Politik

Hambacher Forst: Deutschland im Endkampf – das wahre Gesicht des Pharaonenstaates

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Sonntag, 23.9.2018. Eifel. Ja – wie wunderbar, dieses Land in dem „WIR“ gut und gerne leben. Wirklich – ein herrliches Land. Im Ausland vor allem bekannt für seine Wälder. Amerikanische Philosophen hatten dereinst mal gemutmaßt, dass sich die deutsche Philosophie nur durch die vielen tiefen, dunklen Wälder erklären lassen kann, in denen man tiefe, dunkle Gedanken denken konnte. Tiefe, dunkle Gedanken nennt man heute pauschal „Verschwörungstheorie“ und verfolgt sie mit Verachtung, deshalb kann der Wald weg. Es ist ja auch ein wunderbares Land – schauen Sie selbst, wie sich Finanzinvestoren mit wertlosen Papierdollars sich jetzt sogar Zahnarztpraxen unter den Nagel reißen, ja, sogar Zahnarztkonzerne bauen wollen (siehe Süddeutsche) – ist das nicht schön? Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten! Oder Minden: eine 70-jährige Frau entzog sich selbst erfolgreich der Zwangsräumung ihrer Wohnung – und sprang aus dem Fenster (siehe Polizei-News-Nrw). Sie ist jetzt natürlich tot – aber das Recht hat gesiegt! Bei uns können Betrüger – in 175 Fällen – Eltern das Sorgerecht entziehen (siehe Focus), in den Schulen werden zappelige Kinder mit schweren Sandfesten zur Ruhe gezwungen (siehe Kieler Nachrichten), jede vierte Frau in Deutschland wird von ihrem Partner misshandelt (siehe ntv), Betreiber von hochgiftigen AKW´s erhalten 19 Milliarden Euro Entschädigung dafür, dass sie keinen Atommüll mehr produzieren – darunter auch RWE (siehe Heise). Und für die Beseitigung des Atommülls dürfen Sie noch mal 6 Milliarden Euro zahlen – die Pläne der „Wissenschaft“ zur Entsorgung des unentsorgbaren Mülls waren halt mal wieder selber Müll (siehe Spiegel). Das wusste auch die amtierende Großkanzlerin Angela Merkel seit 1996 (siehe Greenpeace), da sie aber Teil der „WIR“-Elite ist, macht das nichts. Zahlt ja alles das kleine „wir“.

Bei uns haben selbst bekannte Schauspieler ein gutes Leben – wie Rolf Zacher, der am Ende seiner Karriere mit 509 Euro Rente in seinem alten Opel lebte (siehe t-online) – aber immerhin konnte er nicht mehr geräumt werden und wurde so 76 Jahre alt. Eine Sekretärin wird nach 34 Jahren Betriebszugehörigkeit gefeuert, weil sie die heilige Frikadelle des Pharao angerührt hat (siehe Spiegel), dadurch wurde das ganze Festmahl unrein! Das mag das „WIR“ gar nicht.

Tolles Land, oder? Könnte noch endlos weitere Aufzählungen über kaputte Brücken, verarmte Familien, überlastete Arbeitnehmer, vergessene Kinder, schimmelige Schulen (siehe ZDF), Obdachlose und vieles mehr schreiben – aber das habe ich ja schon längst. Dafür, dass Sie persönlich mehr als die Hälfte ihres ganzen Einkommens in das System speisen, liefert das System Ihnen erstaunlich wenig zurück. Aber so geht Reichtum: ordentlich kassieren – nichts liefern. Und nur so geht Reichtum. Ist also nichts für soziale Wesen, eher etwas für Asoziale, die fürs Nichtstun bezahlt werden möchten – aber fürstlich! Aber soziale Wesen gehören ja auch nicht zu den „WIR“, die sind viel zu ehrlich, anständig und gewissenhaft um echter „Leistungsträger“ zu werden – die sich konkret dadurch definieren, dass sie Ihre Lebensarbeitsleistung in private Tresore tragen.

Kommen wir mal zu den wirklich bedrohlichen Fakten – zu jenen Dingen, die für uns lebenswichtig sind – aber so selbstverständlich, dass wir sie kaum wahrnehmen wie die Entwicklung der Insektenpopulation, die „einem Alptraum gleicht“: wir haben in Deutschland 75 Prozent des Bestandes an Insekten verloren (siehe FAZ). Insekten gehören elementar zum Betriebssystem unserer Umwelt, ohne sie wächst kaum noch was. Eine erste Reaktion der Umwelt können Sie schon selbst beobachten: Gartenvögel werden seltener, vor allem jene, die von Insekten leben (siehe SWR). Ebenso verlieren wir unsere Wälder. 90 Prozent der Waldfläche sind in einem schlechten Zustand, naturnahe Wälder gibt es kaum noch (siehe Wissenschaft).

So etwas darf man sich schon vergegenwärtigen, wenn man anfängt, über den Hambacher Forst zu reden. Man braucht schon ein paar Fakten, um zu verstehen, warum manche der Waldschützer extrem erbost – und verzweifelt sind. Viele Menschen sind dort verzweifelt – wo einst ihr Heimatdorf war, ist nun eine riesige Grube voller Dreck, in der gigantische Maschinen ihr Unwesen treiben. Besuchen Sie das Gelände mal bei Nacht: ich verspreche Ihnen ein eindrucksvolles Erlebnis – es sieht aus wie auf einem fremden, leblosen Planeten, Sie fühlen sich wie auf dem Mars – oder wie auf der Erde, nachdem unsere ungesunde, ja: krankhafte Art zu wirtschaften das letzte Leben zugunsten einer neuen SUV-Generation vertilgt hat – im engen Schulterschluss von WIRtschaft, Wissenschaft und Politik.

Was geschieht da nun am Hambacher Forst? Die Medien erzählen uns eine Geschichte von 20-150 Umweltschützern (je nach Belegung der Baumhäuser), die dort versuchen, die letzten Reste eines Walds zu verteidigen – eine schöne, romantische Geschichte, die an Asterix im Kampf gegen die Römer oder an Robin Hood im Kampf gegen den bösen Sheriff erinnert: wer kann sich dieser Faszination schon entziehen? Naturnahe Menschen im Kampf gegen seelenlose Maschinen und Konzerne – das ist schon Stoff für Hollywood.

Blicken wir zuvor kurz nach Dortmund. Der Blick ist mir aktuell wichtiger als der nach Chemnitz, weil in Dortmund Neonazis auftraten, die nicht in Form von perfiden Unterstellungen und heimlichem Ossihass von anderen als solche bestimmt wurden, sondern Gestalten, die sich wirklich nach dem Führer und seinen Massenvernichtungsfabriken sehnen, die sie zur Rettung Deutschlands lieber heute als morgen wieder errichten möchten. 90 – 300 Nazis marschierten durch die Stadt, entzündeten Pyrotechnik, brüllten Irrsinn („Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“) – und die Polizei blieb weitgehend unsichtbar (siehe DerWesten). Es waren „wenige Streifenwagen“ in der Nähe – berichten die Nazis selber ganz stolz. Und das, wo vor kurzem noch ganz Deutschland auf Anweisung von oben im existentiell wichtigen Endkampf gegen Rechts zusammenstand und jubelte: „wir sind mehr“.

In Hambach jedoch … waren 4000 Polizisten im Einsatz, plus schwerem Gerät. Der Wald ist als „gefährlicher Ort“ definiert worden – somit kann die Polizei dort mit erweiterten Befugnissen Grundrechte außer Kraft setzen (siehe Zeit). Nun – es gibt Berichte des Werkschutzes über lebensgefährdende Übergriffe der Waldbesetzer – und es gibt Berichte über lebensgefährdende Übergriffe des Werkschutzes auf Waldbesetzer: schwer, sich da eine Meinung zu bilden. Vielleicht hilft ein Blick auf das „Skillsharing-camp“, eine Veranstaltung der Waldbesetzer für ihre Unterstützer. Was lernt man dort (siehe hambacherforst.org): man redet dort über gewaltfreie Kommunikation, über nicht-direktive Pädagogik, es gibt Energieberatungscrashkurse für Hausbesitzer, Rechtsberatungen … und auch Dinge, die WIR nicht so schön finden: Ladendiebstahl, Schwarz fahren, Raubkopien, den Ausbau von Do-It-Yourself-Fähigkeiten zum geldfreien Leben und Ernährungsmöglichkeiten nach dem finalen Crash der Wirtschaft. Man rüttelt dort an den Heiligkeiten unseres angeblich so säkularen Systems: dem EIGENTUM.

Allerdings ist Eigentum nicht gleich Eigentum, dazu muss man etwas weiter ausholen – auch, um zu verstehen, warum die Pharaonen und ihre Götter wieder zurück sind. Sie kennen ja diese Pharaonen, oder? Am besten kennt man sie ja durch ihre Bauwerke, die Pyramiden. Breiter Grund, kleine Spitze. Die Welt heute ist voller Pyramiden – mal wieder, voller juristischer, geistiger und virtueller Pyramiden. Schauen Sie sich mal die Organigramme aller Staaten und Konzerne an: Pyramiden. An der Spitze der Pharao, umgeben von einem Nimbus von Heiligkeit – darüber … wie seit Jahrtausenden schon – die unsichtbaren Götter, die jedoch bei den modernen Glaubenssystemen handfeste Menschen sind: die „Investoren“, die im Hintergrund alles bestimmen, vor denen alle (vor allem aus dem Kreis der WIR) auf die Knie fallen und sie anhimmeln, ihre Gunst erflehen und für ihre Gnade beten. Man darf sich ruhig diese religiöse Dimension anschauen – weil man sonst mit der Irrationalität der Gegenwart nicht klar kommen wird, in der ein schwer reicher Energiekonzern kurz vor dem Kohleausstieg noch mal schnell einen alten Wald vernichtet, um seinen irren Willen durchzusetzen.

Stellen Sie sich doch bitte mal alle diese modernen, virtuellen Pyramiden auf einer gigantischen Linie nebeneinander vor – dann machen sie gedanklich einen Längsschnitt durch alle Pyramiden, so dass sie 10 Prozent von der Spitze abtrennen: dort haben Sie dann das WIR, von dem WIR immer so gerne reden. Der Rest – das sind Sie und die anderen Minderleister. Das Eigentum von WIR ist nun wesentlich heiliger als das Eigentum jener, die nicht so nah am Pharaonenlevel wohnen, das musste der BUND jetzt im Hambacher Forst erleben: während das Eigentum der RWE mit massiver Polizeigewalt verteidigt wird, wird das Eigentum des BUND im gleichen Forst einfach enteignet (siehe BUND).

4000 Beamte gegen 150 Waldbesetzer: das ist eine klare politische Botschaft an die Menschheit. Mord, Vergewaltigung, Verherrlichung des Faschismus … das alles darf auf Gnade hoffen, aber wehe … WEHE … man rührt an die Grundfesten der Pyramide, stellt sich dem Pharaonenstaat und seinen Werkzeugen (hier der Megakonzern RWE) in den Weg: dann gibt es GEWALT. Da versteht man keinen Spaß mehr. Da wird auch nicht lange gefackelt, wenn ein Sympathisant zu Tode kommt – Anwohner berichteten schon zuvor von „lebenbedrohlichen Umständen“, die durch die Polizei herbeigeführt wurden (siehe jungewelt) – und es waren auch die besonderen Umstände dieser Aktion, die das Familienunternehmen Gerken dazu bewogen haben, ihre Hebebühnen im Forst still zu legen (siehe bento) … die in dieser Nachricht nebenbei erwähnte Betroffenheit auf Seiten der „Entscheider“ hielt jedoch nur kurz an, der für heute geplante friedliche Waldspaziergang – an dem auch der Autor dieser Zeilen teilnehmen wollte – wurde kurz zuvor untersagt (siehe msn). Aktuell ist die Polizei auch in besonderen Schutzanzügen unterwegs, die Bewohner verrichten ihr Notdurft auf die Einsatzkräfte (siehe Spiegel): so etwas darf nun wirklich nicht einer breiteren Öffentlichkeit vorgeführt werden.

Sicher – manche erkennen die erschreckende Symbolik, die hinter dieser besonderen Aktion steht (siehe Deutschlandfunk), manche wollen jetzt „gegen die Braunkohle aufstehen“ (siehe Deutschlandfunk), jene fossile Energieform, die dem Staat jährlich 28 Milliarden kostet (siehe Greenpeace), wenn man Klima – und Gesundheitsschäden mit einbezieht. Doch mir wäre lieb, wenn man noch weiter denken würde – so weit wie der Film des Rechtswissenschaftlers Joel Bakan, „The Corporation„, der kurz und knapp aufzeigt, wieso unser Wirtschaftssystem sich selbst vernichten wird: die „wichtigste Institution des Kapitalismus“ – der Konzern – ist nach klinischen Gesichtspunkten einem Psychopathen gleich zu setzen, der mit enormer Skrupellosigkeit, Rücksichtslosigkeit und gnadenloser Dummheit seinen Weg durch die reale Welt pflügt … so wie die gigantischen Braunkohlebagger sich bald durch den Wald pflügen werden.

Besser als im Hambacher Forst wird man die vernichtende Dramatik der Menschheit gegen seelenlose Gewalten kaum noch visualisieren können – und deshalb wäre ein Sieg gegen die Pharaonen mit ihren Megamaschinen (wozu – im übertragenen Sinne – eben auch ein Konzern zählt, dem wir – anders als Robotern – schon längst die juristischen Rechte eines Bürgers eingeräumt haben – was ihn unbezwingbar macht) von großer Symbolkraft für die Menschheit.

Darum ist die Auseinandersetzung im Hambacher Forst keine kleine Streitigkeit zwischen ein paar Baumknutschern und dem rechtschaffenem Konzern, der tief in der Gesellschaft verwurzelt ist: es ist eine der elementaren Auseinandersetzung zwischen der humanen Kultur, der offenen Gesellschaft … und ihren letztlich inhumanen Feinden. Und darum der große Paukenschlag mit 4000 Polizisten, damit alle und jeder selbst im hintersten Winkel des Landes versteht: wenn es gegen den Willen von KONZERNEN und den Pharonen an der Spitze geht, ist ganz schnell Schluß mit lustig! Dann stellt die Regierung die ganze Staatsmacht hinter dem Konzern … und wir stehen im Regen. Das soll uns für die nächsten Jahrzehnte eine Lehre sein!

PS: ein kleiner, nicht unbedeutender Nachtrag noch, damit das Bild vollständig wird. Die RWE will die Braunkohle unter den Bäumen … aber nebenbei braucht das Land die Bäume selbst sehr dringend, darum muss das Thema auch schnell und gründlich vom Tisch. 2007 hatte ein CDU-Hansel „sechs absurde Holzlieferverträge“ geschlossen, die dem Land riesige Schadensersatzforderungen einbringen könnten … weshalb alles abgeholzt wird, was gesägt werden kann – auch aus dem Nationalpark Eifel. Lesen Sie ruhig mal den Artikel (siehe Aachener Nachrichten): sie werden erstaunt sein, wie Ministerien Unternehmen ein vielfaches an Holz verkaufen, als je lieferbar sein wird … und sowas können nur Pharaonen (also: die, die WIR sind), die sich schon immer gottgleich wähnten.

Dabei hätte man hoffen können, dass die nach 3000 Jahren endlich aus der Geschichte verschwinden … aber die Findigkeit von Juristen, die Gier von Geldsäcken und die Dummheit vieler Mitbürger hat ihnen wieder den Weg geebnet.

Schade auch.

Vielleicht sollten wir mal mehr auf das Wetter achten – so symbolisch gesehen. Der letzte Winter (2017) war der zweitdunkelste seit 1887 …. der dunkelste war 1934 (siehe Spiegel).

Vielleicht gibt es ja wirklich manchmal Omen, die vor dunkelster Zukunft warnen.

 

 

 



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