
Es ist jetzt gerade wieder schick geworden, die „Anderen“ an den Pranger zu stellen. Die „Anderen“ – das sind aktuell die „Verschwörungstheoretiker“. Die schlimmsten von ihnen – Abschaum allererster Güte – wagen es in der Tat, zu der alltäglichen Politik Vergleiche mit der NS-Zeit zu ziehen, die wir ja so supergut bewältigt hatten, dass führende Nazis problemlos in Medizin und Juristerei überleben konnten, ja, sogar mit Hilfe des CIA unseren Geheimdienst aufbauen durften. „Wissenschaftler“ – aktuell der Herr Butter, der fachfremd knallharte Urteile auf dem Niveau von Bierbudentalk absondert – helfen uns, den Feind zu erkennen, abzukanzeln, zu isolieren und sozial zu eliminieren. „Wissenschaftler“ – so lernen wir sie kennen – sind die Engel der Vernunft in finstersten Zeiten, immer auf dem Weg zum Licht. So jedenfalls könnte es einem vorkommen. Mir jedoch sind Wissenschaftler anders bekannt: immer und überall als Hure der Macht und der Mächtigen. Und da schaue ich auch gerne in die NS-Zeit, wo „Wissenschaftler“ Schädel vermessen hatten – nach rein wissenschaftlichen Erkenntnissen wurde ausgerechnet, wer den guten arischen Schädel hatte … und wer ausgemerzt werden musste, weil er ein Krebsgeschwür des gesunden Volkskörpers war. Ärzte waren der Berufsstand mit dem höchsten Organisationsgrad in SA und SS (später dann: Halbgötter in Weiß, Helden des Arztromans), feierten den religiösen NS-Teufelskult als jene Bewegung, die ihnen endlich die Macht und das Ansehen brachten, dass ihnen nach eigenem Ansinnen zustand.
Wird schon jemand mulmig zumute?
„Wissenschaftler“ kenne ich unter anderem als jene Typen, die das Ergebnis liefern, für das sie bezahlt werden – ihr eigener selbstherrlicher Mythos wird da etwas anders dargestellt.
Zu glauben, wir hätten die NS-Zeit verstanden, überstanden, verarbeitet und wären immun gegen sie, scheint mir wie das Gelöbnis eines Alkoholikers zu sein. den Rest des Tages nicht mehr zu trinken … während er den Flachmann schon wieder in der Tasche hat.
Die teuflische Lust, absolute Macht über die Mitmenschen auszuüben, verschwindet nicht, nur weil man ein paar NS-Führer hingerichtet hat: das ganze Bodenpersonal hat – sofern es den Krieg überlebte – längst die Saat für eine Wiedergeburt des dunklen Kultes gelegt … oder wie soll ich mir sonst erklären, dass führende, hoch geachtete SPD-Bonzen mitten in der Demokratie wieder des Führers Sinnspruch verbreiten, dass der, der nicht arbeitet, auch nicht essen soll? „Der Schoß ist noch fruchtbar, aus dem dies kroch“ schrieb Bert Brecht – und deshalb können wir überhaupt nicht streng genug nach Paralellen suchen – erst Recht nicht in Zeiten, wo die Ordnung durch eine Katastrophe durcheinandergewirbelt wird. Oder irre ich da? Wenn ja … warum finanzieren wir dann den „Kampf gegen Rechts“ so sehr?
Doch mehr als Springerstiefel auf den Straßen sorgen mich Führergedanken in Politiker- und Managergehirnen. Wesentlich mehr.