Ausland

Das letzte Gefecht in Idlib und der Verlust der letzten Würde

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(Kirche in Syrien / Pixabay / CC0)

Als die Facebook-Seite von Manaf Hassan, der über Hintergründe in Syrien berichtet, vor wenigen Wochen gelöscht wurde, dachte ich mir, dass das gar kein gutes Zeichen ist. Denn warum ginge man nun, wo die Pläne zur Zerschlagung Syriens de facto gescheitert und die islamistischen Terrormilizen weitgehend besiegt wurden, so rigoros gegen einen Blogger vor, der jetzt damit begonnen hat, Fotos vom Wiederaufbau Syriens und glücklichen Weihnachtsfesten zu posten?

Und in der Tat: Nachdem es vor der Kulisse syrischer Ruinen bereits Friedenskonzerte von russischen Orchestern gegeben hat, die USA den Rückzug angetreten haben und der regionale Zivilluftverkehr wieder aufgenommen wurde, droht der Wahnsinn von unerwarteter Seite nochmals zu eskalieren: In einer selbst für routinierte Politanalysen nicht nachvollziehbaren Barbarossa-Aktion lässt der türkische Präsident Erdogan nun entlang der nördlichen Grenze einen Angriff auf syrisches Staatsgebiet starten. Türkische Soldaten, ausgestattet mit schwerem militärischen Gerät u.a. aus deutschen Qualitätswerkstätten, kämpfen nun Seite an Seite mit der islamischen Terrormiliz HTS (vormaliger  Name: Al Quaida und IS), die sich in Idlib verschanzt hatten und die man vor Kurzem noch bewundern konnte, wie sie Gefangenen auf „moderate“ Weise die Köpfe abschneiden. Erdogan droht sogar, mit seiner Armee ganz Syrien bis nach Damaskus zu überrollen.

In einem Video auf Facebook zeigt Manaf Hassan (der nach Sperrung seines Profil mit einer zeitweisen Reichweite von 1 Mio. nun mit einem neuen Konto bei Null anfangen muss), wie HTS-Söldner in türkischen Uniformen ganz offen Armbinden mit Al-Quaida Wappen tragen. In einer Rede an die Nation hat Erdogan verkündet, dass es ihm seine Tradition und sein Glaube verbiete, die in Idlib verschanzten islamistischen Terrormilizen („Rebellen“) dem Urteil der syrischen Rechtssprechung zu überlassen. Er ruft zu diesem Unterfangen auch die NATO und die EU um Hilfe, um die syrische und russische Armee zu vertreiben. Führende Vertreter der NATO halten den Zeitpunkt für einen Dritten Weltkrieg jedoch noch nicht für gekommen und halten sich bedeckt. Auch eine formale Unterstützungserklärung der NATO zugunsten der türkischen Aggression wurde von Griechenland im letzten Augenblick durch ein Veto verhindert. Lediglich die deutsche Merkel&Maasmännchen-Regierung unter übt sich wie gewohnt im Rückgratverkrümmen und „kondoliert“ Erdogan zu den während der völkerrechtswidrigen Invasion auf syrischem Territorium erlittenen Verlusten und sichert ihm ihre moralische Unterstützung zu.

Erdogan hat sich von Europa jedoch handfestere Unterstützung erwartet. Um eine weitere Unterstützung bei seinem Angriff auf Syrien zu erzwingen, hat er nun die Grenzen geöffnet und lässt syrische Flüchtlinge mit Bussen an die griechische Staatsgrenze verfrachten, von wo sie ihren Weg ins gelobte Land antreten wollen. Es sind tausende bis zigtausende Syrer, die bereits an der Grenze dem griechischen Militär gegenüberstehen und Einlass begehren. Beobachter sprechen von 1-2 Millionen weiteren Flüchtlingen, die nachkommen könnten. Geschätzte 80% der von der Türkei durchgewunkenen Flüchtlinge sollen aus der Terrormiliz-Hochburg Idlib stammen (wobei es sich laut Fernsehinterview eines lokalen griechischen Grenzpolizei-Verantwortlichen bei den Flüchtlingen zu einem großen Teil gar nicht um Syrer handeln soll: „Inzwischen ist klar, dass es sich nicht um syrische Flüchtlinge handelt, wir sprechen hier von einem riesigen Migranten-Strom verschiedener Nationalitäten“ /Quelle: EURONEWS). Indes appelliert CDU-Spitzenpolitiker Norbert Röttgen, dass „die Türkei nun Europa und den Westen braucht“ und „wir Geld & Hilfe bereitstellen müssen“, um die syrischen Flüchtlinge zu versorgen. Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock fordert, dass die EU nun „Ordnung und Humanität walten lassen muss“ und dass „Kontingente von Flüchtlingen so schnell es geht in der EU verteilt werden sollten“. Dazu solle Deutschland seine Kapazitäten an Flüchtlingsunterkünften wieder aktivieren (siehe Focus).

Während inmitten der aktuellen Desinformationskampagne lediglich diskutiert wird, wie groß die Flüchtlingswelle sein wird, die nun auf Deutschland zu rollt und ob man zu deren Bewältigung ausreichende Kapazitäten bereitstellen könne, so wagen bloß einige Häretiker die Frage aufzuwerfen, wer denn eigentlich aller mit den zu erwartenden Flüchtlingsströmen mit nach Deutschland kommen werde. Ein kleines Potpourri an „Rebellen“, die aufgrund ihrer zu erwartenden Niederlage (es ist nicht zu erwarten, dass Russland der Offensive der Terrormilizen tatenlos zusehen wird) demnächst bei uns eintreffen könnten, hat ein weiterer Facebook-Aktivist zusammengestellt (siehe FB). Diesen sympathisch bunten Söldnern, die laut offiziellen Angaben (US State Department) aus über 100 Ländern stammen und bisher brandschatzend, vergewaltigend und kopfabschneidend durch die syrischen Lande gezogen sind, werden wir womöglich schon morgen vorm Kühlregal im Aldi die Hände schütteln dürfen. Wer die moderaten Jungs gebührend empfangen will, sollte sich beeilen. Denn in den Supermarktregalen werden demnächst nicht nur die Corona-Atemschutzmasken ausverkauft sein, sondern wohl auch die Teddybären.

Einer der Häretiker, der uns auf den Hintergrund der aus Idlib kommenden „Rebellen“ hinweist, ist der Historiker Götz Aly. Es ist bemerkenswert, dass der Deutschlandfunk in der ansonsten weitgehend gleichgeschalteten deutschen Medienwelt eine solche Stimme zu Wort kommen lässt (siehe Deutschlandfunk). Götz Aly lässt es in seinen Worten an Klarheit nicht mangeln: Idlib sei ein „Terroristennest“, dort säßen Kämpfer der Al-Nusra-Front, die zuletzt noch Aleppo beschossen hätten. „Die Türkei hat auf syrischem Territorium nichts verloren.“ Es werde so getan, „als würde da der NATO-Partner Türkei irgendwie zu Recht im Norden von Syrien rumbombadieren und rumschießen“ – dies sei aber nicht der Fall.

Das militärische Vorgehen der Assad-Regierung und Russlands in Nordsyrien hält er für unvermeidlich. „Ich sehe keine Alternative“, so Aly. Die aktuellen Angriffe der syrischen Armee auf Idlib forderten nicht mehr Opfer als die Attacken, die 2017, ohne jede Kritik, durch den Irak und die USA zur Befreiung der Stadt Mossul vom IS durchgeführt worden seien. Für Idlib gelte: „Man muss diesen Terroristen, die dort sitzen, das Wasser abgraben. Man muss sie zwingen, dass sie ihre Waffen niederlegen.“

Soweit ich es momentan überblicke, ist genannte Bericht der weitgehend einzige, in dem der türkisch-syrische Konflikt nüchtern beurteilt wird. In den anderen großen deutschen Medien wird zumeist Solidarität mit der Türkei und den „Rebellen“ eingemahnt und werden Syrien und Russland zum Rückzug aufgefordert.

Obwohl die derzeitige Situation an Absurdität kaum noch zu überbieten ist (türkische, also NATO-Truppen kämpfen Hand in Hand mit islamistischen Terroristen des IS und Al-Quaida, dies z.T. sogar unter Al-Quaida Flagge, wobei die Terrormilizen, zu deren Bekämpfung die USA und ihre Verbündeten lt. offizieller Darstellung überhaupt erst nach Syrien eingezogen sind, nun mit NATO- und deutschen Waffen auf syrische Städte und russische Militärs feuern), versuchen sich Lohnschreiber der deutschen Qualitätsmedien nun erneut in der Kunst, Worte von Humanität, Freiheit, Demokratie & Co. „mit Null zu multiplizieren und damit der Menschheit zu rauben“ (Frank Schirrmacher). Wieder an vorderster Front dabei bei den Sturmgeschützen der Demokratie: Die Südtäusche Zeitung – „Europa muss jetzt mehr tun als nur zuschauen. Denn die Türkei steht auf der richtigen Seite … Harte Santionen gegen Russland sind nötig.“ (Quelle: sueddeutsche). Es lohnt eigentlich nicht, sich über derartige Pamphlete noch weiter zu echauffieren, der von der deutschen Regierung und ihren medialen Claqueuren ausgesandte Bumerang ist ohnehin bereits am Zurückkehren und wird demnächst mit voller Wucht einschlagen, leider nicht nur in den Redaktionsscheiben.

Wer denkt, dass er bis zum Einschlagen dieses Bumerangs noch ein paar Züge des Guten und Gernen Lebens genießen kann, betrügt sich nur selbst. Denn die innere Vergiftung und Zerstörung ist bereits in vollem Gange. Die deutschen Qualitätsjournalisten, die gedacht haben, sie könnten in der Syrien-Angelegenheit wie gewohnt mal eben mit dem von der Merkel-/Maasregierung vorgegebenen Narrativ mitschwimmen, verstricken sich gerade in einem ausweglosen Labyrinth an Lüge und Heuchelei, das ihnen nun die letzte Würde zu nehmen droht. – Wobei es ein fataler Irrtum ist, zu glauben, dass man als Mensch ohne Würde auf Dauer gesund bleiben kann.



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