Ausland

Über bluttriefende Kaffeekränzchen im Hosenanzug – ein kleiner Nachtrag zur Ibiza-Affäre

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Noch ein kurzes Nachwort zum aktuellen Ibiza-Gate rund um H.C. Strache („Just gimme one night in Ibiza“):

Mit Fäkalausdrücken als Synonyme für den am Angelhaken im Blitzlicht unserer Wahrheitsmedien baumelnden Strache wird ja derzeit nicht gespart. Von „Lurch“, „Arsch“, „Zuhältertyp, der jetzt sein Snuff-Video hat“ (Robert Misik) und ähnlichem ist die Rede.

Ja, es tut wahrscheinlich gut, dass wir uns jetzt endlich an etwas abarbeiten können, wo alle, Mainstreammedien ebenso wie Bonsaitopfblogger, einer Meinung sind. Auch die Grünen haben ja frei zugegeben, dass sie es müde waren, immer gegen die Interessen der Industrielobby anzukämpfen und es eine schöne Erfahrung wäre, in Sachen Energiepolitik, dem Energiesparlampenkurzschluss, der Nato-/Russland-Poltik u.a. endlich mal an einem Strang mit den Global Playern zu ziehen. Die ehemalige Parteichefin der österreichischen Grünen, Eva Glawischnig, ist auch ganz begeistert, nun bei einem internationalen Konzern wie Novomatic an Bord mitrudern zu dürfen („Die Industrie hat mich schon immer fasziniert … An Novomatic fasziniert mich vor allem die Internationalität.“ / Quelle: ORF).

Alle – auch die strammen alternativen Medienköpfe – setzen ja gerade energische, wütende und kreativst-süffisante Kommentarvideos über den in die Mausefalle getappten Strache ab. Ja, wirklich, wie schmuddelig dieser Mann doch da in Ganovenmanier in einem verrauchten Hinterzimmer um Macht, Mediengunst und Parteifinanzierung schachert. Als aufgeklärter und wikipedialesender Bürger sollte man das doch schon immer geahnt haben, die Qualitätsmedien haben uns ja immer vor dem Russlandfreund Strache gewarnt. Die von ihm eingesetzte Außenministerin Kneissel hat sich zuletzt sogar erdreistet, Putin persönlich zu ihrer Hochzeit nach Österreich einzuladen. Die westliche Wertegemeinschaft war sprachlos – womöglich versauen diese versifften österreichischen Hinterwäldler besagter Wertegemeinschaft noch den geschlossenen Marsch gegen Russland, für den Europas Straßen gerade mit Milliardenaufwand panzertauglich gemacht werden. Höchste Zeit also, dass diese Hinterwäldler (laut Böhmermann: „acht Millionen Debile“, die sich dem Anschluss an Merkels „europäische Lösung“ verweigern) zur Räson zu bringen.

Jetzt wird uns daher allen gezeigt, wie letztklassig und schmutzig diese rechten Querfront-Typen sind. Gut, dass es neben solch käuflichen Hinterhofpolitikern auch unsere Guten, Sauberen und Alternativlosen gibt, dank deren Agenda in unseren marktkonformen Landstrichen viele immer noch Gut und Gerne leben. Wenn sich Deutschlands Polit-, Wirtschafts- und Medienmächtige bei Bertelsmannparties einfinden oder wenn sich Memmelchen Merkel im sauber gebügelten Hosenanzug bei gehäkelter Tischdecke und Goldrand-Biedermeier-Servis mit Liz Mohn und Friede Springer in diskreten privaten Nichtraucher-Etablissements zu Kaffee und Kuchen trifft, dann ist das zweifellos sauberer als wenn Strache in einem schmuddeligen Hinterzimmer bei Vodka, im Unterhemd-Ballermannlook mit heraushängender Wampe und blonder Mieze auf der Schmuddel-Couch ganz frei heraus staatliche Bauaufträge gegen Mediengunst in der „Kronen-Zeitung“ (=Österreichs Bild-Zeitung) in Aussicht stellt.

Wer das supersaubere Merkel-Kaffeekränzchen aber einmal etwas tiefer betrachtet (deren veröffentlichter Wortlaut der Kanzlerin übrigens genauso das Genick brechen würde wie Strache), der ist gut beraten, zuvor Maßnahmen gegen aufkommende Übelkeit zu treffen und vorsichtshalber einen Brechbeutel zur Hand zu nehmen. Denn er wird bei seiner Betrachtung womöglich zu dem Ergebnis kommen, dass das, was dort gemerkelt wird, in Wirklichkeit hundertmal ekliger und in seinen weltpolitischen Konsequenzen de facto elender und bluttriefender ist als die schmuddeligsten Deals an einem Unterwelt-Pokertisch oder eben das Strache-Ibiza-Gepoltere. Es wird nur wohl keinen Geheimdienst geben, der die Szenen solcher Kaffekränzchen filmt und den Leitmedien zuspielt, da Agenten ja nicht dafür bezahlt werden, die eigene Agenda zu hintertreiben … eine skrupellose Agenda, die in Syrien, Afghanistan, Libyen, Ukraine u.a. bereits hunderttausenden Menschen das Leben gekostet, noch viel mehr Zivilisten zu Invaliden verstümmelt, Millionen Menschen in Obdachlosigkeit und Elend getrieben und weite Landstriche mit Uranmunition verseucht hat. Im Vergleich zum Kollateralschaden solcher Kaffeekränzchen ist die plump-naive Bauernposse in Straches Ibiza-Urlaub wohl nicht viel mehr als das, was man in Österreich gemeinhin einen „Lercherlschas“ nennt.

Wer also seinen (berechtigten) Polit-Frust jetzt in der Ibiza-Affäre ablässt, der übersieht, dass es denjenigen Akteuren, die in hochprofessioneller Manier das entsprechende Video erstellt und dann, zwei Jahre nach seiner Erstellung, perfekt getimt (zwei Wochen vor der Europawahl) über Deutschlands Leitmedien SZ und Spiegel an die Öffentlichkeit gespielt haben – dass es diesen Strippenziehern in Wirklichkeit nicht im Geringsten um die moralischen Qualitäten bzw. Schwächen irgendeines B-Klasse Politikers aus einer Alpenrepublik  geht. Denn wäre es wirklich das Anliegen dieser grauen Eminenzen, korrupte Charaktere zu enttarnen und aus dem politischen Leben zu entfernen, dann hätten sie ja gar keine geeigneten Figuren mehr zur Hand, mit denen sie ihre neoliberale Agenda und ihre wirtschaftlich-militärische Globalstrategie vorantreiben könnten.

In diesem Sinne, in einer Zeit, in der der Hausverstand zwar weitgehend suspendiert ist, aber immerhin das Energiesparschweintum medial fest in unserem Bewusstsein verankert wurde und man daher zumindest an dieses appellieren kann: Also, an diejenigen, die bereits den Sinn von Energiesparlampen eingesehen haben: Save your energy! Verbratet nicht unnötig eure Duracell-Batterien, sondern lasst sie im Schrank. Denn ich fürchte, ihr werdet sie womöglich schon demnächst brauchen, wenn ihr nachts mit der Taschenlampe zum ausgefallenen Kühlschrank und zum WC finden müsst.


Fotos: pixabay/CC0

 

 

Ergänzung 28.05.2019 (Quelle: Swiss Propaganda Research):

Der geostrategische Hintergrund des Ibiza-Coups wird nun mit jedem Tag deutlicher. Mit Gudenus und Strache wurden bereits die beiden Hauptarchitekten der Achse Wien-Moskau neutralisiert. FPÖ-Spitzenkandidat Vilimsky, der sich 2014 noch gegen die Russland­sanktionen aussprach (»umgehend einstellen«), kündigte nun an, das 2016 vereinbarte Koop­e­ra­tions­­abkommen zwischen der FPÖ und der Putin-Partei Einiges Russland auslaufen zu lassen. Er betonte, keine »Verstrickungen nach Russland« zu haben, und verwies auf seine guten Kontakte zum Pentagon. Eine bemerkenswerte Wende, die gewiss im Sinne der »Integrity Initiative« ist.

Das österreichische Verteidigungsministerium hat am Dienstag, 21. Mai, wenige Stunden nach Rücktritt der FPÖ-Minister, die Durchführung der seit langem geplanten russisch-europäischen Valdai-Diskussionsrunde in Wien, zu der unter anderem der russische Vize-Außen­minister eingeladen war, ganz kurzfristig abgesagt und den Saal gesperrt. Dies meldete der Wiener Publizist Hannes Hofbauer, offenbar ohne die volle Tragweite des Vorgangs zu realisieren.

Das Verteidigungsministerium wurde bis zum 20. Mai von FPÖ-Minister Mario Kunasek geführt, am 22. Mai übernahm Vize-General­stabs­chef Johann Luif, der zuvor als Kommandant im Kosovo und in Bosnien diente. Die kurzfristige Absage der traditionellen Valdai-Diskussion ist ein weiterer Hinweis auf die geopolitischen Hintergründe des Coups.

Das US Foreign Policy Magazine titelte »Europe Is Ripe for a Return to Establish­ment Politics«, der britische Economist »Why cosying up to populists rarely ends well for moderates«.

Die Salzburger Nachrichten sprechen sogar explizit vom »Ende der “russischen” Fraktion in der FPÖ«.

Der in die Falle gelockte Gudenus ist jener Politiker, der 2014 als Wahlbeobachter auf der Krim war und der russischen »Annexion« damit einen »Persilschein« (NZZ) erteilte, und der 2016 das Kooperations­­abkommen zwischen Straches FPÖ und Putins Partei »Einiges Russland« einfädelte. Nun sollte die FPÖ durch eine vermeintliche Russin zu Fall gebracht werden.

Mit der FPÖ traf es Nationalkonservative, doch auch Sarah Wagenknecht dürfte letztlich von denselben Kreisen, und aus denselben Gründen, aus der eigenen Partei gedrängt worden sein. Die Salzburger Nachrichten sprechen sogar explizit vom »Ende der “russischen” Fraktion in der FPÖ«.

Klar ist auch, dass der deutsche Nach­richten­dienst – der die elektronische und telefonische Kommunikation österreichischer Ministerien und Politiker als einziger in Europa systematisch überwachen kann (durch Frankfurt und Bad Aibling) und dies in der Vergangenheit auch tat – über diese Operation von Anfang an mindestens »im Bilde« gewesen sein müsste.

Größter Makel der Operation dürfte sein, dass der Rücktritt der parteifreien aber Putin-nahen Außenministerin Kneissl (noch) nicht gelang. Deutsche Medien schäumen (»verweigert Rücktritt«, »darf weitertanzen«), österreichische Medien beruhigen (»wenig Spielraum«). Kneissl hatte etwa die Anerkennung Guaidos abgelehnt, bis sie von Kanzler Kurz überstimmt wurde.

Insgesamt ist diese Aktion somit als veritabler Coup gegen eine Moskau-freundliche und EU-kritische Regierungspartei einzustufen, sowie als Warnung an andere Regierungen. Dieser Aspekt wird von den transatlantischen Medien, die daran beteiligt waren, allerdings kaum beleuchtet werden.



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