es ginge »den Deutschen im Vergleich zu ›Ausländern‹ schlechter«, die Abwertung aller Gruppen, die im Syndrom angesprochen sind (z. B. Behinderte, Juden, Moslems oder Obdachlose), bestimmt.

Macht der eigentlich auch Witze über Behinderte? Die Obdachlosen hat er ja schon im Visier – siehe oben.

Wir wissen ja jetzt dank dem Herrn Nuhr, dass alle Salafisten Nazis sind. Ja – hat der ganz geschicket eingestreut: Aufklärungsunterricht der ganz besonderen Art. Man merkt: der ist intelligent. Das war Dr. Mengele auch.

Warum gehe ich hier so hart ins Gericht? Verteidige einen Paragraphen, der die Meinungsfreiheit angreift? (Ja, § 130 ist vielen überzeugten Deutschen ein Dorn im Auge, verhindert er doch, dass man so richtig auf die Kacke hauen kann).

Nun – ich habe meinen Geschichtsunterricht nicht durch Herrn Nuhr erhalten, ich kann mich noch daran erinnern, dass es mal Menschen gab, die in der Tat aus den Schrecken des zweiten Weltkrieges gelernt haben. Ja – das kann man: lernen. Ist nicht so lustig wie Zoten kloppen – aber das Leben ist halt nicht nur ganzjähriger Karneval, auch wenn viele sich das kaum noch vorstellen können.

Ich war mal bei der UN, in New York. Dort wird ein ganz besonderes Dokument aufbewahrt: Die Erklärung der allgemeinen Menschenrechte. Ich zitiere mal daraus – 50 Millionen Menschen haben ihr Leben für diese Erkenntnisse gegeben:

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Ja – so schafft man Frieden. Man begegnet sich einander im Geiste der Brüderlichkeit. Wer das nicht schafft … gehört zu den Menschenfeinden, auch wenn er sich selber rationaler Atheist nennt.

Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion,politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen Geburt oder sonstigem Stand.

Ist auch neu für den Herrn Nuhr: nicht nur die Moslems, auch die Armen haben Rechte. Ja, die, deren „gesamtes Leben von der Gemeinschaft bezahlt wird“. Und auch der Moslem hat die gleichen Rechte. Christen auch. Den Mythos vom intellektuell überlegenen Atheisten begegnet man in der Tat nur in bildungsfernen Schichten, wo grundlegende Erwägungen von Wahrheitstheorien nie wahr genommen worden sind. Wozu auch? Was ist schon schlimm daran, wenn man die Welt einfach mal wieder nach eigenem Gutdünken zur Scheibe erklärt: wir haben ja Meinungsfreiheit.

Ja, einen habe ich da noch. Den haben sich die Nationen dieser Welt auch auf die Fahnen geschrieben:

Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen …. unabhängig davon, ob Hintern in die Höhe ragen oder nicht.

Ja – und wer den Menschen dieses Recht aberkennt – ob direkt durch Postulierung des Ausschließlichkeitsanspruchs atheistischer Weltanschauungen oder indirekt durch Beschimpfung, Verächtlichmachung oder Verleumdung ihrer jeweiligen Ausprägungen – der ist ein Menschenfeind.

Erst wenn man wieder vor Leichenbergen steht (wobei manchen skrupellosen, abgebrühten Gauklern wahrscheinlich auch dazu eine Zote einfallen wird: „Jetzt gibt´s wieder Platz für Griechen“, oder „wir haben ihnen nur in ihren Himmel geholfen“), wird man sich wieder erinnern, warum man sich nach dem letzten Weltkrieg diese seltsamen Rechte gegeben hat … und wie nützlich gewisse religiöse Rahmen für diese Rechte waren.

Aber bis dahin: ein „Sieg Heil“ der Lustigkeit!

Möge jeder eine Gruppe finden, über die er selbst sich gottgleich erheben kann.

Macht Nuhr eigentlich auch Witze über Dicke, Brillenträger, Schwule und Hauptschüler?

Wäre dasselbe Niveau …

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