Journalismus

Neulich mal wieder den Gulli-Deckel hochgehoben: Über Südtäusche Wasserleichen im Relotius-Narrenspiegel

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„Kackvögel im Mainstream“ [Bild: Jürgen Plechinger (FB) / CC BY 4.0]

„Noch ein Jahrhundert Zeitung – und alle Worte stinken“, meinte Nietzsche vor 130 Jahren. Inzwischen ist der über unsere marktkonformen Landstriche ausgebreitete Verwesungsgeruch wohl selbst für hartgesottene Nasen nicht mehr zu leugnen.

Als ich gestern Abend einen Artikel zu lesen bekam, wie der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung in einem Zug mit dem Wort „Qualitätszeitungen“ angeführt sind, war ich froh, dass ich den Milchshake, an dem ich gerade nippte, schon runtergeschluckt hatte – ich hätte sonst umgehend losprusten müssen und mein neuer WQHD-Monitor wäre im Eimer gewesen. Die Südtäusche Zeitung und der Relotius-Narrenspiegel – diese beiden aufgedunsenen Wasserleichen, die im transatlantischen Mediensumpf dahintreiben … soll man dazu überhaupt noch Worte verlieren oder wäre es nicht besser, sich einfach abzuwenden und beschämt darüber zu schweigen, wozu es der deutsche Qualitätsjournalismus heute gebracht hat? Michail Gorbatschow stellt ihm jedenfalls kein gutes Attest aus: „Die deutsche Presse ist die bösartigste überhaupt“ (Quelle: DiePresse).

Lassen wir einmal außen vor, wie es dazu kommen hat können, dass Presseformate, die einstmals als „Vierte Macht im Staate“ gegolten haben, um Demokratie und Rechtsstaat vor Willkür und Korruption zu schützen, nun selbst zu einer Art Pestilenz geworden sind, die Demokratie und Rechtsstaat massiv bedrohen. Der langjährige ARD Tagesschau-Redakteur Volker Bräutigam bezeichnet Zeitungen wie die Süddeutsche mittlerweile „glattweg als Bellizisten-/Kriegszeitungen“. Auch wenn die Realität schmerzt, aber nehmen wir es eben einfach ganz nüchtern als Faktum hin, dass laut Peter Sloterdijk heute „der Lügenäther so dicht ist wie zu Zeiten des Kalten Krieges nicht mehr“, und dass „Journalisten heute für Sich-Gehen-Lassen bezahlt werden – und sie diesen Job annehmen.“

Das mit dem Nüchtern-Bleiben ist natürlich leicht dahingesagt, ich weiß. Angesichts der prekären Weltlage und einer Doomsday Clock, die zwei Minuten vor Zwölf steht, ist es nicht ganz leicht, die Contenance zu bewahren, wenn Süddeutsche & Co. unentwegt zur kompromisslosen (nuklearen) Konfrontation mit Russland trommeln, Friedensaktivisten mit verbissener Verve diffamieren und alle aufkeimenden Blättchen einer neuen Friedensbewegung, die wir dringend bräuchten, umgehend plattmachen. Manchen platzt dann doch mal der Kragen. So etwa dem Betreiber der Rationalgalerie, Uli Gellermann, der angesichts des verzerrenden, für den Frieden mittlerweile höchst bedrohlichen Umgangs der Süddeutschen mit Wahrheit und Objektivität einen süddeutschen Qualitätsjournalisten als „postfaktisches Arschloch“, „Schmierblatt-Sau“ und „normales SÜDDEUTSCHE-Arschloch“ bezeichnet hat – und dafür von der Süddeutschen umgehend vor das Münchner Amtsgericht gezerrt wurde (siehe ralphbernhardkutza).

Zugegeben deftige Worte. Aber in der Tat ist es schwierig, angesichts des unverhohlen bellizistischen, mittlerweile brandgefährlichen Geschreibes unserer „Qualitätsjournalisten“ nicht ausfallend zu werden. Aber welche angemessenen Worte soll man denn noch finden für Schreibtischtäter, die gerade nach einer Konfrontation mit dem nuklear bestückten Russland, also nach einem Game Over für uns alle geifern? „Griegümpfe“ nennt Dirk C. Fleck seine ehemaligen Journalisten- Kollegen, nachdem er nach eigenen Worten bis in den Gulli hinabgestiegen ist, dort zwischen all den deftigen Angeboten aber nicht ein einziges passendes Wort gefunden habe, das man auf die Hetzer und Bezahlschreiber von heute anwenden könnte (siehe free21: „Wenn die Fetzen fliegen“). Fleck mahnt an, dass dieser Begriff zwar eben erst von ihm erfunden worden wäre, aber schrecklicher sei als alles, was Menschen je in den Mund zu nehmen wagten:

„Bevor die beleidigende Wucht des Wortes erkannt und akzeptiert wird, vergeht zu viel Zeit. Zeit, die wir vermutlich nicht mehr haben. Denn die Griegrümpfe spielen mit dem Leben. Mit unser aller Leben. Wenn wir Pech haben, gibt es uns nicht mehr, bevor die ganze Tragweite des Begriffs erkannt wird.“

Mäusefriedhofsbürger

Zurück aber zu den deutschen Leitmedien. Wer liest diese denn überhaupt noch? Der Spiegel, der sich auf seiner eigenen Internetseite als Deutschlands bedeutendstes und Europas auflagenstärkstes Nachrichtenmagazin bezeichnet, verkauft laut IVW-Statistik in Kiosken und Supermärkten in Wahrheit nur noch 153.270 Exemplare. Umgerechnet auf die Bevölkerungszahl wären das gerade einmal 0,2% der Deutschen, also eine fast schon vernachlässigenswerte Marginalität, die für die systematische Indoktrination mit tendenziöser Meinungsmache durch „hochbezahlte Edeltrolle“ (Wolf Reiser) auch noch eigenes Geld ausgibt. Auch die Auflagenzahlen von Süddeutscher, Focus, Stern und Zeit befinden sich in rasantem Sinkflug, weshalb die bisher größten Wochenmagazine Ende letzten Jahres kurzfristig beschlossen haben, Informationen über ihre peinlich gewordenen Auflagezahlen künftig nicht mehr für den Werbemarkt zur Verfügung zu stellen.

Es sind also offensichtlich nur noch einige renitente Rentner sowie Personen, die sich eben lieber in Illusionen wiegen und die Realität nicht zur Kenntnis nehmen möchten, die ehemalige Leitmedien konsumieren. Aufgeklärte, mündige Bürger gehen hingegen tunlichst auf Distanz. Die „Berichterstattung“ besagter Leitmedien ist ihnen meist nur noch ein Ärgernis bzw. eine Beleidigung ihrer Intelligenz. Und auch die verbliebene Leserschicht, die den Einheitsbrei aus Gewohnheit weiterkonsumiert, schrumpft zunehmend.

Das Problem, das vielen Mäusefriedhofsbürgern (bitte über dieses Wort zunächst kurz selbst nachdenken) allerdings nicht bewusst ist: Indem sie Spiegel, Südtäusche & Co. im Netz weiterkonsumieren, lassen sie mit ihren Klicks weiterhin die Werbeeinnahmen dieser Formate sprudeln und erhalten sie dadurch am Leben.

Warum die Dreckschleuern auf Kurs bleiben

So mancher überzeugte Anhänger des Neoliberalismus, der an die Funktionsweise der unsichtbaren Hand des Marktes glaubt, mag sich eventuell wundern: Werden doch heute in einem Konzern alle Produkte und Geschäftssparten, die nicht mehr profitabel sind bzw. nicht mehr genügend Abnehmer finden, umgehend liquidiert bzw. vom Markt genommen. Warum also werden die leck geschlagenen, allen zeitgemäßen Umweltstandards spottenden – und mittlerweile von Piraten und meineidigen Halunken gekaperten – Schweröldampfer der „Leitmedien“ trotz defizitärer Performance weiterhin auf hoher See krampfhaft auf Kurs gehalten? Warum wrackt man diese eigentlich schrottreifen Schweröldampfer nicht endlich ab, die mit ihren täglich in rauen Mengen ausgestoßenen schwarzen Rauchwolken nicht nur die Atmosphäre verpesten, sondern jederzeit auseinanderzubrechen und damit eine biblische Ölpest zu verursachen drohen?

Nun, das hat einen schnöden Grund: Auch wenn die meisten Bürger den Leitmedien kein Vertrauen mehr schenken und sich anderen Informationsquellen zuwenden, so haben die ehemaligen medialen Flaggschiffe zumindest immer noch eine wichtige systemerhaltende Funktion als Torwächter und Denunziationslexika: Sie dienen dazu, um innerhalb der medial-politischen Landkarte des neoliberalen Ausbeutungssystems die Grenzen des Zulässigen abzustecken, abweichende Meinungen zu ächten und dann als Zitatequelle für diffamierende Darstellungen unerwünschter Persönlichkeiten herzuhalten, die dann in der neuen Wahrheitsenzyklopädie Wikipedia / Wikimedia sowie auf diversen illegalen Rufmordplattenformen wie Psiram verewigt werden. Wer in der Südtäuschen Zeitung oder im Relotius-Spiegel verrissen wird, der bekommt zumindest im etablierten Parteienapparat und in den Institutionen des öffentlichen Lebens mit Sicherheit keinen relevanten Posten mehr. Aus Angst vor „Kontaktschuld“ werden ihn auch alle anderen „renommierten“ Medien meiden und Interviews verweigern. Er ist dann aus dem Rat Race draußen, ein Outsider und die Schalthebel können weiterhin mit fortschritts- und frackinggläubigen Statthaltern besetzt bleiben, die sich darin gefallen, die noch verbliebenen Umwelt- und Humanressourcen einer möglichst effizienten betriebswirtschaftlichen Verwertung zuzuführen.

Hochinfektiöser Vogeldung

Was der Mäusefriedhofsbürger ebenfalls nicht bedenkt: Welche Infektionen er sich beim Konsum solcher Medien für sich persönlich einhandelt. Inzwischen ist ja weitgehend bekannt, dass man am Dachboden angehäuften Taubenkot von Fachunternehmen entfernen lassen sollte, deren Arbeiter mit Schutzanzügen und Atemmasken ausgestattet sind. Vielleicht liegt dabei die Belastung der Taubenexkremente mit toxischen Bakterien, Pilzen und Milben auch gar nicht in der Natur der Tauben. Tauben sind ja laut Biologiebuch „Kulturfolger“, sie folgen als solche dem Menschen in urbane Lebensräume und picken dort die Reste der urbanen Kultur auf. Vielleicht sind es also eher die schwer verdaulichen Bestandteile dieser Kultur, die ihre Exkremente so toxisch machen. Wenn jedenfalls sogar der Dung solch edler Tiere wie der Tauben toxisch ist, wie gefährlich ist dann erst der Süddeutsche Scheisdung, den schwarze Kackraben täglich über ihre massenmedialen Kanäle auf die Bürger abladen ? (siehe Illustration ganz oben)

Der ehemalige Top-Journalist Reiser spricht von einem „trüben Brei des Neobiedermeier“, der sich „über Stadt, Land, Fluss gelegt hat und der Politik und Medien, Kino und Theater, die Mode und den Sport, die Gemüter, das Straßenbild, alles und jeden lähmt“ …  von „Wahrheitskathedralen der Lüge“, in denen sich unsere Meinungsmacher und Talkmaster einfinden, um dort „als Historiker, Wissenschaftler und ‚Experten‘  getarnt, der paralysierten Republik das Rezept des Verschweigens, Marginalisierens und Desinformierens zu verordnen“ (siehe „Kopfmähroboter“).

„Langsam bekomme ich Angst …“

Warum aber nochmals diese leidige Tragödie mit unseren Massenmedien ansprechen (siehe “Der Mensch am Schlachtfeld zwischen Lüge und Wahrheit“) und sich mit ekelhaften Schmierfinken und Kackraben beschäftigen, wo doch der Wonnemonat Mai begonnen hat und man sich in der Natur am entzückenden Gesang der noch verbliebenen gefiederten Freunde erfreuen kann?

Nun, Anlass ist ein kleines Essay des jungen Nachwuchsautors Nicolas Riedl, der mich doch einigermaßen berührt hat. Überhaupt sollte man wohl öfters bei jungen Menschen nachlesen, die in unserer marktkonformen Alltagsrealität noch nicht betriebsblind geworden sind so wie manche unserer älteren Semester, sondern die sich noch eine feinfühlige Wahrnehmung für das bewahrt haben, was derzeit in der Luft liegt. Und was  besagter Autor feststellt, sollte selbst hartgesottene Beobachter des Zeitgeschehens nicht ganz kaltlassen: Es ist nicht mehr Business as usual, sondern eine neue Eskalationsstufe, die von unseren südtäuschen Spiegelbildmedien gezündet wird:

„Ja, langsam wird es mir mulmig in der Magengegend! Weil im Pressespiegel sprachlich eine neue Eskalationsstufe gezündet wurde. Es fallen nicht mehr nur Worte des Hohnes und des Spottes, sondern des Kampfes! Heutzutage geht es um „den Kampf gegen Verschwörungstheoretiker“. Es reicht nicht mehr, sich über sie lustig zu machen, ihren Lack zu ruinieren. Nein! Sie müssen jetzt bekämpft werden! Zum Schweigen gebracht und unschädlich gemacht werden!

„Munition gegen Schwurbler“, „Offensive gegen Wahn-Wichtel“ — solche Titel liest man immer häufiger. Wohin führt das? Wann wird zum Beispiel das Schreiben eines Artikels — wie ich ihn gerade verfasse — als Straftat klassifiziert? Wegen einer hanebüchenen, kafkaesken Rechtsverdrehung, die mein Recht auf Meinungsfreiheit in einen dubiosen Strafbestand der Verbreitung von Desinformation ummünzt.

Wie lange dauert es noch, bis der Tag kommt, an dem ich — nichts Böses ahnend — vom Schellen meiner Klingel aus dem Schlaf gerissen werde, die Wohnungstür öffne, mir eine Polizeimarke mit dem Bild eines finster dreinblickenden Polizeibeamten entgegenschießt, die sie haltende Hand sich senkt und mir der Polizist mit nicht minder grimmiger Miene mitteilt, er habe einen Durchsuchungsbefehl, während seine Kollegen sich bereits daran machen, meine Schultern rammend in mein Zimmer zu gehen, um meinen Computer sowie mein Handy zu konfiszieren? Das PAG macht’s möglich!

Wann wird man härtere Bandagen anlegen, um gegen die vorzugehen, die der neoliberalen und in Krieg und Vernichtung führenden Entwicklung etwas entgegensetzen? Der Raum des Sagbaren wird immer kleiner.

Und die überwiegend aus dem links-liberalen-SZ-Milieu kommenden Befürworter, die diese Entwicklung bejubeln, fangen auch noch auf dieser begrenzten Fläche das Tanzen an.

Ich bekomme Angst, ob der geistigen Eindimensionalität der breiten Masse, ganz gleich ob jung oder alt, die häufig lediglich nur noch dazu imstande ist, in kurzen Parolen, hippen, kecken Sprüchen oder gar nur in #Hashtags zu denken. Teilweise wollen viele deutsche Mitmenschen gar keine Gegenargumente mehr hören, da eine Auseinandersetzung mit diesen einiges an Zeit und Denkaufwand kosten würde.“
(vollständiger Artikel siehe Rubikon)

Man könnte diese beunruhigende Wahrnehmung noch mit vielen weiteren Beispielen und Beobachtungen untermauern. Aber lassen wir die ganze Spielerei mit ironischen und satirischen Worten einmal beiseite, wie sie uns in unzähligen – auch über den Mainstream transportierten – satirischen Formaten ja ohnehin ständig serviert werden – mit mittlerweile zweifelhaftem, womöglich eher abstumpfendem Effekt. Wie soll man im heutigen Medieninferno überhaupt noch zwischen Nachrichten und Satire unterscheiden, wo die ehrenwertesten und sauber gescheitelten Hauptabendmoderatoren der ARD ihren Tagesschauguckern aus einem launischen Anflug heraus so nebenbei eben mal das Bombardieren russischer Truppen durch NATO-Streitkräfte, also den Beginn des dritten Weltkriegs verkünden (siehe RT)?

Einmal ganz unverblümt

Lassen wir die ironisierende Wortakrobatik, mit der wir uns am Drahtseil der political correctness ständig vor dem Absturz bzw. vor dem Gestoßenwerden in den „linken“ oder in den „rechten“ Abgrund zu bewahren versuchen, also beiseite. Ganz straight und honest einmal an die Journalisten, die gerade die letzten moralischen Standards fallenlassen und sich als Bezahlschreiber für manipulative Kampagnen, zur Hetze und Diffamierung gegen die letzten noch verbliebenen Persönlichkeiten mit Rückgrat verdingen (ich muss fairerweise dazusagen: Es sind nicht alle Journalisten, es gibt auch in den großen Schreibstuben immer noch rückgratstarke Persönlichkeiten, die wertvolle Arbeit leisten und sich dem herrschenden Zeitgeist widersetzen, aber es ist leider nicht die Mehrzahl) – an diese Majorität der südtäuschen SpiegelBildjournalisten:

Meine tiefste Verachtung! – Wenn ihr einmal von dem schwarzen Loch abgesaugt werdet, um das ihr derzeit noch feist grinsend euren transatlantischen Reigen tanzt, wird niemand um euch trauern. Die Welt wird aufatmen, da sie endlich befreit sein wird von einer Pestilenz, die allen redlich gesinnten Menschen den Atem geraubt hat. Ihr hättet die Welt in eurer selbstgerechten Verblendung um ein Haar in den Abgrund gestürzt.

Ihr Schreibtischtäter befindet euch in dem, was Vaclav Havel als „Lebenslüge“ bezeichnet hat. Nicht die „Verschwörungstheoretiker“ und alternativen Denker, die ihr so verbissen bekämpft, sind gefährlich. Ihr selbst seid gefährlich. Psychologisch gesehen projiziert ihr euer eigenes inneres Defizit bzw. eure Entwicklungsverweigerung nach außen. Die Gleichung ist dabei einfach: Innere existenzielle Angst (die sich beim Versäumen der notwendigen Konfrontation mit Wahrheit und Lüge unweigerlich einstellt) wird zu Hass – welcher wiederum zum Bekämpfen geradewegs derjenigen Mitmenschen anstachelt, die eben den Mut aufbringen, sich der Wahrheit zu widmen.

Bei allen Lesern, die an solchen diffamierenden Machwerken der Leitmedien-Journalisten Gefallen finden, ist es übrigens dieselbe einfache Gleichung: Angst wird zu Hass. Lässt man diesen über die massenmedialen Kanäle auf sich übergreifen, dann internalisiert man auf unbewusste Weise die Motive eines dahinterstehenden politisch-ökonomischen Systems, das Jean Ziegler als „kannibalisch“ bezeichnet. Man gibt diese Motive dann wieder nach außen weiter, wird als Missbrauchsopfer selbst zum Handlanger eines retardierenden Systems und reagiert „allergisch“, wenn couragierte Personen wie z.B. Daniele Ganser Hintergründe der politisch-ökonomisch-militärischen Machenschaften beleuchten.

Durch eine Erziehung zu passiver Autoritätsgläubigkeit und Unterwerfung unter die Doktrin der herrschenden Lehre „in einem erbärmlichen geistigen und seelischen Zustand gehalten“ (Max Horkheimer), fällt man dann laut Horkheimer einem perversen Mechanismus zu Opfer: Man „betet dann die eigenen Gefängniswärter und die Symbole des Gefängnisses an und ist bereit, nicht etwa diese Wärter zu überfallen, sondern den in Stücke zu reißen, der einen von ihnen befreien will“.

Wenn wir diesen eigentlich primitiven Funktionskreis nicht durchbrechen, dann könnte es schon demnächst um uns alle geschehen sein. Denn wenn die Wahrheit gemeuchelt wird, dann werden auch all die Schergen und scheinbaren Profiteure des Systems (siehe „Alles in Butter: Prof. Michael Butter – Wie man tapfer feige eine wissenschaftliche Lanze bricht“) den Erstickungstod in einer unmenschlich gewordenen technokratischen Lebensrealität erleiden. Ihre eigenen Kinder werden sie für das, was sie herbeigeführt haben, einmal hassen.

Nachsatz:

Keinesfalls sollte die Wahrnehmung des zunehmend hasserfüllten Diskurses in den „Leitmedien“ zu einer Resignation führen. Denn die gute Nachricht ist: Man kann den vorgenannten primitiven Funktionskreis (Angst –> Hass –> Projektion) jederzeit durchbrechen, indem man sich aufrichtet und  aus der kollektiven manipulativen Vereinnahmung zum mutigen individuellen Einzelkämpferdasein durchringt  … was natürlich zunächst durchaus anstrengend und auch ungewohnt ist, da wir durch das kollektive Schul- und Erziehungssystem eben zu Autoritätshörigkeit und Gruppenzugehörigkeit erzogen wurden und uns erst mühsam aus diesem nicht mehr tragfähigen Selbstverständnis bzw. der Vermassung emanzipieren müssen. Dabei ist es zunächst natürlich ungewohnt, abseits der herrschenden Meinung und aller Gruppenzugehörigkeiten ein freies individuelles Dasein nach authentischen, selbst gewählten Maßstäben zu etablieren. Man kann sich dann nicht mehr in einem hierarchischen System, diversen Symbiosen oder hinter Kollektivmeinungen verschanzen.

In Wirklichkeit gibt es aber heute keinen anderen Weg, um psychisch gesund zu bleiben – denn selbst die stärksten Kompensationsmöglichkeiten durch Konsum, Alkohol und Entertainment hören mittlerweile auf zu wirken und führen einen bei Weiterverfolgung des Weges in der Lebenslüge und Illusion nur zu Depression und Burnout. Der einzige Weg, um als Individuum gesund zu bleiben – und inmitten aller Anspannungen und Niedergangserscheinungen sogar kräftiger, lebensfreudiger und zufriedener zu werden – ist also: Sich in einem souveränen Einzelkämpferdasein jenseits aller Gruppenzugehörigkeit wiederzufinden. Indem man diese individuelle Kraft aufbringt, sprengt man so nebenbei auch alle menschenunwürdigen Strukturen, die durch die vorangehend genannte mediale Maschinerie krampfhaft bewahrt werden sollen.

So mühsam dieser Weg entgegen dem herrschenden Wind anfangs auch sein mag, er wird mit der Zeit immer lohnender (so wie vice versa der anfangs bequeme Weg gemäß der herrschenden, „anerkannten“  Meinung mit der Zeit immer elender wird). Selbst in allen Niederlagen, Rückschlägen und tristen Begebenheiten, die man auf diesem individuellen Weg inmitten aller degenerativen Zeiterscheinungen zwangsläufig erleben wird: Man spürt inmitten aller Bedrängnis trotzdem ein unbezähmbares Feuer des Enthusiasmus in seiner Brust, weiß, dass man am richtigen Weg ist. Man empfindet abends beim Zubettgehen sogar ein angesichts der äußeren Umstände kaum erklärbares Glücksgefühl und eine seltsame Zufriedenheit, wacht am Morgen tatkräftig auf und freut sich über die Dinge, die man noch dazulernen und kreativ in Angriff nehmen kann, um diese Welt für seine Mitmenschen und kommende Generation ein kleines Stück lebenswerter bzw. liebenswerter zu machen. Wenn man das unsägliche Meer des Leides, das uns auf dieser Welt umgibt, zumindest ein kleines Stück weit vermindert (alleine die von Horkheimer als „Tierhölle“ bezeichneten Zustände in der Massentierhaltung wären eine eigene Abhandlung wert und könnte man durch einige wenige elementare Maßnahmen unendliche Erleichterung verschaffen), dann war das eigene Leben nicht umsonst und man kann sich am Ende seines Daseins guten Gewissens und mit Würde wieder von diesem Kampffeld verabschieden. Man muss dann nicht die Worte sprechen, die die Pallativpflegerin Bronnie Ware an Sterbebetten üblicherweise zu hören bekommt:  „Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben“ (siehe Welt).

 



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