Donnerstag, 21.Mai. Eifel. Vatertag. Es gibt Dinge, über die man gerne schreibt. Am 1.Mai – absichtlich am „Tag der Arbeit“, dem Feiertag der Gewerkschaften – schrieb ich was über die Partei Widerstand2020, eine Spontangründung im Internet, die innerhalb kürzester Zeit 106 000 Anmeldungen im Internet aufwies. Programm war so großartig keins da, es sollte ja auch eine „Mitmachpartei“ werden, eine basisdemokratische Partei, die anders sein wollte als die anderen. Es gab nur eine grobe Skizze über den Umgang miteinander und über den Umgang mit Problemen: der Wert „Empathie“ stand ganz groß im Vordergrund. Wer die Schriften von Arno Gruen kennt (z.B.: „Dem Leben entfremdet, warum wir wieder lernen müssen, zu empfinden“), weiß, dass dies leicht dahergesagt aber ein großer zivilisatorischer Wurf ist, der sich quer durch alle Themenbereiche zieht, ein Wert, dessen Abwesenheit für sämtliche Probleme des modernen gesellschaftlichen Lebens verantwortlich ist – inklusive Konzentrationslagern, Weltkriegen, Umweltvernichtung und was einem sonst noch so den Tag vermiest. Gruen zeigt dies anhand vieler Beispiele auf, die hier nicht wiedergegeben werden können (einfach mal das Buch lesen), bezieht sich auf die Studienergebnisse vieler Anthropologen und überzeugt vor allem dadurch, dass er aufzeigt, dass eine empathische Kultur nicht nur in ferner Zukunft möglich ist, sondern sogar schon längst etabliert und erfolgreich gelebt wird – und zwar seit Jahrtausenden. Die „primitiven“ Kulturen sind es, in denen Empathie als oberster Wert gelebt wird – und schnell merkt man: die brauchen dann auch gar keine tausende von Gesetzen (2003 hatten wir laut Wikipedia 2197 Bundesgesetze mit 76382 Artikeln und Paragraphen) um überhaupt durch den Tag zu kommen – die schaffen das so.
Ab dem 3.Mai war Widerstand2020 schon vorbei: massive Hackerangriffe von Anonymus (gab ein Bekennervideo mit diesen Namen) sorgten dafür, dass die Anmeldewelle nicht mehr fortgesetzt werden konnte, die Mitmachpartei von Bürgern für Bürger war … vorbei. Unglaublich, was seitdem medial gegen die Bewegung geschossen wurde: selbst ein Herr Höcke, den man ja offiziell „Faschist“ nennen darf, kommt in den Medien deutlich besser weg als eine Bewegung, die einen verständnisvollen Umgang miteinander zur Grundlage hat – und man sieht: Arno Gruen hatte gar nicht so Unrecht mit seinen Beobachtungen: eine Bewegung, die unsere Gesellschaft in Richtung eines empathischen Gemeinwesens umbauen möchte, gefährdet alle Diätenparteien im Land – und das ganze kapitalistische Geschäftsmodell. Diätenparteien? Nun – so nenne ich mal die große Allianz der im Bundestag vertretenen Parteien, die neben den Diäten noch eine große Gemeinsamkeit haben: sie alle finden den Raubtierkapitalismus im Prinzip gut – würden die Beute nur gerne anders verteilen: die einen finanzieren lieber Drogenhandel und Bordelle, die anderen Schlägertrupps und Windkrafträder. Und natürlich in erster Linie: sich selber. Der große Plan von Deutsche-Bank-Chef Ackermann bezüglich des Bundestages ist hervorragend aufgegangen: wenn man alle Abgeordneten einfach mit Geld überschüttet, produziert man ohne große Mühe loyale Anhänger des Neoliberalismus. Wer auf der Strecke bleibt? Nun – der normale Bürger, jene 98 Prozent der Bevölkerung, die zwar politisch aber nicht als Parteisoldaten in geschlossenen Verbänden aktiv sind. Das sind auch die, die jetzt bezahlen sollen, weil sie immer alles bezahlen.
Es wäre also dringend notwendig, das alte, überkommene, verbrauchte und festgefahrene verkrustete Parteiensystem durch etwas Neues zu ersetzen, denn: dieses System ist nicht länger finanzierbar, braucht immer mehr Geld, um sich über Wasser zu halten und alle gierigen Münder zufriedenzustellen, Münder, die sich vor allem in Form von Lobbyisten der großen Konzerne in Massen im Bundestag tummeln und so für eine Dimension der offenen Korruption sorgen, die uns zu einer perfekten Bananenrepublik macht. Die Notwendigkeit einer radikalen Kurskorrektur – weg von der Rendite, hin zum Menschen – zeigt sich in diesen Tagen sogar noch deutlicher, denn: die Wirtschaft befindet sich in freiem Fall. Nun – nicht die Finanzwirtschaft, nicht die Superreichen, aber die Menschen diesen Landes, die den „Shutdown“ nicht überstanden haben. Wie viele das sind? Nun – 10 Millionen Kurzarbeiter (siehe Tagesschau), von denen mindestens 2 Millionen entlassen werden (siehe IFO), 2 Millionen Soloselbständige, die die Krise nicht überstehen werden (siehe Welt) plus 7,5 Millionen Minijobber, die als erste gehen durften (das war nur eine Radiomeldung, da 3,5 Millionen Minijobs als Zweitjobs laufen – siehe Statista – wird es hier schwer, die konkreten Zahlen zu bestimmen): wir stehen dicht vor der größten Massenarbeitslosigkeit der Geschichte der Bundesrepublik. Während Millionen Existenzen vernichtet werden, geht es den Konzernen blendend: hat man in guten Zeiten die Gewinne steuerschonend auf Steueroasen in Sicherheit gebracht (siehe Manager-magazin), wird in schlechten Zeiten der Steuerzahler zu Hilfe gerufen. Stellen Sie sich mal vor, Sie dürften das auch: im Casino spielen, die Gewinne behalten, die Einsätze (die Verluste also) zahlt der Staat – ein Traum, oder? So wird am Roulettetisch jeder irgendwann Millionär. Oder – anders gerechnet: Sie geben Ihr Gehalt (im deutschen Durschnitt 4000 Euro Brutto, siehe Welt) einfach in der ersten Woche des Monats aus – und für den Rest des Monats kriegen sie dann staatliche Hilfe! So ließe sich doch leben, oder?
Nun – so leben viele, dass ist das Leben der „Leistungsträger“, wie sie sich selber gerne nennen, jener kleinen Kaste, die sich als Speckgürtel und Erfüllungsgehilfen um das große Kapital versammeln, um das Geld ihrer Meister und Herren stetig zu vermehren – auf Kosten der anderen (das sind auch die, wegen denen das Durchschnittseinkommen so hoch ist – nur, falls sich einer wundert, warum er selbst so weit unter dem Durchschnitt liegt). Dass das System so weiterlaufen soll, hat der Ex-Black-Rock-Master Merz nun angekündigt: alle staatlichen Leistungen sollen auf den Prüfstand (siehe z.B. Ärzteblatt) – und viele haben ja schon während der Corona-Krise neue Argumente gelernt: wieso eigentlich Rente zahlen, Menschen mit durchfüttern, sie sowieso bald sterben? Wieso Arbeitslose und Behinderte mit durchziehen, die auch nur irgendwann sterben? Corona hat – bedauerlicherweise – einen enormen Abgrund von Unmenschlichkeit offenbart, der sich durch das Land zieht und nur auf einen Führer wartet, der endlich Schluss macht mit den „Parasiten“ (Wirtschaftsminister Clement 2005 über Arbeitslose, siehe Stern). Die echten Parasiten jedoch – füllen sich die Taschen wie nie zuvor: 40 Prozent aller staatlicher Hilfe, die bisher geflossen ist, gehen an 19 (in Worten: neunzehn) Konzerne (siehe ntv bei Xing), manche offenbaren ihre Pläne mit enormer Dreistigkeit wie die Deutsche Bahn, die 5 Milliarden Euro Hilfen will – und dafür sofort 10000 Arbeitsplätze abbaut (siehe Spiegel). Wäre es da nicht mal schön, wir würden mit den wirtschaftlichen Megaverbünden einfach so verfahren wir mit echten systemrelevanten Berufen … und einfach mal Abends auf dem Balkon für Deutsche Bank, Lufthansa und Addidas klatschen anstatt stetig zu zahlen?
Nun ja, Widerstand2020 – ich komme vom Thema ab … obwohl es ja wichtig ist, zu belegen, wie dringend die Notwendigkeit bürgerlicher Selbstorganisation in diesen Zeiten ist. Am 1. Mai 2020 waren es 106 000 Mitglieder der Partei, heute, am 21. Mai, sind es 50 (in Worten: fünfzig). Richtig gelesen. Fünzig im Geheimen ausgewählte unbekannte Menschen wurden von wem auch immer ausgewählt, Mitglieder der Partei zu sein – verifizierte Mitglieder der Partei. Klar, bei der Online-Anmeldung war es zu unredlichen Akten gekommen: ein AfD-Funktionär hatte sein Huhn angemeldet (was auf mich den Eindruck machte, dass man bei dieser Partei wohl der Meinung sei, dass selbst Hühner Politik gute AfD-Politik machen können – genau genommen hat sich allerdings ein AfD-Funktonär unter falschem Namen … dem seines Huhnes … angemeldet, denn Hühner können bekanntlich keine E-Mails verschicken), andere behaupten, sie hätten ihren Kühlschrank angemeldet. Klar gibt es Betrüger, aber nur weil es Betrüger gibt, ist nicht alles gleich Betrug. Klar ist man überwältigt von 100000 Anmeldungen, dann schmeißt auch noch einer der drei Vorstände hin, die Vorstand an sich wird handlungsunfähig – alles ungute Fügungen, die nicht glücklich stimmen und für die man viel Verständnis hat, ganz abgesehen von dem massiven Druck der Diätenparteien im Deutschen Bundestag und dem Druck einer geschlossenen Phalanx der deutschen Millionärsmedien, deren Inhaber verdutzt zur Kenntnis nehmen mussten, dass diese neue Partei wirklich Parteispenden wieder zurückschickt, wenn sie zu groß sind: wie will man denn da als Millionär Einfluss kaufen – das geht ja gar nicht.
Wer sind diese 50? Wer hat sie ausgewählt? Wo kommen sie her, was machen sie in der Partei? Alles unbekannt. Dabei sollte doch Transparenz so wichtig sein. Nur duch Zufall erfuhr ich von einer Bundespressekonferenz der Partei, die wohl gestern als Liveschaltung lief. Dort konnte man von diesem Geheimbund der 50 erfahren, auch von den 60000 Euro Spenden, von denen man jetzt Mitarbeiter einstellen möchte. 60000 Euro – das reicht gerade mal für 2-3 Leute, für ein Jahr: wenn es Menschen sind, die jetzt einen Job haben, dann kann man denen nur raten: lasst die Finger davon – schaut euch an, was wir wirtschaftlich die nächsten drei Jahre erwarten – da kann jeder froh sein, wenn er irgendwo untergekommen ist. Zugeschaltet zur Pressekonferenz war auch eine Frau Gabi Reiss, der man beim Rauchen zusehen durfte. Sie ist Inhaberin des Reissverlages, der ein lokales Lifestylemagazin für den gehobenen Geldbeutel herausgibt: als was sie dort im Bild zu sehen war, blieb im Rahmen der Pressekonferenz unklar, vielleicht war sie Presse, vielleicht auch Mitglied oder einfach nur zufällig dabei. Hatte mir diese Pressekonferenz angeschaut – was anstregend war, es war kaum ersichtlich, welche Pressevertreter da Fragen stellten, oft wurde nur geschwiegen – und nebenbei im Parteiforum (Widerstand2020-der Parteischwarem, bei Facebook nur zugänglich für registrierte Mitglieder) gelesen, wo die registrierten Nichtmitglieder der Reihe nach aus allen Wolken fielen. Betrugsvorwürfe wurden laut, Austritte wurden angekündigt, Klagen ebenso. Einige versuchten, weiterhin zu Geduld zu mahnen im Sinne von: „wird alles noch ganz toll“ – aber andere waren klar in ihren Vorstellungen, dass es nicht so lustig sei, Geld von Mitgliedern auszugeben, denen man den Mitgliedsstatus verweigert.
Nun – ich habe mir die „Bundespressekonferenz“ nicht zu Ende angeschaut. Mit Mühen habe ich den Namen eines dritten „echten“ Mitgliedes herausgefunden: des Berliner Arztes Fernando Dimeo (siehe Redaktionsnetzwerk Deutschland), ein Arzt gleichen Namens kann man bei Londonspeakerbureau als Referent mieten, der schreibt auch regelmäßig für den Spiegel. Eventuell kenne ich noch ein viertes „echtes“ Mitglied, Sandra Wesolek, nach eigenen Angaben „selbständige Lebenskünstlerin“ (siehe kommwirreisen), die 30 Eu-Länder mit dem Van bereisen wollte aber am Februar keine Berichte mehr schreibt … bin mir aber nicht sicher, ob sie noch dazu gehört. Früher – so kann ich mich erinnern – war sie mal „Scharmbeauftragte“. Warum ich die Pressekonferenz nicht zuende geschaut habe? Nun – weil mein spontaner Eindruck war: das war jetzt das Ende von Widerstand2020. Ist blöd, ja, ich weiß – aber nun mal nicht zu ändern, oder? Es gibt einfach ein paar Dinge, die gehen nicht im Umgang mit Menschen – bei allem Verständnis für die Probleme, die dort aufgelaufen sind. Fünf Minuten Text jeden Tag im Forum schreiben, damit alle wissen, wann und wie es weitergeht, hätten mehr gebracht, als immer wieder neue you-tube-Videos in die Welt zu setzen – wäre meine Meinung als Nichtmitglied gewesen. Einfach mal kurz erklärt, wer warum jetzt von wem ausgewählt wird. Sowas nennt man: Transparenz. Soll toll sein. Was das jetzt an Misstrauen, Frust, Enttäuschung gesät hat, wird man so schnell nicht in den Griff bekommen, mal abgesehen davon, dass ich momentan nicht abschätzen kann, wie die Anzeigen wegen Betruges ausgehen werden – sofern die überhaupt gestellt werden. Vielleicht gehen die Leute auch einfach so und vergessen den Spuk.
Freuen darüber wird sich eine neue, inoffizielle Koalition in Berlin, die sich – auch unter Ausschluß der Öffentlichkeit – still und heimlich in Berlin gebildet hat, eine der neuen Entwicklungen der in der Bundespolitik, die nicht kommentiert werden. Es ist eine de-fakto-Koalition, keine de-jure-Koalition: es gibt also keine Posten dafür noch schriftlich festgelegte Vereinbarungen – soweit man sehen kann: seit TTip wissen wir ja, wie viel da im Geheimen an uns vorbei verhandelt wird, weil wir Bürger einfach zu blöd sind zu begreifen, was gut für uns ist.
Zu den Fakten:
am 14.5.2020 kam es im Bundestag zu einer namentlichen Abstimmung über eine Erhöhung der Grundsicherung: „Beschlussempfehlung 19/19204 zu Corona-Aufschlag in der Grundsicherung das Existenzminimum sichern“. Die Empfehlung lautete: den Vorschlag der GRÜNEN, Hartz IV und verwandte Leistungen der Grundsicherung angesichts der massiven Preissteigerungen von Lebensmitteln um 100 Euro im Monat für Erwachsene und um 60 Euro im Monat für Kinder zu erhöhen, abzulehnen.
Die Erhöhung wurde abgelehnt von:
Allen anwesenden Mitgliedern der CDU: 246 Stimmen
Allen anwesenden Mitgliedern der SPD (abgesehen von einer einzigen Stimme): 152 Stimmen.
Allen anwesenden Mitgliedern der AfD: 89 Stimmen.
Das ist neue neue Supergroko im Bundestag: eine geschlossene Front für die fortschreitende Verarmung wachsender Bevölkerungsschichten, ja, dank Corona sogar massiv (exponentiell) wachsender Bevölkerungsschichten.
Die FDP enthielt sich mit 70 Stimmen (was mich sehr überraschte), allerdings waren 6 für die Erhöhung, Grüne und Linke waren mit allen Anwesenden dafür – kamen aber nur auf 136 Stimmen (siehe Bundestag.de). Eine Beschwerde der Bundeskanzlerin, dass die Abstimmung nicht zu akzeptieren sei (analog zu Thüringen), weil ja die AfD mitgestimmt hatte, gab es nicht. Kippt die FDP auch noch um, hat die aktuelle Supergroko AfD, SPD, CDU/CSU die absolute Mehrheit und kann das Grundgesetz nach Belieben ändern – soviel zur „Alternative“ für Deutschland. Für die Armen – ist es keine Alternative. Die dürfen jetzt beten, dass der Herrgott ihnen den Merz erspare – der war schon früher für massive Kürzungen von Hartz IV: von 132 Euro im Monat kann man ja auch leben wie ein Fürst (siehe Welt). Und wenn Merz Chef der Groko wird, kann der das durchsetzen. Oder Hartz und Rente gleich ganz streichen und das Geld zum Vermehren Black-Rock leihen.
Armut kostet übrigens statistisch genau so viel Lebensjahre wie Corona. Verblüffend, oder? Für Corona hat man die ganze Wirtschaft an die Wand gefahren, weil … nun ja: Merkel und Merz waren auch infiziert. Dafür, dass die beiden – und viele andere – nie Armut erleben brauchen, haben andere gesorgt – und bekommen dafür jetzt Steuergelder ohne Ende.
Wäre schön, wenn wir dagegen mal hätten angehen können. Aber wie die Tagesschau uns ja deutlich erklärte: wer gegen die Diätenparteien angehen will, kann nur ein Spinner sein.