Bundestagswahl 2017

Eingekocht und ausgegart – über das alternativlose Wahlergebnis und die Logik des Gänsebratens

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(Bilder: Jacques Prilleau)

Ehrlich gesagt, hege ich insgeheim die Hoffnung, dass heutzutage professioneller Wahlbetrug stattfindet und die uns präsentierten Ergebnisse gar nicht echt sind. Sonst müsste ich mich nämlich fortan mit einem sehr flauen Gefühl in der Magengrube in den morgendlichen Straßenverkehr begeben. Denn wenn bei einer unerwartet hohen Wahlbeteiligung von immerhin 76,2% fast jeder dritte Wähler derjenigen Frau seine Stimme gegeben hat, die Deutschland und Europa so nah an den Verglühungstod herangeführt hat wie noch niemals zuvor (siehe „Angela Merkel und das namenlose Grauen“) und man nun weiß, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Autofahrer, die einem auf der Gegenfahrbahn entgegenkommen, potentiell suizidal veranlagt ist, stellt man sich schon die Frage, ob die Kriterien der Vernunft nun vollends außer Kraft gesetzt wurden.

Während sich unsere Leitmedien nach dem gestrigen Wahlabend darüber ergießen, ob sich der Bundestag nun in den Farben einer Jamaika-Koalition oder in den Farben einer Schinken-Käsepizza konstituieren wird, kann sich der Träger der unsichtbaren Hand des Marktes grinsend in seinem Schreibtischsessel zurücklehnen, die Füße auf den Tisch schlagen und sich genüsslich eine dicke Zigarre anrauchen. Für ihn sind die angeblich so überraschenden Wählerstromverschiebungen, die gestern stattgefunden haben, nur Ameisengetümmel. Alles läuft weiterhin wie geschmiert. Wie der Kognitionsforscher Rainer Mausfeld in einer jüngsten Analyse herausgearbeitet hat (siehe Rubikon), bereiten Wahlen in einer repräsentativen Demokratie den Mächtigen schon lange keine Sorgen mehr, sondern sind selbst im Falle vollständiger Politfrustration jedesmal aufs Neue nur eine willkommene Gelegenheit, um die neoliberale Schlinge der Verwertungslogik noch ein Stück enger zu ziehen.

„Mit dem Mechanismus der parlamentarischen Repräsentation lässt sich dies bewerkstelligen, da zwar die parlamentarischen „Volksvertreter” abgewählt werden können, jedoch nur durch andere Mitglieder aus dem Spektrum vorgegebener Elitegruppierungen ersetzt werden können. Diese Form einer repräsentativen Demokratie hat gegenüber offen autoritären Herrschaftsformen, wie etwa dem Feudalismus, den Vorteil, dass sich ein Veränderungswille der Bevölkerung nicht gegen die eigentlichen Zentren der Macht richten kann, sondern nur gegen ihre vordergründigen Erscheinungsformen, die parlamentarischen Repräsentanten und Regierungen.“
(R. Mausfeld)

Zur Wahl standen auch dieses Mal lediglich Komplementärfarben aus der transatlantischen Mottenkiste, dank deren wie auch immer gearteter Kombination jedenfalls eines feststeht: Das große Fracken der Umwelt- und Humanressourcen kann weitergehen. Wer also noch genügend Kleingeld hat, um in Aktienfonds der Zitronenpressenindustrie zu investieren, der wird in den nächsten Jahren bestimmt nicht enttäuscht werden … (siehe auch: „Heute Griechenland, morgen wir“)

Nachdem SPD-Führer Schulz ja bereits vor der Wahl im Fernsehduell durchblicken hat lassen, dass er mit dem Oppositionssessel liebäugelt und geneigt ist, das Schicksal Deutschlands vollends Merkels transatlantischer Flachmannschaft zu überlassen, steht nun eine schwarz-gelb-grüne Koalition im Raum. Albrecht Müller, dem ehemaligen Wahlkampfmanager von Willy Brandt, schwant bereits Übles:

„Mit Merkel, Lindner und Göring-Eckardt am Kabinettstisch wird das Land gesellschaftspolitisch vermutlich weiter in Richtung Neoliberalismus verschoben …. Vermutlich wird die absehbare Koalition in der wichtigen Frage unserer Abhängigkeit von den USA wie auch bei der damit verbundenen Frage des Verhältnisses zu Russland schlimmer agieren als die Große Koalition. Dort zeigte sich zumindest zuletzt bei Außenminister Gabriel ein Stück Vernunft und Friedfertigkeit gegenüber Russland, und Vernunft auch in Fragen der Sanktionen. Die Grünen Spitzenkandidaten Özdemir und Göring-Eckardt sind hingegen eingefleischte Atlantiker und Russenhasser.“ (Quelle: Nachdenkseiten)

Indem sich die SPD nun in die Opposition zurückzieht, ist die CDU von jenem Hemmschuh befreit, der sich aufgrund seines noch in sozialromantischen Zeiten festgeschriebenen Parteiprogramms berufen gefühlt hat, zumindest ab und zu „Pieps“ zu sagen und den Finger zu heben, wenn die fest in transatlatischen Lobbyverbänden inkorporierte Rautenkönigin das Zepter geschwungen und den Ausbau der Deutschen Bahngleise in Richtung Grand Canyon angeordnet hat. Die Transatlantisch-Nihilistische Kommerzpartei (TNKP), die sich aus wahltaktischen Gründen immer noch „CDU“ nennt, wird also ebenso wie Macrons „En Marche“ mit seinen sagenhaften 13,4% der wahlberechtigten Stimmen nunmehr schrankenlos durchregieren können. Zur Rolle der durch großzügige Bankspenden bedachten FDP in der kommenden Koalition brauche ich, glaube ich, nicht viel zu sagen. Die Definition des Eifelphilosophen (FDP = CDU, ganz ohne „Christlich“, nur noch Wirtschaft) sagt bereits, wohin die Reise gehen wird. Welche neoliberalen Qualitäten die AfD als Opposition einbringen wird, kann man unter anderem auf Telepolis nachlesen. Auch die grünen Schrumpelpfefferonis auf der demnächst servierten Koalitionspizza werden dem Zug Richtung Grand Canyon nicht im Weg stehen, sondern ihn nach Kräften mitheizen (siehe „SOS im Grünen Buntbarsch-Aquarium“).

Damit der Alltag  unter dem knallharten neoliberalen Wirtschaftsprogramm von CDU und FDP  nicht vollends die Lust verliert, werden die Grünen Koalitionspartner – die trotz reinem Katzenstreuprogramm immerhin einen Stimmenanteil von fast 9% eingefahren haben – dieses Wirtschaftsprogramm mit einer fortschrittlichen, liberalen Kulturoffensive garnieren: Dildos im Klassenzimmer, frühkindliche Masturbation für 0-4jährige laut WHO-Richtlinie,  im Unterricht „ein Puff für alle bauen“ und Analverkehr simulieren, Sado-Maso und Dunkelkammer für Karottenkönige im Klassenzimmer (einfach selbst mal nach diesen Stichworten googeln), Gender-Madstream und die totale Digitalisierung unserer Kinder sind angesagt. Die mit der sexualpädagogisch nicht unerfahrenen Kirche eng verbundene CDU findet das alles offensichtlich „geil“ und will als bedingungslos fortschrittliche Partei auch auf dieser Ebene den Fortschritt nicht länger verhindern. Altbackene Familienmodelle mit stabilen Mann-Frau Beziehungen ebenso wie geschlechtliche Identitäten müssen schleunigst aufgelöst werden, wie soll man sonst den vollkommen entgrenzten, bindungslosen und zu allem bereiten „Arbeitskraftunternehmer“ züchten, den der freie Markt fordert? (siehe Rubikon: „Wenn Arbeit psychisch krank macht“) Um diesen Menschen zu züchten, müssen bereits in der Kinderstube alle analogen Rückzugsräume entzogen werden und unsere Kleinen so früh wie möglich an einen LED-Flatscreen angestöpselt werden, auch wenn dies allen bisherigen pädagogischen und neurophysiologischen Erkenntnissen widerspricht und kompetente Nervenärzte wie Dr. Manfred Spitzer die geplante digitale Bildungsoffensive als ein Ticket in die digitale Demenz ansehen. Siehe dazu auch ein Essay von Prof. Konrad Paul Liessmann:

„… Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es manchen nicht schnell genug gehen kann, bis die jungen Menschen jede Form des Denkens, Fühlens und Handelns, die nicht von den Algorithmen der Internetkonzerne bestimmt ist, nicht nur verlernt, sondern erst gar nicht gelernt haben und dadurch in jeder Hinsicht von ihren Geräten abhängig werden: digitale Drogen, nun auch staatlich verordnet.

Von der Seite der Pädagogen ist kaum Protest zu erwarten, wer möchte schon als technik- oder fortschrittsfeindlich gelten. Dass der vielbeschworene kritische Umgang mit den digitalen Medien eine Distanz zu diesen zur Voraussetzung hat, die sich aus Kenntnissen und Fähigkeiten speisen muss, die sich nicht der digitalisierten Welt verdanken, ist eine Einsicht, die ausgeblendet wird, obwohl gerade darin eine der zentralen Aufgaben von Schulen läge. Immerhin: Für das unmündige Leben in einer postdemokratischen Gesellschaft, deren digitalisierte Kommunikation zunehmend totalitäre Züge annimmt, werden diese jungen Menschen bestens vorbereitet sein.

Und nach der Katastrophe wird es wieder einmal niemand gewesen sein.“ (Quelle: nzz)

Fünf statt vier Jahre wollen die grünen Harlekins und ihre großen Onkels und Tanten nun Zeit haben, um diesen Fortschritt auf Schiene zu bringen. Wer in diesem Land dann immer noch nicht gut und gerne lebt, der ist wirklich von gestern und sollte am besten ebenso in einen Recyclinghof ausgelagert werden wie die Scharen an Minderleistern, die dann das Land bevölkern werden und die dem Fortschritt nur im Weg stehen.

Selbst wenn man die Pizzakoalition nach diesem menschheitsgeschichtlich einmaligen Regierungsprogramm wieder abwählen wollte, wird sich dem Zug, der dann auf Volldampf geheizt ist, womöglich niemand mehr entgegenstellen können, ohne dabei plattgemacht zu werden.

Viele witzeln gerade über das jüngste Wahlergebnis in einer Art von hilflosem Humor: „Nun, das gleiche wie immer, nur viel schlimmer.“ Aber was soll man auch sagen, wenn einem in Wirklichkeit die Worte fehlen? Wie soll man ein solches Wahlergebnis interpretieren? Ist der Wähler bloß der Logik des Gänsebratens gefolgt, wonach es für einen bereits gerupften, filetierten und im Ofenrohr befindlichen Braten keinen Sinn macht, eine Unterbrechung des ihm gemachten Garaus zu fordern und so zumindest eine schmackhafte Mahlzeit für die unsichtbare Hand des Marktes abzugeben? – Nun, vielleicht wäre wirklich niemandem geholfen, wenn der bereits leicht angeschmorte Braten vorzeitig aus dem Backrohr springt und sich die unsichtbare Hand womöglich ihren weißen Hemdsärmel bekleckert, wenn sie in einen Braten hineinsticht, der noch nicht durch, sondern noch halb blutig ist …

 



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