Montag, 15.11.2021. Eifel. Ja, ich würde gerne mal über die Linken sprechen. Und ihre Zerstörung. Also: ich möchte jetzt nicht die Linken zerstören – das kriegen die ganz einfach alleine hin. Hat man ja bei der Wahl gesehen. Nur durch einen blöden Zufall sitzen die noch im Parlament – haben aber wie es scheint immer noch nichts dazugelernt. Zudem – nun ja – als SED-Nachfolgepartei ist die für mich eigentlich auch gar nicht richtig links, weil einfach der Militarismus der DDR, die Militarisierung der ganzen Gesellschaft im eigentlichen Sinn nichts mit links zu tun hat – wäre so meine private Meinung. Die WASG – Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit – der Vorläufer der Linken im Westen, ja – die könnte man schon als links begreifen: Selbstorganisation der Bürgerschaft ist schon ganz schön links. Aber hier fängt es ja schon an: was ist denn eigentlich links?
Die Verwendung der Begrifflichkeit ist klar: sie stammt aus den Zeiten der französischen Republik, ich zitiere mal die Bundeszentrale für politische Bildung (siehe bpb):
„Politische Einstellungen werden häufig vergröbernd als rechts oder als links bezeichnet. Die Unterscheidung soll auf die Sitzordnung in der französischen Abgeordnetenkammer von 1814 zurückgehen. Dort saßen – vom Präsidenten aus gesehen – auf der rechten Seite diejenigen Parteien, die für den Erhalt der gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse eintraten. Auf der linken Seite saßen diejenigen Parteien, die eine Änderung der politischen und sozialen Verhältnisse anstrebten.“
Was war 1814? Die Armeen des europäischen Adels hatten Paris besetzt, Kaiser Napoleon hatte abgedankt, die Monarchie war wieder da – die Revolution umsonst gewesen. Auf der rechten Seite saßen also alle jene, die wunderbar am System Feudalismus verdienten: Anwälte, Ärzte, Geistliche, Großgrundbesitzer, die seit 1000 Jahren auf dem Land hocken, das ihre Ahnen mal den Bauern geklaut hatten, Militärs, die einfach gerne Leute erschießen, Geldmenschen, die gerne auf Kosten anderer gut leben – also im Prinzip alles, was sich heutzutage bei CDU/CSU, FDP und AFD zu Hause fühlt. Auf der anderen Seite – links – waren die, die den ganzen Zirkus bezahlten sollten, bzw. die Stellvertreter jener, der bei der aktuellen Geldflusszuteilung immer den kürzeren zogen. Ist damals wie heute immer noch dasselbe: wer durch Familie, Erbe (das ist in Deutschland die häufigste Form des Reichtumsbezuges – siehe z.b. SZ), Beziehungen, Betrug, Mauscheleien, Intrigen und Verschwörungen an das große Geld gekommen ist (oder wie die renommierte Firma SAP mit Diebstahl an die Weltspitze … siehe Tagesschau), ist dafür, dass die Verhältnisse so bleiben wie sie sind. Die, die für diese großen Geldhaufen gearbeitet und bezahlt haben (bzw. ihre Ahnen), sind eher dafür, dass sich daran was ändert, dass sich Arbeit auf dem Bau, im Krankenhaus, bei der Polizei, im Büro und auf dem Feld wieder lohnt, dass man sich selbst auch was erarbeiten kann – für sich und seine Kinder – und nicht dauernd zerrieben wird von den finanziellen Hochleistungsansprüchen anderer Menschen, die mit immer weniger Gehaltszahlungen und immer höheren Preisen (und Steuern – und Bußgeldern) immer mehr Geld aus der Wirtschaft abziehen, es privatisieren und auf die Bahamas schicken.
Aber ist das alles, was man zu Linken sagen kann?
Ich denke da auch an den deutschen Bauernkrieg von 1525, wo sich eine Allianz von Bauern, Bergleuten und Städtern gegen den deutschen Adel erhoben und nebenbei einen Vorläufer der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte formulierten, begleitet von dem unverschämten Theologen Thomas Münzer, der doch in der Tat die waghalsige These aufstellte, dass der Mensch auch ohne Kirche zu Gott finden konnte – für damalige Verhältnisse eine finstere Verschwörungstheorie.
Ich denke auch an den Spartacusaufstand, wo ehemalige Sklaven unter der Führung des Spartacus mehrere römische Armeen vernichtete, bis er – betrogen von den mit Rom verfeindeten Piraten – durch den römischen Heerführer Crassus vernichtend geschlagen wurde: was kann linker sein als ein Aufstand der Sklaven?
Ich denke aber auch an andere Gestalten: Christus und Buddha, die eigene Wege aufzeigten, wie mit den dunklen Mächten und Gewalten dieser Welt umzugehen ist – Wege des Mitleids und der Nächstenliebe, Wege der absoluten Solidarität der gequälten Menschen untereinander, die im Prinzip die traditionellen linken Werte überhaupt begründeten und sogar menschlicher waren als der große Linke Karl Marx, der in seiner Philosophie auch eine Untermenschen(=Sklaven)kaste brauchte: das Lumpenproletariat. Lumpenproletariat? Nun – Leute, die keiner typischen Lohnarbeit nachgehen. Ein wichtiger Aspekt, zeigt er doch, dass auch Kommunisten nur Interesse an Menschen haben, deren Arbeitskraft noch ausbeutbar ist – nicht für den Baron, sondern für die Partei. Überträgt man den Begriff des Lumpenproletariats auf die Gegenwart, so sind wir wohl nah dran an einer Lumpengesellschaft – wobei ich unterstelle, dass die Bullshitjobs eben keine richtige Arbeit darstellen.
Tja – und da sind wir schon richtig drin in der Debatte über Linke in der Gegenwart … und in der Debatte darüber, dass es sie eigentlich gar nicht mehr gibt. Ja: wir haben keine mehr. Es gibt noch eine Partei, die sich so nennt – und es gibt auch noch die Sozialdemokratie, ja … aber es gibt niemanden mehr, der für die Sklaven aufsteht, für die Bauern, für die Opfer von Kirche, Kapital und Kaiser. Die Sozialdemokratie selbst – nun, da haben die Rechten einen schlauen Trick angewendet: sie haben einfach so viele Jobs geschaffen – im Staat und seinen Organen – dass sie die Sozialdemokraten alle mit ins Boot holen konnten – als Funktionselite des Großkapitals. Eine Sonderform der Korruption, die vielen Lumpen gut bezahlte Jobs bei ARD und ZDF, in Gewerkschaften, Stiftungen und Universitäten besorgte, die sonst wohl als kritische Intellektuelle zu den Bauern und Sklaven gestoßen wären. So dürfen die als Hofnarren der Macht ein wenig Späßeken im Fernsehen machen – und ansonsten das Geld der hart arbeitenden Bevölkerung verbraten – nicht auf dem Niveau der Parlamentarier, die den alten Adel inzwischen nahtlos ersetzt haben, aber auf einem Niveau, dass ihnen jede Auseinandersetzung mit echter Arbeit erspart.
Gibt es denn überhaupt noch Themen für Linke?
Klar.
Mehr denn je – wenn man hinschauen will und nicht in Klassenkampfphantasien des 19.Jahrhunderts stecken bleiben will.
Nehmen wir das Thema Einwanderung. Ich weiß: ein heikles Thema. Bei Facebook wird man schon mal gesperrt, wenn man dazu nicht jubelt. Man hält es für links, die Bevölkerungen von Ländern auszutauschen. Aber – was würde Spartakus dazu sagen? Oder Thomas Münzer? Ist es in Ordnung, den knappen Arbeitsmarkt im Verwaltungsbezirk Bundesrepublik mit Personal zu überfluten, die den Anforderungen an diesem Markt nicht gewachsen sind? Für die Rechten schon, denn: diese Menschen können ja im Niedriglohnbereich noch niedriger bezahlt werden, sind abgehärtet, schlafen als Paketboten im eigenen Paketauto (was immer noch besser ist als neben dem Bombenteppich in Kundus) und bringen so eine Weile lang Rendite. Außerdem bekommen diese Million Zuwanderer Sozialhilfe, die sie umgehend in die Geschäfte tragen uns somit noch mehr Gemeinkapital in private Hände spülen. Andererseits – nun ja: fehlen sie als Arbeitskräft in ihren Ländern. wo die Frauen, Kinder, die Alten und Schwachen dann allein gelassen werden. Wüsste nicht, wie man das mit linker Politik rechtfertigen könnte. Wohlgemerkt: es geht nicht darum, Verfolgten kein Asyl mehr zu gewähren – das darf man sich schon gönnen, das entspricht auch dem alten germanischen Gastrecht (und die waren sicherlich nicht linksgrün-versifft, wie es modern so heißt) – es geht um eine künstlich durch Kriege des Westens initiierte Völkerwanderung, die selektiv arbeitsfähiges Personal in die Fänge der Oligarchen des Westens treibt … wenn man es mal so krass formulieren darf. Was aber macht die moderne Linke? Entschuldigt sich bei ihren Vergewaltigern (siehe Selin Gören im Spiegel): ein Beispiel für völlig verqueres Denken, auch wenn das Opfer die (nie gefundenen) Täter selbst lieber hinter Gittern sehen würde.
Oder das Thema soziale Gerechtigkeit: ein Kernthema linker Politik über Jahrtausende – was gäbe es da alles zu tun. Ich rede da jetzt nicht über Hartz IV – obwohl das ein weiterer Schritt war, die arbeitenden Bevölkerung noch weiter auszupressen – sondern über die globale Situation. Noch immer verursachen die Rechten Elend in aller Welt – nur haben sie die Fabriken nach China verlegt, wo ein kommunistisches Regime – Weltmacht – dafür sorgt, dass für die Kapitalisten des Westens besonders günstig produziert wird. Irrer … geht es wohl kaum noch. Wäre spannend, wie Karl Marx das wohl sehen würde … Jesus Christus könnte das wohl eher erklären: den Mächten und Gewalten dieser Welt ist es egal, welche Farben ihre Funktionäre tragen, welche Parolen sie vor sich hertragen, wichtig ist, dass sie im Sinne des Systems funktionieren. Das Arbeitselend ist weitgehend aus dem bundesdeutschen Alltag verdrängt worden, zudem wurde – ein zentral wichtiger Punkt – die Philosophie geändert: „Selbstverantwortlichkeit“ steht hoch im Kurs. Gibt dazu ein schönes Bild: sitzen drei Männer am Tisch. Der eine – der rechte Baron – nimmt neun von zehn Keksen für sich und raunt dann den beiden anderen zu: Pass auf, die linke Sau will Deinen Keks klauen! Wir sind immer noch Sklaven – oder wieder geworden – aber diesmal sind wir selbst verantwortlich für unsere Vermarktung, sind Ding geworden, Ware.
Sollen wir uns noch um das Thema Umwelt kümmern? Hiermit meine ich noch nicht mal die Klimadebatte … sondern die übrige Umweltzerstörung. Das Aussterben von fünfzig Prozent aller Arten, die zunehmende Versteppung des ganzen Planeten, die Plastikmeere im Ozean – man könnte endlos aufzählen, wie die Rechten die Welt zerstören, um Euros daraus zu gewinnen.
Lieber nehmen wir doch das Thema Corona. Das ist aktuell. Ein ZDF-Lumpenkomödiant hatte da gerade mal zum „Aufstand der Geimpften“ aufgerufen – frage mich, welche Bilder er dabei im Kopf hatte: brennende Scheiterhaufen? Gulags für Ungeimpfte? Massenhinrichtungen?
Wie wäre eine linke Position dazu? Nun – eindeutig für die Schwachen. Für jene, die sich dem Herrschaftsanspruch von Konzern und Regierung verweigern, die nachfragen, skeptisch sind, kritisch – doch das sucht man in der Politik vergebens. Was ist die Antwort der Linken dazu? Fraktionschef Bartsch fordert 2 G in ganz Deutschland (siehe Berliner Zeitung), der linke thüringische Ministerpräsident sieht für Ungeimpfte keinen Platz mehr in den Kliniken (siehe Stuttgarter Zeitung) die „Lifestylelinken“ (siehe Sarah Wagenknecht in der taz) stehen Seite an Seite mit Konzern und repressiver Staatsmacht bei der Umverteilung der Staatsgelder in private Schatullen, kennen keine Menschenrechte mehr, keinen Nürnberger Kodex, keine Menschenwürde noch können sie minimale Anforderungen an Menschlichkeit, Solidarität oder auch nur Verständnis für Andersdenkende erfüllen.
Und das ist die traurige Nachricht: es gibt keine linke politische Kraft mehr in diesem Land. Ein paar einzelne Denker noch, aber ansonsten wurde das linke Lager komplett aufgekauft, bestochen, eingegliedert ins Konzernkonzert, darf noch als Feigenblatt dienen. Wo aber keine Gegenkräfte mehr aktiv sind, wo nur noch die Räuber, Betrüger und Parasiten die Politik bestimmen, da ist die Demokratie gestorben: es findet kein Aushandeln mehr statt zwischen jenen, die die vom Uropa mit Blutdiamanten aus Afrika verdienten Milliarden verwalten und immer mehr Geld nutzlos in wenigen privaten Händen aufhäufen und jenen, die die Arbeit leisten, um das Land am Leben zu erhalten. Die Zerstörung des linken Lagers in Deutschland ist gleichbedeutend mit der Zerstörung der Demokratie – wir sind so das Spiegelbild des Kommunismus in China geworden – kein Wunder, das wir mit denen so gute Geschäfte machen können.
So gesehen … leben wir in dunkelsten Zeiten.
Aber das braucht nicht zu erschüttern, denn: wir können wissen was zu tun ist. Einfach mal Spartacus fragen. Gut – wir müssen nicht Paderborn plündern – aber könnten die Gesellschaft auf genossenschaftlicher, kameradschaftlicher, solidarischer Basis neu sortieren, mit eigenem, wertebasiertem Geld – mit dem wir dann die Rohstoffe der anderen Arbeiter aus Afrika, Russland und Asien kaufen. Wir könnten diese solide neue Währung sogar an der Börse in New York handeln lassen: die Welt wäre dankbar für eine so abgesicherte Währung. Wir könnten die Gesellschaft auf Arbeit gründen – anstatt auf Zinsen. Die Euros und Dollars könnten jene behalten, die diese Währung jetzt schon zum Spekulationsobjekt gemacht haben. Der Übergang wäre auch einfach: jede Person darf nur ein Maximum der Bürgerwährung bekommen: wer da mit Millionen oder gar Milliarden kommt, bekommt nur seine 10 000 Euro – damit auch nie wieder Kapitalmacht politische Macht dirigieren kann. Das wäre unser „New Deal„. In den USA war das mal sehr erfolgreich.
Und ich denke: so gesehen brauchen wir uns der staatlich vorgegebenen links-rechts Verwirrung (siehe Tagesschau) nicht zu stellen: mit einer Allianz jener, die arbeiten gegen jene, die nur Beute machen wollen, waren schon die ersten Städte sehr erfolgreich. Das ist zwar viel Arbeit – kann man aber leicht wiederholen. Das einzige was wir machen müssen, ist: uns als Menschen organisieren. Und das können wir in der Regel ganz gut.