Mittwoch, 24.5.2023. Eifel. Wann haben wir eigentlich das letzte Mal über den Zeitgeist gesprochen? Ist still geworden um ihn. Schon länger. Was war das eigentlich nochmal? Zeitgeist: „verbreitetes Gedankengut einer Generation oder Epoche; die Einstellung der meisten Leute einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit“ (siehe: Wiktionary). Das Wort findet man auch in vielen anderen Sprachen – und ja: auch in chinesisch. Scheint also ein kulturell übergreifende Vorstellung zu sein. Es ist natürlich jetzt schon klar, wohin die Reise geht: was ist denn eigentlich unser Zeitgeist? Eine Idee dazu: Geist des 21. Jahrhunderts ist geprägt vom Tod der Liebe – und dem Triumph des Maschinenmannes.
Und da haben wir gleich das Problem: was ist denn das eigentlich – Liebe? Und was ist ein Maschinenmann? Nun – den letzteren Begriff verwende ich gerne in meinem Umfeld, er ist aber gerade jetzt in dieser Jahreszeit überall deutlich zu beobachten: im Wonnemonat Mai gibt es die normalen Männer, die sich – wie Frauen – freuen, barfuß über die Wiesen laufen, die ersten warmen Winde auf dem Gesicht genießen und sich an der sprießenden Vielfalt erfreuen … und die anderen, die mit Sicherheitstechnik und festen Schuhwerk gepanzert mit allerlei Gerät der Natur zu Leibe rücken: Rasenmäher, Laubbläser, Kettensäge, Motorsense – alles, was Krach macht und Leben zerstückelt wird begrüßt. Kaum jemand, dem der Lärmterror nicht tierisch auf die Nerven geht – war man doch immerhin von der Stadt aufs Land gezogen, um seine Ruhe zu haben – und doch wird kaum noch reflektiert, welcher Zeitgeist hinter dieser Entwicklung steckt – oder?
Dafür muss man tiefer in die Geistesgeschichte der Menschheit tauchen – und ja: ohne den Begriff Liebe wird man kaum verstehen können, was da geschehen ist.
Fangen wir an mit der Liebe. Ich vermeide da den Bezug auf Naturwissenschaften (zum Beispiel bei Quarks), weil hier nur die Bilderwelt des Maschinenmannes wiedergegeben wird, für den alles Maschine ist – auch der Mensch, sein Körper und seine Körperchemie. Es hat seinen tiefergehenden Grund, warum ich schon lange den Theorien der Maschinenmänner nicht folgen kann: der Anspruch der Philosophie an Exaktheit ist halt größer als der der Mathematik, sie schaut mehr nach Prinzipien und läßt auch keine „Fünfe gerade sein“ – und bei der Mahtematik fängt der Pfusch schon an: eine Theorie, die mit willkürlichen Setzungen arbeitet – dem willkürlichen Verbot, dass man nicht durch Null teilen darf, weil sich sonst die ganze Mathematik als grober Unfug erweisen würde (auch wenn man das theoretische Konstrukt einführt, dass das Ergebnis einfach als „unendlich“ zu definieren sei – was auch verboten ist) – ist keine korrekte Wissenschaft: mit der Methode kann ich beweisen, dass der Mond aus grünem Käse ist (was auch mal eine wissenschaftliche Theorie war). Das nächste ist: die mathematische Theorie kommt mit der Welt nicht zurecht … sie kann prima Würfel messen, aber Würfel kommen in der natürlichen Welt gar nicht vor – die Welt ist rund, überall, bis ins kleinste Detail. Versucht man sie korrekt (also: korrekt nach philosophischem Anspruch- die sind da radikaler) zu berechnen, braucht man die Zahl Pi. Schon mal davon gehört? Die sieht so aus ( sorry – das muss man mal gesehen haben, siehe: Pi):
3,1415926535 8979323846 2643383279 5028841971 6939937510 5820974944 5923078164 0628620899 8628034825 3421170679 8214808651 3282306647 0938446095 5058223172 5359408128 4811174502 8410270193 8521105559 6446229489 5493038196 4428810975 6659334461 2847564823 3786783165 2712019091 4564856692 3460348610 4543266482 1339360726 0249141273 7245870066 0631558817 4881520920 9628292540 9171536436 7892590360 0113305305 4882046652 1384146951 9415116094 3305727036 5759591953 0921861173 8193261179 3105118548 0744623799 6274956735 1885752724 8912279381 8301194912 …
Und die geht hier immer noch weiter, bis ins unendliche, hört niemals auf. Und mal ehrlich gesagt: normal kann das doch nicht sein, dass man solche Zahlenmonster für handhabbar hält? Das für korrekt oder konkret zu halten, grenzt doch schon an ignorantem Wahn!
Und mit so einem Unfug will man die Welt berechnen? Korrekt betrachtet, haben wir hier nur Annäherungswerte (ja ja, ich weiß: die pingelige Philosophie wieder – kann nicht auf den Mond fliegen, entwickelt keine Nuklearwaffen, keine nicht abbaubaren Gifte, tödliche Viren oder Gesellschaften, die Massenvernichtung als normalen Alltag ansehen, aber will überall mitreden), Annäherungswerte, die sich nur den Quantitäten der Welt widmen können – aber nicht den Qualitäten, weil die sich der Messbarkeit entziehen.
Ein Beispiel?
Gut.
Reden wir mal über Sexualität. Sex ist ja in aller Munde – obwohl … nun ja: obwohl wir laut Angaben der Wissenschaft in einer Zeit der „sexuellen Anorexie“ (siehe gofemin) leben … der erotischen Magersucht. Viel Getöse, aber nichts los. Unser Zeitgeist bringt nun Phänomene mit sich, die anderen Kulturen unbekannt waren: den „Gang Bang“. Anders als Wikipedia das bestimmen möchte, stammt der Begriff nicht aus dem Gruppensex (der historisch belegbar schon vor Jahrtausenden praktiziert wurde), sondern bezeichnet eine Massenvergewaltigung – eine Frau, viele Männer. Der Rekord bislang liegt 919 Männern und einer Frau – gehalten von Lisa Sparxxx. Aus Deutschland kenne ich einen Fall mit einer Frau und 70 Männern in einer Nacht. Was die Frau daran gut fand? Viele Männer glücklich gemacht zu haben. Ihren Begriff von Glück kenne ich nicht, wage aber anzumerken, dass es für den einzelnen Mann in der Warteschlange womöglich kein so absolut prickelndes Erlebnis war … aber der Maschinenmann ist da völlig in seiner Welt; die Qualität eines Orgasmus kann man nicht messen – aber die Anzahl der Partner schon. Die ist eindeutig quantifizierbar. Der Höhepunkt des Liebeslebens im 21. Jahrhundert: die simulierte Massenvergewaltigung. Der Gipfel der sexuellen Erfahrung eines Maschinenmannes.
Ich möchte jetzt nicht mit dem Begriff der Seele kommen … die ist für den Maschinenmann so unbegreiflich wie jegliche Farbe für den Farbenblinden … aber ich kann ja mal Wilhelm Reich erwähnen, dessen Arbeiten zum Thema Faschismus nahelegten, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen ungesundem Sexualerleben und faschistischen Gesellschaften – und „huch“: da reden wir über Schweinkram und sind auf einmal mitten drin in der industriellen Massenvernichtung. Um so beunruhigender, wenn man bedenkt, wie anorektisch das Liebesleben unsere Mitmenschen ist.
Sollen wir mal über die Juristerei reden? Ist eine Geisteswissenschaft, also dem Menschen näher als die Ingenieurskunst. Dort findet man was zur Liebe. Juristen sind da gedanklich gründlicher, kennen „Partnerliebe, Nächstenliebe, Elternliebe. Mutterliebe, Kindesliebe, Tierliebe, Liebe zur Menschheit und Gottesliebe„. Ich würde Liebe zur Arbeit, zur Natur, zum geschaffenen Produkt auch noch hinzufügen, ebenso die Liebe zur Kunst, zur Musik, zu Gesang und Tanz. Sie definieren auch Charaktereigenschaften, die die Liebesfähigkeit begründen: „Offenheit, Solidarität, Wohlwollen, Geduld, Selbstachtung, affektive und emotionale Stabilität, Toleranz, Kontaktfreude“ und vieles mehr, aber auch die Eigenschaften der Liebesunfähigen:
„Egozentrik, Herrschsucht, Unsicherheit, Angst, gesteigerte Minderwertigkeitsgefühle, Neid, Intoleranz, Geiz, Hass, Trauer, mangelnde Umgangsformen, starke Affektbereitschaft, Launen. Verschlossenheit, Distanziertheit, emotionale Kälte, starke Affektbereitschaft, schwaches Einfühlungsvermögen“ (alle Zitate aus: dem Lexikon des Juraforum).
Wenn wir nun diese Charaktereigenschaften der Liebesunfähigen auf die Beobachtungen der Corona-Epedemie übertragen … welche Eigenschaften der Liebesunfähigen waren da zu beobachten? Ich kann gleich eine nennen, die die Wissenschaft uns vorgab: „Soziale Distanz gilt als oberste Bürgerpflicht“ (siehe Wissenschaftszentrum Berlin, Sozialforschung). Denke ich da dann an den Umgang mit Ungeimpften, so kann ich seitens des herrschenden Zeitgeistes einfach mal festhalten, dass alle Eigenschaften der Liebesunfähigen beobachtbar war, bis hin zu den Forderungen der „linken“ taz, dass bei Ungeimpften „maximaler Druck“ nötig sei (siehe taz) – so schnell wurden unsere aufgeklärten Linken zur Speerspitze der faschistischen Neo-SA. Leider nicht nur bei denen – man kann die ganze Liste durchgehen, man kann sich auch zu den „Querdenkern“ bewegen und findet die gleichen „Qualitäten“ – weshalb man den Verdacht hegen kann: das Problem liegt viel tiefer.
Womöglich hilft ein Blick in die ferne Vergangenheit?
„Im alt-indischen Veda und auch bei Hesiod (um 700 v.Chr.) oder Empedokles (494–434 v.u.Z.) in der alt-griechischen Philosophie galt die Liebe als kosmisches und das Weltall zusammenhaltendes Prinzip.“ (nochmal: Juraforum).
Also wäre die Liebesferne, die unseren Alltag – nicht erst seit Corona – in allen Ebenen des Seins bis hin zu den intimsten Bereichen durchdringt und Triebfeder des kapitalistischen Konsumterrors ist … das pure Böse, dass den Zusammenhalt des ganzen Weltalls gefährdet?
Puh.
Wenn ich jetzt noch wüsste, wie ich das dem Mann mit dem Laubbläser klarmachen kann, das er da gerade an der Zerstörung der ganzen Schöpfung, ja, des Universums arbeitet…
Doch Scherz beiseite: das mechanistisch-materialistische Denken des Zeitgeistes, der als dunkler Schatten und finsterer Geist hinter den Lichtgestalten der Aufklärung emporstieg und die Freiräume nutzte, die jene schufen, um die Menschheit von der Finsternis des Mittelalters zu befreien, führte uns direkt in die Hölle von Verdun, Auschwitz und Hiroshima. Und dieser Zeitgeist lebt von dem Tod der Liebe, fördert ihn, verursacht ihn, breitet sich ungehemmt aus, wo sie … dahinsiecht.
Und der Zeitgeist des Maschinenmannes betrifft nicht nur unsere intimsten Bereiche, sondern unseren ganzen Alltag. Ich habe da mal ein Zitat von Walther Rathenau – schon älter, aber immer noch (erschreckenderweise) aktuell:
„Wer mechanische Arbeit am eigenen Leib kennengelernt hat, wer das Gefühl kennt, das sich ganz und gar in einen einschleichenden Minutenzähler einbohrt, das Grauen, wenn eine verflossene Ewigkeit sich in einem Blick auf die Uhr als eine Spanne von zehn Minuten erweist, wer das Sterben eines Tages nach einem Glockenzeichen mißt, wer Stunde über Stunde seiner Lebenszeit tötet, mit dem einzigen Wunsch, daß sie rascher sterbe, der wird das Märchen von der Arbeitslust mit Hohn beiseiteschieben“ (aus: DAGEGEN! Hrsg. von W. Hörner und Jürgen Jonas, Eichborn 2003, Seite 101).
Walter Rathenau? Ein Industrieller. Ein lieberaler Politiker. Deutscher Außenminister. Kein romantischer Spinner, der kommunistischen Idealen nachhängt. Aber eben kein Dummkopf. Ermordet 1922 durch eine Verschwörung (ja, sowas gibt es wirklich) der Organisation Consul. Passend zum Zeitgeist: im Internet ist dieses Zitat nicht zu finden. Der Maschinenmann läßt hier eben nicht alles hinein. Aber Gottfried Benn hat es geschafft: „Dumm sein und Arbeit haben – das ist das Glück“ (siehe Aphorismen.de). Kaum verwunderlich, dass die Hartz-IV-Reform unter anderem als Hauptauftrag hatte, die Strukturen der mechanischen Arbeit auf jene zu übertragen, die keine mehr hatten.
Und: erkennen Sie ihren Alltag in der Schilderung von Rathenau wieder? Findet noch Aufklärung darüber statt, wie Leben durch Alltag getötet wird? Im Zeitalter der sterbenden Liebe nicht. Wir produzieren das Dschungelcamp, das auf breiter Front die Qualitäten der Lieblosen fördert und fordert. Über die Qualität von Waren und Lebensmitteln im Zeitalter der verstorbenen Liebe darf sich jeder mal selbst ein Urteil bilden – dürfte leicht fallen. Man gestaltet die ganze Gesellschaft zu einer immer besser funktionierenden Maschine, die … unsere ganze Umwelt lieblos behandelt und gnadenlos zerstört. Während wir über den Klimawandel noch diskutieren, ist das größte Massensterben seit 66 Millionen Jahren Fakt (siehe Deutschlandfunkkultur) – was aber keinen interessiert, weil wir unseren Fokus auf das Klima in fünfzig Jahren richten. Da lebt womöglich schon sowieso nichts mehr, was den Wandel noch erleben könnte.
Und das ist unser Zeitgeist: das Zeitalter der sterbenden Liebe. Mit allen Folgen. Es endet – in Auschwitz. Oder international in Hiroshima. Biologisch bei der kompletten Vernichtung des Lebens. Und sozial – beim Kampf aller gegen alle, der großen, teuflischen Apokalpse, wo Bruder gegen Bruder kämpft, Schwester gegen Schwester, Diverse gegen Diverse, Kinder gegen Eltern und alle gegen die Natur: aber mechanisch korrekt mit dem Rechenschieber in der Hand. Oder modern: dem Taschenrechner, mit dem wir alle Quantitäten korrekt erfassen können. Wir produzieren zwar qualitativ nur noch Gülle, Abfall, Unfug, Wahnsinn und Mist – aber die Menge kennen wir genau.
Oder?