Politik

Lang lebe Gott … der Neue!

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Ja, ich möchte gerne mal über Gott reden. Nein, keine Angst: bin jetzt kein Zeuge Jehovas geworden, geht ja auch nicht um meinen Gott, sondern um Ihren. Ich persönlich fand die Legende vom Christengott immer ganz angenehm, aber sie hat sich nicht durchgesetzt: da hat doch vor 3000 Jahren jemand ein Gottesbild erfunden, um die Menschheit von allen anderen Götter zu befreien – Göttern, die mordeten, vergewaltigten, brandschatzten, raubten und plünderten und die Menschheit zu Kriegen anstachelten: fand es ganz in Ordnung, dass dieses Saupack keine Bedeutung mehr hat.
3000 Jahre nach dieser Legende – die nur selten mal erzählt wird, weil „Kirche“ aus dem Gott des alten Testamentes einen der zornigen, wütenden, strafenden Ungeheuer gemacht hat: Priester aller Art kommen mit solchen Drohgestalten besser klar – ist wieder ein neuer Götze da, dem alle dienen: und als aufgeklärter Mensch schaut man überrascht drein: wie kann das sein, dass sowas nochmal geschieht? Und doch ist es Realität:
„Den Kern der neoliberalen Ideologie bildet also eine Markttheologie, die eine „völlige Unwissenheit aller im Angesicht eines allwissenden Marktes postuliert“ und dem Menschen eine unaufhebbare grundsätzliche Unwissenheit über alle gesellschaftlichen Verhältnisse zuschreibt. Die eigene soziale Lebenswelt wird dabei in grundsätzlicher Weise als undurchschaubar, unvorhersehbar, unberechenbar und durch eigenes Handeln nicht mehr beeinflussbar erklärt.“
(aus: Rainer Mausfeld, Angst und Macht, Westend 2019, Seite 78).
Der Markt als Gott, der uns wieder in das dunkle Zeitalter der Unmündigkeit zurückwirft. Eine Markttheologie, die uns alle zu Gläubigen macht … und das erkärt hinreichend die seltsame Lage zur Corona-Debatte, wo wissenschaftliche Debatte zu Auseinandersetzungen von „Teams“ geworden ist – als Fußballersatz, sozusagen. Nur: so – und das merken ja immer mehr – lassen sich gesellschaftliche Probleme nicht lösen. Aber wie gegen einen Gott vorgehen, dessen Macht den eigenen Arbeitsplatz, das eigene Konto, den eigenen Wohnraum beinhaltet – und der jederzeit ungnädig werden kann, ja sogar systematisch ungnädig wird, in der er – wie Mausfeld an anderer Stelle schreibt – immer mehr Ausgestoßene schafft, damit die Übriggebliebenen schneller rennen (und sich begeistert ömpfen lassen, um wieder mitrennen zu können).
3000 Jahre, nachdem der jüdischen Gott den menschenfressenden Baal verdrängt hat, haben wir einen neuen menschenfressenden Gott installiert, dessen Markttheologie uns zurück ins finstere Mittelalter stößt … und das, obwohl die Mehrheit der Mitmenschen nur Nachteile davon hat: das ist schon eine priesterliche Meisterleistung.
Und es läßt einen fassungslos zurück zu erleben, wie weit man das Rad der Geschichte zurückdrehen kann.
Oder?


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