Donnerstag, 31.5.2018. Eifel. Armut. Wird ja viel diskutiert in Deutschland. Zu den vielen Telefonaten, die ich in den letzten Tagen geführt habe, gehörte auch eins mit einem Menschen, der in Afrika lebte. Dort, wo Afrika noch Afrika ist, in den Dörfern der Savanne. Auch hier war das Thema „Armut“. Bei jenen Menschen, die höchst einfach leben, keinen Kühlschrank haben, keinen Fernseher, kein Auto, keine Krankenversicherung (ja – überhaupt keine Versicherung), jenen Menschen, die ihr Essen noch selber anbauen und selber erjagen, ist Armut … unbekannt. Es ist schwer mit ihnen darüber zu reden, dass wir sie als arm empfinden – und noch schwerer wird es, wenn man mit ihnen über Deutschland redet. „Miete“ ist für sie ein völlig unbekanntes Konzept, jeder hat seine eigene Hütte, das ist selbstverständlich. Das jemand alle Hütten aufkauft mit Geld, dass Banken ihm leihen und dann mit „wohnen“ ein Geschäft macht, gilt ihnen als völlig irre: wieso sollte man sowas zulassen? Das dies auch für Nahrung und Wasser gilt … und den für uns so wichtigen Strom … führt schon zu der Vermutung, dass der deutsche Mensch in einer Art Gefängnis steckt, wo ihm im Jahr – sofern er noch die Arbeit anderer erledigt und ihre Anweisungen korrekt befolgt – sechs Wochen Hafturlaub im Ausland gegönnt sind.
Schnell kommt auch das Wort von Sklaverei auf. Sicher: Auto fahren kann kindliche Freude hervorrufen – für einen gewissen Moment. Dann jedoch zeigt sich der Perdefuß: man muss über Geld verfügen, sich irgendwie in den Fluss des Geldes – oder in den Dienst des Geldes – stellen, um die Ansprüche, die die Menschen selbst und das Auto an einen stellen, befriedigen zu können. Das war es dann mit der Freiheit, man ist sofort im System … einem System, dass die Vernichtung der Welt als Nebenwirkung … wenn nicht sogar als Ziel hat. Da wundert man sich nicht, dass es mal eine afrikanische Studentin in NRW der siebziger oder achtziger Jahre gab, die mit den Mitteln der Filmstiftung NRW unser Leben in düstersten, abschreckenden Worten schilderte – ganz anders als die Asylwerbefilme der Bundesregierung. Der Buschmensch ist halt reich, die Natur beschenkt ihn ohne Ende. Auch sein Leben hat Herausforderungen, klar – aber er ist sich seiner Kraft bewusst und kann sich diesen Herausforderungen gezielt stellen – und an ihnen weiter wachsen.
Dahingegen ist der weiße Mann wie ein Baby, völlig abhängig von der Gnade fremder Menschen, die – wenn es ihnen danach ist – Preise erhöhen, Gehälter oder gerade mal die Rente kürzen oder Hartz IV absichtlich so klein rechnen, dass Mangelernährung, Depression, Mutlosigkeit und ständiger Mangel logische Folgen dieser ständigen Zermürbungstaktik sind. Ja: mit Hartz IV hat die Lumpenelite im Land der Bevölkerung den Krieg erklärt und mit einem gnadenlosen Blitzkrieg begonnen, dessen Ende noch nicht abzusehen ist, dessen Prinzip aber erkennbar ist: „Alles Geld für „die da oben“, nichts für „die da unten““. Damit unsere Abgeordneten da mitmachen, hat man sie einfach reich gemacht … einen jeden von ihnen … so dass sie automatisch zu „denen da oben“ gehören und sich selbst disziplinieren, dabei bleiben zu dürfen.
Längst haben wir wieder einen Ständestaat. Oben sitzen die, die sich bestens eingerichtet haben, die gute Kontakte zu Banken haben, die sie mit allen notwendigen Geldmitteln ausstatten, um ihre Pläne durchzusetzen. Dann folgen jene 38 Prozent, die noch einen unkündbaren Vollzeitarbeitsvertrag innehaben. Ja – forschen Sie doch selber mal nach: mehr sind es nicht. Damit kreisen 62 Prozent der Deutschen um „Arbeitslosigkeit“ herum, das sind 26 Millionen, von denen bislang auch 14 Millionen auch mit Hartz IV in Berührung gekommen sind. Das ist die Wahrheit im ehemaligen Lande der Dichter und Denker, das – nach einem kurzen Abstecher ins Land der Richter und Henker – zu einem Volk von Tricksern und Täuschern geworden ist, und die größten Trickster und Täuscher sind unsere großen, allseits gefeierten Helden … siehe Dieselskandal oder Riesterrente. Ja, und ganz unten sind die, mit denen beim besten Willen kein Profit mehr zu machen ist, für sie gilt aktuell die alte Wahrheit der Konzentrationslager: so billig wie möglich versorgen … bis weiteres möglich wird und durchgesetzt werden kann. Unmenschlich sein können wir Deutschen immer noch sehr gut, das haben wir nicht verlernt, das haben wir auch durch die Umerziehung nach dem Krieg hindurch gerettet.
Da geht es nicht nur um Hartz IV, da geht es auch um Rente. Ich staunte nicht schlecht, als eine der Anruferinnen mir ihre Rentenhöhe bekundetet: 300 Euro im Monat wird es geben. Da stellt sich nicht die Frage: essen oder wohnen, damit geht beides nicht.
Nun – ich könnte Ihnen noch viele Zahlen präsentieren, doch mir steht der Sinn danach, mal einen jener Armen selbst zu Wort kommen zu lassen. Man muss es einfach immer mal wieder erfahren, was Armut in Deutschland wirklich bedeutet: und diese Armut ist … das sehen wir am Beispiel des afrikanischen Dorfes … nicht „relativ“ sondern vernichtend. Lauschen wir mal einen Menschen, der arm ist. Der Hintergrund ist schnell erzählt: ein Leben lang gearbeitet, dann krank geworden, unheilbar krank. Rücken war verschlissen, da ging nichts mehr, nicht jedenfalls als Krankenpflegerin, wo beständig Patienten hin- und hergehoben werden müssen. Ja, es gab eine Rente: ein Erwerbsminderungsrente. Und mit ihr … kam die Armut.
„Alles was ich die letzten 2 Jahre gelernt habe, man ist allein. Ich kann mich so nicht über Wasser halten. Das ganze ist so erniedrigend, mir alles egal jetzt. Ich will keine Abfallkuebel durchsuchen. Die Zeiten werden nur schlechter. Falls ich wieder einen Job finde, und bei meinem Beruf dürfte es nicht so schwer sein, steige ich wieder ein. Lasse die Rente zurück stellen.
Denen ist das eh genehm. Man muss nur sofort Kontakt aufnehmen mit der Rentenversicherung.
Ich habe mich eben gefragt, auf welche Weise man schneller draufgeht. Wusste nicht, daß Armut ein vehementes Gesundheitsrisiko ist. Weitläufiges Thema. Hab aber keine andere Chance. Selbst meine Kinder haben sich verabschiedet. Am Versagen, wie auch immer, ist man selbst schuld……
Ich will nochmal raus aus dem Klischee verstehst Du. Dabei weiss ich, dass da draußen kein Blumenstrauß zu gewinnen ist, aber mit der Würde ist es so eine Sache. Bin sogar mittlerweile bereit, wieder ins Ausland zu gehen.“
Arbeiten zu gehen mit einem kaputten Rücken heißt für die Zukunft: Rollstuhl. Irgendwann geben die restlichen Bandscheiben nach, sowas kenne ich persönlich. Das ist nicht lustig – doch die Zeiten, wo die Lebensarbeit von Menschen geschätzt wurde, sind vorbei. Sie sind nur noch Ware, die wertlos wird, wenn sie beschädigt ist und sich selbst weiter schädigen muss, um bestehen zu können.
„Und seit ich das begriffen habe, das ich der einzige Mensch bin, der mir helfen kann, werde ich zurück ins Krankenhaus gehen.
Ich habe an Hospiz Arbeit gedacht.
Ich war, und bin traurig aber es wird besser. Ganz einfach deshalb, weil mir fremde Menschen zur Seite stehen, wie schon so oft in meinem Leben. Die Resonanz ist weitgehend positiv, und das bestärkt mich. Ich werde gemocht. Die Familie kann keinen Staat mit mir machen, die sind alle streamline gebürstet.
Aber es macht mit Mut zu erleben, dass es anderen nicht egal ist, wie es mir geht.
Ich werde öfters von einer Nachbarin zum Essen eingeladen als so manche mit Budget. Habe Überraschungen an der Tür hängen..
Kürzlich hat mir mein Sohn das Wlan weggenommen. Wohne ja hier zur Untermiete, die Wohnung gehört seiner Freundin. Mietvertrag läuft Ende Julei aus. Aber mein Glück hat mich wieder nicht verlassen. Die Baugenossenschaft hat mir eine eigene günstige Wohnung angeboten. Die haben mitbekommen, was hier so abläuft.
Wie gesagt, ich hab nur noch mein altes Handy, ich muss es zum Fenster raus halten, um ein Netz zu finden.
Mein Bruder bemerkte einmal, wer es hierzulande nicht zum Millionär gebracht hat, ist selber schuld. Na gut so.
Ich bin sehr isoliert, und meine politischen Ansichten sind anstößig. Weisst Du lieber Freund, alles habe ich verloren.
Die Menschen, die mir mit Sicherheit geholfen hätten, sind allesamt verunglückt.
Eltern, Bruder, Ehemann.“
Die Kranken müssen wieder arbeiten gehen. Wie in den Lagern der NS-Zeit. Ansonsten heißt es: Mülltonnen durchwühlen. Das ist die brutale Realität in einem Land, das sich nur noch durch Täuschen und Tricksen über Wasser hält – oder durch brutalen Diebstahl des Eigentums der Schwächeren … d.h. durch Verstaatlichung ihrer bisher angesammelten Vermögen wie bei Hartz IV oder der „Grundsicherung“ für Rentner. Und da wundern sich die feinen Herrn Ökonomen, dass die Billionen frisch gedruckten Geldes keinen Run auf Immobilien erzeugt haben – außer bei Investoren. 62 Prozent der Deutschen sind doch auch gar nicht mehr kreditwürdig – und es sind noch mehr, denn zu diesen 62 Prozent muss man jene zählen, die trotz unbefristeter Vollzeitstelle viel zu wenig verdienen, um einen Kredit zu erhalten.Nachdem ich meine Wohnung verloren hatte, musste ich meine Habseligkeiten unterstellen. Alles was wertvoll, mir heilig war, gestohlen.
Und jetzt habe ich auch noch meinen Sohn verloren. Armut macht ihm Angst, und er hat nicht den Mut, sich zu mir zu stellen.
Mein Rücken ist zwar kaputt aber lieber zurück in den Dienst, etwas positives für andere tun. Es stärkt das Selbstbewusstsein und macht Freude.
Entschuldige dass ich soweit aushole, ich möchte Dich nicht mit meinen Privatangelegenheiten belasten. Aber so lange schon lese ich Deine wunderbaren Gedanken und scheue mich daher nicht.
Ich lasse mich nicht unterkriegen.
Telefonieren kann ich nur bei Nachbarn. Zum Glück habe ich ein paar sehr hilfsbereite um mich. Vielen ergeht es wie mir. Drück mir die Daumen.
Ja – ohne die Hilfsbereitschaft von Nachbarn wäre die Armut in Deutschland schon längst viel offensichtlicher. Der Deutsche an und für sich ist wohl kein Lump – nur in seiner „Elite“ tobt sich immer wieder ein Geist aus, den man nur bestialisch nennen kann.
Ich bin nicht mehr die, die ich einmal war. Aber ich möchte mich wegen Geld nicht verlieren. Nicht so. Ich habe akzeptiert, wie die Welt im großen und ganzen um mich herum funktioniert.
Ich bin durch die Hölle gegangen die letzten 2 1/2 Jahre. Vorher habe ich gut funktioniert, alles für alle möglich gemacht. Dann kam der Zusammenbruch.
Ich will kein Mitleid.
Mein Sohn hat sich für 10.000 € ein Motorrad angeschafft. Er hatte einen Unfall. Da er sich gerade versucht, sich selbstständig zu machen, habe ich einige Putz Jobs, er hat einige Objekte, auch ein Café zu betreuen. Nun, da hab ich auch die Toilette geputzt. Er sollte sich schonen. Das abgemachte Entgelt, gab er mir nicht. Obwohl er genau weiß, wie es ausschaut in meinem Portemonnaie. Vor Schmerz hat es mich fast zerrissenen, nun ist es still geworden in mir. Das Amt, bezahlt mir Umzug und Kaution, das sind Genossenschaftsanteile. Immer wieder treffe ich auf Menschen, denen mein Schicksal nicht gleichgültig ist obwohl es gerade den Amtsträgern herzlich egal sein könnte.
Wie ich den kommenden Monat überleben soll, weiß ich noch nicht. Es wird sich finden. Aber dafür habe ich meine Würde zurück.
Du musst Dir vorstellen, welche Dankbarkeit von der Familie der Freundin meines Sohnes erwartet wurde von mir, hier in ihrer Wohnung überteuert mein Dasein fristen zu dürfen. Und verlängert hätten sie den Mietvertrag keinesfalls. Ich bin nicht konform ihren Ansichten gemäß. Darf nicht mehr mit meinem Enkel..
Der Hund meine grosse Freude, darf zur Strafe nicht mehr Gassi mit mir. Es ist der gemeinsame Hund meines Sohnes und mir. Er liebt mich abgöttisch.
Nachdem bekannt wurde, daß ich ausziehen werde, gibt es nur noch Straf-Massnahmen.
Ich bete viel, lese viel, gehe unter Menschen, versuche aufrecht zu bleiben, und es ist schwer manchmal.
Mal sehen, was der Tag schönes bringt heute.
Bis bald. Alles ist im Fluss!Wie beiläufig dieser Satz … in diesem reichen Land. „Wir ich den kommenden Monat überleben soll, weiß ich nicht“.
Was erkennen wir an Armut in dieser Geschichte?
Formen der Armut in diesem Land, die in den von uns so verachteten „ärmlichsten“ Kulturen nicht existieren.
Arm wegen mangelnder Menschlichkeit.Arm wegen mangelnder Würde.
Arm wegen der fehlenden Kontrolle über die Nahrungsmittelversorgung.
Arm wegen mangelnder Gesundheit und Fürsorge
Arm wegen mangelnder Sicherheit – und mangelnder Zukunftsperpektive.
Arm wegen mangelnden Schutzes vor Bestien.
So in etwa hatte das auch jene Filmstudentin in Afrika beschrieben, über die man sich – sogar beim „Spiegel“ – damals fürchterlich echauffiert hatte. Finde den Artikel leider nicht mehr – und den Film hätte ich gerne gesehen. Vergleichen Sie mal die Dimensionen von Armut, denen unser Mitmensch ausgeliefert ist, mit jenen, die in unserem Gedankenbeispiel des afrikanischen Dorfes existieren. Die schützt vor den Bestien der Savanne ein grober Zaun, der sie draußen hält – und dringt der Löwe ein, bekommt er es mit vielen Speeren zu tun.
Und wie stehen wir im Vergleich da?
Wie die Indianer, die sich einst am Glitzern der Glasperlen ergötzt haben, mit denen man ihnen ihr Land abgekauft hat – ohne dass sie überhaupt verstanden, was da geschah. Nur … im Vergleich zu ihren Perlen sind unsere „Geschenke“ giftig, zerstörerisch, mörderisch, lärmend und landschaftsvernichtend, zerstören weltweit die Lebensgrundlagen der Menschen und die Qualität der Lebensmittel, verseuchen Wasser, Erde und Luft und machen uns zu den ärmsten menschlichen Kreaturen der Geschichte – was wir nur nicht so merken, weil uns der Vergleich fehlt. Wir merken es am Ende unseres Lebens, wenn die erschreckende Erkenntnis erfolgt, dass wir … nie „unser Leben gelebt haben“.
Gilt nicht für Sie, meinen Sie? Dann fragen Sie sich mal, was von ihrem eingebildeten Reichtum übrig bleibt, wenn der nächste große Crash kommt – er kündigt sich gerade an (siehe Handelsblatt). Die Verschuldung der Welt, „in der wir gut und gerne leben“, hat neue Rekordwerte erreicht (siehe Heise oder Handelsblatt).
Weiterhin … kaufen wir Dinge, die wie nicht brauchen, von Geld, das wir nicht haben, um Menschen zu beeindrucken, die wir nicht leiden können.
Das es auch anders geht … zeigen die Jungs und Mädels von „geldfreier leben„. Ihr Hauptaktivist hat es auch schon mal in die Medien geschafft (siehe Spiegel)
Vielleicht – ist es noch nicht zu spät für radikale Umkehr. Oder aber – die Bestien haben gewonnen. Doch dann wird es wirklich Zeit, sie mal beim Namen zu nennen – all´ jene, die meinen, nur Millionäre hätten auf dieser Welt noch eine Existenzberechtigung. Nennen wir sie „Bestien“ – wie die Löwen in Afrika. Nur … sie wohnen mitten unter uns, uns schützt weder Zaun noch Speer.