Da der kollektive Irrsinn immer schneller am Rad dreht, muss ich zugeben, dass sich meine anfängliche Belustigung über den – eigentlich zu keiner Zeit lustigen – Hornochsen-Hirschabschuss („Corona-Shutdown“) mittlerweile verflüchtigt hat und sich ein diffuses Grauen vor der Zukunft einstellt, wenn wir jetzt nicht bald die Kurve kriegen.
Wenn man sich die verbale Verrohung und Hysterie ansieht, mit der gerade Jagd auf selbständig denkende Menschen und abweichende Meinungen gemacht wird, ist Lynchjustiz womöglich nicht mehr weit entfernt. Da wird z.B. Urlaubern aus Mallorca von eloquenten Gutundgernebürgern unter Applaus der Community per Tweet gewunschen, dass ihr Flugzeug „doch eigentlich mal wieder gegen einen Berg fliegen könnte“. Im Lager der evidenzbasiert Alternativlosen ist man sich einig: Superspreader gehören beseitigt, damit man sich weiter in Ruhe seine Influenzer reinziehen kann. „Volksschädlinge“, die das gute & gerne Leben gefährden, dürfen prophylaktisch liquidiert werden. Werden Todesschwadronen, wie man sie bisher nur in südamerikanischen Slums kannte (die sich im Übrigen auch hierzulande rasant ausbreiten – siehe jüngste ZDF-Doku), demnächst auch bei uns umgehen? Auf den virtuellen Marktplätzen sind sie jedenfalls bereits aktiv und stecken die Claims ab.
Was soll man noch tun? Mit Fakten und Aufklärung über den Hornochsen-Hirschabschuss („Corona-Shutdown“) braucht man den Hirschen, denen die Schrotkugeln der Jagdgesellschaft nun bereits im Leib zirkulieren, leider nicht mehr kommen.
Die angeschossenen Hirschen sind zu verliebt in diese Kugeln, die ihnen die psychischen Arterien verstopfen werden. Denn mit dieser Schrotladung ist ihnen etwas Einzigartiges widerfahren: Das System, das sie zeitlebens geschmäht und nur als Arbeits- und Konsumvieh behandelte, hat „ihnen zuliebe“ dieses verhasste Rattenrennen mal kurz angehalten und ihnen einen Standestitel mit gesellschaftlicher Stellung verschafft, vor dem nun jeder Mitbürger unter Androhung exekutiver Gewalt Respekt haben muss:
Sie sind jetzt „RISIKOPATIENT“! – Also nicht mehr feuchter Kehricht, um den sich niemand schert, sondern Schlüsselpersonen, um die sich nun alles zu drehen hat und deretwegen sogar der fiese Kapitalismus für ein paar Atemzüge angehalten wird. Dass dieses Atemanhalten nur dazu dient, um ihnen und ihren Kindern erst recht das Fell über die Ohren zu ziehen (zur aktuell laufenden Agenda im Klartext siehe Michel Chossudovsky: „Tödlicher Lebensschutz“), das wollen sie nicht hören. Da wehren sie sich mit Händen, Füßen und Zähnen dagegen, denn die Wonne und den massenmedialen Rückenwind des neugewonnenen Selbstverständnisses als *RISIKOPATIENT* wollen sie nicht mehr missen.
Vor allem *Risikopatienten*, die im Staatsdienst angestellt sind, kamen sich vor wie schiere Lottogewinner: Bezahlter Urlaub und endlich mal Ruhe vorm Hamsterrad, Zeit für die Familie und Muße. Könnte für sie ewig so weitergehen.
Dass viele ihrer Mitmenschen hingegen vor den Scherben ihrer Existenz stehen, demnächst womöglich sogar der Großteil des Mittelstands und dass in den Dritte Welt-Ländern aufgrund des Lockdowns bereits jetzt massenhaft mehr Kinder verhungern und mit Millionen Lockdown-Hungertoten gerechnet wird – egal. Ist eben Kollateralschaden im guten & gernen Leben einer marktkonformen Demokratie. Hauptsache sie selbst wurden „gerettet“ – in einem Katastrophenjahr, in dem so wenig Menschen wie noch nie an der alljährlichen Grippewelle gestorben sind: 434 (in Worten: vierhundertvierunddreißig), im Vergleich zu 25.100 im Vorjahr. (*)
(*) Quelle: RKI
Grafik: Markus Gelau
Bild oben: Jacques Prilleau