
Na, dass ich das nochmal erleben darf. Die Bundeswehr zieht aus Afghanistan ab. Unglaublich, oder? Wie wichtig war es die letzten zwanzig Jahre, dass „wir“ am Hindukusch verteidigt werden – die meisten wissen wahrscheinlich gar nicht, wo das ist, aber SPD, Grüne und danach die DauerCDU wussten ganz genau, dass hier alles zusammenbrechen wird, wenn wir nicht die Muslime in Afghanistan entschieden bekämpfen – tausende von Kilometern von Bielefeld entfernt. Nicht mehr der Russe stand jeden Tag vor der Tür, sondern der Moslem – den man, wenn er nicht auf deutschem Boden steht, Terrorist nennt. Man muss da fein unterscheiden, der „Kampf der Kulturen“ – von Kräften in den USA für das 21. Jahrhundert ausgerufen, noch lange bevor es nine-eleven gab – findet weltweit statt … es sei denn, die Terroristen schaffen es über die Bundesgrenze, dann werden daraus flugs Neubürger – und mit dieser an Schizophrenie grenzenden Einstellung leben wir seit vielen Jahren, ohne dass einem auffällt, dass Muslime auch außerhalb der Bundesgrenzen ein Lebensrecht haben sollen.
Was darf ich zu diesem Einsatz heute in der Tagesschau lesen? Ich zitiere mal:
„Wehrbeauftragte Eva Högl, die mit Blick auf künftige Einsätze mahnt, die Ziele genauer zu definieren. „Für jede einzelne Soldatin und jeden einzelnen Soldaten ist es wichtig zu wissen: Warum bin ich dort? Was ist mein Auftrag? Was möchte ich hier erreichen?“
Genau diese Ziele seien während des Afghanistan-Einsatzes weder klar formuliert, noch jemals überprüft worden, kritisiert auch Winfried Nachtwei.“ (Meldung vom 30.6.2021, 3,59 Uhr).
Ja, darf man ruhig zweimal lesen: unsere Soldaten wussten weder warum sie eigentlich da waren, noch was da zu tun ist oder was erreicht werden sollte. Ich nehme aber mal an, dass die Bundesregierung den Einsatz als vollen Erfolg wertet.
Warum man da war? Es gab da so eine Geschichte von Osama bin Laden und den 21 Räubern, die mit zwei Flugzeugen drei Häuser in New York zum Einsturz brachten – die meisten von ihnen – inklusive Bin Laden – stammten aus: Trommelwirbel!: Saudi Arabien. Klar, wenn so viele Saudis die USA angreifen, da muss man den Irak und Afghanistan überfallen. Ich schmeiße auch Steine auf den Nachbarshund, wenn mein Wellensittich auf die Zeitung gemacht hat.
Vom „Clash of Civilisations“ (Kampf der Kulturen, Samuel Huntington 1996) hört man hier gar nichts mehr – aber das darf man den Soldaten ruhig mal sagen: ihr wart in Afghanistan, um Muslime zu jagen (Sprachregelung: Taliban). Und der eine oder andere Tote durch Geflüchtete in Deutschland ist genau diesem bestialischen Kampf der Kaugummikultur USA gegen den Islam zuzurechnen: die wehren sich halt, wie sie können. Die können nur nicht viel.
Unterm Strich marschieren die Taliban gerade durch Afghanistan, als hätte es den Krieg gar nicht gegeben – die scheinen die 20 Jahre „Kampf gegen den Terror“ gut überstanden zu haben. Kein Wunder: als die Sowjetunion dort zur Rettung des kommunistischen Regimes einmarschierte (was natürlich was ganz ganz ganz anderes war als der Einmarsch der USA) wurde die Taliban gezielt von den USA als Terrorgruppe gegen die russische Besatzung aufgebaut. (hierzu bitte den Artikel der Konrad-Adenauer-Stiftung „Die afghanische Tragödie – amerikanische Verantwortung“ lesen).
Und schon jetzt deutet die Tagesschau die nächste Tragödie an: die Chinesen und die Inder kommen. Unser Hindukusch scheint verloren.
Darf man zu dem Einsatz mal ein deutliches Wort sagen? Ihr habt den Krieg dort mit Pauken und Trompeten verloren. Punkt. Aber vielleicht war das ja auch kein Krieg. Gibt ja da jetzt immer neue Sprachregelungen: Gruppenreise mit Adventureelementen … oder so. Kann man vielleicht auch bald bei Tui buchen?
Keiner wusste, warum man eigentlich da war, weshalb jetzt wohl alle froh sind, da wieder weg zu kommen. 68000 Tote Afghanen hatte der Einsatz erzeugt. 59 Bundeswehrsoldaten überlebten ihn nicht. Jeder von ihnen ist einer zuviel. Gestorben sind sie … als Söldner für das neue amerikanische Jahrhundert. Oder darf man das jetzt noch nicht so sagen?